Mittagsfrau

[914] Mittagsfrau (Mittagsgespenst, Mittagsdämon, Daemonium meridianum oder Meridiana der Lateiner, Polednice der Böhmen), ein Dämon, der in der Mittagsstunde durch die Felder geht, die schlafenden Landleute mit fürchterlichen Träumen plagt und sie einem Examen unterwirft, wobei sie gelähmt oder getötet werden, wenn sie eine Antwort schuldig bleiben. Der Glaube an diese Mittagsgeister ist uralt; man findet seine Spuren in der Bibel sowie im Pan und Ephialtes der Griechen, und Gregor von Tours erzählt von Leuten, die durch Reliquien des heil. Martin von Lähmungen befreit wurden, die ihnen der Mittagsdämon gebracht hatte. Heute ist der Glaube an die M. besonders bei den Slawen verbreitet, in Nordwestdeutschland wird sie als Moorgespenst[914] oder Enongermoer gefürchtet. Die Veranlassung liegt in den schweren Alpträumen der in der Mittagshitze unbequem ruhenden Feldarbeiter. Laistner (»Das Rätsel der Sphinx«, Berl. 1889, 2 Bde.) hat nicht nur den Sphinxmythus, sondern die meisten Gestalten des griechischen Olymps von solchen Mittagsdämonen herleiten wollen. Vgl. Alp.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 914-915.
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