Palingenesīe

[331] Palingenesīe (griech.), Wiedergeburt, Wiederentstehung aus dem Alten und Vergangenen. Mehrere Philosophen des Altertums haben die von Bonnet und Herder zum Teil übernommene Lehre aufgestellt, daß das Lebendige zwar in den Schoß der Erde zurückkehre, aber nicht, um darin zu verharren, sondern um neu und zwar vollkommener daraus hervorzugehen. Im metaphorischen Sinn ist P. die Verjüngung und Erneuerung alles Veralteten, z. B. eines Staates, dessen Institute veraltet sind, oder auch des ganzen Menschengeschlechts im Fortgang seiner Kultur. – In der Entwickelungsgeschichte bezeichnet man als [331] palingenetische Erscheinungen das vorübergehende Auftreten von Organanlagen während der Entwickelung höherer Tiere, die bei niedern Tieren längere Zeit oder während des ganzen Lebens bestehen, wie die Kiemenspalten am Embryo höherer Wirbeltiere, das Schwänzchen am menschlichen Fötus etc. Da die höhern Organismen in ihrer Entwickelung eine Anzahl von Stadien durchlaufen, die weitgehende Ähnlichkeit mit der Organisation niederer Tierstämme zeigen, und zwar die zuerst auftretenden mit den niedersten, die folgenden der Reihe nach mit immer höhern, so hat man hieraus gefolgert, daß die Entwickelungsstadien jedes Organismus einen Schluß zulassen auf die Entwickelung der betreffenden Art aus niedern Arten und auf den Weg, auf dem sie sich vollzog (biogenetisches Grundgesetz, s. Entwickelungsgeschichte, S. 844).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 331-332.
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