Der Vogel mit sieben Köpfen.

[31] Es war ein Vater, der hatte drei Söhne und der jüngste war sehr liederlich; darum wollte ihn der Vater ausstossen. Aber der Sohn wollte gern etwas mithaben, wenn er in die Fremde sollte. Geld hatte der Vater nicht, so gab er ihm drei Kühe.

Nun ging der Sohn seiner Wege und trieb die Kühe durch einen Wald. Im Walde begegnete er einem Fleischer mit einem Hunde und bot ihm eine Kuh für den Hund an, damit der seine Kühe triebe. Und sie tauschten beide und der Hund hiess: »Greif an«, und griff die Kühe sehr an. Weiter begegnete er wieder einem Fleischer mit einem Hunde, gab ihm die zweite Kuh für denselben. Und der Hund hiess: »Reiss auf« und beide griffen die Kühe sehr an. Weiter begegnete er einem dritten Mann mit einem grossen starken Hunde und tauschte die dritte Kuh für denselben ein und der Hund hiess:[31] »Reiss in tausend Stücke«. Nun kam er mit seinen drei Hunden in eine Stadt, die war mit blauem Tuche umzogen. Da fragte er, was das zu bedeuten hätte und sie sagten ihm: »In der Stadt fällt alle Jahr das Loos und wen es trifft, der muss um den Berg geführt werden, der bei der Stadt ist. Dann, zu bestimmter Zeit, kommt der Vogel mit sieben Köpfen und holt den ab, der da am Berge ist. Wenn aber der Vogel den Mann nicht kriegt, so kommt er in die Stadt und macht viele Menschen todt.« Gerade denselben Tag war das Loos gefallen und hatte die Königstochter getroffen. Und der König wollte sie gern erlösen und versprach sein ganzes königliches Vermögen dem, der es könnte. So meldete sich der Verstossene mit seinen drei Hunden. In einer halben Stunde war die Zeit erfüllt, und die Prinzessin wurde in gläsernem Wagen auf den Berg geführt und der Verstossene mit seinen drei Hunden ihr nach. Aber sie wurde nicht an der Stelle hingestellt, wo der Vogel immer die vom Loos Getroffenen holte, sondern der verstossene Sohn. Wie er nun da stand, kam der Vogel von oben geflogen, wollte ihn anpacken und mitnehmen. Der aber schrie auf einmal: »Greif an, Reiss auf, Reiss in tausend Stücke«. Da griffen die Hunde den Vogel an und rissen ihn in tausend Stücke. Hierbei schnitt sich der Kutscher, der die Königstocher gefahren hatte, die Zunge von den drei mittelsten Köpfen ab.

So war nun die ganze Stadt und die ganze Gegend vom Vogel erlöst und der König übergab seinen Thron und seine Tochter dem Mann, der die Prinzessin gerettet hatte. Der aber that die Bitte, dass er noch ein Jahr reisen könnte, nahm seine drei Hunde und zog weiter. Wie das die Prinzessin hörte, übergab sie ihm ihr Schnupftuch und einen Fingerring.

Wie der nun weg war, sagte der Kutscher dem Könige, dass er der Erlöser wäre und zeigte die Zunge des Vogels vor; so sollte er die Königstochter heirathen.

Nach einem Jahre nun kam der Verstossene mit den Hunden wieder, grade als die Hochzeit mit dem Kutscher war. Wie er das hörte, wickelte er seinem grössten Hunde das Schnupftuch um den Hals und daneben den Ring und schickte ihn an den Hochzeitstisch, wo die Königstochter mit ihrem Bräutigam, dem Kutscher, sass. Und der Hund kam in die Stube und an den Tisch der Brautleute und zeigte ihnen Schnupftuch und Ring vor. Nun wurde gross Geschrei, dass er nicht der Bräutigam sei; er wurde festgenommen und statt seiner der andere mit den Hunden herbeigeholt. Und so heirathete der Verstossene die Königstochter und wurde König.

Wie er nun König war, wollte er auch seine Eltern und Brüder abholen aus seinem Heimathslande, und fuhr in dem gläsernen Wagen hin zu seinen Eltern. Und sie feierten gerade ein Fest zum Andenken an den verlorenen Sohn und war grosse Freude über seine Ankunft. Und er nahm Vater und Mutter und Brüder mit sich und sie wurden alle reiche Leute und lebten zusammen. S.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 31-32.
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