Hengist

[166] Hengist und Horsa, nach sagenhafter Überlieferung die Gründer der angelsächsischen Herrschaft in Britannien, Söhne Wictgils, aus Wodans Geschlecht. Die angelsächsische Sage berichtet, Vortigern, König der Briten, habe bei den Angeln und Sachsen um Hilfe gegen die Pikten und Skoten nachgesucht; darauf seien H. und H.449 auf drei »Kielen« hinübergesegelt, bei Ypwinesfleet in Kent gelandet und hätten die Feinde, die schon bis Stamford in Lincolnshire vorgedrungen waren, zurückgeschlagen. Sodann in Britannien sich festsetzend, sollen sie noch eine große Schar Angelsachsen aus der Heimat herbeigerufen und die Briten gezwungen haben, ihnen Wohnsitze einzuräumen. Endlich erhoben sich diese gegen die Fremdlinge unter Führung der Söhne Vortigerns, Vortimir und Catigern. In der Schlacht bei Aegelesthorp unweit Canterbury, sechs oder sieben Jahre nach seiner Landung, tötete Horsa den Catigern, fiel aber selbst durch Vortimir, und Hengist wurde zur Flucht genötigt. Im folgenden Jahr aber schlug[166] dieser mit seinem Sohn Aesc bei Crayford in Kent die Briten und nannte sich seitdem König in Kent. Noch zwei weitere Siege Hengists, wieder nach je acht Jahren, werden berichtet, und zweimal acht Jahre nach dem letzten, also 40 Jahre nach seiner Ankunft (489), soll er gestorben sein. Nach der britischen Sage, die in der angelsächsischen Überlieferung bereits benutzt ist, erhielt Hengist die Insel Thanet an der Nordostküste von Kent zum Geschenk und zog dann aus der Heimat Verstärkung herbei. Der christliche König der Briten, Guorthigirn, entbrannte in Liebe zu Hengists schöner Tochter Rowena und trat für ihren Besitz Kent an die Sachsen ab. Sein Sohn Guorthemir aber stellte sich an die Spitze der damit unzufriedenen Briten und schlug die Sachsen in vier Schlachten, wobei Horsa umkam. Nach Guorthemirs Tod riefen die Germanen neue Verstärkungen herbei und beschlossen, sich auch seines Vaters zu entledigen. Bei einer Zusammenkunft, auf der ein Freundschaftsvertrag geschlossen werden und beide Teile ohne Waffen erscheinen sollten, zogen die Sachsen auf Hengists Befehl ihre langen Messer, die sie in den Stiefeln verborgen hatten, hervor und töteten die Briten. Zur Befreiung des gefangenen Guorthigirn ward ihnen Sussex, Essex und Middlesex abgetreten. Die Namen der beiden Sachsenhelden hängen gewiß mit dem des von den Sachsen hochgeschätzten Pferdes zusammen; ob sie selbst als historische Persönlichkeiten anzusehen sind, ist bestritten, und als feststehend darf nur betrachtet werden, daß seit der Mitte des 5. Jahrh. die Eroberung Britanniens durch die Angelsachsen (s. d.) begann, und daß zuerst Kent von ihnen in Besitz genommen wurde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 166-167.
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