1513. Das isch Herrgottäwätter.

[292] a) Auf Bristen lebte vor Zeiten ein braves Mandli, das mit jeder Witterung zufrieden war. Hatte die sengende Sonne die steinigen, steilen Wiesen feuerrot gebrannt, so meinte es, das sei Herrgottenwetter; zerschlug der Hagel das feine Gras, so sagte das Mandli, das isch Herrgottäwätter! Und trieb der Schnee die Älpler mitten im Sommer zu Tale, so tröstete es sich und andere mit dem Gedanken, das sei Herrgottäwätter. Aber auch ihn schonte der Tod nicht. Als sie seine Leiche nach Silenen zur Kirche trugen, herrschte das abscheulichste Wetter. Beim St. Antoni Kapellchen stellten sie altem Brauche gemäss die Leiche ab und beteten Fünfe für die Seelenruhe des Abgestorbenen. Der Regen fiel in Strömen. Von allen Seiten tosten die Bäche zur Tiefe und unheimlich donnerten[292] die Lawinen in den Lauitälern und an den Abhängen der Alpen. Da sagte hinter der Leiche ein Bristner zum andern: »Tät-er ächt hit äu sägä, das syg Herrgottäwätter?« Jetzt erhob sich der Tote und rief deutlich und laut: »Und ich sägä-n-äu hit nu: Das isch Herrgottäwätter.« Und legte sich wieder als Leiche nieder.

b) »Das isch Wätter, wie Gott will.« Oder: »Leid Wätter, scheen Wätter, Wätter wie Gott will.«

c) Auch in Wassen soll sich eine ganz ähnliche Geschichte ereignet haben. Zweimal hörte je einer der Träger das obige Wort des Toten: »Das isch Herrgottäwätter« auf dem Wege zum Friedhof aus dem Sarge tönen, und unmittelbar vor der Versenkung auf dem Friedhof hörten es alle vier Träger, unter denen auch der Gatte meiner 85jährigen Erzählerin aus dem Landgut in den Steinen war, der es nachher zu Hause erzählte. (Auch ein Beispiel, wie alte Sagen von einer Person auf andere, immer wieder jüngere, überspringen und oft als eigenes Erlebnis erzählt werden.)


Friedr. Epp, Frau Baumann-Dubacher, und a.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 292-293.
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