Das Musikdrama Glucks

[558] Christoph Willibald Gluck (1714–1787)1 war zuerst bei B. Czernohorsky in Prag und dann bei Giov. Batt. Sammartini in Mailand in die Lehre gegangen und hatte von 1741, dem Aufführungsjahr seiner ersten Oper »Artaserse«2, an bis 1750, dem Jahr seiner Verheiratung, ein wechselvolles Wanderleben als italienischer Opernkomponist geführt, zuerst im Dienste italienischer und englischer Bühnen, dann in dem der Wandertruppen der beiden Gebrüder Mingotti, mit denen er nachweislich nach Prag, Dresden, Leipzig, Hamburg, Kopenhagen, vielleicht auch nach Graz, ja sogar nach Holland und Belgien gekommen ist3. Die verschiedensten künstlerischen Eindrücke stürmten dabei auf ihn ein; die größten davon, die Bekanntschaft mit Händel und seiner Kunst und mit der Rameauschen, sollten sich freilich erst zur Zeit der Reform als voll wirksam erweisen. Im allgemeinen deckt sich Glucks italienische Opernkunst mit den Zielen der Schule Hasses, von deren Gliedern Jommelli seiner Eigenart am nächsten steht4. Gluckisch ist darin die Neigung zu straffer motivischer Arbeit, besonders im Orchester, dessen Technik im allgemeinen freilich noch stark unter Sammartinis Einfluß steht, die sorgfältige und mitunter schon auffallend dramatische Deklamation der Seccopartien, die von einer ausdrucksvollen Harmonik gestützt wird, und endlich das stellenweise schon durch die spätere, »romantische« Art überraschende Orchesterkolorit, namentlich in Szenen von dunkler oder leidenschaftlicher Färbung. Grundsätzlich wird allerdings der Metastasiosche Typus noch streng gewahrt, ja in der Freiheit der Arienformen, der Ausgestaltung des Akkompagnatos und der Einführung von Ensembles und Chören bleibt Gluck hinter Jommelli und Traëtta erheblich zurück5. Mit seiner 1758 beginnenden Tätigkeit auf dem Gebiet der französischen opéra comique, in deren Entwicklungsgeschichte ihm eine wichtige Rolle[559] zufällt6, erfolgt scheinbar ein Schritt vom Wege, indessen sind die späteren Reformopern ohne diese Vorarbeit gar nicht zu denken. Denn hier erschlossen sich ihm ganz neue Begriffe von Naturwahrheit und dramatischer Charakteristik, vor allem auch ein ganz anderes Verhältnis von Wort und Ton und eine weit reichere Formenwelt, als er sie bisher in der opera seria gewohnt war. Zum ersten Male hatte er Gelegenheit, an einer Kunst mitzuarbeiten, die, vom Hauche des neuen Rousseauschen Naturideals berührt und von aller Konvention befreit, ihr letztes Ziel in der Neubelebung des volkstümlichen Liedergeistes erblickte. Sie hat ihn innerlich denn auch mehr gepackt, als man gemeinhin ahnt: nicht nur den französischen Liederton suchte er mit Glück nachzubilden, sondern auch österreichische, ja sogar böhmische Volksliederinnerungen aus seiner Jugendzeit wurden plötzlich in ihm wieder lebendig. Gewiß waren es, vom Standpunkte des Dramas hohen Stiles aus betrachtet, nur bescheidene Vorwürfe, die er da zu behandeln hatte, aber er lernte dabei doch die musikalische Charakteristik in die kurzen, knappen Formen des Liedes zu bannen und näherte sich so einem Ziele, das dem späteren Reformator als das höchste des dramatischen Schaffens überhaupt erschien: in jedem einzelnen Fall den treffendsten Ausdruck mit möglichst einfachen und geringen Mitteln zu erreichen. Gleich der »Orfeo« liefert den Beleg dafür: schon das berühmte »Cerco il mio ben così« im ersten Akte wäre ohne den Vorgang jener »airs nouveaux« niemals in dieser Form geschrieben worden.

Zu gleicher Zeit, 1761, tat Gluck mit dem dramatischen Ballett »Don Juan« einen weiteren Schritt. Es wird uns seinem Inhalt nach bei der Mozartschen Oper noch näher beschäftigen, seinen Zielen nach ist es, wie aus dem Hinweis des Dichters Angiolini hervorgeht, bereits ein Reformwerk, wenn auch vorerst nur auf dem Gebiete des Tanzes7. Angiolinis Forderung bedeutender Charaktere und einfacher Handlungen sowie der starke philologische Beigeschmack seiner Ausführungen rücken ihn sehr nahe an Calsabigi heran8 und weisen auf dieselbe geistige Heimat, nämlich den Kreis des Intendanten Grafen Durazzo in Wien hin.

In diesem Kreise, der sich auf den traditionellen Widerstand der Wiener Oper gegen die jeweiligen italienischen Modeströmungen stützen konnte9, verdichteten sich Bestrebungen schließlich zu einem bestimmten Programm, die seit fast 100 Jahren im gesprochenen wie im gesungenen Drama immer stärker hervorgetreten waren. Wie um 1600, so leuchtet auch jetzt wieder das Ideal der antiken Tragödie auf, dem einerseits das gesprochene Drama mit der Einführung von Chören, andererseits die Oper durch eine Neugestaltung ihrer ganzen Dichtung zustrebt. Die Bewegung, die schließlich zu Schillers »Braut von Messina« und Goethes »Pandora« hinläuft, geht[560] parallel derjenigen, an deren Ende das Glucksche Musikdrama steht10. Auch Metastasios Dichtung erhob den Anspruch, eine Nachbildung des antiken Dramas zu sein, so wenig gerade in ihr vom antiken Geiste lebendig war, es sei denn, daß man jene spätrömische Antike im Auge hat, die ja auch in Metastasios uneingestandenen französischen Vorbildern am Werke ist. Ein Hauptmerkmal der antiken Tragödie vermißte man dabei je länger je schmerzlicher: den Chor, und je mehr die Bekanntschaft mit der französischen Oper wuchs, desto lauter erhob sich der Ruf nach einer Auffrischung der italienischen Oper durch Wiederaufnahme von Chor, Tanz und Instrumentalmusik nach französischem Muster. Der Graf Algarotti, einer der eifrigsten Reformfreunde, sprach diese Forderung in seinem »Saggio sopra l'opera in musica« 1755 unumwunden aus. Wien war tatsächlich in Deutschland der günstigste Boden dafür, denn hier galt es nur an ähnliche Bestrebungen anzuknüpfen, die ein starkes Menschenalter zuvor unter J.J. Fux und C.A. Badia auf der Wiener Bühne lebendig gewesen waren11. Mit jener rein formalen Erweiterung war freilich nur die halbe Arbeit getan. Man konnte, wie das in den Werken der Schule Hasses in steigendem Maße geschah, den Texten von metastasianischer Prägung noch so viele Chöre und Tänze hinzufügen, und sie blieben am Ende doch was sie waren, nämlich Erzeugnisse jener rationalistischen Geistesrichtung, in der Konvention und Regel über Natur und Menschlichkeit triumphierten und die Phantasie mit Vorliebe zur Dekoration verwandt wurde. Daß hier, an den Texten, mit der Reform begonnen werden mußte, war jenem Kreise schon vor Glucks Auftreten klar. Denn bereits war von England und dann von Frankreich her jene Welle auch nach Deutschland hinübergeflutet, die die Grundpfeiler des Rationalismus unterspülte; los von der Konvention und Befreiung des Gefühls von der Tyrannei des Verstandes – dieser Grundsatz der neuen Lehre war auch in den Wiener Reformfreunden lebendig. Aber erst Ranieri Calsabigi12 (1714–1795) hat das Verdienst, den neuen Geist erstmals für die italienische Oper praktisch fruchtbar gemacht zu haben. Er hatte dereinst seine Laufbahn als glühender Bewunderer Metastasios und Herausgeber seiner Werke begonnen, jetzt empfahl ihm Graf Durazzo Gluck als den geeigneten Komponisten für seine neuen Ideen. Die drei Opern »Orfeo ed Euridice« (1762), »Alceste« (1767) und »Paride ed Elena« (1770) waren die Früchte ihres Zusammenwirkens. Sie gehören als italienische Reformwerke in eine Gruppe zusammen, die dann mit der »Iphigénie en Aulide« von der französischen abgelöst wird.[561]

Auch Calsabigi war kein wirklicher Dichter, wohl aber ein geschmackvoller, geschickter Literat und vor allem ein feiner Kenner der verschiedenen Strömungen in der damaligen Oper. Er bekennt selbst, daß er nur die Gedanken seiner Vorgänger auf die klarste Formel gebracht habe, aber sein Ruhm wird es immer bleiben, von der bloßen Spekulation zur künstlerischen Tat fortgeschritten zu sein und vor allem Gluck zur letzten Klarheit über seine neuen Ziele geführt zu haben. Denn das entscheidende Wort fällt bei solchen Umwälzungen nicht dem spekulierenden Theoretiker, sondern dem schöpferischen Genius zu. Mag man den Anteil Calsabigis noch so hoch bewerten, die eigentliche Seele der Reform wird immer Gluck bleiben, denn Calsabigi hat sie im besten Falle klug erdacht, Gluck aber innerlich erlebt.

Von entscheidender Bedeutung war, daß Calsabigi den Mut fand, das Übel an der Wurzel zu packen und sich von der metastasianischen Librettistik loszusagen. Die Glucksche Reform begann also, genau wie hundert Jahre später die Wagnersche, nicht bei der Musik, sondern bei der Dichtung, und die musikalische Reform erwies sich nur als die natürliche Folge der dichterischen. Calsabigis Ziel war, gegen alle rationalistische Konvention dem Individuellen, Gefühlsmäßigen wieder zu seinem vollen Rechte zu verhelfen. Ihm selbst als Dichter blieb es versagt, jenes Ziel zu erreichen, da ihm der göttliche Funke fehlte, aber er besaß Verständnis genug, um ihn in der Seele seines Musikers zur hellen Flamme anzufachen. Zunächst ging er auf möglichste Einfachheit der dramatischen Handlung aus: das Horazische »denique sit quidvis simplex dumtaxat et unum«13 ist der Leitspruch seiner gesamten Dichtung. Damit fällt das ganze Intrigensystem Metastasios zusammen. Calsabigi war aber klug genug, um einzusehen, daß es auch hier die Quelle zu verstopfen galt, aus der jene ganze Unnatur floß, nämlich Metastasios »galante« Auffassung von der Liebe als einer gesellschaftlichen Erscheinungsform. Hier liegt wohl seine größte Errungenschaft. Orpheus und Alceste sind keine Gesellschaftswesen mehr, die ihr Handeln und Empfinden bewußt oder unbewußt dem Codex eines unsichtbaren, vornehmen Publikums anpassen. Von Liebe im galanten Sinne ist keine Spur mehr vorhanden, beide Werke kennen die Liebe überhaupt nur in ihrer ethisch höchsten Form, als Gattentreue. Und diese Treue bewährt sich nicht etwa in einem von Menschenhand gesponnenen kleinlichen Ränkewerk, sondern im Kampfe mit dem Tode. Die Liebe als Überwinderin des Todes, dieser erhabene Gedanke, mit dem Metastasio so oft rein äußerlich gespielt hatte, wurde hier zur ausschließlichen treibenden Kraft zweier ganzer Dramen. Diese Idee ist nun aber, namentlich im »Orfeo«, so übermächtig, daß sie den einzelnen Figuren allen persönlichen Charakter nimmt und sozusagen das Mark bis auf den letzten Rest aus den Knochen saugt. Es ist unmöglich, von dem Charakter des Orpheus und der Alceste zu reden in dem Sinne, wie man etwa vom Charakter des Agamemnon oder des[562] Thoas spricht. Sie erhalten ihr Leben vielmehr einzig und allein von der das Ganze beherrschenden Idee und stehen somit der Allegorie entschieden näher als dem Begriff des dramatischen Charakters; deshalb fällt auch die Figur des Eros im »Orfeo« nicht so stark aus dem Rahmen des Ganzen heraus, wie meist betont wird. Calsabigi irrte, wenn er glaubte, damit der Antike wieder näher gekommen zu sein, denn die Charaktere des antiken Dramas sind durchaus individuelle, keine allgemeinen Symbole, trotz all ihrer Einfachheit.

Trotzdem konnte er auf seine Neuerung mit Recht stolz sein. Daß er überhaupt einfache und große Ideen in den Mittelpunkt seiner Dramen stellte, sicherte ihm allein schon einen ungeheuren Vorsprung vor Metastasio, dem sie nur als Vorwand zur Entfaltung seiner modischen Künste gedient hatten. Jetzt besaß das Musikdrama endlich wieder eine Handlung, die sich in einer innerlich festgefügten, empfindungsschweren Reihe von Gegensätzen vollzog. Der Ruf »zurück zur Natur«, der ja damals mit dem andern: »los von der Konvention« zusammenfiel, hatte damit auch in der italienischen Librettistik einen entscheidenden Sieg errungen.

Trotzdem vermochte Calsabigi keineswegs alle Brücken zu Metastasio abzubrechen. Dazu steckte er selbst noch viel zu tief im Rationalismus drin. Das beweist allein schon das viele Spekulieren über die Gesetze des neuen Dramas, das bei ihm der dichterischen Leistung vorangeht und auch während dieser selbst niemals aussetzt. Seine Dramen sind keine poetischen Urerlebnisse, sondern wohldurchdachte und geordnete Illustrationen einer vorgefaßten dramatischen Theorie. Er hat darum wohl Metastasios konventionelle Stoffbehandlung überwunden, aber nicht zugleich auch seine allgemeine dichterische Methode. Auch Calsabigis Helden sind keine einmaligen, individuellen Charaktere, sondern angewandte Beobachtungen, personifizierte Eigenschaftsbegriffe, auch er erdenkt sich zuerst bestimmte Eigenschaften und formt dann danach seine Gestalten. Daß er auch in seiner Auffassung von seinen Fabeln durchaus nicht die Höhe der Antike erreicht, beweist die platte, euhemeristische Erklärung der Sage von Alceste14. Rationalist ist Calsabigi aber auch bis in Einzelheiten hinein: in seinem eigentümlich stilisierten Pathos, seiner Vorliebe für Anspielungen auf allerlei abgelegene Sagen, seiner Neigung, subjektive Wirkungen durch objektive Darstellung und klare Formgebung zu erzeugen und endlich in so manchen Zügen des dichterischen Ausdrucks. Zwar geht er der Schönrednerei in der Metastasioschen Gestalt und namentlich dessen Gleichnissen geflissentlich aus dem Weg, aber die Freude an der feingeschliffenen Form und das Streben, Bildung, Belesenheit und Eleganz zu zeigen, sind auch in ihm noch lebendig, und ebensowenig ist man bei ihm vor sentenzenhaftem Moralisieren sicher.[563]

Dafür ist ihm ein anderer, ungemein wichtiger Erfolg geglückt, der Metastasio zeitlebens versagt blieb: er legte seine Szenen von Anfang an so an, daß der Musiker nicht mehr vor dem dramatischen und der Dramatiker nicht mehr vor dem musikalischen Teil der Oper halt zu machen brauchte. Das war die natürliche Folge seiner vereinfachten Dramatik überhaupt: statt der knifflichen, verstandesmäßigen Verhandlungen im Dialog, die bei Metastasio durch die Fortführung der Intrige bedingt waren, konnte er ihm einen weit gefühlsmäßigeren Gehalt verleihen, der dem Musiker wie von selbst entgegenkam, und damit war es ihm möglich, auch die Arie wieder in den dramatischen Zusammenhang mit einzubeziehen. Sie gilt ihm zwar immer noch als die »perorazione del discorso e conclusione della scena«, wie Metastasio, aber nicht mehr im äußerlichen Sinne eines sinnlichen oder begrifflichen Schmuckes, sondern als wirklicher, steigernder Abschluß des im Vorhergehenden angeregten individuellen Affektes. Damit war ein Grundschaden der neapolitanischen Oper, die Trennung von Drama und Musik15, beseitigt, und es war jetzt nur die Frage, wie der Musiker diese Anregungen weiter verfolgen würde.

Auch Gluck hat zunächst als Rationalist alten Schlages begonnen. Nicht nur seine Persönlichkeit, in der Denken und Wollen sich zu einem ganz einzigen Bund zusammenschlossen16, sondern auch seine ganze Umgebung, besonders seine Erziehung bei den Komotauer Jesuiten, wiesen ihn in diese Sphäre. Aber er blieb nicht, wie die andern und auch noch Calsabigi, auf der breiten Heerstraße stehen. Noch für diesen war das ganze rationalistische System des Denkens und Dichtens etwas Gegebenes, Unverrückbares, Gluck dagegen hat es im Feuer seiner ungeheuren geistigen Energie gleichsam wieder flüssig gemacht und damit aus der Erstarrung zum Leben zurückgeführt. Alle die überlieferten Grundsätze wurden dadurch, daß er sie noch einmal, und zwar bis zum letzten Rest in sich verarbeitete, wieder zu lebendigen Kräften. Was dem rationalistischen Denken immer gefehlt hatte, das innere Erleben, stellte sich bei ihm ein, ja es fiel geradeswegs mit dem Denken zusammen. So gelang es ihm, dem Rationalismus das Höchste und Reinste abzugewinnen, dessen er in der Oper überhaupt fähig war, sein Vollender und damit zugleich auch sein Überwinder zu werden.

Deshalb wuchs er aber auch sofort über seinen Dichter hinaus. Dessen Gestalten hatten zwar die alten konventionellen Masken bereits abgeworfen, dennoch aber gewannen sie, den homerischen Schatten gleich, erst wirkliches Leben, als sie vom warmen Blute der Gluckschen Künstlerpersönlichkeit getrunken hatten. Gemeinsam war beiden, daß sie dem Denker vor dem Künstler, den ordnenden Kräften vor den schöpferischen den Vortritt gaben. Ordnung, Klarheit und Folgerichtigkeit, die alten Ideale des Rationalismus, waren auch die Ideale Glucks. Das lehrt besonders die Charakterzeichnung seiner Helden. Auch ihm sind sie keine Persönlichkeiten im[564] modernen Sinn, keine einmaligen Einheiten der verschiedensten Seelenkräfte, sondern Träger bestimmter, klarer und faßlicher Grundideen, die er auf die allereinfachsten Formeln zwingt und vor denen alle anderen Züge als nebensächlich zurücktreten oder ganz verschwinden müssen. Er kennt aber damit auch den modernen Begriff der dramatisch-psychologischen Entwicklung nicht, und darin liegt wohl der entscheidende Unterschied seiner Dramatik gegenüber der späteren, auch der Mozartschen. Das der Antike entnommene Bild des Orpheus als des Sängers idealer Schönheit steht für ihn von vornherein fest, er bleibt dabei auch in den Situationen, wo man, wie in seiner allerersten Liedstrophe und in dem berühmten »Che farò«, ganz andere Affekte, Trauer und Verzweiflung erwartet. Die kommen freilich auch zu ihrem Rechte, aber in den Rezitativen: man sieht, wie geordnet und wohldurchdacht es in dieser Kunst zugeht. Die Hauptsache aber ist ihm stets die Darstellung der Grundidee, ihr zu Liebe führt er alles auf die lapidarsten Gegensätze zurück, innerhalb deren für psychologische Verwicklungen modernen Stils gar kein Raum mehr ist. In der wundervollen Plastik dieser Szenenfolgen und ihrem genial durchdachten Gefühlszusammenhang aber glaubt man es förmlich mitzuerleben, wie sich bei Gluck das Denken und Konstruieren unmittelbar zum seelischen Erleben wandelt. Das führt weit hinaus über Calsabigi, und gerade aus diesem Verhältnis des Dichters zum Komponisten läßt sich klar ihre verschiedene Stellung zum Rationalismus erkennen: jener blieb darin stecken, dieser überwand ihn, indem er seine Gesetze wieder zu lebendigen Kräften machte.

Jenes Grundprinzip des Gluckschen Schaffens bestimmt nun aber auch seine Stellung zur Musik17.

Die früher häufig vertretene Ansicht, daß Gluck das Komponieren verhältnismäßig schwer gefallen sei und er somit bei seiner Unterordnung des Musikers unter den Dichter gleichsam aus der Not eine Tugend gemacht habe18, wird sich kaum aufrechterhalten lassen, wenn man an die Fruchtbarkeit seiner italienischen Jahre denkt. Auch jene Unterordnung macht durchaus nicht den Eindruck, als hätte das spezifisch Musikalische dem Künstler Mühe gemacht. Aber bei seiner Art zu schaffen kam es allerdings zunächst überhaupt nicht in Frage. Der Denker hatte, wie gezeigt wurde, unbedingt den Vortritt, erst wenn er das Gebäude vollständig unter Dach und Fach hatte, durfte der Musiker zur Tür herein19, und auch dann fiel ihm lediglich die Aufgabe zu, die Grundlinien des fertigen Gerüstes nicht etwa zu verändern oder gar zu verhüllen, sondern lediglich zu verstärken und zu verdeutlichen.[565] Er wird zum Diener, zwar nicht, wie man oft hört, des Dichters Calsabigi, sondern des Denkers Gluck, der die Dichtung im reinigenden Feuer seines Verstandes durchgeglüht hat. Niemals sind die schöpferischen Kräfte den ordnenden so streng untergeordnet worden wie hier, ja Gluck traute sich's zu, die Vieldeutigkeit, das Irrationelle der Musik aus der dramatischen Tonsprache überhaupt zu verbannen. Er sprach es offen aus, daß die Musik, besonders in ihrem melodischen Teil, nur beschränkte Mittel habe20, – ein Wort, das Gluck allein schon zum Antipoden Mozarts macht. Daraus erklärt sich aber auch ohne weiteres der ganze, auf das Einfache und Klare, das für ihn mit dem Natürlichen zusammenfiel, gerichtete, so manchem »absoluten« Musiker von heute geradezu primitiv erscheinende Charakter seiner Musik, seine elementaren rhythmischen Wirkungen, seine Abneigung gegen die Koloratur und jede Art von dramatischer Polyphonie, die ihm verwirrend und unnatürlich vorkommen mußte, und endlich ein Hauptmerkmal seiner Kunst, ihre eigentümliche, die einzelnen Gedanken und Begriffe stahlhart herausmeißelnde Deklamation. Sie hat auf dem Gebiete des Rezitativs zu der folgenschweren Ersetzung des alten Seccos durch das Akkompagnato geführt, sie drang aber auch je länger je stärker in die Arienmelodik ein. So wurden die beiden auseinanderstrebenden Teile der alten Oper, das »unmusikalische« Secco und die »nurmusikalische« Arie, wieder zu einer neuen Einheit verbunden, die auf einer ganz veränderten Auffassung des Verhältnisses von Wort und Ton beruhte, gemäß dem Grundsatz, daß allein die dichterische Grundlage die Form des musikalischen Ausdrucks bestimmt. Im Grunde genommen war die ganze veränderte Architektur des neuen Musikdramas die natürliche Folge dieser Grundsätze, besonders die Entthronung der Da-capo-Arie und ihre Ersetzung durch mannigfaltigere Formen, vom einfachen Liede, dessen natürliche Ausdruckskraft Gluck schon bei seinen komischen Opern erprobt hatte, bis zu den freiesten, durchkomponierten Stücken21. Gewiß hatte er dabei in den Italienern, besonders Jommelli und Traëtta22, Vorgänger, aber diese blieben auf halbem Wege stehen, während Gluck die einmal erkannte Aufgabe mit unerbittlicher Energie bis zum Schlusse durchführte und damit zu einer monumentalen Einheitlichkeit des Stils gelangte, von der sich jene nichts träumen ließen. Gluck kennt eben keinen Unterschied mehr zwischen dramatisch Wichtigem und minder Wichtigem, das Unwichtige ist bei ihm längst ausgeschieden, ehe der erste Notenkopf aufs Papier kommt.

Weit konsequenter als die viel zurückhaltenderen Italiener ist Gluck auch mit der Einführung von Chören, Tänzen und selbständiger Instrumentalmusik, einer weiteren formalen Neuerung. Alte Wiener, italienische, Rameausche und nicht zuletzt Händelsche Eindrücke flossen hier zusammen.[566] Aber nur noch Händel hat den Chor mit solcher Energie zur dramatischen Person gemacht wie Gluck. Da ist keine Spur mehr vom Streben nach äußerem Prunke oder nach vollerer musikalischer Wirkung allein, sondern der Chor tritt entweder, wie in der Furienszene des »Orpheus«, geradezu als dramatischer Gegenspieler des Helden auf oder er malt, wie in der »Alceste«, mit zwingender Gewalt den Stimmungshintergrund, auf dem sich das dramatische Geschehen abspielt. Händels würdig ist vollends die Art, wie Gluck im »Paris« und den späteren Opern die Handlung mit Hilfe des Chores zum welthistorischen Geschehen erweitert. Und ähnlich behandelt er den Tanz, wenn er auch hier, besonders in den Pariser Werken, dem französischen Geschmack mitunter allzusehr entgegenkommt. Übrigens war ja, wie gezeigt wurde, durch Noverre und seine Schule die Reform auch auf dem Gebiete des Tanzes in Fluß gekommen. Sologesang, Chor und Tanz stehen aber nicht unorganisch nebeneinander, sondern sind Glieder eines lebendigen dramatischen Organismus, der dramatischen Szene, die, ebenfalls von den Früheren im einzelnen vorgebildet, von Gluck systematisch zur Trägerin der Architektonik seiner Dramen erhoben wird.23

Unzertrennlich ist endlich Glucks Musikdrama mit einer wichtigen Weiterentwicklung des dramatischen Orchesters verbunden. Es ist bezeichnend, daß er die beiden elementarsten Seiten der Musik, den Rhythmus und die orchestrale Klangfarbe, besonders charakteristisch bedacht hat. Französischen Anregungen folgend, hat er die im Klange eines einzigen Instrumentes (namentlich der Bläser) als solchem liegende Ausdrucksgewalt oft mit solcher dramatischen Kraft auszunützen verstanden, daß man ihn geradezu als den Ahnherrn der späteren »romantischen« Orchestrationskunst bezeichnen kann24. Aber auch hier ist es ihm nie um die musikalischsinnliche Seite des neuen Ausdrucksmittels zu tun, sondern um die dramatische. Derlei Stellen sollen als Ausnahmen wirken, und es ist deshalb ganz ungluckisch, wenn sie von so manchen heutigen »Bearbeitern« um des lieben Publikums willen zur Regel gemacht werden.

Überhaupt ist es sehr verhängnisvoll, Glucks Dramatik an dem Maßstabe der Späteren, Mozarts oder Wagners, zu messen. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen, die wir unter allen Umständen zu respektieren haben. Sie kennt die spätere Freude am psychologischen Problem noch nicht, sondern verfolgt in ihren Grundgedanken und deren Entwicklung allein das Ziel höchster Einfachheit und Klarheit, die nur ein vollständig auf die spätere Psychologie eingeschworener Beurteiler zugleich als primitiv empfinden kann. Wer darum Gluck richtig verstanden hat, wird seine Kunst nicht minder als wahr empfinden als die spätere, ja, er wird es sogar, aller Fortschritte unbeschadet,[567] bedauern, daß über der späteren Individualcharakteristik der Sinn für derartige elementare Gegensätze ins Schwinden geraten ist. Man sehe sich daraufhin gleich den »Orpheus« an: auf das gerade in seiner gehaltenen Wehmut doppelt ergreifende Bild der Klage folgt der gewaltige Aufstieg der Furienszene, des Höhepunktes des Ganzen, da hier der eigentliche Kampf von Tod und Leben ausgefochten wird, mit seinem wehmütiglieblichen Nachhall in der lichten und doch so erdenfernen Welt des Elysiums, und endlich das allmähliche Abflauen der Empfindung im Schlußakt. In dieser Hinneigung zum dreiteiligen Bau mit der höchsten Spannung im Mittelteil, die gleich in der »Alceste« und dann auch in der Mehrzahl der späteren Werke wiederkehrt, mag man wiederum einen Nachhall der klassischen französischen Tragödie erblicken, jedenfalls lehrt sie uns einen weiteren Vorzug des Gluckschen Musikdramas kennen, den der absoluten organischen Einheit, worin jeder einzelne Teil seine besondere Funktion zu erfüllen hat.

Auch die einzelnen Gestalten des »Orpheus« sind echt Gluckisch: der Held als der Sänger der reinsten Schönheit, die ganz in Übereinstimmung mit Winkelmann apollinischen, nicht dionysischen Gepräges ist, Eurydike als verkörperte weibliche Triebhaftigkeit, und zwischen beiden der allegorische Eros, dessen Rokokoflügelchen in seiner ersten Arie deutlich zum Vorschein kommen. Es ist kein Zufall, daß gerade dieses Werk noch am meisten italienisches Blut mitbekommen hat. Einzelne Anklänge an bestimmte Vorbilder kennzeichnen es wohl als den Erstling der Reform25, vermögen seine Bedeutung als Reformwerk jedoch nicht abzuschwächen. Daß es als solches empfunden wurde, beweisen allein seine laue Aufnahme und die verschiedenen Versuche, es durch allerhand »Bearbeitungen« wieder dem landläufigen Geschmack anzunähern26.

Von der »Alceste« an machte Gluck auch äußerlich aus seinen Reformabsichten kein Hehl mehr. Das Grundproblem ist dasselbe: der siegreiche Kampf des durch die Macht einer sittlichen Idee über sich selbst hinausgehobenen Sterblichen gegen den göttlichen Vertreter des dumpfen, unabwendbaren Schicksals, den Tod. Aber die beiden Hauptpersonen haben dem »Orpheus« gegenüber nicht allein die Rollen getauscht, sondern sie sind zugleich aus der unschuldsvollen, märchenhaften Sphäre jenes Werkes ins Gebiet des Hochtragischen gesteigert. Der halb unbewußte Drang des Herzens, der Orpheus zu den Schatten führt, klärt sich bei Alceste zur vollen Helle bewußter Sittlichkeit. Sie folgt nicht wie jener einem jugendlichen Impuls, sondern ringt sich als Gattin und als Mutter Schritt für Schritt den[568] letzten Entschluß ab und bleibt dabei vom Anfang bis zum Ende, äußerlich wie innerlich, jeder Zoll eine Königin. Und ebenso kostet Admet alle Qualen seines Schicksals mit vollem Bewußtsein aus. Dadurch sind auch die Gegensätze dem »Orpheus« gegenüber zwar nicht kompliziert, aber ungemein vertieft worden. Auch jener dreiteilige Bau ist wieder vorhanden: in monumentaler Steigerung, der die Geschichte der Oper wenig an die Seite zu setzen hat, läuft die Handlung durch den ersten Akt bis zur fünften Szene des zweiten, wo Admet der Gattin schließlich das entsetzliche Geständnis abringt. Die Entspannung ist allerdings, genau wie im »Orpheus«, weniger gelungen. Auch die Folge der Gegensätze weist einen unleugbaren Fortschritt auf: sie sind zahlreicher und in ihrer Wirkung feiner abgestuft.

Die vertiefte Dramatik hat endlich auch eine bedeutende Erweiterung und Vertiefung des musikalischen Ausdrucks nach sich gezogen, der sich besonders im instrumentalen Teile der Rezitative sowie in den Chören und ihrer Verbindung mit Sologesang und Tanz offenbart. Das bedeutet eine erhebliche Verstärkung des französischen Einflusses, indessen geht Glucks Leistung auch hier über alle Vorbilder weit hinaus. Das uralte Mittel der Wiederholung einzelner Chorsätze hat bei ihm zu Szenenblöcken von bisher unerhörter Monumentalität geführt.

Trotz diesen Vorzügen und trotz ihrer geharnischten Vorrede brachte es auch »Alceste« zu keinem vollen Erfolg; einzelnen begeisterten Stimmen27 stand z.B. das in diesem Falle sehr beredte Schweigen maßgebender Leute wie J.A. Hasse gegenüber. Italien hatte nur zwei Aufführungen zu verzeichnen, eine in Bologna (1778) und eine in Neapel (1785)28, beide blieben wirkungslos. Nicht besser erging es der Oper bei ihrer ersten ausländischen Aufführung in Christiansborg in Dänemark29, und eine fast vollständige Ablehnung erfuhr sie in Norddeutschland, sowohl bei König Friedrich selbst30 als bei seinen Musikern31.

Glucks geharnischte Antwort erfolgte in der Vorrede zu »Paride ed Elena«. Sie wendet sich gegen die Lauheit des Publikums und den Stumpfsinn der Musiker und erklärt dem neuen Ideal trotzdem treu bleiben zu wollen. Leider zeigte sich Calsabigi der neuen Aufgabe nicht gewachsen. Die Oper »Paris und Helena« stellt nicht allein in ihrer Fünfaktigkeit, sondern auch in der Art der Stoffbehandlung einen freilich verunglückten Übergang zu den folgenden französischen Opern dar. Der dramatische Konflikt erwächst hier nicht aus einer Grundidee, die alles, Handlung wie Handelnde, in ihrem Wesen von vornherein bestimmt, sondern aus dem Widerspiel zweier Charaktere. Hier wäre also eine Charakteristik im Stile der aulischen Iphigenie am Platze gewesen, und es war Calsabigis Verhängnis, daß er mit[569] seiner bisherigen Methode auszukommen vermeinte. Wohl sucht er wiederum durch elementare Kontraste zu wirken, und es ist echt Calsabigisch, wie er den Gegensatz der beiden Hauptpersonen ins Weltgeschichtliche, zum Gegensatz zwischen Europa und Asien, zwischen Kultur und Barbarentum steigert. Aber dieser Gegensatz ist und bleibt doch nur ein Beiwerk gegenüber der Hauptsache, der Entwicklung des verhängnisvollen Liebesbundes. Und gerade hier litt Calsabigi Schiffbruch. Daß die Liebe, sobald sie als Urgewalt, als fessellose Leidenschaft auftritt, auch zur Verderberin wird, ist ein echt rationalistischer Gedanke; ihn aber auch dramatisch durchzuführen, dazu fehlte dem Rationalisten Calsabigi wiederum die Kraft des inneren Erlebens. So ist die Frau Minne, die da als Hauptheldin durch das ganze Stück hinschwebt, ein recht bläßliches Verstandeskind geblieben, und die Ausdehnung auf fünf Akte macht das Übel nur schlimmer. Auch Gluck hat es nicht zu beseitigen vermocht. Wohl zeigt sein Werk einen unleugbaren Fortschritt in der musikalischen Charakteristik. Sein Paris ist eine geniale und dabei echt Glucksche Schöpfung: er ist der Asiate, der an den Hauptsegnungen kultureller Erziehung in Glucks Augen, an Klarheit des Geistes und Festigkeit des Willens, keinen Anteil hat, der Vertreter der chaotischen Urtriebe, die auch für Gluck der Quell alles Verderbens sind. Ihm gegenüber tritt Helena, alles eher als eine Circegestalt, vielmehr eine hoheitsvolle Fürstin, die auch nach begangener Freveltat noch, wie Gluck sagte, »von Hektor geachtet wird« und die er deshalb in ihrer herben Zurückhaltung auch gegen ihr eigenes, derbes Athletengefolge fein abstuft. Eben deshalb bleibt aber auch in der Motivierung ihres schließlichen Sinneswandels ein ungelöster Rest übrig. Der Konflikt zwischen »Natur und Religion«, den Gluck später in Agamemnons Brust so meisterhaft zum Austrag brachte (s.u.), bleibt hier noch in den Anfängen stecken. Gluck selbst hat diese Mängel wohl gefühlt: er ist nicht wieder auf das Werk zurückgekommen, sondern hat in den späteren nur auf einzelne Stücke daraus zurückgegriffen.

Auch mit dieser Oper drang Gluck nicht durch. Man verstand in Wien nicht einmal die ethnographische Charakterisierungskunst, für uns heute die eingänglichste Seite des Werks. Es war darum kein Wunder, daß er das Anerbieten des damaligen Attachés bei der französischen Gesandtschaft, Du Roullet, annahm, seine nächste Oper für Paris zu schreiben, und zwar wollte ihm Du Roullet selbst Racines »Iphigénie en Aulide« zur Oper einrichten. Damit war der entscheidende Schritt getan und die italienische Grundlage der Reform mit der französischen vertauscht. Du Roullet hatte durchaus recht, als er Gluck auf diesem neuen Wege leichtere Erfolge verhieß. Das deutsche Temperament, in dem ja von jeher das Chaotische, Elementare besonders stark ausgeprägt war, hatte jener unerbittlichen dramatischen Logik einen instinktiven, dumpfen Widerstand entgegengesetzt; nur die dem französischen Bildungsideal sowieso zugetanen oberen Schichten waren für Gluck gewonnen worden. In Paris dagegen, der Heimat des rationalistischen[570] klassischen Dramas, der Stadt Racines und Corneilles, erkannte man in Glucks Kunst sehr bald einen Hauch des eigenen nationalen Geistes, der nun einmal in Logik, Klarheit und Ordnung das höchste Ziel des menschlichen Strebens erblickte. Von Paris war einst mit der klassischen Tragödie der Rationalismus ausgegangen, jetzt kehrte er, nach langer Erstarrung wieder zum Leben erweckt, mit dem Gluckschen Musikdrama in die alte Heimat zurück, und es war kein Zufall, daß sich Glucks erstes französisches Werk gerade an Racine anlehnte.

Freilich mochte es trotz allem gewagt erscheinen, gerade damals den Parisern mit einer neuen, an die tragédie lyrique anknüpfenden Oper zu kommen. Denn die alte Rameausche Oper war, wie gezeigt wurde32, seit dem Buffonistenstreit in der allgemeinen Achtung stark gesunken, ja für Rousseau und die ganze jüngere Generation geradezu zum Gipfel aller Unnatur und Rückständigkeit geworden. Trotzdem neigte sich der Sieg bald vollständig auf die Seite Glucks und führte ihm schließlich sogar Rousseau selbst als glühenden Verehrer zu. Der Grund dieses scheinbar überraschenden Erfolges lag darin, daß Gluck ganz anders als die radikale Buffonistenpartei, die die alte Oper in Bausch und Bogen verdammte, bei ihr zwischen äußerer Erscheinungsform und allgemeinen geistigen Zielen zu unterscheiden verstand. Jene ließ er fallen, diese rettete er, als seinem eigenen Wesen verwandt, in seine neue Kunst herüber. Allerdings stand er gleich mit der aulischen Iphigenie vor einer Reihe neuer Probleme, die ihn zu einer erheblichen Änderung seines bisherigen Kurses zwangen. Die Helden seiner drei letzten Opern waren Träger bestimmter hoher Ideen gewesen und nur dies allein, die rein menschlichen Züge waren dabei ganz zurückgetreten. Jetzt bekam er es erstmals mit Charakteren zu tun, zwar nicht im Sinne moderner Individualitäten, aber doch von Persönlichkeiten, die fest in einer bestimmten Sphäre menschlicher Kultur wurzelten. Damit wechselte aber auch der Begriff der dramatischen Handlung: sie entwickelte sich nicht mehr aus dem Ablauf einer sittlichen Idee, sondern aus dem Widerspiel der Charaktere. Gleich in der Iphigenie stand Gluck vor der schwierigsten Aufgabe dieser Art, die ihm je gestellt wurde, dem Charakter des Agamemnon mit seinem Zwiespalt zwischen Vaterliebe und Königspflicht, oder wie Gluck sagte, von Natur und Religion.

Aber auch diesen neuen Aufgaben gegenüber wich er nicht von seinen Grundsätzen ab. Zunächst verfuhr er mit dieser französischen Poesie genau ebenso wie mit der metastasianischen: alles mußte fallen, was daran noch an die alte Konvention, an die Anschauungen und Anstandsbegriffe des Zeitalters Ludwigs XIV. gebunden war. Dagegen blieb wiederum das alte, auf Klarheit und Ordnung gerichtete rationalistische Schaffensprinzip bestehen, nur daß es bei ihm abermals zum inneren Erlebnis wurde. So gab er den Franzosen in seinen Werken ein gereinigtes Spiegelbild ihres eigenen Temperamentes zurück und konnte bald beide feindliche Heerlager um sein[571] Banner scharen. Die Anhänger des Alten bezwang er durch die Kraft seines Denkens, die Freunde des Neuen durch die Wucht seines Erlebens.

So bildete er eine neue, eigentümliche Charakterisierungskunst aus. Er erfüllte die ihrer konventionellen Masken entkleideten Charaktere nicht etwa mit individuellen Zügen im Sinne moderner Psychologie, er suchte sie überhaupt nicht im heutigen Sinn »entwicklungsfähig« zu gestalten, sondern bestrebte sich viel mehr, sie auf die allereinfachsten typischen Formeln zu bringen. Achilles und Iphigenie waren für ihn zwar nicht mehr »prince Achille« und »princesse Iphigénie«, wie noch O. Jahn glaubt33, aber es kam ihm auch nicht auf die psychologische Entwicklung ihres Liebesverhältnisses an, sondern Achilles ist und bleibt für ihn der männermordende Pelide der Ilias und Iphigenie die zarte, jungfräuliche Dulderin bis zum Ende. Auch im Charakter Agamemnons sind ihm jene beiden Grundmotive, Natur und Religion, die Hauptsache, von anderen Eigenschaften, Zorn, Rachsucht u. dgl. kommen nur die in Betracht, die der Vertiefung jenes Grundkonflikts dienen. Alles Einmalige, Zufällige wird streng ausgeschieden, nur das Typische bleibt. Deshalb vollzieht sich auch der Gang der Handlung wiederum in großen, einfachen Zügen; da die Personen selbst ihr Grundwesen niemals ändern, kennt auch sie keine unerwarteten Komplikationen. Alles ist mit unerbittlicher Schärfe auf die einfachsten Begriffe gebracht, und doch stellt sich nie, wie so oft bei der älteren rationalistischen Dramatik, der erkältende Eindruck der Konstruktion ein, denn auch dieses ganze, großartige System ist nicht bloß erdacht, sondern wirklich erlebt. Glucks Gestalten sind von den Mozartschen so verschieden wie nur möglich, und doch wirken sie nicht minder tief, ein klarer Beweis dafür, daß es verschiedene Möglichkeiten des seelischen Erlebens und damit des künstlerischen Gestaltens gibt, die in eine bestimmte Rangordnung hineinzuzwängen nur der Philister fertigbringt.

Daß Gluck sich jetzt auch formell der französischen Oper stärker anschloß als bisher, ist nur natürlich, dafür sorgte allein schon die Sprache, deren Eigentümlichkeit er mit gewohnter Energie studierte. Aber was dabei schließlich herauskam, war trotz allen leicht erkennbaren Vorbildern doch etwas Neues, spezifisch Gluckisches. Das lehren allein schon die Rezitative. Seine ideale, stahlharte dramatische Deklamation brachte Gluck schon aus Wien mit, sie brauchte darum eigentlich nur dem Geiste der französischen Sprache angepaßt zu werden. Aber er verschmolz damit zugleich alle bisherigen Errungenschaften zu einem neuen Stil, der vom Secco und Akkompagnato der Italiener34 und dem mensurierten Rezitativ der Franzosen bis zum vollen, der Arienmelodik verwandten Arioso geht. Umgekehrt aber erfährt in den Arien der deklamatorische Zug der Melodik eine wesentliche Steigerung. Das Wort gewinnt einen immer größeren Einfluß auf Glucks Gesangsstil – es war zugleich die schärfste Absage an das alte[572] Koloraturprinzip, gegen dessen »Unnatur« Gluck freilich schon im »Orpheus« zu Felde gezogen war. In den Chören dagegen war der Fortschritt am geringsten, hier waren ja tatsächlich die Vorbilder der »Alceste« und auch des »Paris« schwer zu überbieten. Ebenso hat das Ballett mehr der Zahl als der Art nach eine Bereicherung erfahren: trotz dem Bestreben Glucks, auch diesen Teil dem tragischen Organismus einzugliedern, bleiben doch gewisse Zugeständnisse an den französischen Geschmack als solche erkennbar, und sehr bezeichnenderweise ist die Zahl dieser Sätze in der taurischen Iphigenie wieder auf ein bescheideneres Maß zurückgeführt.

Dem neuen Werke wurde durch zwei Briefe an den »Mercure de France«, von Du Roullet an den Direktor Dauvergne von der Académie Royale (Oktober 1772) und von Gluck selbst (Februar 1773), der Boden bereitet. Schließlich gelang es Gluck, durch seine Verbindungen mit dem Wiener Hofe die Dauphine Marie Antoinette für sich zu gewinnen. Am 19. April 1774 erfolgte, nachdem Glucks ungeheure Willenskraft in sechsmonatiger Probezeit über den hartnäckigen Widerstand der Sänger und des Orchesters triumphiert hatte, die erste Aufführung35. Sie brachte nur einen halben Erfolg, den aber die zweite vervollständigte. Freilich erhob sich auch sofort der Widerspruch, und bald war der Streit in vollem Gange.

Seine einzelnen Phasen zu verfolgen ist hier nicht der Ort36. Zunächst war der Eindruck im französischen wie im italienischen Lager der der Betäubung, bald aber raffte man sich zu nachdrücklichem Widerstande auf. Aber auch Gluck fand begeisterte Anhänger, zuerst in dem Abbé Arnaud, dem Herausgeber der »Gazette littéraire de l'Europe«, und in Rousseau selbst, später gesellte sich noch Suard als »Anonymus von Vaugirard« hinzu. Er selbst verstärkte zunächst seine Stellung durch eine französische Neubearbeitung seines »Orfeo« (2. August 1774), die dramatisch freilich keine Verbesserung bedeutete37, dann folgten zwei Neubearbeitungen kleinerer älterer Werke, »L'arbre enchantée« (27. Februar 1775) und »La Cythère assiégée« (1. August 1775), die ihm starke Enttäuschungen brachten. Am 23. April 1776 folgte »Alceste« in einer Umarbeitung von Du Roullet, die neben entschiedenen Verbesserungen des Calsabigischen Textes mit der neuen Figur des Herkules eine dramatisch recht zweifelhafte Zutat brachte38. Auch sie hatte zunächst keinen Erfolg; erst allmählich stellte sich die Teilnahme des Publikums ein. Gluck aber entschloß sich nunmehr, den Parisern statt seiner älteren Werke zwei neue vorzuführen und wählte dazu mit gewohnter Energie zwei Texte des alten Quinault selbst: »Roland« und »Armide«.

Während er in Wien an diesen beiden Opern arbeitete, führten die Anhänger der italienischen Oper, durch Glucks Beispiel angefeuert, einen[573] längst gehegten, aber bisher nie geglückten Plan aus und beriefen in N. Piccinni einen der angesehensten Neapolitaner nach Paris. Seine Berufung war das Werk der Dubarry, Laharpes, des einflußreichen neapolitanischen Gesandten Marchese di Caraccioli und schließlich der Königin Marie Antoinette selbst, in der alte italienische Sympathien wieder erwachten. Marmontel erklärte sich bereit, den Quinaultschen »Roland« für Piccinni zu bearbeiten. Die Folge war ein geharnischter Brief Glucks an Du Roullet, den dieser auch alsbald veröffentlichte39. Er gab das Signal zu dem berühmten Streit der Gluckisten und Piccinnisten, der bald ganz Paris erfüllte und im Grunde nichts anderes war, als eine modernere Auflage des uralten Kampfes zwischen dem französischen und dem italienischen Opernideal, nur daß das französische jetzt durch die überragende Persönlichkeit des deutschen Meisters eine Reinheit empfangen hatte, die ihm von Anfang an die geistige Überlegenheit sicherte40.

Gluck war nicht der Mann, sich durch diese Wendung einschüchtern zu lassen. Eine ernstliche Gefahr für sein Musikdrama hat er in der von ihm längst überwundenen italienischen Kunst überhaupt niemals erblickt. Der Ansturm der Italienerpartei brachte ihm zwar viel Ärger, aber er zog, wie alle Willensmenschen, aus dem Kampf immer neue Kraft. Es machte ihm Freude, gelegentlich sogar selbst in die Arena zu steigen und sich in Wort und Schrift mit gewohnter rücksichtsloser Schärfe an der allgemeinen Fehde zu beteiligen. Dagegen war Piccinni alles eher als eine Kampfnatur. Er war am letzten Tage des Jahres 1776 in Paris eingetroffen, voll Hoffnungen auf eine glänzende Tätigkeit, die die Pariser Gönner in ihm erweckt hatten. Bald wurde er jedoch inne, welch heißen Boden er betreten hatte. Seine liebenswürdige, harmlose und vor allem durchaus friedfertige Natur fühlte sich diesem Kampfe je länger, je weniger gewachsen, und zum Parteiführer hatte er weder Lust noch Talent. Dazu kam seine Unkenntnis des Französischen, die seinen Verkehr mit der Außenwelt stark behinderte und ihm auch bei der Komposition des »Roland« große Schwierigkeiten bereitete41. Mit wachsender Ängstlichkeit sah er darum dem weiteren Verlauf der Dinge entgegen, zumal als Gluck, der im Zorne seinen eigenen, schon begonnenen »Roland« hatte fallen lassen, seine »Armide« im Juli 1777 einzustudieren begann und am 23. September aufführte. Der Erfolg, den er selbst der Königin stolz vorausgesagt hatte42, stellte sich freilich auch diesmal erst allmählich ein, nachdem besonders Laharpe das Werk scharf angegriffen[574] und Gluck seinen Anonymus von Vaugirard zu Hilfe gerufen hatte. Das war kein Wunder, denn die neue Oper schien sich mit ihrem romantischen Charakter und ihrem starken Hervortreten des Sinnlichen erheblich von dem bisherigen, »klassischen« Gluck zu entfernen, und nicht jeder bemerkte alsbald, daß Gluck auch für diese ganz anderen Charaktere mit gewohnter Energie den entsprechenden Ausdruck gesucht und gefunden hatte. Unterdessen nahmen die Proben zum »Roland«43 ihren Fortgang. Während die Wogen des Streites gerade damals besonders hoch gingen, sorgte Gluck selbst, der die Person von der Sache wohl zu trennen wusste44, bei Sängern und Spielern für straffe Ordnung, Piccinni dagegen wurde immer hoffnungsloser und war bereits entschlossen, den Tag darauf nach Neapel zurückzukehren. Da erlebte die Oper am 27. Januar 1778 ganz gegen sein Erwarten einen vollständigen Triumph45. Er war wohl verdient, denn das Werk ist reich an eigentümlichen Schönheiten und überrascht durch die Leichtigkeit, womit sich sein Schöpfer dem fremden Stil anzupassen versteht. Aber gerade darin lag eine empfindliche Niederlage der italienischen Partei in Paris, denn was der Meister ihrer Wahl hier bot, war alles eher als eine neapolitanische Oper, wie man sie von ihm erwartet hatte, sondern es glich mit seinen Chören und Tänzen, seinem durchlaufenden Orchesterrezitativ und seinem ernsten dramatischen Geist weit eher den Schöpfungen des verhaßten Gluck, nur daß dabei die italienische Musikfreudigkeit und vor allem die weiche und verträumte Piccinnische Innigkeit stärker zum Ausdruck kamen. So endete der ganze Streit, mochte er auch äußerlich noch einige Zeit weitergeführt werden, doch bereits 1778 damit, daß der weltberühmte, alternde Italiener die außergewöhnliche Ehrlichkeit und Energie hatte, sich vor der Größe Glucks zu beugen und aus seinem Gegner sein Schüler zu werden. Sein Vorgehen fand nicht allein bei andern Italienern in Paris, wie z.B. bei Sacchini, Nachahmung, sondern führte auch der alten italienischen Solooper neues Blut zu, indem es der bereits früher für die Wiedereinführung des Chores gewonnenen Minderheit einen starken Rückhalt bot.

Fußnoten

1 A. Schmid, Chr. W. Ritter von Gluck 1854. A.B. Marx, Gluck und die Oper 1863. Desnoiresterres, Gluck et Piccinni 1875. E. Newman, Gluck and the opera 1895. A. Wotquenne, Chr. W.v. Gluck, Themat. Verzeichnis seiner Werke 1904 (mit Nachtrag von J. Liebeskind 1911). J. Tiersot, Gluck 1910. Vgl. auch Kretzschmar, Zum Verständnis Glucks, Ges. Aufs. II 193 ff., und St. Wortsmann, Die deutsche Gluckliteratur 1914.


2 Vgl. G. de Saint-Foix im Gluckjahrbuch I 28 ff.


3 E.H. Müller, Gluckjahrbuch III 1 ff.


4 S.o.S. 191.


5 Über diese Opern vgl. E. Kurth in Adlers Studien zur Musikwissenschaft I 193 ff. H. Abert, Einl. zu DTB XIV 2 und Gluckjahrbuch II 1 ff.


6 S.o.S. 530.


7 Der Hauptreformator war J.G. Noverre, s.o.S. 229.


8 Angiolini ging dabei noch weit strenger vor als Noverre, der ihn in seiner Einleitung zu den »Horaces« wegen seiner »Pantomime sans danse« heftig tadelt.


9 Kretzschmar S. 199 ff.


10 K. Burdach, Schillers Chordrama und die Geburt des tragischen Stils aus der Musik, Deutsche Rundschau 1910, S. 263 ff.


11 Kretzschmar a.a.O.


12 H. Welti, Vj VII 26 ff. G. Lazzeri, La vita e l'opera letteraria di R.C. 1907. H. Michel, R.C. im Gluckjahrbuch IV 99 ff. Eine deutsche Übersetzung seiner Risposta von 1790 ebenda II 56 ff. III 25 ff. (A. Einstein). Als Mitglied der römischen Arkadia führte C. den Namen Liburno Drepanio.


13 Hor. epist. III 23, der Alceste-Partitur als Motto vorgedruckt.


14 Alceste gilt ihm als ein zartes Weib, das seinen an einer ansteckenden Krankheit leidenden Mann pflegt und rettet, sich aber dabei selbst ansteckt und schließlich nur durch einen erfahrenen und teilnehmenden Arzt gerettet wird, vgl. Gluckjahrbuch II 72.


15 S.o.S. 182.


16 Vgl. A. Heuß ZIMG XV 274 ff.


17 Vgl. Heuß S. 282.


18 So noch O. Jahn I4 518 ff.


19 Hierher gehören die bekannten Aussprüche Glucks bei Schmid S. 425: »Ehe ich arbeite, suche ich vor allen Dingen zu vergessen, daß ich Musiker bin. Ich vergesse mich selber, um nur meine Personen zu sehen« und S. 433 f.: »Bin ich einmal mit der Komposition des Ganzen [d.h. mit der Anlage] und mit der Charakteristik der Hauptpersonen im Reinen, so betrachte ich die Oper als fertig, obgleich ich noch keine Note niedergeschrieben habe. Diese Vorbereitung kostet mich aber auch gewöhnlich ein ganzes Jahr und zieht mir nicht selten eine schwere Krankheit zu, und dennoch heißen das viele Leute leichte Lieder komponieren.«


20 Schmid S. 427.


21 Calsabigis Erklärung, er habe im Orpheus Gluck erst auf die richtige Deklamation der Rezitative und sogar auf die Themen der Arien und Chöre gebracht, erledigt sich nach dem Gesagten von selbst. 1794 glaubte er den wahren »philosophischen« Komponisten sogar in – Paisiello entdeckt zu haben.


22 S.o.S. 191 ff.


23 Es gibt deshalb nichts Törichteres als die in vielen heutigen Klavierauszügen übliche Einteilung, z.B. der Furienszene, in »Nummern«, mit der an dem Kunstwerk geradezu eine Schlächterarbeit verübt wird. Das gleiche gilt übrigens von den Opern Mozarts, wie überhaupt jedes ernst zu nehmenden Dramatikers.


24 Nicht umsonst hat H. Berlioz gerade diese Seite an Gluck besonders bewundert. Vgl. auch H. Kretzschmar, Ges. A. II 203.


25 Die erste Szene gemahnt an die berühmte Trauerszene (tombeau) in Rameaus »Castor et Pollux«, die Furienszene an Traëttas »Ifigenia in Tauride« (s.o.) und der Beginn der Elysiumsszene an die Einschläferung Rinaldos in desselben Meisters »Armida«, vgl. H. Abert, Einl. zu DTÖ XXI 44 a. Daß hinter den kleinen, liedmäßigen Gesängen der Einfluß der opéra comique steckt, wurde schon bemerkt; dahin gehört auch der Schlußgesang, der seiner Form nach ein vollständiges Vaudeville (s.o.S. 533 f.) darstellt.


26 Vgl. darüber R. Engländer, Gluckjahrbuch II 26 ff.


27 Sonnenfels Ges. Schr. V 155 ff. Hiller, Wöch. Nachr. 1768,127 ff. Riedel, Über die Musik des Ritters Gluck 1775, S. IX ff.


28 Ricci, I teatri di Bologna 625 ff. Florimo, La scuola musicale di Napoli IV 350.


29 Wotquenne a.a.O. 208.


30 Allg. Deutsche Bibl. X 2, 31. Nicolai, Reisen IV 529. Reichardt AMZ III 187. XV 612.


31 Agricola Allg. deutsche Bibl. XIV 1, 3 ff. und besonders Forkel ebenda X 2, 29 ff.


32 S.o.S. 526.


33 I4 523.


34 Recht bezeichnend ist das Zurücktreten der typischen italienischen Kadenz mit der fallenden Quart.


35 Burney, Reise II 28. Cramer, Magazin 1775, 561. Fr. v. Genlis Mém. II 248 f. Desnoiresterres a.a.O. S. 85 ff.


36 Die genannten biographischen Werke geben darüber ausführlich Auskunft.


37 Die Arie »L'espoir renaît« ist nicht, wie man früher annahm, von Bertoni, sondern von Gluck selbst, vgl. Tiersot, Einl. zur Pelletan-Ausgabe des »Orphée« S. LIX ff.


38 Die Arie des Herkules im ersten Akt stammt nicht von Gossec, sondern von Gluck, und zwar aus seinem »Ezio« von 1750.


39 Année littéraire 1776, VIII 322. Der Brief stammt aus dem Ende dieses Jahres, vgl. Tiersot, Gluck S. 178.


40 Vgl. darüber außer den Biographien G. Desnoiresterres, Gluck et Piccinni 1872. E. Thoinan, Notes bibliographiques sur la guerre musicale des Gluckistes et Piccinnistes 1878. Eine Sammlung der wichtigsten Aufsätze und Flugschriften gibt Leblond, Mémoires pour servir à l'histoire de la révolution opérée dans la musique par M. le Chev. de Gluck 1781, ins Deutsche übersetzt von J.G. Siegmeyer, Über den Ritter Gluck und seine Werke. Berlin 1823, 2. Aufl. 1837.


41 Marmontel, zugleich sein Lehrer im Französischen, mußte ihm den Operntext täglich Stück für Stück übersetzen. Marmontel, Oeuvres II 15. Ginguené S. 25 ff.


42 Mme. Campan, Mém. 7, 131.


43 Vgl. darüber Grimm, Corr. litt. IX 498 ff.


44 Vgl. Galiani, Mém. inéd. II 248 und Mme. de Genlis Mém. II 248. Ginguené S. 45 f.


45 Grimm IX 500. X 23.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 575.
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