Der Eibenforst.

[123] In Mathavarn, Kirchspiel Llanwrin im Cantref1 Cyveillioc ist ein Wald, welcher der Eibenforst heißt; wahrscheinlich, weil grad in seiner Mitte ein Eibenbaum steht. An einigen Plätzen dieses Waldes sind grüne Kreiße auf dem Boden, welche das Volk: Feentanzplätze nennt und von denen Folgendes Mabinogi2 geht.

Zwei Knechte John Pugh's giengen eines Tages aus, um in dem Eibenforst zu arbeiten. Schon ziemlich früh am Nachmittage war die ganze Gegend so mit dunklen Wolken bedeckt, daß die Burschen dachten, es wäre Nacht geworden. Aber als sie in die Mitte des Waldes und an den Eibenbaum kamen, flammte und hellte es sich um sie wieder auf, und das Dunkel schwand hinter ihnen. Da sie nun dachten, es sei doch noch zu früh, um schon nach Hause zu gehn, so legten sie sich da nieder und schliefen ein. Endlich wachte der Eine von den Beiden wieder auf,[123] – aber wie staunte er, da sein Kamrad nicht mehr an seiner Seite lag! Zuerst ärgerte er sich darüber, daß dieser, ohne ihm ein Wort zu sagen, sich fortbegeben hatte; dann aber dachte er sich, er sei wol zum Schuhflicker gegangen, weil er ihm schon am Morgen gesagt habe, er hätte Etwas bei dem zu thun. Das sagte er auch zu Haus, als sie ihn nach dem andren Knecht fragten. Als derselbe nun aber gar nicht wiederkommen wollte, und auch am andren Tag noch fehlte, so mußte er endlich erzählen, wie und wo Beide geschlafen hätten.

Nachdem sie lange vergeblich gesucht hatten, gieng er endlich zu einem weisen Manne, der ihm Folgendes anrieth:

»Geh,« sagte er, »an denselben Platz, wo Du mit Deinem Cameraden geschlafen hast. Geh genau ein Jahr nach dem Tage hin, an welchem Du ihn verloren hast, aber es muß genau derselbe Tag und dieselbe Stunde sein. Nimm Dich dabei in Acht, daß Du nicht in den Feenring trittst, sondern stelle Dich auf den Rand der grünen Kreiße, die Du da siehst. Dein Kamrad wird mit vielen Feen zum Tanzen dorthin kommen, und wenn er Dir so nahe ist, daß Du ihn greifen kannst, dann zieh ihn so rasch wie möglich aus dem Ring heraus.«

Dieser that, wie ihm geheißen war, zog den Burschen heraus und fragte ihn: ob er nicht hungrig wäre? Dieser sagte: »Nein!« Er hatte noch die Ueberreste des Eßens, welche er in seinem Quersack gelaßen hatte, ehe er eingeschlafen war. Dann fragte[124] er: ob es noch nicht bald Nacht und Zeit sei, nach Hause zu gehn? Denn er wußte nicht, daß schon ein Jahr vergangen sei. Aber er sah so bleich aus, wie eine Leiche, und sobald er den ersten Bißen zu sich nahm, fiel er hin und war todt.

Von diesem Zauberwalde geht auch folgender Vers:


Willst zum Eibenforst Du gehn,

Sieh nicht um Dich, bleib' nicht stehn.

Hüt' den Fuß auch vor den Ringen,

Wo die Feen im Grase springen!

1

Bezirk.

2

Märchen.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 123-125.
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