Ostergebräuche in Burg.

[142] Da wo eine Spinnstube war, versammeln sich an den vier Sonntagen vor Ostern und am stillen Freitag, wenn die Dunkelheit heraufkommt, die Spinnmädchen aus den Spinnstuben und gehen dann hinaus auf ein freies Feld in der Nähe, treten in einen Kreis und singen wendisch Auferstehungslieder,[142] z.B. »die Seele Christi heil'ge mich etc., O Haupt voll Blut und Wunden etc., Da Jesus an dem Kreuze stund etc. und am stillen Freitag noch »Nět daj moj Jezus dobru noc, nun gieb mein Jesus gute Nacht«. Die beste ist Vorsängerin, sie beginnt, die anderen fallen ein. [Es hat etwas geheimnissvolles und ergreifendes, wenn man diese dunklen Gestalten dastehen sieht auf blachem Felde, in der Stille der Frühlingsnacht und hört ihre schwermüthigen Gesänge zum Himmel erschallen und aus der Ferne andere Lieder herüberklingen].

[In der Osternacht, mitternächtlich, versammeln sich wiederum die Spinnerinnen, jede Spinnstube für sich. Zu vieren in geordnetem Zuge, ziehen sie, Osterlieder407 singend durch die Nacht. Singend gehen sie ihren Weg, treten in die erleuchteten Häuser, über die Schwellen, vollenden in den Stuben den Gesang. Dort harrt man ihrer und bewirthet ziehen sie weiter. Nach Sonnenaufgang, im Morgengrauen, wankt noch der Zug, mit weissen Kopftüchern, im Gleichschritt dahin.]

In der heiligen Osternacht bis Aufgang der Sonne wird schweigend Osterwasser in den Fliessen geschöpft. Ueberall erscheinen dunkle Gestalten und treten ans Wasser, Kopf und Hals sich zu waschen408 und Kannen und Flaschen voll Wasser zu schöpfen409. Eine berühmte Stelle410, Osterwasser zu holen, ist an der Grenze von Müschen und Burg; da sollen neun Grenzen zusammenkommen. Zahlreiche Menschen kamen dort früher in der Osternacht zusammen. Im Dorfe Burg schöpft man das Osterwasser an der Mühle und der Spree; Jungen und Mädchen411 begiessen sich um sich zu necken und das Schweigen zu stören!

Während der Leidenszeit, bis zum ersten Osterfeiertage, gehen Frauen und Mädchen in Trauer.

Zu Ostern [am ersten und zweiten Feiertage] holen die Kinder von[143] ihren Pathen412 [kmotř, kmotřa] »die Ostersemmel«,413 welche ebenso sehnlich erwartet wird, wie anderswo die Weihnachtsgeschenke. Dann laufen sie mit fröhlichen Gesichtern, an der Hand von Vater oder Mutter oder sonst jemand kreuz und quer durch den Spreewald, die Geschenke in bunten Tüchern414 tragend. Dann kann der Kleine zu Hause die Zeit nicht mehr erwarten, wohl zehnmal zupft er der Mutter am Rocke. »Mama, mama, pojžomej po jaja, Mama, Mama, wollen (beide) nach Eier gehen.«

Das Ostergeschenk besteht regelmässig:

1) aus der länglichen »Ostersemmel«, jatřowa guska, von 1 – 11/2 Fuss Länge. Der runde Fleck in der Mitte giebt den geringeren oder grösseren Preis derselben an;

2) einem grossen Pfefferkuchen, papreńc.

3) einem kleinen Pfefferkuchen oder statt dessen: drei Eiern, oder drei kleinen Prezeln oder einer zweitheiligen Semmel; und oft noch

4) aus der Zugabe přidank, einem »Schnitt« [Stück Zeug] zum Taschentuch, oder einem Messer oder Geld oder dergleichen mehr.

Bis zum 12. Jahre holen die Kinder selbst die Ostersemmel, vom 12. bis 14. wird sie ihnen gebracht.

Wenn sie die Ostersemmel zum letzten mal bekommen sagen sie zu ihren Pathen: Ja se wam źěkuju za te guski, až sćo mé tak dłujko dawali, až sćo me ku křesćijanoju spórali. Ich danke Euch für die Semmeln, dass Ihr mir [sie] so lange gegeben habt, dass Ihr mich zum Christen gemacht habt.« B.

Wenn früher nach der hoperga (1. Mai) der Schäfer die jungen Lämmmer zum ersten mal auf die Weide austrieb, hatte er in der Tasche ein gekochtes Ei mit und musste mit diesem Ei die ganze Heerde (Schafe und Lämmer) dreimal umkullern. Dann wurde das Ei gegessen. S.[144]

Am Himmelfahrtstage415 soll man nicht nähen. Doch eine Mutter nähte mal ihrem Sohne ein Hemde, denn er sollte auf die Wanderschaft in die Fremde. Dann ging er. Dann kam ein Gewitter und blieb immer bei ihm, und er wusste nicht, was er machen sollte. Zuletzt zog er sein Hemde aus und warf es hin. Wie er dann ein »Ende« weg war, schlug das Gewitter ein und riss das Hemde kurz und klein. Daher soll man nicht an Himmelfahrt nähen. G.-S.

Zu Pfingsten416 schmückt man Thüren und Fenster mit »Maien« [grünen Zweigen, z gałuzami]. B. S.

– wird eine lange Maistange, maja,417 in der Nacht vor dem ersten Feiertage errichtet, mit Bändern und Kränzen geschmückt, umtanzt und nach vierzehn Tagen wieder heruntergenommen. Werben? Bagenz?

In der Nacht vor Pfingsten errichten die jungen Burschen die meja, die Maistange; eine lange Stange, an deren Spitze ein Holzkreuz mit Bändern befestigt ist. Daran oben an der Spitze ist ein Strauss mit einem Tuche und Bändern. Die meja bleibt bis zum 24. Juni, Johanni, stehen; Dann wird Kegelschieben veranstaltet. Die Stange wird meistbietend verkauft, das Geld kommt in die Junggesellenkasse und wird vertrunken. S.

Zu Johanni – wird die Maistange weggeräumt, – soll man Kräuter suchen, Johannisblumen, janske kwětki, z.B. torant, kokulanka, stroželinowe zele (Schreckkraut), bes Flieder u.s.w.

Auf Johanni418 soll man – neunerlei Blumen in einen Kranz flechten und in der Mitte der Stube aufhängen. Der dreht sich dann immerfort und wendet sich das ganze Jahr um.

– neunerlei Kräuter vor Sonnenaufgang suchen, die sind gut gegen Reissen und Krankheiten. Lübbenau.

Am Bartholomäustage [24. Aug.] werden in der Spinnstube in eine Mulde voll Wasser zwei Blätter vom berwjung [Vinca minor L. (Aschs.)]419 gelegt, eins für einen Junggesellen, das zweite für ein Mädchen und zwar an jedem Ende der Mulde ein Blatt. Dann wird die Mulde auf einen Schemmel oder eine Bank gestellt und für jedes Blatt ein Name gesagt. Schwimmen die Blätter zusammen, so kommt auch das Paar im Jahre zusammen, wenn nicht, so wird aus der Heirath nichts420. S.

In vielen niederwendischen Dörfern wird Lobtanz, lobdanc [Ernte-Lobedankfest] gefeiert.

Wenn Lobtanz ist [am 9. Sonntage nach Trinitatis], findet »Hahnschlagen«, kokota zabijaś, statt, auf einem Stoppelfelde, Wiese u.d.m. Die Burschen, ein Tuch über die Augen, einen Dreschflegel in der Hand, schlagen nach einem Topfe,421 der in einiger Entfernung vor ihnen steht. Wer trifft ist König, Kral, und bekommt einen grossen Kranz; auch werden[145] ihm auf Kosten der Mädchen ein Tuch oder eine Weste gegeben. Dann treten die Mädchen in einen Kreis, fassen sich an und drehen sich im Kreise. Musik erschallt, der kral tritt mit verbundenen Augen in den Kreis und muss ein Mädchen »greifen«. Welche er kriegt, ist Königin, kralowka und bekommt ein Tuch, Band o.d. Dann wieder Musik, König und Königin tanzen und gehen dann, sich führend, in die Schenke. Hier ist allgemeiner Tanz, während kral und kralowka etwas zum Besten geben.422 Bagenz.

Zu Kirmess423, kermuša, kjarmuša backt man Kuchen, geht in die Kirche und macht sich Besuche. S. B.

Wenn das letzte Korn geschnitten wird, sagt man žinsa kokot (heute ist Hahn), ein Kranz von Korn und Blumen wird gemacht und mit Bändern geschmückt. Wenn dann die letzte Garbe herunter ist, geht es auf den Hof, dort wird getanzt, die Arbeiter kriegen Branntwein und Bier und alsdann wird in der Schenke getanzt. Die Kränze, aus Korn, Hafer, Gerste, Flachs gemacht, werden in der Schenke aufgehängt. S., Gablenz. 3. I, 182 Anm. 1.

Beim letzten Kornschneiden wird zu Hause ein Erntekranz gemacht und dem Wirth übergeben. Dabei wird gesagt:


»Mit lauten Jubel bring' ich den Erntekranz,

Hätt' ich ein Rösslein, so käm ich geritten.

Dieweil ich dies nicht hab', bin ich zu Fuss gekommen

Und habe diesen Kranz hier mitgenommen.«


Dann wird ein Lied gesungen und in die Schenke gegangen. Jämlitz.

Wenn die letzte Garbe gebunden, oder überhaupt von jedem das letzte gewonnen, z.B. die letzte Staude Kartoffeln aus der Erde genommen wird, so sagt man: »Du kriegst den Alten; etsch, etsch; – sieh, nun hat sie den Alten; – ich werde mich hüten, dass ich nicht den Alten kriege.« Das wird gedeutet auf einen alten Mann, den ein Mädchen bekommt [keinen jungen]. G.-S.

Bei der letzten Kartoffelstaude, die jemand beim Kartoffelbuddeln, knydle kopaś [in der Kartoffelernte] herausnimmt, sagt man:


»Du hast den Ollen [Alten]424

Der ist gut zu behollen [behalten].«


Wer sie hat, muss Schnaps zum Besten geben; beim Abdreschen ist es ebenso Heiligensee.

[146] Mittwochs soll man sich die Nägel abschneiden,425 dann bleiben sie bis Sonntag so und wachsen nicht mehr.

Freitags soll man sich die Nägel beschneiden. B. S.

Sonnabends soll man nicht spinnen. B. S.

S. soll man keinen Mist fahren. G.-S.

Sonntags soll man keine Nägel beschneiden, sonst stiehlt man. G.-S.

Wenn man am S. die Nägel abschneidet, dann wachsen sie zu schnell wieder. B.

Wer am S. zwischen Vor- und Einläuten des Gottesdienstes geboren wird, der sieht alles. B.

Das erste Viertel im Monat »ist gut« sich die Nägel abzuschneiden. S.

Was in der Erde wächst, wie Kartoffeln, Rüben u.d.m. soll bei Neumond gesät werden, wenn es gerathen soll.

Flachs aber geräth nicht, auf Neumond gesät, sondern blüht immerfort bis zum »Ausreifen«. B.

Wenn der Schäfer im Frühjahr von den Schafen die Lämmer ausschneiden ging, ging er mit einer »Molde« (mecki). In der hatte er von den geschnittnen Lämmern die Hoden und von den weiblichen Schafen die Schwänzel (wot baranka tej jajce, wot jagnicki tu hopyšku) und kriegte für jedes Stück ein Hühnerei. Der ausgeschnittne barank, Widder, hiess jarlink. S.

Wenn um Weihnachten »herum« geschlachtet wird, so kommen die Mädchen aus der Spinnte vor die Fenster und sagen so ganz erbärmlich, als wäre ihnen recht schlimm und sie könnten vor Hunger kaum fortkommen: »Üch, üch, üch, üch [stöhnend] ńeb'dźoćo ženu wórštu dać, da ńeb'dźomy se tu wašu Hanku [oder Hanska u.s.w.] brać. Üch, üch, üch, üch, werdet Ihr keine Wurst geben, so werden wir nicht Euer Hannchen [Hänschen] nehmen (heirathen)«. S.

In Burg ist das Schlachten ebenfalls eine Art Schlachtfest. Gute Freunde auch die nächsten Nachbarn werden eingeladen; Fleisch und Fett in Fülle.[147] Bekannte, namentlich Mädchen, die im Hause öfter spinnen, singen wie folgt und holen sich ihren Antheil. Auch bietet das Schlachten Gelegenheit, allerhand Mummenschanz und Verkleidungen aufzuführen426. Schlachtlieder, »Wurstlieder« sind:


1) »Wir haben gedacht,

Sie haben geschlacht't.

Wir haben gerochen,

Sie haben gestochen.

Kommt er427 nicht 'raus,

Kommt sie doch 'raus,

Und bringt uns jedem eine (ein Paar)

Wurst (Würste) heraus.[148]

Nicht zu gross und nicht zu klein,

So, dass sie geht in den Kober hinein,

Lasst uns nicht so lange stehen,

Wir müssen noch weiter gehen.« B.


Dies wird immer deutsch gesungen und ist das allgemein übliche.


2) »My smy zamysliłi,

Až wy sćo šlachtowali.

My smy culi,

Wy sćo štapali.

Njepřižo wón wen,

Ga přižo wóna.

A přińaso nam por jěšnicow wen.

Nic cu welikich, nic cu małkich,

Ale take, až do kobele žo.« B.


[Dies wurde nur vereinzelt gesagt und ist lediglich eine Uebersetzung des obigen.]


3) »Wy sćo źinsa wašu rědnu sytu swińu

Wy sćo źinsa šlachtowali,

Jěšnice sćo gótowali.

Co ga sćo z tym puchaŕom?

Kusk nam dajśo,

Kusk nam dajśo,

Nic se ńezagrańajśo.

Dajśo nam małko abo wěle,

Tak až nekryńomy śele.428

Dajśo nam kusk jěšnicy.

Šnaps nam dajśo,

Šnaps nam dajśo,

Nic se ńezagrańajśo,

Aby wy ženogo doma ńeměli.

My smy was gor deŕe wiźěli,

Ako sćo z teju flaśku šli,

Nět se wiźi, tak ak u was

Nět se wiźi, tak ńej' niźi.

Wy nam dajśo,

Coź wy maśo.

Wy jane dobre luźe,

Was b'źomy chwaliś pŕece šuźi.

[Ihr habt heute Euer schönes fettes Schwein

Ihr habt heute geschlachtet.

Würste habt Ihr gemacht,

Doch was habt mit der Blase [Ihr gemacht].

Gebt uns ein Stück,

Gebt uns ein Stück.

Redet Euch nicht aus.

Gebt uns wenig oder viel,

So dass wir nicht ein Kalb kriegen.

Gebt uns ein Stückchen Wurst.

Schnaps gebt uns,[149]

Schnaps gebt uns.

Redet Euch nicht aus,

Als hättet keinen Ihr zu Haus.

Wir haben Euch gar wohl gesehen.

Als mit der Flasche Ihr gegangen seid.

Jetzt zeigt es sich, so wie bei Euch,

Jetzt zeigt es sich, so ist es nirgends wo.

Ihr sollt uns geben,

Was Ihr habt. –

Ihr seid »mal« gute Leute,

Euch werden wir loben immer überall.«]429


4) »Der Müller schickt den Martin 'raus,

Der Martin soll den Haber schneiden.

Der Martin schnitt den Haber nicht,

Und kam auch nicht nach Hause.

Da schickte der Müller den Pudel raus,

Der Pudel sollte den Matthes beissen.

Der Pudel biss den Matthes nicht

Der Matthes schnitt den Haber nicht u.s.w.

... Der Knüppel sollte den Pudel schlagen u.s.w.

... Das Feuer sollte den Knüppel brennen u.s.w.

... Das Wasser sollte das Feuer löschen u.s.w.

... Der Ochse sollte das Wasser saufen u.s.w.

... Der Fleischer sollte den Ochsen schlachten u.s.w.

... Der Wurstmann sollte die Würste machen,

Der Wurstmann machte die Würste nicht u.s.w.

Und kam auch nicht nach Hause.

Kommt er nicht 'raus, kommt sie doch 'raus,

Und bringt mir eine Wurst heraus,

Nicht zu gross und nicht zu klein

Dass sie geht in den Kober hinein«. B.


Ebenfalls, wenn auch seltner, als Wurstlied gesungen.

407

Jatřowne spiwańe.

408

Früher badeten sich auch viele ganz im Wasser, jetzt weniger.

409

In den Colonie- und Kaupergemeinden nimmt man wegen der vielen Wasserläufe Laternen in die Hand, darum sieht man um Mitternacht viele Lichter erscheinen. – Früher hatte man Laternen von Horn (Gestell wie Scheiben; diese von flachgezogenem Rindshorn). So sollen noch vor 30–40 Jahren in Melkersdorf 2 Hornlaternen in Gebrauch gewesen sein. Ich erwarb in Müschen eine Laterne mit Gestell von Eisenblech und Hornscheiben, welche noch vor 15 Jahren nachts beim Dreschen (was verboten) benutzt wurde; ihr Licht ist röthlich. Nach den feuergefährlichen Hornlaternen kamen Holzlaternen auf, von gewaltiger Grösse mit nur einer Scheibe auf der Vorderseite, sog. »Budlaternen«; darnach erhielten sie 4 Scheiben, Schliesslich wurde Holz von Eisenblech, dies von Weissblech verdrängt. Man hatte auch eigenthümlich gestaltete Holzleuchter, noch erhalten; (sicherlich gab es vormals Prachtleuchter von Holz, kunstvoll geschnitzt.) Sie vertraten die Lampe, die erst vor 50–60 Jahren hier auftrat. Talglichte łojowa swěcka zog jeder selbst. Das Talg wurde gekrescht und in warmes Wasser gethan, dann Dochte (tocht), welche, von Leinwandstroddeln (lewantowa) gemacht, an einem Stocke hingen, so lange durch das Talg gezogen, bis die Lichte sich bildeten. B. Auch in Schleife noch vor 50 J. Holzlaternen, früher auch Blechlaternen mit Hornscheiben. S.

410

Ich war auch dort in der Osternacht.

411

Früher, bis vor mehreren Jahrzehnten, gingen die Spinnerinnen beim Ostersingen in lange, weisse Tücher (den rub) gehüllt. Wenn sie dann in der Mühle bewirthet, beim Lichterschein an langer Tafel sassen, sahen sie »wie Gespenster aus« und »begegnete man einer in der Nacht, war's zum Erschrecken.« B.

412

Manche Leute sollen 10–30 Kinder zu Ostern zu versorgen haben. Ein schlauer Viehhändler, der im Spreewalde Vieh aufkaufte, hat angeblich 73 Mal Gevatter gestanden (um die Viehverkäufer an sich zu knüpfen).

413

Die »Ostersemmel holen« heisst (wie noch mehr, po jaja, »nach den Eiern« gehen) schlechtweg das Ostergeschenk holen. [Eigentlich po te cerẃene jaja, nach den rothen.]

414

Wie auch stets die Erwachsenen. Niemand trägt etwas (ausgenommen Geräthe od. d.) bloss in der Hand, sondern wickelt es fein säuberlich in ein Tuch, weil es hübscher aussieht. [To ńehuglěda redńe!] Dieser Sinn für das Geschmackvolle zeichnet die Bewohner von Burg aus. Ich sah Mädchen an Fest- und Feiertagen beim Ankleiden sechs bis acht Schürzen aus der Lade nehmen, bis sie die fanden, welche in der Farbe am besten zum Kleide stand. Mit diesem allgemeinen Schönheitssinne ist ein feines Gefühl für Farbe verbunden. Aus jenem entspringt auch die Liebe zu den bunten Blumen. B. hat man in kleinen Gärtchen, am Fenster, B. steckt der Wende auf Mütze und Hut, tragen die Mädchen auf der Brust und in den Händen; Blumen-Sträusse und Kränze schenkt man einander. B. schmücken die Kirche und das hochzeitliche Haus, Kränze Schule und Spinnstuben. B. in den Händen eilen die Kinder fröhlich zur Schule und in B. werden heiter die todten gebettet. Blumen-Kränze hängt man zum Gedächtniss der Todten in die Kirche, findest Du allerwärts in den Stuben, weihen die Spinnerinnen. Und wenn das Kind auf dem Krankenbette lag und wiedergenas, dann windet es Kränze und vertreibt mit B. die Zeit. Und grosse Künstlerinnen sind dort im Blumenwinden und wie viel schöner die Sträusse dieser einfachen Naturkinder, als jene gequetschten Teller der Gärtner! Heiter wie die Farbe der Blumen ist die Jugend der Wenden. Fröhlich lebt dies Volk seine Tage dahin, und wenn auch Kummer und Sorgen die Gemüther drücken, leicht schüttelt die Jugend sie ab.

415

Stupny stwortk [stupaś (auf-) steigen].

416

Swětki [Lichtfest] (swětło Licht, swět [Licht] Welt) sjatki bei Muskau, Burg bei Burghammer u.s.w.

417

Majstanga in Preilag; majowy bom [wo?].

418

Am Wege nach dem Dorfe Heiligensee bei Berlin liegt der Schifferberg, an dem soll ein Schifferkahn versunken sein. Aus dem Berge kam früher am Johannistage mittags, zwischen 12 und 1, eine weisse Frau hervor und liess sich sehen (sah aus wie eine Puppe?). Heiligensee.

419

Nach Herrn Ascherson: lateinisch perwinca, daher berwjung.

420

Es sei hier auf den Aufsatz: die Krautweihe (Verhandl. des botan. Vereins der Prov. Brandenburg XIV. Berlin. 1872) des rühmlich bekannten Botanikers H. Ignatz Urban hingewiesen. Diese (bei Warburg, Westphalen) findet statt am Sonntage nach dem Feste Assumptionis Beatae Mariae Virginis [15. Aug.].

421

Schleife: kokota bić. Ein alter Topf (ohne Hahn) wird nur spasshalber zerschlagen, getanzt und getrunken.

422

Als Feiertage gelten noch: Johannistag, Mariä Lichtmess und Michaeli, Michała. (Die Dienstboten, das Gesinde, ziehen zu Weihnachten.) Burg.

423

Zu diesem wie allen Festen viel Kuchen gebacken. Die flachen Blechkuchen in Burg und ziemlich allgemein mazańc [rnazaś schmieren], zu Weihnachten das »Christbrot« [Stolle]. Die »baba« [Frau], der Napfkuchen mit einem Loch in der Mitte, früher ausschliesslich zu Hochzeiten gebacken, soll vormals in Burg nicht heimisch gewesen sein. In Schmogrow, Fehrow u.a.O. ist tykajnc [solony mazańc] flacher [gewöhnlicher Blech-] Kuchen, mit »Garbe«, Salz, etwas Leinöl für die Bettelleute bestimmt (die in den Festzeiten aus den Städten der Lausitz kommend, mit Kiepen von den Landleuten ihren Antheil sich holen), mazańc dagegen besserer, mit Zucker bestreut u.s.w. In Schleife ist tykajnc flacher [Blech-] Kuchen, mazajnc derselbe geschmiert; ausserdem kołac, rund, manchmal als Geschenk zu Weihnachten für das Gesinde, und kringel.

424

»Der Olle, Ulle wird eingebracht« [früher auch: der Roggenwulf] wenn der letzte Wagen Korn eingefahren wird. Der Liebste bekommt dann von seinem Mädchen einen Strauss, das Mädchen Bänder, auf dem Wagen eine ausgeputzte Harke. Neumark. – In Pommern: der Alte (bei Stargard). – Mit »Roggenwulf« droht man in Seelow den Kindern, wenn das Korn hoch in Aehren steht, weil es vorgekommen ist, dass sie sich im Korn verlaufen haben, elend umgekommen und beim Mähen dann todt gefunden worden sind. – A. (Ost, Aust in der ganzen Mark, und Pommern; s.S. 41) ist die Zeit der Ernte. Wer die letzte Garbe hat, wenn der Weizen gebunden wird, »der hat den Ollen.« Dazu wird aus Weizenstroh eine Puppe gemacht, mit Beinen und Armen aus Stroh (die Aehren nach unten), der Kopf wie auch die ganze Figur mit allerhand Blumen [auch aus dem Garten] besteckt. Wer nun den Ollen gekriegt hat, muss diese Puppe, die der Olle heisst, nach Hause tragen; die anderen lachen und scherzen. Beim Besitzer (Wirth, Herrn) wird getanzt und etwas zum Besten gegeben. Die Kost, welche die Schnitter da bekommen, heisst: Ollerköst. Der Olle (Puppe) wird beim Herrn auf den Flur gehängt und bleibt hängen, bis im nächsten Jahre ein neuer Oller kommt. Das Lied der Schnitter:

»Geschärft sind schon die Sensen,

Die Nachbarn sind bestellt,

Hinaus, hinaus ins Feld.

Die reifen Aehren zittern

Und winken schon den Schnittern,

Und alles ist bereit:

Es ist jetzt an der Zeit.« Bei Soldin.

»Du hast den alten Mann.« Der a.M. wird aus Stroh gemacht und auf dem letzten Kornwagen heimgefahren. Langeböse (Hinterpommern). – Oder auf der Harke heimgetragen. Neumark. Döbbernitz (Sternberg): der Alte; Amt Lebus: der Alte; überhaupt in der Mark Brandenburg.

425

Montags nicht die Nägel abschneiden, sonst hat man kein Glück in der Woche. Bei Stargardt.

426

Auch hierbei ziehen Mädchen wie Männer, Burschen wie Mädchen sich an; Flachs wird zur Ausstattung des Kopfes und Gesichtes benutzt.

427

Trebatsch:

»Herr Amtmann, Herr Amtmann,

Wir sind in Deine Schoten.

Wenn der Amtmann käme,

Mit de lange Zähne,

Mit de rothe Pudelmütze,

Ei, da werden wir schöne flitzen.« I. 300.

Wenn Kinder ins Korn gehen wollen, »kommt die Sichelfrau« (in der Hand eine Sichel. »Lützow's wilde (verwegene) Jagd.« Zu Weibn. der heilige Christ in Pelz u.s.w. »Der Wassernix kommt.« An Sylvester: Mohnpillen. Im Switensee [von swěty heilig?] bei Trebatsch [trjeba = Opfer] eine Stadt versunken. Der Drache erscheint als Kalb, Katze, – als feurige Schlange in der Luft; Futter: Milchhirse, er holt für seine Herrin von anderer Böden. Weissbrot = Kolaz. [v]. Bei Kossenblath: Brücke mit Spuck. Tilsit: man schreckt Kinder: »Da kommt der Bužebau (= schwarze Mann). Klapperbein wirft Kinder durch den Schornstein. Sylvester: Mohnnudeln. Stadt Wien: Schreck für Kinder Maumaun, Maumon (= Teifel). Am 6. November abends kommt der Nikolo. Dann stellen die Kinder ihre Schuhe auf das Fensterbrett, da hinein werden Aepfel und Nüsse gethan. Christkind an h.A. Sylvester: Fische, Zwetschken, gedörrte Birnen, Mohnnudeln. Rothe Ostereier. »Die Drute hat mich gedrückt.« [g.v.] – Wollstein (Posen): Alp; Ruprecht zu W. – Bei Berlin nach Bolle: Rumknecht zu W. – Pförten [deutsch]: »Der Schotenmann wird kommen und Dich in die Klause [Gefängniss] schmeissen.« Der Kornmann. 14 Tage vor W. kommt der Ruprecht und der helige Christ. In der Weihnachtszeit an »unschuldige Kinder Tag« durfte man nicht spinnen. Der Nachtjäger; – am Kreuzwege zwischen Kohlo und Datten. Alpdrücken. Bei Ernte: jetzt wird der Hahn gehascht (Kranz von Kornblumen und Aehren). Marienberg nach einer Gräfin benannt, nicht alt?! »Seid artig, sonst kommt der h. Christ mit der Ruthe«. – In Kohlo: altes Steinkreuz: ein Handwerksbursche hat einen andern wegen eines Ostereies erschlagen, der hat es bekommen, er wollte es haben [v.] – Joxdorf (bei Forst): ludki. In Schoten: šarenje, třašydło. Błudnik, Bludnik. Hodernyks. Nocny jagaŕ. Plon. [Glieder-] Reissen: ten wil [auch in Dörfern bei Cottbus?]

Lehnin: Pumpernickel [= Wassergeist, oder in Zehdenick?] Frau Holle?? b. den Wocken [g.v.]. Kobold [= Nix]. Die Mahrte drückt. Die wilde Jagd; mal gingen Knechte um 9 Uhr aus der Spinnstube und schrieen ihr den Jagdschrei nach. Dann kam der Jäger in die Spinnstube, ein Menschenbein hatte er und einen Pferdefuss, auf der Schulter ein Stück Wild. Das warf er denen hin. »Hast Du helpen jagen, sollst och helpen tragen.« Hexen auf Wolborgen auf Blocksberg (auch Trebatsch). Im Gohlitzsee: Dorf versunken, noch geht die Chaussee durch den See. Die Leute waren gottlos, streuten Mehl statt Asche in die Stuben. – Burg: der Koch, der früher beim Schimmelreiter war, hatte einen Sack mit alten Töpfen und Scherbeln. Wenn er nicht ordentlich gekocht hatte, prügelten sie ihn durch, und er warf die Scherben in die Stube.

428

Scherzhaft, weil niemand ein ganzes Kalb geben wird.

429

Dies Lied habe ich vereinzelt erst nach dreijährigem Suchen aufgefunden; nun ist es wieder mehr in Aufnahme gekommen.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 142-150.
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