Sehnenüberpflanzung

[289] Sehnenüberpflanzung (Sehnentransplantation), Operation, durch die bei krankhaft herabgesetzter oder aufgehobener Arbeitsleistung wichtiger Muskeln die Sehnen gesunder, aber wenig bedeutsamer benachbarter Muskeln auf die funktionsuntüchtige Sehne überpflanzt und so die Tätigkeit des gesunden Muskels auf den kranken übertragen wird. Der Erfolg ist im wesentlichsten abhängig von passender Auswahl des zu überpflanzenden Muskels, Jugend des Kranken und sorgfältiger Nachbehandlung (gymnastische Übungen). Die von Nicoladoni 1882 angegebene Operation hat mannigfache Modifikationen erfahren, zunächst, indem man den zu überpflanzenden, funktionstüchtigen Muskel, um auch dessen Arbeitsleistung zu erhalten, nur teilweise, meist zur Hälfte, mit dem gelähmten Muskel zu vereinigen suchte. Da der ausgebildete, kraftspendende Muskel in seinem peripheren Abschnitt (der Sehne des gelähmten Muskels) aus atrophischem, durch die Lähmung mehr oder minder schwer geschädigtem Gewebe besteht, hat Lange von der Benutzung des gelähmten Muskels gegebenenfalls überhaupt abgesehen; er verband das untere Ende des neuen Muskels, den er durch Abspaltung vom Kraftspender erhalten hatte, direkt mit der Knochenhaut und erreichte so die Funktion, die der gelähmte Muskel normalerweise hat. Weiter hat man die S. kombiniert mit Sehnenverlängerung, Verkürzung und andern plastischen Operationen. Zuerst nur bei Fußlähmungen im Gebrauch, hat die S. auch am Oberschenkel, Arm etc. Verwertung gefunden, selbst bei Lähmungen, die durch Verletzung herbeigeführt waren; auch wurde versucht, bei krampfartigen Zuständen in gewissen Muskeln und deren Folgeerscheinungen, den sogen. spastischen Lähmungen, den Überschuß der Innervation, der den Krampfzustand in den Muskeln erhält, durch die S. abzuleiten und ihn auf andre Muskeln (Antagonisten) zu übertragen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 289.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: