Rom.77

[192] Es ist unmöglich, sich dieser Stadt, welche noch immer in Absicht auf die Künste die Hauptstadt der Welt ist, zu nahen, ohne von einem Gefühl hingerissen zu werden, dergleichen keine andere Situation erregen kann. Die Ueberbleibsel des Alterthums erhalten, wie die sibyllinischen Bücher, immer einen größern Werth, je weniger ihrer sind.

Ungeachtet meine Absichten und Wünsche, als ich nach Rom kam, vornehmlich auf Alterthümer und die Materialien giengen, welche die vaticanische und andere Bibliotheken mir zur Geschichte der alten Musik geben würden: so machte mir doch auch die neue viel Vergnügen.


Den 21ten September.

Als den Tag nach meiner Ankunft hörte ich in des Herzogs von Dorfet Hause, den vornehmsten Geiger hieselbst, Sgr. Celestini, welcher sehr geschickt und mit vielem Ausdrucke spielt. Sgr. Corri ein sinnreicher Komponist, der mit vielem Geschmacke singt, begleitete ihn. Es war auch ein guter Violonschellspieler da.

Sgr. Celestini spielte unter andern eins von seinen eignen Solo's, welches zwar ausserordentlich schwer, aber doch sehr gefällig war, mit vielem Geschmacke, Genauigkeit und glänzendem Vortrage.


Sonnabend, den 22sten September.

[193] Heute Nachmittag gab Herr Backford, dessen Eifer für mein Hauptgeschäfte ich soviel zu verdanken habe, mir zu Gefallen ein Concert, welches aus zwölf oder vierzehn der besten Spieler in Rom bestund, die von Sgr. Celestini angeführet wurden. Es waren drey Singstimmen dabey, Sgr. Cristofero, aus der päbstlichen Kapelle, der beynahe ganz in Guarducci's Manier singt, und in Absicht auf die Delikatesse ihm wenig nachgiebt; Il Grassetto, ein Knabe, der sich aus eigner Wahl, und wider seiner Freunde Rath castriren ließ, um seine Stimme zu behalten, die wirklich sehr gut ist, so wie er überhaupt eine gefällige Singart hat; und ein Buffo-Tenorist, ein erzkomischer Kerl.


Den 23sten September.

Ward ich zu Sgr. Crispi, einem berühmten Kapellmeister geführt, in dessen Hause heute Nachmittag eine Accademia war, worin seine Frau sang. Dieser Komponist hat alle Freytage Nachmittags ein Concert, welches gut besetzt ist, und von einer ansehnlichen Gesellschaft besucht wird.


Den 24sten September.

Heute war wegen der Versöhnung des Pabsts mit dem Könige von Portugall eine große Funzione in der Kirche der Santi Apostoli; hier sah[194] ich seine Heiligkeit zuerst, nebst einer großen Menge Cardinäle, und hörte das Te Deum. Es waren zwey starke Musikchöre, und eine unbeschreibliche Menge Zuhörer. Die Musik war von Sgr. Mosi78 Cristofero sang sehr reizend; die Arien waren schön, aber die Chöre armselig.

Des Abends war die äussere Seite der Kuppel, der Kirche und der Colonnade des heil. Petrus, nebst dem vaticanischen Pallaste sehr schön erleuchtet, welches den Einwohnern von Rom ein Schauspiel giebt, dergleichen in der ganzen Welt nicht aufzuweisen ist. In den Pallästen der meisten Cardinäle waren auf den Balkons, die an der Strasse liegen, ausser der Illumination, mit einer Menge Spielern besetzte Concerte. Das vornehmste war in des portugischen Gesandten Hause, wobey über hundert Musiker waren, welche die ganze Nacht hindurch spielten. Doch war diese Musik, ungeachtet sie in freyer Luft aufgeführt ward, zu lärmend für mich, und ich gieng bald weg, um meine Ohren in des Grafen von Dorset Concerte mit gefälligern Tönen zu erquicken.


Dienstags, den 25sten Sept.

Heute früh hatte ich die Ehre, den Cardinal Alexander Albani, ersten Bibliothekar im Vatican,[195] und Prefetto, oder Oberaufseher der päbstlichen Kapelle, vorgestellt zu werden. Se. Eminenz nahm mich aufs gefälligste und sehr herablassend auf, ergrif mich bey der Hand, und sagte: Figlio mio, che volete? Mein Sohn, womit kann ich dienen? »Als ich ihm die Absichten meiner Reise nach Italien erzählte, und meinen Wunsch nach der Erlaubniß äusserte, musikalische Manuscripte in der vaticanischen Bibliothek und in den Archiven der päbstlichen Kapelle durchzusehen, so sagte er mir: Sie sollen die verlangte Erlaubniß haben, aber bringen sie es in Form eines Memorials zu Papiere.« Als dies geschehen war, rief er seinen Sekretär, den er einen Befehl ausfertigen hieß, welchen er unterschrieb, und an Monsignore l'Arcivescovo di Apomea, Prefetto della Vaticana addreßirte, um mich in die vatikanische Bibliothek einzulassen, wenn mirs beliebte, mich soviel Bücher und Manuscripte sehen zu lassen, als mir beliebte, und mir kopiren zu lassen, was mir anstünde.

Hiemit war ein wichtiger Punkt gewonnen, aber ohne die Einwilligung und den Beystand des Abts Elie, eines von den Custodi, oder Buchhaltern der vaticanischen Bibliothek, wäre mir mit der erhaltenen Erlaubniß wenig geholfen gewesen. Denn der Manuscripte in dieser berühmten Bibliothek ist eine solche Menge, und manche davon sind in solcher Unordnung, daß es ein Werk[196] von mehr als einem Jahre gewesen wäre, die Schriften, welche ich brauchte, aufzusuchen, wenn er sie mir nicht angewiesen hätte.79 Fünf bis sechs ganze Tage wandte er dazu an, mir ein Verzeichniß von allen dem zu machen, was die vaticanische Bibliothek zu meinem Zwecke brauchbares enthielt; worauf ich gewöhnlich den Morgen daselbst zubrachte, und dasjenige las und aussuchte, was ich entweder ganz abgeschrieben, oder wovon ich Auszüge zu haben wünschte. Mein Freund, der Abt übernahm es, dieß für mich auszuschreiben, unterdeß daß ich nach Neapel reiste.

Während meines ersten Aufenthalts in Rom, fand ich soviel zu betrachten, ich hatte soviel Untersuchungen, die alte Musik betreffend, zu machen, und soviel Zeit in der vaticanischen und andern Bibliotheken zuzubringen, daß ich nur wenige Zeit für die neuere übrig behielt. Doch diese wenige Zeit wandte ich mit großem Vergnügen an, öffentliche Kirchenmusiken und Privatconcerte so wohl in den Häusern der verschiedenen Virtuosen, als bey einigen Vornehmen zu hören. Weil aber viele Tage hieselbst von mir auf einerley Weise zugebracht wurden, so will ich, um Wiederholung[197] zu vermeiden, die Schreibart eines Tagebuchs verlassen, und meine vornehmsten musikalischen Begebenheiten zu Rom, ohne Rücksicht auf das Datum durchgehen. Ich würde mich bey dieser Erzählung einer großen Undankbarkeit schuldig machen, wenn ich die Unterstützung und den Beystand, womit mich meine Landsleute beehrten, mit Stillschweigen übergienge. Man wird mir daher, wie ich hoffe, die Freyheit verzeihen, gelegentlich ihrer mit der schuldigen Verehrung für ihren Stand und für die Dienste, welche ich von ihnen erhalten habe, zu erwähnen.

Ich habe wenige Abende in Rom zugebracht, ohne in des Herzogs von Dorset Hause ein Concert zu hören. Er hatte die Gnade, dafür zu sorgen, daß meine Neugierde meistens durch etwas Neues und Merkwürdiges entweder in Ansehung der Komposition oder des Vortrages unterhalten ward. Hier war es, wo ich die Gelegenheit hatte, die besten Spieler in Rom zu der Zeit zu hören, als die Theater geschlossen waren, und es schwer gewesen wäre, sie anderwärts zu hören.

Hrn. Herrn Leighton, der an Vortrag und Geschmack in der Musik die meisten Liebhaber zuvor thut, habe ich einige merkwürdige Kompositionen, und den Umgang mit verschiedenen Leuten in Rom zu verdanken, die wegen ihrer Geschicklichkeit in der Ausübung, oder wegen ihrer Gelehrsamkeit in der Theorie der Musik hervorragen; worunter der Marchese Gabriele und Monsignor Reggio waren.[198]

Dem Rathe und Beystande der geschickten Alterthumskenner, Herrn Perkins, Morrison und Byers verdanke ich den größten Theil meiner Originalzeichnungen von alten Instrumenten; und ihrer geschäftigen Freundschaft muß ich gleichfalls einen grossen Theil des Vergnügens und Unterrichts, welchen ich in Rom genossen habe, zuschreiben.

Nachdem ich diese Schuld meinen Landsleuten abgetragen habe, muß ich nochmals sagen, daß die gelehrten Italiäner und die schönen Geister unter ihnen, mich auf meiner Reise mit der größten Gastfreyheit und Güte aufgenommen haben, indem jeder zu wetteifern schien, wer am meisten zu meinem Unterrichte und Unterhaltung beytragen könnte. Denn ausser den Gefälligkeiten, womit Herr Richie, Sir. Horace Man und die Herren Perkins und Hempson zu Venedig mich beehrten, muß ich allen Unterricht und Vergnügen bis zu meiner Ankunft zu Rom, den Italiänern selbst zuschreiben. Sie waren es, an die ich mich hauptsächlich wandte, indem ich es sowohl in Ansehung der Sprache als des Unterrichts für sehr vorteilhaft hielt, mich mit den Eingebohrnen abzugeben. Allein zu Rom und Neapel fand ich so viele Engländer, die so sehr bereit waren, mein Unternehmen zu begünstigen, und mir in meinen Untersuchungen beyzustehen, daß ich nicht brauchte, oder richtiger, keine Zeit hatte, verschiedene Empfehlungsschreiben an angesehene Gelehrten[199] und Tonkünstler in diesen beyden Hauptstädten abzugeben.

Jedoch muß ich unter den Römern den Cavaliere Piranesi vorzüglich nennen, der mir verschiedne Zeichnungen von solchen alten Instrumenten, die sich unter den besten Ueberbleibseln des Alterthums noch befinden, gab, und Gelegenheit, andere zu nehmen, anwies. Ferner den Abt Orsini, welcher eine große Sammlung von musikalischen Kompositionen und Abhandlungen besitzt, und unter andern nützlichen Materialien zu meinem vorhabenden Werke mir alle musikalische Drama's zeigte, die zu Rom vom Anfange des letzten Jahrhunderts an, bis zu unsern Zeiten aufgeführet worden, und mir ein Verzeichniß davon gab; wie auch den Rath Reiffenstein, welcher zwar kein Römer von Geburt ist, aber doch so lange daselbst gelebt hat, und soviel Gelehrsamkeit und Geschmack in den schönen Künsten besitzt, daß ich durch seinen Umgang sehr viel lernte, und ihm für seinen Eifer und Einsichten, die mir sehr nützlich waren, vielen Dank schuldig bin; und den Cavalier Santarelli, Capellano di Malta,80 und Kapellmeister seiner päbstlichen Heiligkeit.

Pater Martini hatte die Güte gehabt, mir an Sgr. Santarelli einen Brief mitzugeben, welcher alle erwünschte Wirkung that, indem ich diesen vortreflichen Musiker und würdigen Mann,[200] nicht nur geneigt fand, mich mit Höflichkeit, sondern auch mit Freundschaft in dem strengsten Verstande dieses Worts aufzunehmen. Er war um desto mehr im Stande, mir bey meinen musikalischen Untersuchungen wahre Dienste zu leisten, indem er ausser seiner Stelle in der päbstlichen Kapelle, und seiner großen Geschicklichkeit und Erfahrung in dem praktischen Theile der Musik, eine tiefsinnige Theorie und viel gelehrte Kenntniß der Geschichte seiner Kunst besitzt, und seit vielen Jahren mit einem lehrreichen Werke della musica del Santuario e della disciplina de suoi Cantori, oder einer historischen Abhandlung von der Kirchenmusik beschäftiget ist. Dies Werk ist nach den verschiednen Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung abgetheilt, und durchgehends mit Zeugnissen aus der Kirchengeschichte belegt worden. Der erste Band ward im Jahre 1764 gedruckt, ist aber niemals ausgegeben worden: der zweyte liegt noch im Manuscripte, und ist meist fertig. Es scheint alle Mängel eines andern merkwürdigen und seltenen Werkes über eben diese Materie zu ergänzen, welches 1711 unter dem TitelOsservazioni per ben regulare il coro della capella pontificia, oder Regeln zur Anführung des Chors in der päbstlichen Kapelle, von Andreas Adamo erschienen ist. Der historische Theil dieses Buchs fängt erst mit dem Jahre 1400 und schliesst 1711; da aber Sgr. Santarelli's Werk von den ersten Anfange der Kirche an, bis auf unsre Zeiten sich erstreckt, so würde es gewiß[201] für die Freunde der Kirchenmusik, die sie gern von ihrem Ursprunge an, kennen wollen, ein erwünschtes Geschenk seyn.81

Herr Santarelli schenkte mir sein noch nicht ausgegebenes gedrucktes Werk, theilte mir den zweyten Band in der Handschrift mit, und war ausserdem so gütig, mir Auszüge aus zwey geschriebenen Bänden merkwürdiger Anekdoten und Stellen aus alten und raren Büchern, welche die Musik betreffen, zu machen; welches alles er durch vieljährigen Umgang und Lectur gesammlet hatte. Zu diesen Gefälligkeiten kam noch hinzu, daß er mir einige der merkwürdigsten und rarsten geschriebenen Bücher, welche ich zu Rom suchte, durch seinen freundschaftlichen Eifer verschafte. Ich hatte hier drey Wochen lang mit meinen Freunden mich vergeblich bemühet, das erste Oratorium, welches jemals in Musik gesetzt war, aufzusuchen, endlich bekam ich es durch seine Hülfe zu sehen, und erhielt eine Abschrift davon; und[202] um das Maaß seiner Güte voll zu machen, gab er mir nicht nur eine ächte richtige Abschrift des berühmten Miesere von Allegri, sondern auch alle Kompositionen, welche in der Charwochen in der päbstlichen Kapelle aufgeführet werden.82 Zugleich erhielt ich von ihm viele andere Kirchen-Musiken von Palestrina, Benevoli, Luca Marenza und andern, welche nie gedruckt, ja nicht einmal irgendwo, ausser in besagter Kapelle sind aufgeführet worden.

So neugierig ich war, die vaticanische Bibliothek zu sehen, so war ich es wegen der päbstlichen Kapelle nicht weniger. Die Kirchenmusik scheint in diesem berühmten Heiligthume wo nicht ihr erstes Daseyn, doch wenigstens ihre erste Ausbildung erhalten zu haben. Cav. Santarelli war so gütig meine Neugier in Ansehung dieser Kapelle völlig zu befriedigen.

In der päbstlichen oder sixtinischen Kapelle braucht man weder Orgel noch irgend ein ander Instrument die Singstimmen zu begleiten. Dieser sind zwey und dreyßig, nämlich: acht Bässe,[203] acht Tenore, acht Alte und acht Discante, diese sind alle ordentlich angenommen: ausserdem sind noch verschiedene Ueberzählige, welche die Stelle derjenigen ersetzen, die etwa zufälliger Weise abwesend sind, so daß allemal die Zahl der zwey und dreyßig Sänger an den gewöhnlichen Feyertagen vollständig ist; an hohen Festtagen wird sie fast verdoppelt.83

Die Kleidung der ordentlichen Sänger besteht in einer Art von purpurfarbner Uniform; ihre Besoldung ist nicht groß, und itzt werden Sänger von ausserordentlichen Verdiensten nur wenig bemerkt und aufgemuntert, so daß die Musik hier, wie es scheint, sehr abnimmt und zu verfallen anfängt, wozu die hohen Besoldungen, welche schöne Stimmen und Sänger von großen Geschicklichkeiten in den vielen italiänischen Opern erhalten, nicht wenig beytragen. Allmählig werden sowohl die Auszierungen und die feine Ausführung der alten Musik, als auch die elegante Simplicität, weswegen diese Kapelle so berühmt ist, ganz verlohren gehen. Ehemals war hieselbst derCanto fermo seiner Reinigkeit und der ausdrucksvollen Art wegen, womit er gesungen ward, unendlich besser, als an allen übrigen Orten.[204]

Ein Freund, der neunzehn Jahr in Rom gewesen war, versicherte mich, ehe ich dahin reisete, daß ich nicht erwarten müßte, die Musik in der päbstlichen Kapelle so vorzüglich vor aller übrigen italiänischen Musik zu finden, als sie ehedem gewesen wäre, ehe die Opern aufgekommen, und man den vornehmsten Sängern so große Salarien gab; denn weil damals die päbstlichen Sänger besser bezahlt wurden, so konnte man hier auch leichter geschicktere Leute haben, als anderwärts. Jetzt ist das der Fall nicht mehr, und die Folge davon fällt in die Augen. Die Lage, worin die Sänger sind, ist der ähnlich, worin die englischen Chorsänger und Chorknaben sich befinden; ihre Salarien bleiben, wie sie bey der ersten Stiftung waren, und auf dieser Stuffe der Vollkommenheit scheint ihr Gesang gleichfalls stehen zu bleiben; die Lebensart ist kostbarer; das Geld von geringerem Werthe, anderwärts giebt man mehr; man ergreift, um zu leben, noch ein anders Geschäfte neben dem Singen, und die Kirchenmusik geräth also in Verfall, und wird immer schlechter, indem die theatralische durch die vermehrten Belohnungen täglich mehr und mehr empor kömmt.84[205]

Sgr. Santarelli hat mir folgende besondere Nachrichten das berühmte Miserere85 des Allegri betreffend, mitgetheilet. Dieß Stück, welches über hundert und fünfzig Jahr, jährlich in der Charwoche in der päbstlichen Kapelle am Mittwochen und Charfreytage aufgeführet werden, und dem Ansehn nach so simpel ist, daß diejenigen, welche es bloß auf dem Papiere gesehen haben,[206] sich wundern, woher seine Schönheit und Wirkung entstehen könne, hat seinen Ruhm mehr der Art, wie es aufgeführet wird, als der Komposition zu danken. Die nämliche Musik wird verschiedenemal mit verändertem Texte wiederholt, und die Sänger haben eine gewisse von Alters her überlieferte Art zu singen, gewisse Ausdrücke, gewisse hergebrachte Auszierungen (certe espressioni e gruppi) welche große Wirkung thun: Z.E. eine gemeinschaftliche Verstärkung oder Schwächung des Tons; die Beschleunigung oder Verzögerung des Takts bey gewissen Worten, und daß sie einige ganze Strophen geschwinder singen, als andere. Soweit Sgr. Santarelli. Ich will noch aus Andreas Adami oben angeführtem Buche folgendes hinzufügen: »Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen älterer Komponisten, vor mehr als hundert Jahren, eben diese Worte so in Musik zu setzen, daß die Häupter der Kirchen völlig damit zufrieden wären, hatte Gregorio Allegri das Glück, eine Komposition zu liefern, die sich ewigen Ruhm erwarb: denn mit wenigen wohl modulirten und wohl angebrachten Noten, setzte er ein Miserere, welches noch lange jährlich an eben den Tagen in künftigen Zeiten wird gesungen werden; welches gerade so gesetzt ist, daß es dereinst noch jeden in Erstaunen setzten wird, so wie es itzt alle Zuhörer entzücket.«

Doch müssen wohl einige von den großen Wirkungen, welche dieses Stück hervorbringt, eigentlich[207] der Zeit, dem Orte und den feyerlichen Ceremonien zugeschrieben werden, welche bey der Aufführung gewöhnlich sind. Der Pabst und das ganze Conclave liegen kniend an der Erde, die Lichter der Kapelle und die Fackeln auf dem Geländer werden eins nach dem andern ausgelöscht; und der letzte Vers dieses Psalms wird von zwey Chören beschlossen, indem der Kapellmeister den Takt immer langsamer schlägt, und die Sänger die Harmonie bis zum völligen Schlusse ganz allmählig endigen oder vielmehr ausgehen lassen.86

Es wird ebenfalls von ausgesuchten Sängern aufgeführt, welche viele Proben machen, vornehmlich des Montags in der Charwoche, welchen man dazu anwendet, das Stück oftmals zu probiren, und die Feinheiten in der Ausführung zu lehren.

Diese Komposition wird so heilig gehalten, daß man glaubte, der Bann würde darauf stehen, wenn jemand sie abschriebe. Pater Martini erzählte mir, daß niemals mehr als zwey Abschriften auf päbstlichen Befehl davon gemacht wären, nehmlich eine für den verstorbenen König von Portugal, die andere für ihn selbst. Er erlaubte mir, diese letzte zu Bologna abzuschreiben, und Sgr.

[208] Santarelli verschafte mir gütigst eine andere Abschrift aus den Archiven der päbstlichen Kapelle: bey der Vergleichung beyder Abschriften fand ich, daß sie sehr genau, vornehmlich in den ersten Verse übereinstimmten. Ich habe hie und da verschiedene unächte Abschriften dieser Komposition gefunden, worin die Discantstimme ziemlich richtig war, dahingegen die übrigen Stimmen sehr abweichen; und dieß machte mirs glaublich, daß die Oberstimme aus dem Gedächtnisse sey aufgeschrieben worden, welches nicht schwer seyn konnte, da sie so oft in diesem Stücke zu verschiedenen Worten wiederhohlet wird, und daß hernach irgend ein neuerer Contrapunktist die übrigen Stimmen hinzugesetzet habe.

Ehe ich einen Gegenstand verlasse, der für die Freunde der Kirchenmusik so interessant ist, will ich noch folgende Anekdote mitheilen, die ich ebenfalls von Sgr. Santarelli habe.

Kayser Leopold, welcher nicht nur ein Liebhaber und Gönner der Musik war, sondern auch selbst gut komponirte, befahl seinem Gesandten zu Rom, vom Pabste die Erlaubniß zu erbitten, daß er eine Abschrift von dem berühmten Miserere des Allegri zum Gebrauch der kaiserlichen Kapelle zu Wien nehmen dürfte: als er diese Erlaubniß erhalten hatte; schrieb der päbstliche Kapellmeister es für ihn ab, und schickte es dem Kaiser zu, der damals einige von den größten Sängern seiner Zeit in Diensten hatte. Allein der Geschicklichkeit[209] dieser Sänger ungeachtet, that diese Komposition der Erwartung des Kaisers und seines Hofes, als sie aufgeführt ward, so wenig Genüge, daß er den Schluß machte, der päbstliche Kapellmeister hätte ihn hintergangen, und um seinen Schatz, als ein Geheimniß für sich zu behalten, eine Komposition untergeschoben.87 Der Kaiser war darüber sehr aufgebracht, und schickte einen Kurier an Se. Heiligkeit, sich über den Kapellmeister zu beschweren, der deswegen in Ungnade fiel, und sogleich abgesetzt ward. Der Pabst war durch den vorgeblichen Betrug seines Kapellmeisters so sehr beleidigt, daß er ihn lange Zeit hindurch weder sehen, noch seine Vertheidigung hören wollte; doch endlich übernahm es einer von den Kardinälen, Fürsprache für ihn zu thun, und sagte Se. Heiligkeit, daß die in der päbstlichen Kapelle übliche Art zu singen, vornehmlich bey diesem Miserere so beschaffen wäre, daß sie nicht in Noten ausgedrückt werden, oder anders als durchs Exempel könne gelehrt, und an andern Orten eingeführt werden; weswegen diese Komposition, wäre sie auch noch so richtig abgeschrieben, ihrer Wirkung verfehlen müßte, sobald man sie anderswo aufführte. Se. Heiligkeit verstund keine Musik, und konnte gar nicht begreifen, wie die nehmlichen Noten an verschiedenen Orten so verschieden klingen könnten; indessen befahl er doch[210] seinem Kapellmeister, eine schriftliche Vertheidigung einzugeben, welche nach Wien gesandt werden sollte: dieß geschah, und der Kaiser, welcher sah, daß sein Wunsch in Ansehung dieser Musik nicht anders konnte befriediget werden, bat den Pabst, daß einige Sänger aus seiner Kapelle nach Wien gesandt werden mögten, um den kaiserlichen Sängern Anweisung zu geben, wie sie das Miserere von Allegri mit eben so viel Ausdrucke, als in der sixtinischen Kapelle zu Rom geschähe, aufführen müßten. Der Pabst bewilligte es; allein ehe sie ankamen, brach ein Krieg mit dem Türken aus, welcher den Kaiser von Wien wegzugehen nöthigte, und das Miserere ist vermuthlich itzt noch nirgends gehörig aufgeführet worden, als in der päbstlichen Kapelle.

Bey meinem Aufenthalte in Rom besuchte ich verschiedentlich Sgr. Mazzanti, der nicht nur mit außerordentlich vielem Geschmacke singt, sondern auch ein vortreflicher Musiker ist. Er liest und schreibt über die Musik, und hat eine beträchtliche Sammlung von Büchern und Manuscripten. Der Reichthum seines Geschmacks im Singen ersetzt den Mangel an Stärke seiner Stimme, welche überaus schwach ist. Er besitzt eine große Menge von Palestrini's Kompositionen, und theilte mir verschiedene davon mit, die ich sonst nirgends bekommen konnte. Sgr. Mazzanti ist berühmt wegen seiner Kunst, das Gedicht des Casso nach der Melodie der Barcarolli zu Venedig[211] zu singen. Er thut es mit unbeschreiblichem Geschmacke, und begleitet sich selbst mit der Violine, durch welche Harmonie er ausserordentliche angenehme Wirkungen hervorzubringen weiß, Er schrieb mir zu Gefallen die Originalmelodie nieder, um sie mit dem zu vergleichen, was ich in Venedig aufgeschrieben hatte, da ich sie in dem großen Canale singen hörte. Er hat selbst viel gesetzt, Z.E. Opern und Motteten für die Singstimme; wie auch Trios, Quatuors, Quintetten und andere Stücke für die Geige. Er spielt recht schön auf der Geige, und ist im Besitze der schönsten und vollkommensten Steiner-Geige, die ich je gesehen habe, Er ist sehr weit in der Theorie der Musik; und hat, zur Uebung einen Auszug aus der Modulation des Palästrini gemacht, welcher sehr auserlesen und wohl geordnet ist; auch zeigte er mir einen beträchtlichen Theil eines musikalischen Tractats im Manuscripte, welchen er selbst verfertigt hatte.

Zu Rom hatte ich gleichfalls vielen Umgang mit Rinaldo di Capua, einem alten vortreflichen neapolitanischen Komponisten. Er ist ein natürlicher Sohn eines sehr vornehmen Mannes in diesem Lande, und studirte anfangs nur die Musik zu seinem Vergnügen; allein da ihm sein Vater nur ein geringes Vermögen hinterließ, welches er bald herdurchbrachte, so sah er sich gezwungen, Profeßion davon zu machen. Er war nur siebzehn Jahr alt, als er seine erste Oper zu Wien in Musik[212] setzte. Seine Kompositionen haben mir oft viel Vergnügen gemacht; jetzt ist er nicht sehr Mode mehr, wiewohl er vorigen Winter noch ein Intermezzo für das Capranica-Theater in Rom mit großem Beyfalle gesetzt hat. Sein Umgang ist sehr vernünftig; allein so ein gutes Herz er auch hat: so hegt er doch von seinen Mitkomponisten etwas sonderbare und strenge Meynungen. Er glaubt, sie hätten nichts mehr zu thun übrig, als sich selbst und andere auszuschreiben, und das Glück, welches sie hätten, den Ruhm der Neuheit und der Erfindung davon zu tragen, käme bloß entweder von der Unwissenheit oder Vergessenheit des Publikums her; indem von allem, was der Mühe werth wäre, sowohl in der Melodie als Modulation schon Gebrauch gemacht sey. Er schliesst sich selbst nicht von dem Tadel aus; und gestehet frey, daß, ungeachtet er vollkommen so viel geschrieben, als alle seine Nachfolger, doch in allen seinen Werken vielleicht nicht mehr, als eine neue Melodie könne gefunden werden, welche nicht in verschiedenen Tönen und Taktarten tausendmal durchgepeitscht worden. Was die Modulation anbeträfe, so müsse sie allezeit einerley seyn, um natürlich und gefällig zu bleiben; was man dem Publikum nicht mitgetheilt habe, sey bloß der Ausschuß von Tausenden, die es versuchten, und als unangenehm, oder in der Ausführung unmöglich, verwarfen. Die einzige Gelegenheit, die ein Komponist habe, neue Modulationen in Arien anzubringen, sey ein kurzer zweyter Theil,[213] um den Zuhörer zu dem ersten zurückzuschrecken, dem er nur zum Zierrathe diente, um ihn vergleichungsweise schön zu machen. Er tadelt gleichfalls den Lärm und Tumult der Instrumente in den neumodigen Arien, sehr heftig.

Sgr. Rinaldo di Capua wird zu Rom für den Erfinder der begleiteten Recitative gehalten; allein als ich alte Kompositionen in den Archiven des Collegiums S. Girolamo della Carità durchsuchte, so fand ich ein Oratorium von Alessandro Scarlatti, welches er zu Ende des vorigen Jahrhunderts, ehe Rinaldo di Capua noch gebohren war, gesetzt hatte, worin sich begleitete Recitative befinden. Er selbst macht gar keinen Anspruch auf die Ehre der Erfindung; und eignet sich nichts mehr zu, als daß er einer von den ersten gewesen, welche lange Ritornelle oder Zwischenspiele in die Recitative, die eine heftige Leidenschaft oder Unglück enthielten, eingeführt, worin das ausgedruckt oder nachgeahmet wird, was die Singstimme nicht ohne Lächerlichkeit unternehmen konnte.

Rinaldo di Capua hat in seinem langen Lebenslaufe verschiedene Abwechselungen des Glücks ausgestanden; bald hatte er viel Ansehn, bald ward er nicht geachtet. Inzwischen, wie er sein Alter herannahen sahe, sammlete er seine Haupwerke, welche er in der besten Blüte seines Glücks und seines Genies verfertigt hatte, und glaubte,[214] dazu seine Zuflucht zur Zeit des Unglücks nehmen zu können. Diese Zeit kam; allerhand Widerwärtigkeiten und Unglück überfielen ihn und seine Familie, als seine Hülfe, seine einzige Hülfe, die gesammelten Früchte seiner Feder, von seinem ungerathenen Sohne für Makulatur verkauft wurden!

Die römischen Musiker, welche mir das größte Vergnügen machten, waren im Singen Sgr. Cristofero aus der päbstlichen Kapelle, in Ansehung der Stimme und vollkommenen Ausbildung seines Gesanges, und Sgr. Mazzanti in Ansehung des Geschmacks und der Einsicht in die Musik; La Bicchelli, gewöhnlich la Miniatrice88 genannt, wegen ihres glänzenden und mannigfaltigen Vortrags; und die älteste Tochter eines berühmten Mahlers, Cavalier Battoni, eine Dilettante und Schülerinn des Sgr. Santarelli, wegen ihrer Kunst, die sie sehr gut zu bedecken weiß, und wegen der feinen Simplicität, und des wirklich pathetischen Ausdrucks, welche ganz unbeschreiblich sind.

Die besten Geiger waren Sgr. Celestini, dessen ich oben gedachte, Sgr. Niccolai ein würdiger Schüler von Tartini; und Sgr. Ruma, ein junger Mann, den ich oftmals in Sgr. Crispi's Concerte gehört habe, und der mit vieler Leichtigkeit und Nettigkeit spielt.[215]

Man hält den Abt Rossi für den feinsten Flügelspieler zu Rom; und Sgr. Crispi, ohne sich dafür auszugeben, spielt dieß Instrument recht gut. Allein die Wahrheit zu sagen, so habe ich in ganz Italien noch keinen großen Flügelspieler, noch irgend einen originalen Komponisten für dieß Instrument gefunden.89 Ich weiß keine Ursache davon anzugeben, als weil dieß Instrument hier, ausser zur Begleitung der Singstimmen, so wenig gebräuchlich ist. Jetzt wird es von Instrumentmachern und Spielern so sehr vernachläßigt, daß es sich schwerlich bestimmen läßt, ob die Instrumente oder die Spieler elender sind.90[216]

Hingegen was die Orgel anbetrift, so habe ich sie oft in Italien mit Geist und Geschmacke spielen hören. San. Martini zu Mayland hat eine ihm eigene Art, die Orgel zu schlagen, welche gewiß meisterhaft und einnehmend ist. Die ersten Organisten der St. Markus-Kirche zu Venedig, der Domkirche zu Florenz, und der St. Johannis Kirche im Lateran zu Rom (von welchem ich nachher noch gelegentlich reden werde) übertreffen in ihren Spielen beynahe alle andere, die ich auf dem festen Lande gehört habe. Ueberhaupt aber sind die Mönche und Ordensgeistlichen in Italien die besten Organisten: ich habe sie in den Kirchen und Kapellen ihrer Klöster nicht nur auf eine meisterhafte, sondern auch auf eine glänzende moderne Art, ohne den Geist ihres Instruments zu vergessen, spielen hören. Einige Mädchen in den Conservatorien zu Venedig sowohl, als die Nonnen in verschiedenen Theilen Italiens, spielen in ihren Kirchen nett und sehr fertig; doch fehlt es dem Spielen des Frauenzimmers fast allemal an Stärke, an Gelehrsamkeit und an Muth, welches vermuthlich von dem weiblichen sanften Charakter herrühret, womit das Frauenzimmer uns sonst so zu bezaubern pflegt.

Nachdem ich die vorzüglichsten Sänger und Spieler gehört, und mit den vornehmsten Theoretikern und Komponisten Bekanntschaft gemacht; nachdem ich viele von den Büchern, Manuskripten und Alterthümern, die ich suchte, gefunden, und[217] was mir noch fehlte, meinen Freunden zu Rom aufgezeichnet hatte, welche mir gütigst ihren Beystand versprachen, in meiner Abwesenheit das Fehlende zu verschaffen: so gieng ich Sonntags Nachmittags den vierzehnten October nach Neapel.

77

S. den ganzen zweyten Theil der Volkmannischen Beschreibung von Italien.

78

P. Masi, (bey dem Verfasser vermuthlich durch einen Druckfehler Mosi) Kapellmeister an der Kirche der Santi Apostoli, und Sänger in der päbstl. Kapelle, starb im April, 1772 am Schlage, nachdem er eben in der Messe gesungen hatte.

79

Bis itzt hat man noch keinen ordentlichen Catalogus der occidentalischen Manuscripte in der vaticanischen Bibliothek. Von den orientalischen ward vor einigen Jahren einer verfertigt, und 17 in vier Folianten gedruckt; allein der Verfasser (I.S. Assemann) starb ehe das Werk vollendet ward, und nachher hat sich niemand daran gemacht.

80

Als solcher trägt er ein kleines Kreuz und einen elfenbeinern Stern an der Brust.

81

Es scheint, als wenn Sgr. Santarelli von der Ausgabe seines Werks dadurch abgeschreckt worden, weil er keinen Beförderer desselben unter den Großen in Rom gefunden. Er ist von der Verachtung, womit die Musik gegenwärtig von den hohen Vorstehern der Kirche belegt wird, so empfindlich gerührt, daß er sich nur wenig Hofnung macht, daß sein Buch Beyfall finden werde; ungeachtet es ihm so viel Zeit und Arbeit gekostet hat, und gewiß des Schutzes und der Befördrung Sr. Heiligkeit vollkommen werth ist, da es zum Nutzen seiner Kapellbedienten sowohl, als zum Besten der Musik überhaupt vortreflich eingerichtet ist.

82

Dieß Miserere von Allegri, nebst einem Stabat mater von Palestrina, einem Fratres, ego enim accepi, einem Miserere von Thomaso Bay, und einem Populus meus, quid seci tibi von Petrus Alloysius Prenestinus hat Herr Burney vor kurzem in London unter dem Titul: La Musica che si canta la settimana santa: in Partitur herausgegeben, und Kennern damit ein wichtiges Geschenk gemacht.

83

Ausser den überzähligen Exspectanten bey dieser Kapelle werden in der Charwoche viele der besten Opernsänger aus andern Orten Italiens hier gebraucht.

84

Man sehe die Remarks on Mr. Avisons Essay on musical expression, welche 1753 herausgekommen sind, und worin der Verfasser die Ursachen des Verfalls unsrer Kirchenmusik, und der Ungeschicklichkeit derer, die sie aufführen, gut auseinander gesetzt hat. In Ansehung dieser sagt er: »Ich glaube, wenn man die Statuten jedes Domstifts untersuchte, so würde man finden, daß die Salarien, welche jedem Mitgliede vermacht sind, im genauen Verhältnisse zu einander stehen, etwa folgender Maaßen: dem Chorknaben fünf Pfund; dem erwachsenen Sänger zehn; dem Canonicus minor zwanzig: dem Organisten eben soviel; dem residirenden Canonicus vierzig; und dem Dechant achtzig Pfund jährlich; welches mit vier multipliciret für dem ersten zwanzig, dem zweyten vierzig, dem dritten achtzig und dem fünften hundert und zwanzig ausmachte. Dieß nebst der Curie der Geistlichen würde jedem in seiner Stelle ein hinlängliches Auskommen gewähren, und ich wollte wohl behaupten, daß die drey ersten sehr zufrieden damit seyn würden, wenn diese Zulage gleich beyden letztern nicht genung scheinen mögte. Allein diese theilen ohne Bedenken und ohne Gewissensbisse (wer sie dazu bevollmächtigt hat, weiß ich nicht) drey Viertheile der ihren Untergebnen zukommenden Einkünfte unter sich; welches offenbar der Absicht des Stifters entgegen, und verschiedenen Besitzern der Pfründen nachtheilig ist. Daher wird ein Canonicat auf zweihundert, und ein Dechanat auf hundert Pfund jährlich geschätzt; und wenn diese Rechnung den Werth einiger überschreiten sollte, so muß man doch gestehen, daß andere viel höher zu schätzen sind.«

85

Miserere mei, Deus etc. Gott, erbarme dich meiner. Ps. 57. Allegri stammt von dem berühmten Mahler Corregio her, dessen Familien-Name Gregorio Allegri hieß.

86

Adami's Anweisung lautet also: Averta pure il Signor Maestro, che l'ultimo verso del Salmo termina a due cori, e però farà la battuta adagio, per finirlo piano, smorzando a poco, a poco l'armonia. Osserv. per reg. il Coro della Cap. pont. p. 36.

87

Sgr. Santarelli's Worte waren: Quantunque cantato da Musici suavissimi, fece alla Corte di Vienna la misera comparsa di un semplicissimo falso Bordeone.

88

Ihr Geschäft ist nehmlich nicht die Musik, sondern die Mahlerey.

89

Es scheint, als wenn Alberti in jeder neuen Flügelsonate ausgeschrieben oder nachgeahmet würde.

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Wer der englischen Flügel gewohnt ist, dem kommen alle Clavierinstrumente auf dem festen Lande (Deutschland hatte der Verfasser damals noch nicht gesehen,) gar nicht sonderlich vor. Durch ganz Italien hat man in Privathäusern kleine Octav-Spinette zur Begleitung beym Singen, zuweilen in Gestalt eines Dreyecks, doch öfter unsern alten Virginals (einer Art kleiner Flügel) ähnlich. Die Tasten daran machen so viel Lärm, und der Ton ist so schwach, daß man mehr Holz als Saiten hört. Der beste Flügel, in Betracht des Anschlags, den ich in Italien angetroffen habe gehörte Sgr. Grimani zu Venedig; und in Ansehung des Tones der, welchen Monsignor Reggio zu Rom besaß; alein ich fand drey englische Flügel in den drey vornehmsten Städten Italiens, welche von den Italiänern als soviel Wunderwerke angesehen wurden. Der eine war von Shudi gemacht, und der englische Gesandte zu Neapel besaß ihn. Die andern beyden, welche Herr Kirkmanns Arbeit sind, gehörten damals der Frau Richie zu Venedig und der Frau von Earl.

Quelle:
Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. [Bd. I]: durch Frankreich und Italien, Hamburg 1772 [Nachdruck: Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Kassel 2003], S. 192-218.
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Tagebuch einer musikalischen Reise
Tagebuch einer musikalischen Reise: Durch Frankreich und Italien, durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland 1770-1772

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