1598. Der Spuk in der Kulm.

[331] »Mein Vater begab sich an einem Frühlingsnachmittag in Begleitung eines halberwachsenen Knaben in die hintere Kulm, ein Berggut in Attinghausen, um dort mit »scheenä-n- und büwä, iberhäupt mit der Lanxiarbet« zu beginnen. Beim Häuschen in der vordern Kulm guckte er im Vorbeigehen hinein und rief den Leuten: »Chemet de hinecht züemmer hindärä, mer wennt den ä-chly pandürä!« Die Leute sagten zu. Als sie mein Vater am Abend kommen hörte, setzte er sich gleitig so auf den Tisch, rüstete, zählte und mischelte die Karten. Da auf einmal ertönte ein furchtbarer Knall, und es klatschte etwas wie mit einer flachen Hand auf den Tisch und wischte den Vater einfach in die Diele hinaus.

Nun, deswegen liess er sich vom Spielen nicht abwendig machen. Wie das Völklein grad im grössten Spieleifer war, hörten sie jemand über die Gadenbsetzi kommen. »E nu«, fragten sie sich ganz verdutzt, »isch etz scho so spät, dass[331] scho der Meister chunnt?« Es kam an die Haustüre, öffnete sie, trat in die Küche, durchschritt sie und klopfte an die Stubentüre. »Nur innä!« riefen alle. Aber niemand wollte eintreten, und als sie in der Küche und vor dem Haus Nachschau hielten, war niemand zu finden. Jetzt legten sie doch die Karten beiseite, die Nachbarn gingen nach Hause und der Vater ins Bett; der Bub hatte sich schon vorher unter die Decke gemacht.

Während der Nacht war der Vater genötigt, den Chibel zu benützen, und da sah er plötzlich die Kammertüre aufgehen und jemand hereinkommen. Er meinte, das sei der Bub, und rief: »E nu, bisch dü da!« Aber kein Mensch antwortete, die Erscheinung war verschwunden, der Junge schnarchte gemütlich in seinem Nischt. Am folgenden Tage meldete der Vater alles getreulich seinem Meister, und dieser bekannte: »Ja, ja, ich weiss es scho lang, dass i dä Chulmä nid alles sübers isch.«


Zacharias Zurfluh, Erstfeld.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 331-332.
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