1559. Berührung eines Geistes.

[313] Nachdem das Rynächthäuschen abgebrannt war, liess sich im Türli der Haglücke von Zeit zu Zeit nachts ein gespenstiger, grosser Mann blicken, so gross, dass sein Hosengurt grad über die oberste Latte des vierlattigen Hages zu liegen kam. Der Marti-Hansi von Erstfeld wünschte ihm einmal guten Abend, erhielt aber keine Antwort. Da kamen auch seine zwei Gespanen hinzu und wünschten ihm ebenfalls die Zeit an, und als der Geheimnisvolle stumm blieb, sagten sie zu ihm: »Worum red'sch nyt?«, und Marti-Hansi, der etwas angestochen war, berührte ihn an einem Bein. In diesem Augenblick bog sich das Gespenst, das in der Strasse stand und ihr den Rücken kehrte, mit dem Kopf und dem Oberleib vornüber über den Lattenzaun bis auf den Boden der Wiese, wie eine Weidenrute am Wege. Die Füsse standen in der Strasse, und der Kopf berührte den Wiesengrund jenseits des Zaunes. Das Gespenst verbreitete dabei einen furchtbaren Gestank.

Der Marti-Hansi büsste seine Keckheit mit einer Geschwulst an einem Bein.


Franz Zurfluh, Erstfeld.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 313.
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