Gürteltier

[532] Gürteltier (Dasypus L.), Säugetiergattung der Zahnlücker und der Familie der Gürteltiere (Dasypodidae), plumpe Tiere mit gestrecktem, langschnauzigem Kopf, großen Schweinsohren, langem, starkem Schwanz, kurzen Füßen, sehr starken Grabklauen und auf dem Rücken mit einem Panzer aus Knochenplatten in Gürtelreihen. Die mittelsten Gürtel bestehen aus länglich-viereckigen Platten, das Schulter- und Kreuzschild aus Querreihen vier- oder sechseckiger Platten, der Scheitelpanzer aus fünf- oder sechseckigen Platten. Die Unterseite des Körpers ist mit borstenartigen Haaren bedeckt, und solche Borsten finden sich auch zwischen den Platten. In den Kiefern stehen schwache, wurzellose Zähne in schwankender Zahl, während Vorderzähne fehlen. Die Mundspalte ist mäßig groß, die Zunge spitz, nicht weit vorstreckbar. Sie leben in Südamerika bis Mexiko einsam in Ebenen und an Waldrändern, halten sich am Tage in selbstgegrabenen Höhlen verborgen und nähren sich von Ameisen und andern Insekten, Würmern und Schnecken, fressen in der Not auch Vegetabilien und Aas. Sie bewegen sich langsam und träge, graben aber sehr geschickt und flüchten bei der Verfolgung sofort in die Erde. Sie sind harmlos, stumpfsinnig und gehen gänzlicher Ausrottung entgegen, zumal die Jungen außerordentlich langsam wachsen und allen Feinden wehrlos preisgegeben sind. Die zur Untergattung Euphractes Wagl. gehörenden Armadille (Tatu) haben einen platten, breiten, gepanzerten Kopf, eine verlängerte Nase, 6–7 Knochengürtel, einen ziemlich behaarten Rücken, fünfzehige Füße, leben unter Ameisen- und Termitenhaufen und wechseln den Bau, sobald der Hause ausgenutzt ist. Man jagt sie, weil sie durch ihre Höhlenbauten die Wege für Reiter unsicher machen, und des wohlschmeckenden Fleisches halber. Aus dem Panzer fertigen die Indianer Paraguays Körbe. Hierher gehören das borstige Armadill oder das Sechsbindengürteltier (Dasypus [E.] sexcinctus Desm.), das mit dem 20 cm langen Schwanz 50–60 cm lang wird, und das Dreibinden- oder Kugelgürteltier (Matako, Tolypeutes [Dasypus] tricinctus Ill.), das mit dem kurzen Schwanz 45 cm lang ist und häufig als Spielzeug für die Kinder in der Gefangenschaft gehalten wird (s. Tafel »Zahnlücker I«, Fig. 1). Das Riesengürteltier (Priodon gigas Cuv.), über 1 m lang, mit etwa 50 cm langem, gepanzertem Schwanz, 12–13 beweglichen Knochengürteln auf dem Rücken, gewaltigen Krallen an den unbeweglichen Zehen der Vorderfüße, breiten, flachen, fast hufförmigen Nägeln an den Hinterzehen, ist bis auf den weißlichen Kopf, den Schwanz und eine Seitenbinde schwarz und lebt wie die andern Arten in Brasilien, vielleicht in ganz Südamerika, und bewohnt Höhlen unter den Wurzeln alter Bäume. Die Gattung Gürtelmaus (Schildwurf, Chlamydophorus Harl.) umfaßt sehr kleine Tiere mit walzenförmigen Backenzähnen, fünfzehigen Füßen mit Grabkrallen und einem aus zahlreichen Querreihen rechteckiger oder rautenförmiger Hornschilder bestehenden Rückenpanzer, der nahe der Schnauzenspitze beginnt und am Hinterteil jäh abfällt. Der übrige Teil des Körpers ist mit ziemlich langen, seidenartigen weißen Haaren bedeckt. Der Schwanz schlägt sich zwischen den Hinterbeinen zurück und liegt völlig dem Bauche auf. Die Gürtelmaus (C. truncatus Harl.), etwa 14 cm lang und 5 cm hoch, lebt in Chile nach Art unsers Maulwurfs und bewohnt besonders trockne, sandige, steinige Gegenden. Nachts erscheint sie auf der Oberfläche, ohne sich weit von ihrem Bau zu entfernen. Die Jungen sollen unter dem Panzer geborgen werden. – Gürteltiere existierten schon in den ältern Pampasschichten. Chlamydotherium Humboldti Lund besaß die Große eines Tapirs und findet sich in den ältern und jüngern Pampasbildungen Brasiliens und Argentiniens. Die fossile Gattung Glyptodon Ow. mit G. clavipes Ow. (s. Tafel »Diluvium I«, Fig. 1), das die Größe des Nashorns erreichte und dicke Panzerplatten mit rosettenförmiger Skulptur besaß, aus den obern Pampasbildungen Südamerikas, bildet einen Übergang zur Familie der Riesenfaultiere (Megatherium).[532]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 532-533.
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