Bedeutungsvolle Zeiten.

[126] Am Andreas-Abende, [Handrejka wjecor] binden sich Mädchen Strumpf- oder Kopfbänder (pódwěski a šnorki) ab, thun sie in eine Mulde und schwingen dieselbe; wessen Band zuerst herausspringt, die heirathet zuerst. S.

– soll man Kirschen-Zweige abschneiden und in Wasser stellen. Wenn einer dann an heilig Abend blüht, soll man ihn in die Kirche mitnehmen, dann sieht man die Hexen in der Kirche. S.

Den Tag vor Andreas, (Handreja) soll niemand spinnen. Neustadt?

Am Andreastage führten die Burschen verkleidet den Umprecht354 (Umprechta wózyś) im umgekehrten Pelze, mit Stroh umwickelt und mit einer Strohkrone, eine Ruthe in der einen, eine Klingel in der anderen Hand. So schlug der Umprecht mit der Ruthe an die Fenster, ging in die Stuben und prügelte alle jungen Leute. Auch wurde vor Weihnachten der Bär umhergeführt [mjedweźa wózyś); umwickelt mit einem ganzen Bunde Stroh, kroch er auf allen Vieren und wollte die Mädchen beissen. Bagenz.

– soll man Holzscheite herausziehen, danach kann man [Mädchen] sehen, wie der Mann sein wird. Neustadt.

– soll man nicht spinnen. Mühlrose.

Thomas war ungläubig, zuletzt wurde er gläubig. Das war am Thomastage [21. Dez.] Deshalb soll man an Domaša, am 3. Tage vor Weihnachten nicht spinnen oder vor 10 Uhr, um 1/210 Uhr Abends aufhören. Eine Frau aber hat mal gesponnen. Da erschien ihr Thomas, stellte ihr eine ganze Mulde voll Spindeln rećenow hin und sagte: »Die sollst Du vollspinnen bis 12 Uhr«. Es war aber schon nach 9 Uhr. Nun spann sie los, wickelte auf jede Spindel den Faden einmal auf, so war auf jeder eins gesponnen. Da kam Thomas a je poẁedał (und hat gesprochen): »To je tebi čert rozóm dał, zo sy to činiła. Da hat Dir der Teufel den Verstand gegeben, dass Du das gethan hast«. Burg bei Burghammer.

Den Abend vor dem Thomastage spinnt man nicht, sonst kommt der Domaš und schmeisst eine Mulde voll Därme (mecki cŕow) in die Stube. Am Thomastage selbst kann man spinnen. S. I, 182.[126]

An den vier Sonntagen vor Weihnachten355 wird in der Spinnstube to dźěćetko [das Kindchen], »der Bescherchrist« ausgeputzt und herumgeführt. Eins von den Mädchen aus der Spinnte zieht dazu ein feines reines Mannshemde an, und über die Unterröcke und Kleider eine blaubunte Schürze, módry drykowany šorcuch. Ferner hat sie weisse Strümpfe an, schwarze Schuhe, ein gesticktes Halstuch, juyšwany šantk, und eine gestickte Haube, h-u hałbu; daran (vorn über dem Gesichte) einen durchsichtigen Schleier, und auf dem Kopfe einen Kranz, wěnk. Vorn auf der Brust und den Armen, und ebenso hinten auf dem Rücken werden gleich einem Mantel lauter bunte Seidenbänder angesteckt. Beide Hände sind in weissen Handschuhen; in der linken ein weisses zusammengebundenes Tuch und eine Klingel, zwonk, in der rechten eine Birkenruthe březowy prut. Dies dźěćetko führen die anderen Spinnerinnen an (irgend) einem Adventssonntage von Haus zu Haus, wo Kinder sind. Dann giebt die Wirthin dem dźěćetko heimlich Aepfel, Nüsse, Zuckerwaaren u.d., was es den Kindern bescheren soll. Die Kinder sitzen auf der Ofenbank am Ofen, das dź. kommt herein, nickt schweigend zum Grusse, geht klingelnd mehrmals die Stube auf und ab, und schlägt alle Anwesenden, ausgenommen die Kinder, welche von ihm »bescheert bekommen«.

Wenn die Kinder vorher fragen: »Wo ist das Christkind?« so sagen die Eltern: »Das ist oben am Thurme [der Kirche] und hat so einen weissen Schimmel, reitet mit dem Schimmel zu Markte und kauft die Waaren ein. Seid recht fromm, dann wird es Euch viel bringen«. S.

An patoržyca [24. Dez.] fragen die Eltern die Kinder: »Sy da tomu dźěćetkowemu šumloju kus syna ćigotował? Hast Du dem Christkinde seinen Schimmel schon ein Bund Heu zurechtgelegt?« Dann legen die Kinder etwas Heu beim Thorwege hin, damit das Christkind seinen Schimmel damit futtern kann und der Schimmel »'reingeht« auf den Hof, den Kindern in der Nacht zu bescheeren. Am Abend nehmen das Heubund die Alten [Eltern] weg. S. – Ein Heubund und einen Eimer Wasser in Mühlrose.

Am ersten Weihnachtsfeiertage erhalten dann die Kinder, ehe sie morgens aufstehen, noch einmal bescheert. S.

Neun Tage vor Weihnachten – soll man auf einen Holzhaufen »rennen« und ein beliebiges Scheit herausziehen; ein krummes bedeutet einen krummen Mann u.s.w.

– wenn in der Nacht Mädchen und Jungen zusammengeschlafen haben, dann denken sie: sie werden sich heirathen. (Burg?)

– soll man auf dem Kreuzwege horchen, was für »Profession« [Handwerk] klappert. Solchen Mann bekommt man dann, z.B. einen Tischler.

– soll man ein Zäunchen schütteln und sagen:


»Zäunchen, Zäunchen, ich schüttle Dich,356

Feins Liebchen, komm und melde Dich«. Werben.
[127]

– soll man ein Bäumchen schütteln und sagen:


»Bäumchen, Bäumchen, ich schüttle Dich.

Wo wird mir ein Hündchen schrei'n,

Da wird zu Jahre meine Wirthschaft sein«. Bagenz.


Die Christasche, (die Asche, die »den ganzen Christmonat« gebrannt ist) soll man aufheben und damit das Vieh bestreuen, wenn es Läuse hat. G.-S.

Früher kam zu W. am Christabend oder schon vorher der Knecht Ruprecht, Rubrecht, ten Uprecht, mit grossem Barte, schwarzem Gesichte, in weissem Gewande, auf dem Kopfe eine weisse spitze Mütze mit Glocke. Kinder, welche ihr Gebet hersagen konnten, beschenkte er mit Aepfeln und Nüssen; peitschte, welche nicht beten konnten, mit langer Ruthe. Darum sagen noch heute Eltern, wenn Kinder mit vermutheten Geschenken prahlen: »Bŕazycowu, bŕazycowu gałuzu (die Birkenruthe)«.357 Hier und da erscheint Ruprecht noch. B.

Zu W. erschien für die Kinder verkleidet »der hele [heilige] Christ«, weiss, gross, mit Bart und Mantel, einen Kober umgehängt und eine Ruthe in der Hand. G.-S.

Früher (jetzt seltner) der Ruprecht umhergeführt. Gross-Döbern.

Mehrere Tage vor W. erscheint der Knecht Uprecht in umgedrehtem zchwarzem Pelze, mit einem Strohseil um den Leib, einem grünen Fichtenzweige in der Hand und einem Sack voll Aepfel und Nüssen auf dem Rücken; über den Kopf hat er ein Flachsgehänge358. Werben.

In der »längsten Nacht« vor W. giebt es Flachs und Schnaps für das Gesinde (vom Wirthe). Werben.

– werden um Mitternacht die Wocken angebrannt (dopalowak); es sollen keine nach Hause mitgebracht werden. Bagenz.

Am Donnerstage vor W. wird (von den Spinnstuben) der »Alte« herumgeführt (starego wózyś). Dazu wird eine Grossmutter ausgeputzt, mit einem »Puckel«, einen Krückstock in der Hand. Und ein Grossvater, mit einem Bunde Flachs auf dem Kopfe, oben mit rothem oder blauem Bande zusammengebunden, während der Flachs nach hinten als silbergraues Haar herunterhängt. Beide Alten haben alte Sachen an.

Am Donnerstag nach W. wird der Junge umhergeführt, młodego wozyś, deutsch genannt: »Brautschau führen«. Ein Mädchen, angezogen als Braut, einer als Bräutigam, dazu ein Brautführer (pobratř; Bagenz: družba) mit weisser Schürze359 bilden den Zug. Der geht jedesmal in die Spinnstuben und in die Häuser der Verwandten der Spinnmädchen. Die Wirthe geben Eier, Speck, Wurst oder Geld. Wenn der Zug der Reihe nach herumgekommen ist, am ersten oder zweiten Tage, geht »es« in die Spinnstube, (?) wo geschmaust wird; (das heisst pepensteuer360?). In der Fastenzeit bekommen die[128] Burschen, die den »Alten« und die »Brautschau« geführt haben, von den Wirthen eine grosse Schweinsblase mit Hirse, Fleisch, Blut u.s.w. gefüllt, Hirsenwurst. Darum sagen sie z.B. »Nět pojžomy na puchoŕ, (jetzt werden, wollen wir ›auf Blase361‹ gehen)«.

Am Christabend362 soll man, wenn die Leute in die Kirche zur jutřnja363 gehen, Stroh um die Bäume wickeln.

– mit dem Häringspapiere [worin der Häring eingewickelt gewesen] soll man die Fruchtbäume umwickeln. S.

– mit dem Stroh, in das die Häringe in Hoyerswerda auf dem Markte eingewickelt werden, desgleichen. Dörfer bei Hoyerswerda.

– Pflaumen und Kirschbäume (wiśnja) schütteln; wo die Hunde dann bellen, von da kommt der Bräutigam. (Burglehn?).

– Licht anbrennen. Sieht man seinen Schatten, so lebt man, wenn nicht, so stirbt man. Werben.

– den Pflaumenbaum schütteln und sagen:


»Bäumchen, ich schüttle Dich,

Feinsliebchen, melde Dich«. Werben? Bagenz?


Wenn am Weihnachtsabende die »Backenschützel«364 vorm Backofen stehen geblieben ist, sollen die Knechte, was auf ihr vom Teige (ćěsto) im ganzen Jahre sitzen geblieben ist, abkratzen und den Pferden geben, dann werden die Pferde dick.365. G.-S.

– Blei giessen.

– soll ein Mädchen, wenn sie den »Zukünftigen« sehen will, im Hemde dreimal um das Haus (wo sie ist) laufen und ins Fenster sehen. Sieht sie eine Mannsperson, so kriegt sie einen Bräutigam. S.

– neun Gerichte und vor allem Fische oder Häringe essen. S. Seidenwinkel (Žydźina), Neustadt.

– Häringe essen. Gablenz. Jämlitz. S.

– »palce« (Finger), das ist: Mohn gekocht mit Milch und guski (Semmeln) und Fische essen; das bringt peńeze Geld. Preilag.

– wenn man von der Kirche zurückkommt und Wind ist, die Bäume schütteln, dann tragen sie viel. S.

– um Mittag [bei Tage], während man isst, eine eiserne Kette um den Tisch ziehen, und darin den Hühnern Futter schütten, damit sie die Eier zu Hause legen. S.

– die Hühner nicht, wie gewöhnlich, »šip, šip« oder »put, put«366 rufen, sonst tragen sie die Eier fort und legen nicht zu Hause. S.[129]

– wenn man aus der Kirche nach Hause kommt, die Hühner aufscheuchen, dass sie zu Hause legen. S.

– am Pflaumenbaume367 horchen. S.

Am heiligen Abend ass man früher neunerlei. Bagenz.

In der Christnacht um 12, wenn die Uhr anfängt zu schlagen, soll man »flink« an die Kirchthüre laufen und da, wo die Thüre zum Thurme hineinführt, an der Aussenwand beliebige Ziffern anschreiben, dann frühe vor der Sonne nachsehen, was für Ziffern es sind. Die soll man sich merken und in der »Lotterie« spielen368. B.

354

In Schleife Umprecht nicht bekannt.

355

Gwězkowy jacor heilige Abend [jutřna gwězka Abendstern] in Preilag, gwězdka Bagenz. Patoržica Burg bei Burghammer; swacyna noc, swětanoc, swěty jacor Burg. – Gódy, Weihnachten (überall). Der (Weihnachts-) Feiertag: božy džeń (preni) gódowny swědźeń Schleife; swěźeń Burg; auf den Landdörfern preny godowny u.s.w. – Der letzte Abend vor Weihnachten pateržyca. S.

356

»Ein Mädchen sagte: ›Zäunchen, Zäunchen, ich schüttle dich,‹ und ein Knecht, der sich versteckt hatte: ›Ich bin der Deibel und hole Dich.‹«

357

»Wirst Du kriegen,« d.h. Schläge.

358

Strähnen von Flachs, wie wildes Haar und Bart.

359

D.i. ein grosses weisses Handtuch, in Burg, Werben handwal, handwel; Werben u.a.O. šant; Bagenz twela: Schleife twelka genannt. Im Spreewald ein Schant nur selten noch zu finden. Ich besitze (aus Burg) einen solchen aus dem vorigen Jahrhunderte, welcher durch Streifen geschmackvoller bunter Stickereien geziert ist, die (in echter Künstlerweise) in immer anderen Mustern sich zeigen. Bei Muskau u.a.O. trägt der Brautführer noch jetzt diese Schärpe. In Burg wird erzählt, »man habe sie früher auch für den Empfang der Braut in der Stube über die Thüre gehängt.«

360

Wenn ein Bursche sich mit verschiedenen Mädchen zu schaffen macht, muss er den übrigen Burschen Schnaps zum Besten geben. Diese Abgabe heisst pipensteuer [pipa = Pfeife = penis]. S.

361

Wie: auf Kirmess, auf Lobtanz u.d.

362

Weihnachtsabend, Heilige-Abend, -Nacht.

363

»Früher hiess der Gottesdienst (stattfindend nach dem deutschen) ta jacernja. Damals gingen die Wenden, versehen mit einem mächtigen ›Knust‹ [grosses Stück] Kuchen in die Schänken, wo die ›Alten‹ sich besoffen, die ›Jungen‹ anheiterten, und dann alle stillvergnügt während der Predigt vor sich hinlachten. Jetzt hat das Vergang genommen.« B.

364

Schieber, auf dem das Brot in den Backofen geschoben wird. »Wegen der Knechte lassen die Leute die Schützel am heiligen Abende nicht (wie das ganze Jahr) am Backofen stehen; bleibt aber eine stehen, so nehmen die Knechte sie weg.«

365

D.h. wohlbeleibt, gut genährt, kräftig.

366

Put ist deutsch.

367

Redensart bei Zank: »Ja b'du ši hutrěś janu słowku, ich werde Dir eine Pflaume auswischen« [d.h. eine Ohrfeige, Maulschelle, Flinka].

368

Dieser Gebrauch soll aus Hamburg stammen.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 126-130.
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