III.

Magdeburg.

[216] Lauchstädt und Rudolstadt. – Die E dur-Symphonie. – Magdeburg. – Indifferenz des Publikums. – Letzte Schicksale der ›Feen‹. – Neujahrsmusik. – Kolumbus-Ouvertüre. – Verlobung mit Minna Planer. – Magdeburger Gastspiel der Schröder-Devrient. – Die ›Schweizerfamilie‹ in Nürnberg. – In Leipzig: Mendelssohn und die C dur–Symphonie. – Besuch bei Laube in Kösen.


Eine seltsame Verwilderung meines Geschmackes war aus meiner unmittelbaren Berührung mit dem deutschen Opernwesen hervorgegangen, und diese bewährte sich nun in der Weise, daß der jugendliche Beethoven- und Weber-Enthusiast gewiß von niemand aus der Partitur des Liebesverbotes erkannt werden konnte.

Richard Wagner.


Gegen Ende Juli 1834 trat Richard Wagner, einundzwanzigjährig, seine erste Musikdirektorstellung an. Die Bethmannsche Truppe war damals im Winter in Magdeburg selbst, im Sommer in Lauchstädt und Rudolstadt tätig. Direktor Heinrich Bethmann hatte wenige Jahre zuvor, in der Interimszeit vor Eröffnung des Hoftheaters, auch in Leipzig während der Ostermesse mit seiner Truppe als Lückenbüßer funktioniert. Er besaß in seiner Bühnenverwaltung unter anderen löblichen Eigenschaften auch die, daß er – trotz einer königlichen Unterstützung und trotz der Einmischung eines Theaterkomitees in die geschäftlichen Anordnungen der Theaterangelegenheiten – mit seinem Unternehmen in einem perennierenden Bankerott begriffen und deshalb von einer nicht geringen Abneigung gegen die Gagentermine erfüllt war. Für Wagners wirtschaftliche Verhältnisse sollte der völlig ungeordnete finanzielle Zustand des ersten Theaters, an dem er zu funktionieren hatte, auf lange Zeit hinaus von den nachteiligsten Wirkungen sein.

Bis Mitte August blieb die Gesellschaft in Lauchstädt; dann ging es weiter nach dem freundlichen Rudolstadt im laubreichen Saaletal, mit seinem prächtig ragenden Residenzschloß, romantischen Naturpark und ›Schießhaus‹ auf dem Anger. Mitten in aller Tätigkeit des jungen Musikdirektors in Proben und Aufführungen, war sein rastloser Geist, immer voll von Plänen [217] und Entwürfen, mit der Konzeption einer zweiten großen Symphonie (in Edur) beschäftigt. Die noch erhaltene Skizze des ersten Allegro-Satzes, ganz eng auf ein großes Doppelblatt starken gelblichen Notenpapiers geschrieben,1 trägt an der Spitze das Datum ›Lauchstädt den 4. August 34‹, am Schlusse: ›29. August Rudolstadt‹. Durch ihre Wiederauffindung nach langer Verschollenheit hat sich W. Tappert ein Verdienst erworben.2 DieEdur-Symphonie ist, seinem Urteil zufolge, im Beethovenschen Geiste empfangen und ausgeführt; Aufbau und Gliederung zeigen keine wesentlichen Abweichungen von den Satzungen der geheiligten klassischen Tradition; kräftig und klar sei alles gearbeitet. Mehrere einzelne Themen daraus hat der Entdecker seinerzeit publiziert, so gleich das ›frisch und flotte‹ erste Eingangsthema des Allegro-Satzes:


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[218] nebst einigen interessanten Andeutungen über dessen fernere Verarbeitung und Weiterführung; ferner das innig zarte zweite Thema in Hdur:


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nebst der kontrapünktischen Durchführung:


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und der charakteristischen kanonischen Stelle der Bläser im Durchführungssatz:


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Kühne Harmonieen gibt es besonders gegen den Schluß, Zusammenklänge, wie sie ›nicht aus dem wohlgepflegten Schulgarten stammen, sondern der genialen [219] Wildnis ihre Entstehung verdanken: aber welche Begabung verrät auch dieser Entwurf des Einundzwanzigjährigen! Welche Bestimmtheit des Ausdruckes!‹3

Auf das Allegro folgt ein Adagio cantabile:


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aus dessen weiterem Verlauf Tappert eine, an Beethoven gemahnende, energische achttaktige Episode hervorhebt.4 Mit dem 29. Takt bricht dann das Adagio ab. Weshalb dieser Satz, weshalb das ganze Werk nicht über diesen ersten Entwurf hinaus gelangt ist? Unsere vorausgegangene Betrachtung der bisherigen Entwickelung des jungen Meisters gibt die Antwort darauf. Nach der Konzeption des ›Liebesverbotes‹ muß es uns eher Wunder nehmen, daß er um diese Zeit, ohne ersichtlichen äußeren Anlaß, überhaupt noch einmal an die Ausführung einer rein symphonischen Tondichtung gegangen war. Wir können den Antrieb dazu uns nur als ein Art von Nachhall einer bereits hinter ihm liegenden Entwickelungsperiode erklären; mit heftigem Drange trieb es ihn gegenwärtig vielmehr in der mit dem Entwurfe des ›Liebesverbotes‹ beschrittenen Richtung fort. ›Ich gab mein Vorbild Beethoven auf: seine letzte Symphonie erschien mir als der Schlußstein einer großen Kunstepoche, über welchen hinaus keiner zu dringen vermöge und innerhalb dessen keiner zur Selbständigkeit gelangen könne‹.

Vergeblich hatten ihn um diese Zeit – zwischen Rudolstadt und Magdeburg – die Seinigen zu einem Besuch in Leipzig erwartet; der neue Beruf nahm ihn, einmal ergriffen, nun auch vollkommen in Anspruch. ›Mit welcher Ungeduld‹, schreibt ihm Rosalie unter dem Datum des 18. Oktober ›haben wir und alle deine Bekannten seit Anfang dieses Monats deiner Ankunft entgegengesehen; jeden Tag hofften wir, und des Fragens und sich Erkundigens [220] deiner Freunde und Anderer, die den Musikdirektor zu sprechen hatten, wurde gar kein Ende. Doch muß ich dir offen bekennen, daß diese Zeit in vieler Hinsicht nicht günstig für deinen Aufenthalt gewesen wäre, in Bezug auf deine Oper der Messe wegen, und rücksichtlich unseres Hauses, des Ausziehens und der Krankheit der Mutter halber, die gerade beim Ausziehen sehr unwohl wurde und die ersten acht Tage im neuen Logis5 bettlägerig war‹. – Es war Herbst geworden, als er inzwischen, mit der Bethmannschen Truppe, seinen Einzug in die behäbige Stadt reicher Handelshäuser und Fabriken, mit ihren Kasernen, Schanzen und Zitadellen hielt. Um die Altstadt herum wand sich damals ein breiter Gürtel von Befestigungswerken; aus der Ebene grüßte den Ankommenden die charakteristische Silhouette der altersgrauen Domtürme, die sich aus den scharf hervortretenden graugrünen Linien der Wälle und Bastionen zum Himmel erhoben. Als Hauptverkehrsader der Garnison- und Industriestadt durchzog ihr Inneres mit seinen krummen Gassen und Gäßchen die einzige breite, wenn auch nicht gerade Straße, der ›Breite Weg‹, an welchem auch das alte Stadttheater6 (Dreiengelstraße 28) belegen war. Auf diesem Boden sollte nun seine eigentliche Tätigkeit ihren Anfang nehmen, zu welcher die Lauchstädter und Rudolstädter Episode nur das Vorspiel gewesen war. Hier am Breiten Weg fand sich alles nachbarlich zusammen, vom Kunsttempel bis zur ›Richterschen Weinstube‹, dem beliebten geselligen Sammelpunkt des Personales nach den Proben. Dem Theater schräg gegenüber mündet auf die Hauptstraße eine der zahlreichen durchkreuzenden engeren Seitenstraßen, die Margaretengasse: hier hatte Wagner seine erste Magdeburger Behausung. Es war das Eckhaus Nr. 2, dessen Fenster nach einem großen schönen Garten schauten, in einer damals seinen Gegend, die jetzt durch die zwischen der Häuserreihe des Breiten Weges und dieser Straße erbaute große Kortesche Bierbrauerei und andere Gebäude ganz verändert ist.7

Die praktische Verwertung seiner musikalischen Kenntnisse für die Funktion eines Dirigenten glückte ihm bald: der wunderliche Verkehr mit Sängern und Sängerinnen hinter den Koulissen und vor den Lampen entsprach ganz und gar seiner damaligen Neigung zu bunter Zerstreuung. ›Mein Weg führte mich zunächst geradeswegs zur Frivolität in meinen Kunstanschauungen: das Einstudieren und Dirigieren jener leichtgelenkigen französischen Modeopern, [221] das Pfiffige und Protzige ihrer Orchestereffekte, machte mir oft kindische Freude, wenn ich vom Dirigierpulte aus rechts und links das Zeug loslassen durfte. Im Leben, welches von nun an mit Bestimmtheit das bunte Theaterleben ausmachte, suchte ich durch Zerstreuung Befriedigung eines Triebes, der sich für das Nächste, Greifbare, als Genußsucht, für die Musik als flimmernde, prickelnde Unruhe kundgab.‹ Mit seiner künstlerischen Aufgabe beim Einstudieren und Dirigieren nahm er es ernst und energisch, und setzte sich trotz seiner Jugend durch die Bestimmtheit seiner Forderungen bei Sängern und Musikern in Respekt. In raschem Aufbrausen suchte er seinesgleichen, doch richtete sich sein Eifer nur gegen eingerissene unkünstlerische Mißbräuche oder niedrige Gesinnung. Er wußte immer ganz genau, wie etwas nach seiner Vorstellung sein sollte, und hatte die Gabe es den Ausübenden begreiflich zu machen. Mit bloßem mechanischen Taktschlagen konnte er nichts zu tun haben, es war ihm von je ein Greuel gewesen; er gab sich mit jedem Detail die größte Mühe und ließ es sich nicht verdrießen, dem Orchester die einzelnen Stellen mit lauter Stimme so vorzusingen, wie er sie ausgeführt haben wollte. Mit der ihm eigenen mimisch-dramatischen Naturbefähigung leitete er auch die Darsteller, wo immer es darauf ankam, in Ton und Gebärde zu dem von ihm gemeinten Vortrag an Mitwirkende und Untergebene, bis zum Theaterdiener herab, machte er sich außerdem durch sein lebhaftes Temperament, seine Schlagfertigkeit in Witz und Scherz, Geistesgegenwart und erstaunliches Gedächtnis alsbald zu Freunden. Im Umgang mit dem Personale war seine frühere Abneigung gegen das ›geschminkte Komödiantenwesen‹ einem behaglichen Sichgehenlassen gewichen; im geselligen Kreise der Bühnenangehörigen ließ seine übersprudelnde Laune das Zimmer oft von dem schallenden Gelächter der Zuhörer wiederhallen; aber indem er andere stets mit seinem Takt davon abhielt seiner Position uneingedenk zu sein, blieb er auch im freiesten Verkehr, und bei unbefangener Gleichstellung mit dem Geringsten der Genossen, immer Herr und Meister der Situation.

Die Wintersaison des Stadttheaters begann um die Mitte Oktober, derselben waren jedoch schon eifrige Proben unter Wagners Leitung vorausgegangen. In seiner Theateranzeige vom 10. Oktober 1834 bittet Direktor Heinrich Bethmann das Magdeburger Theaterpublikum um eine geneigte Berücksichtigung seines Unternehmens und teilt mit, daß das Theater am 12. mit ›Don Juan‹ eröffnet werden und am Donnerstag den 14. ›Romeo und Julia‹, große Oper in 4 Akten von Bellini in Szene gehen solle.8 Ein reiches Arbeitsfeld bot sich dem jungen Dirigenten dar und mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit scheint er sich, mit seinen 33 Orchestermitgliedern und den [222] Sängern dieser beiden, damals berühmten Werke angenommen zu haben. Der Theaterreferent der Magdeburger Zeitung konstatiert, daß, die Saison zur Zufriedenheit des Publikums begonnen worden sei; von der Aufführung des ›Don Juan‹ solle nichts weiter gesagt werden als: möge die nächstens bevorstehende von Bellinis ›Romeo und Julia‹ eine gleich genügende sein. Und nach programm-mäßigem Stattfinden derselben am 14. Oktober hebt der gleiche Referent die ›große Sorgfalt‹ hervor, mit der ›alle Mitwirkenden auf der Bühne und im Orchester sich bestrebten das Beste zu leisten, was mit den vorhandenen Mitteln geleistet werden konnte‹. Am 16. Oktober wird die Vorstellung von ›Romeo und Julia‹ wiederholt; es folgen am 22. ›Zampa‹ von Herold, am 24. ›die Unbekannte‹ (La Straniera) von Bellini; am 27. ›der Schiffskapitän‹, Vaudeville von Angely, am 28. wieder ›Romeo und Julia‹. Am 30. Oktober geht Rossinis ›Barbier von Sevilla‹ in Szene; es folgen am 4. November ›Tankred‹ von Rossini9; am 7. November ›Zampa‹ von Herold; am 10. (?) ›Maurer und Schlosser‹10, am 14. ›Fra Diavolo‹, am 18. ›Romeo und Julia‹, am 21. ›Das Geheimnis‹, Oper in 1 Akt von Solié. Und nach so viel Auber und Bellini folgt dann endlich am 2. Dezember in sorgfältigster Einstudierung auch eine deutsche Oper: ›Der Templer und die Jüdin‹ von Marschner.11 Der Kritiker der Magdeburgischen Zeitung rühmt die Chöre als ausgezeichnet. ›Dem Referenten‹, heißt es bei dieser Gelegenheit ›ist noch nie erinnerlich, daß ein Chor so gewirkt habe, als der Sachsenchor. Sichtbar wurde durch einen solchen Erfolg der treue Fleiß des trefflichen Musikdirektors Herrn Wagner belohnt.‹ Der 12. Dezember bringt den ›Wasserträger‹ von Cherubini, der 23. die ›Schweizerfamilie‹, der 25. Dezember ›Fra Diavolo‹,12 der 30. Dezember endlich die ›Weiße Dame‹.13 Damit gelangt die eine Hälfte des Spieljahres an ihr Ende. ›Magdeburg hat‹, heißt es in einem späteren Rückblick,14 ›ein Repertoire wie ein Hoftheater ersten Ranges gehabt und Aufführungen, die nur da manchen Wunsch unerfüllt ließen, wo der Mangel an ausreichenden Mitteln den Flug des jungen Aars hinderte‹.

Das feurige Bestreben zu tüchtigen Gesamtleistungen, zu denen das Beispiel des jungen Musikdirektors die Mitwirkenden fortriß, blieb nicht ganz ohne Eindruck auf das, im übrigen ziemlich phlegmatische Publikum, welches sich in seiner Haltung durch die prinzipielle Kälte und Gleichgültigkeit eines beträchtlichen Kontingents desselben bestimmen ließ. Wie bereits erwähnt, war Magdeburg Garnisonstadt, das Militär hielt Ausbrüche von Enthusiasmus und rückhaltloser Freude über theatralische Leistungen für unpassend; die gleiche [223] Zurückhaltung teilte sich unwillkürlich den anderen Theaterbesuchern mit. Für die bürgerliche Bevölkerung der Stadt hingegen war – mindestens um die damalige Periode – charakteristisch ein unverkennbarer Hang zu den rein sinnlichen Genüssen glänzender Tanz- und Tafelfreuden, der dem Interesse am Theater einen entschiedenen Abbruch tat. Zu den mannigfachen privaten Diners, Soireen, Bällen, Thé dansants usw., mit denen die dortige Gesellschaft im Laufe des Winters sich gegenseitig bewirtete, kamen eine ganze Reihe ähnlicher Vereinigungen in geschlossenen Zirkeln: Harmonie, Kasino, ›Freundschaftsklub‹, und wie sie sonst sich nannten, vor allem aber in den bestehenden zwei Freimaurerlogen: einer kleineren ›Harpokrates‹, und einer größeren, vielleicht der größten Deutschlands, mit dem wunderbaren Namen ›Ferdinand zur Glückseligkeit‹. Die in ihren Räumen veranstalteten Magdeburger ›Logenkonzerte‹ haben sich zu Zeiten sogar einer gewissen Berühmtheit nach außen hin erfreut; in der Gunst des Publikums erhielten sie sich jedoch eigentlich meist nur durch die Mithilfe darauf folgender brillanter Soupers. In sehr ergötzlicher Weise läßt sich Wagner darüber in einer humorerfüllten Mitteilung an R. Schumann15 aus; sie gewährt das treueste Spiegelbild der damaligen Magdeburger Gesellschaft. ›Ich versichere Sie‹, schreibt er, ›daß in diesen Konzerten manchmal tüchtig musiziert wird; daß dies aber die Magdeburger nicht einmal bemerken, das ist der Fluch, der auf jeden hierhergebannten Geigenstrich, Gesangston u. dgl. geschleudert zu sein scheint. Der Indifferentismus der Hiesigen ist entschieden polizeiwidrig, und sollte meiner Meinung nach von Polizei wegen aufgehoben werden, denn er wird sogar staatsgefährlich. Ich wette, es stecken hinter dieser Gleichgültigkeit verderbliche politische Machinationen, und es wäre ein wahres Verdienst, die obersten Behörden auf alle die geschlossenen Gesellschaften, Kasinos usw. aufmerksam zu machen; denn was kann Gutes in ihnen ausgebrütet werden? – Die Leute verbergen aber die eigentlichen gefährlichen Zwecke ihrer Zusammenkünfte dem Auge der Uneingeweihten mit solchem Geschick, daß man sie bewundern muß. Denken Sie, daß man jede dieser staatsgefährlichen Zusammenkünfte mit einem Konzerte eröffnet. Ist die List nicht sein? Man ladet demnach gutartige Menschen, [224] wie mich, zum Konzert ein. Ich trete in einen erleuchteten Saal, alles ist nach der Norm der Konzerte eingerichtet; man spielt Symphonien, Konzerte, Ouvertüren, singt Arien und Duetten, und erhält einen so im guten Glauben, man sei in einem ehrlichen Konzert. Aber einem politischen Blicke kann die Gleichgültigkeit, die Langeweile, die Unruhe des Auditoriums nicht entgehen, man sieht deutlich, das Ganze ist nur eine Maske, die Späherblicke zu trügen; – je näher das Konzert seinem Ende ist, desto sehnsüchtiger richten sich die Blicke der Verschworenen nach einer großen verschlossenen Tür. Was soll das? Man hört während der Adagios der Symphonie nebenan Teller klappern usw. Die Unruhe nimmt überhand; – zum Glück macht jetzt das Orchester einen tüchtigen Skandal; es scheint angestellt zu sein, das Scharren mit den Füßen, das Husten und Niesen der Verschworenen zu übertäuben, um diese geheimen Signale dadurch unserer Aufmerksamkeit zu entziehen. Das Konzert ist zu Ende, – alles bricht auf, ehrsame Leute, wie ich, nehmen den Hut, – da öffnet man jene verdächtige Tür, verräterische Düfte quellen hervor, – die Verschworenen rotten sich zusammen, – man strömt in den Saal, – man weist mich höflich von dannen – die Heuchelei wird mir klar – Nun leugne einer, daß hier nicht etwas Gefährliches versteckt sei! Ich für mein Teil bewundere die Langmut der Polizei‹

In einem dieser Logenkonzerte brachte er bald darauf die Ouvertüre zu den ›Feen‹ zur Aufführung; sie hatte sich einer beifallreichen Aufnahme zu erfreuen. Schlimmer war es mit dem Schicksale des Werkes selbst in Leipzig bestellt: war die Aufführung zunächst auch nur hinausgeschoben, so zögerte sich die Inangriffnahme doch, unter nichtigen Vorwänden aller Art, immer weiter hinaus. Es war zuerst daran Anstoß genommen, daß die Oper ›durchkomponiert‹ sei; ein Teil des Dialogs sollte in gesprochene Prosa verwandelt werden. Hinterher erklärte Ringelhardt: durch die Prosa sei das Buch verdorben. Gegen den Schwager Friedrich Brockhaus hatte sich Hauser, als hartnäckigster Antagonist, ganz offen geäußert: es würde besser sein, wenn sich der Komponist entschlösse – das Werk ›für jetzt‹ ganz zurückzuziehen! Da dies nicht geschah, stellte es sich wenigstens als unumgängliche Notwendigkeit heraus, zuvor noch für die Messenzeit Aubers ›Liebestrank‹ einzustudieren. Im Oktober waren endlich die Solostimmen ausgeschrieben; Wagner sollte sogleich von Magdeburg herüberkommen und einer Audition beiwohnen, in welcher dem Direktor mehrere Abschnitte daraus vorgetragen werden sollten. Dann hieß es wieder, dieses Projekt sei unausführbar; es würde dem Eindruck nachteilig sein, wenn die Sänger ihre uneinstudierten Partien soprima vista absingen sollten. Es müsse ihnen erst Zeit zum Studium gelassen werden; dann könne die Oper ja wohl noch vor Weihnachten herauskommen. Noch Ende des Jahres brachte Schumann in der Neuen Zeitschrift für Musik verheißungsvoll die Nachricht: ›In Leipzig kommt nächstens Norma von Bellini, [225] und eine neue Oper »die Feen« von Richard Wagner zur Aufführung‹. Bei dieser Ankündigung verblieb es, und zur angemeldeten Aufführung gelangte wohl ›Norma‹ von Bellini, nicht aber die neue Oper von Richard Wagner; diese wurde vielmehr auf die lange Bank geschoben, bis ihr Autor selbst die Lust daran verlor.

Die Komposition des ›Liebesverbotes‹ war begonnen. Sie hatte die Wirkung, daß sie bei ihrem völlig verschiedenen Charakter in dem Tondichter selbst die frühere Arbeit mehr und mehr verblassen ließ. Er verlor das Gefallen daran, und damit auch die Teilnahme an ihrem Schicksal. Und da er zumal seine Angelegenheit in Leipzig nicht mehr persönlich betreiben konnte, faßte er den Entschluß, sich gar nicht mehr um sie zu bekümmern. Das hieß so viel als sie aufgeben, denn nur durch fortwährendes Antreiben und Nachhelfen hätte er seinen Zweck erreichen können. – Dagegen schrieb er um die Neujahrszeit 1835 zu einem Festspieltext des Regisseurs Wilhelm Schmale im Fluge eine Musik, welche sehr ansprach. Es war eine Kantate unter dem Titel: ›Beim Antritt des neuen Jahres‹, bloß für die dortigen Mittel und Verhältnisse berechnet, bestehend aus einer Ouvertüre und zwei Chorsätzen. Die Ouvertüre in C moll 3/4, ein umfangreiches, kräftig durchgeführtes Musikstück, beginnt mit einem Andante sostenuto:


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welches in ein Allegro und rauschendes Presto mündet. In einem darauf folgenden Alegretto mit Chor bediente er sich des Andante-Themas seinerCdur-Symphonie (S. 158/59) in bedeutungsvoller Weise als melodramatischer Begleitung des trauernd auftretenden und Abschied nehmenden alten Jahres. Die Aufnahme des Ganzen durch das Publikum war eine sehr dankbare und er sah sich veranlaßt, die Neujahrsmusik in einem der Logenkonzerte am 3. Januar, in welchem auch der durchreisende Violinist Lafont16 auftrat, zu wiederholen. Wagner dirigierte an demselben Abend, außer der Neujahrsmusik, auch noch Mendelssohns ›Meeresstille und glückliche Fahrt‹ und die, damals in Magdeburg noch neue Ouvertüre zu ›Wilhelm Tell‹ von Rossini. [226] In dem zweiten, von Lafont gegebenen Konzerte – am 10. Januar – erfolgte die von uns (S. 225) bereits erwähnte einzige Magdeburger Aufführung der Ouvertüre zu den › Feen‹.17 Leicht gewonnene Erfolge, wie die mit der ›Neujahrsmusik‹ errungenen, bestärkten ihn sehr in der Ansicht, daß, um zu gefallen, man die Mittel durchaus nicht zu skrupulös erwägen müsse. ›In diesem Sinne komponierte ich an meinem Liebesverbot fort; französische und italienische Anklänge zu vermeiden, gab ich mir nicht die geringste Mühe.‹ Von solcher Beschaffenheit waren die äußeren Anregungen und allgemein künstlerischen Eindrücke, die, aus seiner Umgebung auf ihn wirkend, auf sein Streben und Schaffen von Einfluß waren. Sie wären in jeder Stadt von vierzigtausend Einwohnern, in der er den Taktstab als Dirigent eines Theaterorchesters ergriffen hätte, im wesentlichen die gleichen gewesen. Es lag weniger in den künstlerischen, als in seinen menschlich persönlichen Erlebnissen, was den Magdeburger Aufenthalt für sein ganzes folgendes Leben entscheidend machte.

Seit seinem ersten Eintritt in den neuen Beruf hatte ihn eine Bekanntschaft angezogen und gefesselt: die der bildschönen ersten Liebhaberin der Magdeburger Gesellschaft, der – aus Dresden gebürtigen – Schauspielerin Minna Planer. Bisher war ihm das Weibliche, wenn wir hier von dem großen künstlerisch-menschlichen Eindruck der Schröder-Devrient absehen, vorzüglich doch nur erst in den Personen seiner eigenen nächsten Familienangehörigen, Mutter und Schwestern, wirklich nahegetreten, alles übrige nur ein flüchtig vorübergehender Reiz gewesen. Selbst seine bisherigen Kunstschöpfungen weisen darauf hin: Arindal liebt eine Fee, ein überirdisches Wesen, ein Ideal, das ihn über sich hinaus erhebt, das sich zu ihm verhält, wie seine Kunst zu dem sehnsüchtigen Künstlerherzen; die erste von ihm geschaffene irdisch weibliche Erscheinung, Isabella im ›Liebesverbot‹, ist nicht die Geliebte, sondern die Schwester des Helden. Wir werden bei dieser neuen, seine bisherigen Interessen wie etwas Fremdes durchkreuzenden Lebensbegegnung, lebhaft an seine eigenen Ausführungen über den Unterschied der frühgewohnten Zuneigung der Familienglieder und der heftigen, plötzlichen Erregung der eigentlichen Liebe erinnert. ›In der Familie werden die natürlichen Bande zu den Banden der Gewohnheit, und aus der Gewohnheit entwickelt sich wiederum eine natürliche Neigung der Geschwister zueinander. Der erste Reiz der Geschlechtsliebe wird der Jugend aber aus einer ungewohnten, fertig aus dem Leben ihr entgegentretenden Erscheinung zugeführt. Das überwältigende dieses Reizes ist so groß, daß er das Familienglied eben aus der gewohnten Umgebung, in der dieser Reiz sich nie ihm darbot, herauszieht und zum Umgange mit dem Ungewohnten fortreißt.‹ Die ungewohnte, fertige Erscheinung, welche [227] hier dem Einundzwanzigjährigen entgegentrat, war im unzweifelhaften Besitz gar mancher gewinnenden Eigenschaft: alle Zeitgenossen wissen von ihrer Schönheit, ihrem Darstellungstalent, ihrer anspruchslosen Liebenswürdigkeit zu berichten. Die Anziehungskraft ihrer Persönlichkeit war vielleicht noch vermehrt durch den Kontrast ihres ruhigen, leidenschaftlosen Wesens zu der bunt bewegten, nach Art einer jeden Theatergesellschaft mit gar zweifelhaften Elementen durchsetzten Umgebung, in deren Mitte ihre erste Begegnung stattfand und sich im täglichen Berufsverkehr fortsetzte. Die einmal gefaßte Neigung trat bei dem jungen Manne mit derselben Heftigkeit auf, mit welcher sich bei seinem lebhaft entschiedenen Temperament eine jede Empfindung in ihm äußerte: kaum ein halbes Jahr nach ihrem ersten Sehen und Begegnen galten Beide allgemein als öffentlich Verlobte.

Ohne für jetzt eingehender bei dieser persönlichen Beziehung zu verweilen, fahren wir zunächst in der Betrachtung seiner künstlerischen Betätigung während der Magdeburger Periode fort. Am 15. Januar überschritt Rossinis ›Othello‹ die Szene; am 19. ›Fra Diavolo‹18; am 25. Januar ›Preziosa‹, am 30. Webers ›Oberon‹; während des Monats Februar in schneller Folge die bereits einstudierten Opern: ›der Barbier von Sevilla‹, ›Romeo und Julia‹, der ›Wasserträger‹, dann ›des Adlers Horst‹ von Gläser ›Templer und Jüdin‹, die ›Stumme von Portici‹, die ›schöne Müllerin‹ von Paesiello und Webers ›Freischütz‹. Von letzterem erwähnt der Magdeburger Theaterreferent, er sei ›musikalisch so gut zum Vorschein gekommen, als früher nur selten einmal‹ – die leitende Hand des jungen Meisters war also zu spüren gewesen. Auf Analyse der von ihm genommenen Tempi, z. B. der Ouvertüre, lassen sich diese oberflächlich gehaltenen Theaternotizen nicht ein Dagegen erfahren wir ausdrücklich, daß der Eifer des Dirigenten sich nicht allein auf das Orchester beschränkt habe: ›Das Chorische sei (im Freischütz) so gut geordnet und voll Leben gewesen, namentlich die Volksszenen, daß sich die Zuschauer dadurch überrascht fanden.‹ Zu den gelegentlichen Produktionen nach Art der Neujahrsmusik, wie sie die weitere Ausführung der Komposition des ›Liebesverbotes‹ begleiteten und vorübergehend unterbrachen, gehört vor allem eine Ouvertüre zu einem in Magdeburg aufgeführten Schauspiel seines mehrgenannten Freundes Theodor Apel: ›Kolumbus‹. Wir können dieses Tonwerk, welches Wagner später auch an anderen Orten, in Riga und Paris, zur Aufführung gebracht hat, seiner Grundidee nach gewissermaßen als die Vorläuferin der Ouvertüre zum ›fliegenden Holländer‹ betrachten. ›Am Schlusse des Mittelalters lenkte ein neuer tätiger Drang die Völker auf das Leben hin: weltgeschichtlich am erfolgreichsten äußerte er sich als Entdeckungstrieb. Nicht mehr das kleine Binnenmeer der Hellenenwelt, das erdumgürtende Weltmeer war der Boden [228] dieses Suchens und Strebens: hier war mit einer alten Welt gebrochen, die die Sehnsucht des Odysseus nach Heimat, Herd und Eheweib hatte sich zu dem Verlangen nach einem Neuen, Unbekannten, noch nicht sichtbar Vorhandenen, aber im voraus Empfundenen, dem Lande der Zukunft gesteigert‹. In diesen letzteren Worten, so wenig sie an sich eine direkte Beziehung auf das Tonstück haben, ist die Idee desselben gleichwohl kenntlich ausgesprochen; über ihre musikalische Ausführung äußerte sich später H. Dorn (nach einer Anhörung derselben in Riga): ›Die Konzeption und Durchführung dieser Ouvertüre konnte man nicht anders als echt Beethovenisch nennen: große, schöne Gedanken, kühne rhythmische Abschnitte, die Melodie weniger vorherrschend, die Durchführung breit und in absichtlich schwerfälligen Massen, – dagegen das Außenwerk hochmodern, beinahe Bellinisch, wie ich denn nur die nackte Wahrheit erzähle, daß im »Kolumbus« zwei Klapptrompeten in Bewegung sind, deren Stimmen zusammen vierzehntehalb eng beschriebene Seiten ausfüllen.‹

Mit dem Monat April begann die Reihe der Benefizvorstellungen. Minna Planer eröffnete sie mit einer Aufführung des Schauspieles von Mansfeld: ›Karl der Zweite‹. Zu einem besonderen Feste wurden für ihn die Tage vom 15. bis zum 21. April. Sie umfaßten ein viermaliges Gastspiel der so hoch verehrten Schröder-Devrient. Die außerordentliche Künstlerin, welcher er die belebendsten Schaffensimpulse verdankte, gastierte als Romeo in Bellinis ›Romeo und Julia‹, als Desdemona in Rossinis ›Othello‹, als Agathe im ›Freischütz‹ und als Lenore im ›Fidelio‹. Aus ihrer Darstellung der Desdemona führt der Meister späterhin einen Zug als Beleg dafür an, wie diese wunderbare Frau durch keine Art von Zwischenfall aus dem – auf der Bühne ihr eigenen – Zustand der mimischen Selbstentäußerung gebracht werden konnte. Selbst ihr gewöhnliches Los, sich solchen Mitspielenden gegenüber zu befinden, welche nie aufhörten in ihrer eigenen lächerlichen Person vor ihr zu stehen und sich zu bewegen, änderte hierin nichts. Als Desdemona faßte sie, auf den Knien liegend, mit der todesernsten Frage: ›Kannst du dein Kind verstoßen?‹ den Saum des Gewandes ihres Vaters, wovor der ehrliche Bassist, welcher diesen vorzustellen hätte, dermaßen in Furcht und Schrecken geriet, daß er seinen Mantel an sich zog und zurückwich. Der lächerliche Eindruck hiervon sprach sich durch eine Bewegung des ganzen Publikums aus; nur in den Mienen der Künstlerin war nicht eine Spur davon zu lesen: nicht ein Wimperzucken flog über den unsäglich ausdrucksvollen Blick, welcher den armen ›Brabantio‹, der seinem Kinde ungerührt zu fluchen hatte ›in hasenhafte Flucht schlug.‹19 Und wiederum: ›Ich verfolgte die Schröder-Devrient in ihrem Verhalten zu dem letzten Finale des, Freischütz-, und versichere, nie eine erhabenere [229] Meinung von der dramatischen Darstellungskunst gewonnen zu haben, als in dieser ziemlich banalen Szene des üblichen Denouements eines Opernsujets, in welcher »Agathe« nur zweimal, fast episodisch, sich vernehmen läßt, und, auf einem Rasensitze festgebannt, an der Handlung einen durchaus nur leidenden Anteil nimmt. Aber in diesem bloß leidenden Anteil der vom Todesschreck zu den qualvollsten Erfahrungen erwachenden, endlich durch schwankende Übergänge zum Aufleben der beglückendsten Hoffnungen geleiteten Seele des liebenden Mädchens, in dem letzten Blicke, den sie auf den, zur Bestehung seines Probejahres von ihr scheidenden Geliebten heftete, drückte sich eine Poesie des Dramas aus, von der wir alle keinen Begriff hatten, und die wir doch jetzt in den so oft schmählich vor uns abgespielten Tonsätzen gerade dieses, so langweilig und undramatisch erscheinenden »Finales« auf das Rührendste ausgesprochen finden mußten.‹20

Es war gelegentlich dieses Gastspieles, daß die gefeierte Sängerin dem jungen Magdeburger Musikdirektor, der ihr die Kundgebung seiner unbegrenzten Begeisterung für ihre Leistungen nicht vorenthielt, so weit persönlich näher trat, daß sie ihm ein nicht geringes Zeichen ihrer Gunst gewährte. Sie verhieß ihm auf seine Bitte ihre auszeichnende Mitwirkung bei einem, von ihm zu seinem Benefiz zu veranstaltenden, großen Konzert Eine Schwierigkeit für die Ermöglichung dieser Mitwirkung bestand jedoch sogleich darin, daß sie, damals ohne festes Engagement, von Gastspiel zu Gastspiel reisend, für die ganze demnächst folgende Zeit bereits von Woche zu Woche engagiert war. Am einfachsten war es, das beabsichtigte Vokal- und Instrumentalkonzert, dessen Ertrag zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Konzertgebers im voraus bestimmt war, sogleich im Anschluß an ihr Magdeburger Gastspiel vor sich gehen zu lassen. So war es auch ursprünglich gedacht: am 21 sang die Künstlerin den ›Fidelio‹: drei Tage später (am 24. April) sollte die Musikaufführung stattfinden. So besagt es auch noch die erste öffentliche Ankündigung des Unternehmens, welche noch an demselben 21. April, dem ›Fidelio‹-Tage, in der ›Magdeburgischen Zeitung‹ zu lesen war.21 Sei es jedoch, daß die Schröder-Devient allzu energisch von Leipzig aus reklamiert wurde, wohin sie für die letzte Aprilwoche versagt war, sei es, daß es dem Konzertveranstalter – trotz seiner Beliebtheit bei dem Musikerpersonale – nicht möglich gewesen sein sollte, die nötigen Vorbereitungen dafür in so kurzer Zeit zu treffen (der letztere Fall ist der minder wahrscheinliche!): kurz, der Termin dafür mußte um eine volle Woche – auf den 2. Mai – vertagt werden, nachdem er zuvor von ihr die Zusage erhalten, eigens deshalb nach Magdeburg wiederkommen zu wollen. Würde nun aber die vielumworbene Gesangsmeisterin, die von Leipzig[230] aus, wie jeder wußte, neuen Gastspielen in Braunschweig und Hannover entgegenging, – dem unbekannten jungen Musiker wirklich ihr in guter Laune gegebenes Wort halten? Ein Zweifel daran, wenigstens in bezug auf ihren ehrlichen Willen, ist Wagner sicherlich fern geblieben; desto weniger aber den biederen Magdeburgern, welche ihrerseits an die Erfüllung der Zusage nicht glaubten, sondern die Ankündigung für ein unerlaubtes Reklamemanöver ansahen und deshalb sich einmütig jeder Vormerkung auf dasselbe enthielten. Sie wurden in ihrem Zweifel dadurch bestärkt, daß die erneute Anzeige des Konzertes – nachdem die beiden ersten Anzeigen die Mitwirkung der Künstlerin ausdrücklich erwähnt hatten – dieser Mitwirkung nicht mehr ausdrücklich Erwähnung tat, sondern nur den instrumentalen Höhepunkt des Programmes, Beethovens ›Schlacht bei Vittoria‹, hervorhob.22 Das Leipziger Gastspiel hatte sich nämlich auf stürmisches Verlangen des dortigen Publikums von Vorstellung zu Vorstellung weiter ausgedehnt, bis endlich von seiten des Breslauer Theaterdirektors, dem die Künstlerin sich, nach ihren vorher zu absolvierenden Gastspielen in Braunschweig und Hannover, verpflichtet hatte, dessen Theatersekretär eigens nach Leipzig entsandt wurde, um sie zur Erfüllung ihres abgeschlossenen Kontraktes zu veranlassen. ›Daß der Exekutor hierbei bloß solche Mittel zur Anwendung brachte, die den Beifall der Exequierten hatten, bewies eine ihm für seine Bemühungen geschenkte goldene Uhr‹.23 Inzwischen hatte in Magdeburg der junge Meister mit Proben über Proben, Verhandlungen über das Konzertlokal, mit den Mitwirkenden usw. genug zu tun, und überdies in weiteren brieflichen Verhandlungen mit seiner berühmten Gönnerin die einmal empfangene Zusage neuerdings endgültig bestätigt erhalten. So kam der entscheidende Tag heran, an dessen Vorabend er [231] eigenhändig die nachstehende Anzeige abfaßte, um sie am nächsten Morgen durch die Magdeburgische Zeitung der Öffentlichkeit zu übergeben:


3. Magdeburg

Der Tag war da, und mit ihm pünktlichst die große Sängerin. Sie war gekommen, um ihr dem jungen Kollegen gegebenes Versprechen einzulösen; gekommen, obgleich sie erst in der Nacht vorher (1. Mai) ihr Leipziger Gastspiel mit der ›Euryanthe‹ abgeschlossen und kaum die Zeit zu ihrer Reise erübrigt hatte. Aber sie war da, pünktlichst zu Beginn des Konzertes. Wer aber nicht auf dem Platze war, das waren die bis zum letzten Moment ungläubig verbliebenen Magdeburger Kunstfreunde; sie waren durch gesellige Freuden okkupiert, und den Mitwirkenden gähnte, bei Beginn des Konzertes, die unbehagliche Leere eines spärlich besetzten Saales entgegen. Traurig für die Kasse des jungen Meisters, der die außerordentlichsten Kosten nicht gescheut [232] hatte, um einen glänzenden Erfolg zu erzielen! Wohl hätte auch die Künstlerin, gewohnt, vor ausverkauften Häusern zu singen, Veranlassung gehabt, dem Urheber dieser sonderbaren Situation ein unzufriedenes Gesicht zu zeigen. Indeß scheint sie vielmehr, durch seine eigene Niedergeschlagenheit dazu bestimmt, zu dem bösen Spiel ihrerseits eine um so bessere Miene gemacht zu haben; denn die silberne Tabaksdose, welche der junge Meister von ihr zum Andenken erhielt, und die uns in unserer Erzählung noch einmal (S. 329) begegnen wird, kann wohl nur bei dieser Gelegenheit in seinen Besitz gelangt sein. Sie reiste zu ihren weiteren ausbedungenen Gastvorstellungen zunächst nach Braunschweig, setzte sich dann in Hannover durch ein einziges Auftreten als Romeo nach den gleichzeitigen Nachrichten ›ein unzerstörbares Denkmal‹ und kam endlich in der Nacht vom 17. zum 18. Mai glücklich in Breslau an, wo sie mit fieberhafter Ungeduld erwartet worden war und die unerhörtesten Triumphe feierte.

In dem Text der darauf bezüglichen Anzeigen fällt uns wiederholt die Wendung auf, er wolle dieses Konzert ›vor seinem Abgange aus Magdeburg‹ veranstalten. Daß er Grund genug hatte, an einen solchen Abgang, nach kaum einjähriger Wirksamkeit, zu denken, ist aus den äußeren Umständen dieser Wirksamkeit erklärlich. Daß die gesamte Theaterdirektions-Wirtschaft Bethmanns einem chronisch gewordenen Bankerott gleichkam, ward von uns gleich zu Beginn hervorgehoben. Die sträfliche Gleichgültigkeit des Publikums gegen sein örtliches Kunstinstitut trug daran den größten Teil der Schuld. Alles Feuer des jungen Musikdirektors, alle seine auf die Aufführung verwandte Sorgfalt und Hingebung hatte an diesem Übelstande nichts ändern können. Dazu waren die Theaterabonnements in erschreckenden Weise zurückgegangen. ›Während sich in früheren Jahren die durch Abonnement eingelaufenen Beträge, wie wir damaligen eingesandten Erklärungen entnehmen, auf 22000 bis 25000 Taler belaufen hatten, war 1834/35 der Barometerstand dieser Beiträge auf 5000 Taler zurückgesunken. Kein Wunder, wenn in der Tasche des Theaterdirektors ein perennierender Geldmangel herrschte, wenn die Mitglieder ihre Gage unregelmäßig oder gar nicht ausgezahlt erhielten, wenn die Direktion schließlich ein Benefiz nach dem andern gewähren mußte, nur damit die Gesellschaft sich nicht noch vor Ablauf der Saison nach allen Windrichtungen hin zerstreute‹.24 Um diesen Bankerott der Direktion nicht auch in einen persönlichen Bankerott ausarten zu lassen, dazu hatte der junge Meister, dem eine Theaterbenefizvorstellung nicht bewilligt worden war, aus eigener Kraft außerhalb des Theaters in jenem Konzert sich einen Ersatz zu schaffen gesucht, über dessen völlig negativen Ausfall, nach den redlichsten Bemühungen, wir im Vorhergehenden ausführlich berichtet haben. Was war es also, das ihn bei[233] der besten Absicht, dieser undankbaren Stadt für immer den Rücken zuzuwenden, dennoch in ihr zurückhielt oder zu ihr zurückführte?

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß in erster Linie die in seinem Herzen erwachte leidenschaftliche Neigung dabei wirksam war. Nur dieser persönliche Grund konnte ihn dazu bestimmen, sich noch einmal der bereits erprobten völligen finanziellen Unzuverlässigkeit der dortigen Verhältnisse auszusetzen. Jede nüchterne Erwägung hätte ihn davon fernhalten müssen. Doch werden wir weiterhin noch einen zweiten Grund dafür antreffen. Der Mensch wird zu seinem Schicksal gleichermaßen gezogen und – gedrängt! Von sonstigen Beziehungen, welche ihm diese eine, in Magdeburg verbrachte Saison zugeführt, wäre nur etwa noch die Freundschaft zu dem Tenoristen Friedrich Schmitt zu erwähnen, die sich Jahrzehnte hindurch, bis in seine Münchener Periode erhielt, um dann zu guter Letzt doch ein betrübendes Ende zu nehmen. Aber auch Schmitt verblieb nicht in Magdeburg. Er begab sich nach Leipzig und nahm dort, als Nachfolger des überaus beliebten ersten Tenoristen Eichberger, ein Engagement an, ohne die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen zu können.25 Zu den treuesten, blindlings ergebenen Freunden des jungen Magdeburger Musikdirektors aber gehörte sein ›köstlich erheiternder Begleiter in allen mannigfachen Nöten seines dortigen Lebens‹, sein ehrlicher brauner Pudel, ›Rüpel‹ geheißen.26 Bis in das Orchester folgte er seinem Herrn, und als er von dort wegen einiger allzu kritischer Äußerungen verbannt werden mußte, ließ er es sich wenigstens nicht nehmen, allabendlich nach einem Streifzug durch die Stadt den geliebten Herrn am Theaterpförtchen treulich zu erwarten. ›Wie ein Wahrzeichen folgte ihm, der damals im blauen Frack und weißer Weste auf Freiersfüßen ging, auf allen Wegen und Stegen der ehrliche Rüpel nach‹.27 Vielleicht war es auch dieser Pudel, welcher einst bei einem Besuche der sächsischen Schweiz ihm bis auf die steilen Felsen der Bastei nachfolgen wollte: ›die Gefahr des Abstürzens für das Tier befürchtend, wirst er ihm von der Höhe herab sein Taschentuch zur Bewachung zu; aber das kluge Geschöpf weiß nach kurzem Besinnen den schweren Konflikt seiner Treue – dem Herrn nachzufolgen [234] oder das anvertraute Gut zu bewachen – dadurch zu lösen, daß er das Tuch am Fuße des Felsens verscharrt und dann eiligst ihm nach auf die Felsspitze klettert. Das war eine gern erzählte Anekdote aus der Geschichte meiner Hunde‹.28

In Begleitung dieses Pudels begab er sich einstweilen, bis zur Wiedereröffnung der Magdeburger Saison nach Leipzig zu den Seinigen zurück. Er fand die Familie nicht mehr in dem altvertrauten Pichhof; zugleich mit seinem Weggang hatte Rosalie, wie wir uns entsinnen, ihre Wohnung gewechselt und ihr Logis nunmehr in dem Hintergebäude von ›Reichels Garten‹ aufgeschlagen. Die Liebe der Mutter und Schwester empfing ihn mit alter Herzlichkeit; im übrigen hatte sich in dem einen Jahr seiner Abwesenheit manches geändert. Ein wohlbegründeter Stolz ließ ihn von jedem weiteren Versuch absehen, den armen hingeopferten ›Feen‹ zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber auch in dem Konzertwesen seiner Vaterstadt war während der Zeit seines Magdeburger Aufenthaltes eine große Veränderung vor sich gegangen: im Gewandhause hatte die Gemütlichkeit ein Ende erreicht, seit an des biederen Pohlenz Statt – Felix Mendelssohn sich dieser Anstalt angenommen. Er hatte das Jahr zuvor, anfangs Oktober 1834, eben als Wagner von Rudolstadt aus in Magdeburg eintraf, um dort in sein neues Amt zu treten, auf der Durchreise von Berlin nach Düsseldorf, in Leipzig eine mehrtägige Station gemacht, während derselben bei jenem ›Feen‹-feindlichen und Handschriften sammelnden Regisseur Hauser Wohnung genommen und auf einer vom Konzertmeister Matthäi geleiteten Probe – zunächst als Zuhörer – mit dem Gewandhausorchester Bekanntschaft geschlossen. Doch war dies genug, um die Aufmerksamkeit der maßgebenden Kreise auf ihn zu lenken. Es begannen Verhandlungen, um seinen aufgehenden Stern dauernd an Leipzig zu fesseln. Ein halbes Jahr später, am 16. April 1835, erhielt Pohlenz, dessen Person und Verdienste sich allgemeiner lebhafter Sympathien erfreuten, seitens der Direktion seine Entlassung zugeschickt ›infolge von Differenzen, deren Entstehungsgrund sich kaum noch auf eine nach beiden Seiten hin gerechte Weise wird darstellen lassen‹.29 Noch kurz vor seinem Ausscheiden brachte er, in einem der letzten von ihm dirigirten Gewandhauskonzerte, Wagners ›Kolumbus‹-Ouvertüre zu [235] Gehör;30 auch gebührt ihm das Verdienst, in der vorausgegangenen Saison (1834) die ›Feen‹-Ouvertüre dem Leipziger Konzertauditorium vermittelt zu haben.31 Mit Mendelssohns Einzug begann die eigentliche ›Glanzzeit‹ der berühmten Leipziger Konzertinstitution. Mit der Berücksichtigung der Jugendprodukte Wagners war es damit aber ein für allemal zu Ende. Leipzig hatte, mindestens was den Konzertsaal des Gewandhauses anbetraf, völlig aufgehört seine Vaterstadt zu sein. Hierher taugte nur noch, was sich blindlings unter die Freundschaft und Gefolgschaft des neuen Dirigenten einordnete. Im Laufe weniger Monate stieg dessen allseitige Verehrung zu einem wahren Kultus. ›Erstaunt über die Vortrefflichkeit der Leistungen dieses damals noch so jungen Meisters, suchte ich mich diesem zu nähern‹, berichtet Wagner von sich selbst, ›und gab bei dieser Gelegenheit einem sonderbar innerlichen Bedürfnisse nach, indem ich ihm das Manuskript meiner Symphonie (in Cdur) mit der Bitte überreichte, oder eigentlich aufzwang, dasselbe – selbst gar nicht anzusehen, sondern nur bei sich zu behalten. Am Ende dachte ich mir dabei wohl, er sehe doch vielleicht hinein, und sage mir irgend einmal etwas darüber. Im Laufe der Jahre führten mich meine Wege oft wieder mit Mendelssohn zusammen; wir sahen uns, speisten, ja musizierten einmal (1846) in Leipzig mit einander: nur von meiner Symphonie und ihrem Manuskripte kam nie eine Silbe über seine Lippen, was für mich Grund genug war, nie nach dem Schicksale desselben zu fragen‹.

Von Leipzig aus begab er sich zu einem kurzen Ausfluge in das Bad Kösen bei Naumburg. Dies geschah, um an diesem abgelegenen kleinen Orte mit Freund Laube zusammenzutreffen. Der Verfasser des ›jungen Europa‹ erholte sich hier, in dem Naumburgischen Dörfchen, welches damals noch reine Luft und Landleben bot, von manchem schweren Geschick, das ihn seit ihrer letzten Begegnung betroffen. Seine literarische Tätigkeit war der preußischen Regierung, die ihre langen Fühler bis nach Sachsen hinein erstreckte, ein Dorn im Auge gewesen; und als er sich zu seiner Rechtfertigung geradewegs nach Berlin begab, verfiel der berüchtigte Demagogenspürhund, Herr von Tzschoppe, gerade noch zur rechten Zeit darauf, daß man es in ihm zudem noch mit einem ehemaligen Halleschen ›Burschenschafter‹ zu tun habe. Eine neunmonatliche Untersuchungshaft hatte dem kecken Vorkämpfer des ›neuen Jahrhunderts‹ die Nerven geschwächt und alle körperliche wie geistige Spannkraft geraubt, bis er endlich auf juratorische Kaution, daß er sich den Gerichten nicht entziehen[236] wolle, nach Kösen konfiniert worden war. Hier besuchte ihn Wagner oben am Heerwege beim Kuchenbäcker Hammerling, wo Laube sich eingemietet hatte und Novellen schrieb, um den Hafer für seine Graditzer Stute zu erwerben, auf deren Rücken er seinen täglichen diätetischen Spazierritt machte. Sie teilten sich ihre seitherigen Lebensschicksale und beiderseitigen Pläne mit, und die Diktion der, in ziemlich sorgfältigen Versen ausgeführten Dichtung zum ›Liebesverbote‹ trug Wagner die lebhafte Anerkennung des literarischen Freundes ein. Dann kehrte er auf acht Tage wieder nach Leipzig zurück.

Schon das erste Jahr seiner praktischen Tätigkeit hatte ihm unwiderleglich klar und deutlich bewiesen, wie sehr er mit jener, im vorigen Sommer ihn beherrschenden ›peinigenden Unruhe‹, mit dem prophetischen Vorgefühl zu erwartender Kämpfe und Mißhelligkeiten im Recht gewesen war! In diesen zwölf Monaten hatten sich jene ›glücklichen Tage‹ in Teplitz, der freudige Lebensgenuß seiner bisherigen sorglosen Jugend ›an ihm zu rächen‹ (S. 245) begonnen, die ›Kälte des Lebens‹ ihn ergriffen und die ›Sonne seines Glückes‹ hingegen mit ihren warmen Strahlen zurückgehalten. Sein beabsichtigter ›Abgang von Magdeburg‹ wäre unter diesen Umständen so natürlich gewesen, hätte nur nicht auch wieder die bisher wohlwollende heimische Umgebung selbst, in diesem einen Jahre, ihre Physiognomie gegen ihn so merklich verändert, als sollte er nun erst recht nicht wieder in ihr festen Fuß fassen können. Theater und Gewandhaus, beide schienen ihm nun durch einen fremdartigen Einfluß versperrt. Was außerdem noch im engeren Familienkreise dazu kam, soll uns im folgenden sogleich näher beschäftigen.

Fußnoten

1 ›Die Linien sind ohne Lineal aus freier Hand mit dem Rostral gezogen, auf den ersten drei Seiten stehen jedesmal fünfzehn Doppelsysteme, auf der letzten sogar sechzehn‹ (vgl. W. Tapperts Aussatz über ›Richard Wagners zweite Symphonie‹ im ›Mus. Wochenblatt‹ 1886, Nr. 40 u. 41).


2 Auch die Auffindung der Orchesterstimmen der ebenfalls verlorenen ersten (Cdur-)Symphonie ist bekanntlich den Bemühungen und dem Spürsinn desselben Berliner Musikgelehrten geglückt. Die Originalien beider sind uns nie zu Gesichte gekommen.


3 Tappert, a. a. O. (›Musikal. Wochenblatt‹ 1886).


4 Siehe ebendaselbst.


5 Die neue Wohnung der Mutter, resp. Rosaliens, war in ›Reichels Garten, Hintergebäude (Quergebäude) rechts‹.


6 Dasselbe wurde späterhin, bei Errichtung des neuen Magdeburger Stadttheaters, in eine Turnhalle umgewandelt und dient noch jetzt als solche.


7 Wagners spätere Magdeburger Wohnung (1835/36) war im vierten Stock des J. G. Knevelsschen Hauses, Breiter Weg 34 – die eigentliche Hauptwohnung. Trotzdem hat im Jahre 1898 nicht das Knevelssche Haus, sondern das Haus Margaretengasse 2 eine Gedenktafel erhalten, mit der, unter diesen Umständen irrtümlichen, Aufschrift: ›Hier wohnte Richard Wagner 1834–36. Gestiftet am 22. Mai 1898‹ (vgl. Mus. Wochenblatt 1898, S. 341).


8 Vgl. hierzu und zu dem folgenden die fleißige Studie von Wilh. Hasse, ›Richard Wagner in Magdeburg‹, erschienen in der Magdeburg. Ztg. 1898, Nr. 251/53 v. 19/21. Mai.


9 Mit Dem. Delsenthal vom Hoftheater in Schleswig als Gast.


10 Leon de Mareville – Herr Meyer vom Hoftheater in Mannheim als Gast.


11 Ein Herr Neumann gab den Templer, Dem. Schindler die Jüdin.


12 Mit den Gästen Hysel vom Bremer Stadttheater und Mme. Christiani als Zerline.


13 Mit denselben Gästen.


14 Eben in dem genannten sorgsamen Artikel von Wilhelm Hasse ›Richard Wagner in Magdeburg‹.


15 Für Schumanns eben begründete Musikzeitung lieferte Wagner auf dessen Aufforderung noch in dem ersten Monat seiner Magdeburger Tätigkeit einen mehr gelegentlichen Beitrag unter dem Titel ›Pasticcio, von Canto Spianato‹, der in den beiden Nummern 63 und 64 vom 6. u. 10. November 1834 der ›Neuen Zeitschrift für Musik‹ erschien und fünfzig Jahre später, im November 1884, in den ›Bayreuther Blättern‹ zu erneutem Abdruck gelangt ist. Für Wagners damalige Ansicht über das Verhältnis von deutschem und italienischem Gesang ist er in hohem Maße charakteristisch, und ich habe es schon damals versucht, in einem doppelten ›Nachwort‹ Bayr. Bl., Novemberstück 1884 und Februarstück 1885, die Fäden aufzuweisen, die sich von dieser frühen Aufzeichnung aus zu den späteren reformatorischen Gedanken in ›Oper und Drama‹ herüber-und hinüberspinnen. Im übrigen ist dieser Aufsatz dem in der Laubeschen Zeitung erschienenen über ›die deutsche Oper‹ nächstverwandt.


16 Charles Philippe Lafont (1781–1839), geboren zu Paris, kaiserl. russischer, später königl. französischer Kammervirtuos, weshalb er in der Magdeburger Konzertreklame als ›erster Violinist der Höfe Frankreichs und Rußlands‹ bezeichnet wird.


17 Nach W. Hasse (›Richard Wagner in Magdeburg‹) hätte die ›Feen‹-Ouvertüre in diesem Konzert die fünfte Nummer gebildet; das Originalprogramm hat uns nicht vorgelegen.


18 Mit einer Sängerin Mme. Christiani (S. 223 Anm. 4) als Gast, welche engagiert wird.


19 R. Wagner, Gesammelte Schriften IX, S. 262/63 (›Über Sänger und Schauspieler‹).


20 R. Wagner, Ges. Schr. IX, S. 262/63.


21 Vgl. W. Hasse, ›R. Wagner in Magdeburg‹, a. a. O. und den Wortlaut der öffentlichen Anzeige auf der gegenüberstehenden Seite (Anm. 1).


22 Wir lassen hier als einzig vorhandene dokumentarische Belege des oben Ausgeführten den Wortlaut der Ankündigungen folgen: ›Unterzeichneter gibt sich die Ehre, hiermit ergebenst anzuzeigen, daß er vor seinem Abgang aus Magdeburg, und zwar künftigen Freitag, den 24. April, ein Konzert zu geben beabsichtigt, zu dem ihm die gefeierte Künstlerin, Mme. Schröder-Devrient, ihre Mitwirkung gütigst versprochen hat. Billets zu 15 Sgr. sind von Mittwoch früh an in der Buchhandlung des Herrn Heinrichshofen, sowie in der Musikhandlung des Herrn Ernst Wagner zu bekommen usw. Magdeburg, den 21. April 1835. Richard Wagner, Musikdirektor‹ (Magdeb. Zeitg. vom 21. u. vom 22. April 1835). Die folgende Anzeige lautet: ›Unterzeichneter gibt sich die Ehre, hiermit ergebenst anzuzeigen, daß er gesonnen sei, vor seinem Abgang aus Magdeburg, künftigen Sonnabend, den 2. Mai, noch ein großes Vokal- und Instrumentalkonzert zu geben. Er wird es sich eifrigst angelegen sein lassen, die Ausführung des Ganzen mit seinen besten Bestrebungen in Einklang zu bringen, was ihm leider im Laufe dieses Winters, wo er die Ehre hatte, in Magdeburg zu fungieren, nur selten gelingen konnte. Unter den aufzuführenden Stücken wird besonders Beethovens riesiges Tongemälde: »Die Schlacht bei Vittoria« die Aufmerksamkeit eines verehrten Publikums fesseln. Das Nähere werden sowohl die nächsten Annoncen sowie der Zettel bestimmen‹ usw. usw.


23 Vgl. A. v. Wolzogen, ›Wilhelmine Schröder-Devrient‹ S. 244.


24 Wilh. Hasse, ›R. Wagner in Magdeburg‹ (Magdeb. Zeitg. 1898, Nr. 251 ff.).


25 ›Ein neuer, am hiesigen Theater angestellter, aus Magdeburg gekommener Tenorist, Herr Schmitt‹, so lesen wir über ihn, ›hat eine vortreffliche Stimme. Ist sie noch nicht völlig gebildet, so ist doch das, was er leistet, schon achtbar, und wir dürfen bei gutem Fleiß viel von ihm erwarten‹ (Allg. Mus. Zeitg. 1835, vom 24. Juni). Aber schon ein halbes Jahr später heißt es über ihn: ›Eichberger ist fort, und ein Herr Schmitt, ein Mensch, der kaum über die notwendigsten Rudimente der Schauspielkunst hinaus ist, dem es zur Gesangkunst an hinreichender Kraft mangelt, und den darum das Publikum beinahe nicht sehen, geschweige denn sprechen und singen hören will, muß dieses Sängers Stelle vertreten‹ (Abendzeitg. vom 27. Jan. 1836).


26 Seltsamer Weise aber war dies auch der Theaterspitzname des ebengenannten Tenoristen Schmitt, mit dem ihn Wagner zuweilen in seinen an ihn gerichteten Briefen anredet; z. B. ›Liebster Rüpel!‹ (29. Aug. 1864), oder: ›O du verrückter Mensch, genannt Rüpel!‹ (3. Juni 1854). Vgl. Österlein, Wagner-Katalog III, S. 15.


27 F. Avenarius


28 H. v. Wolzogen, Richard Wagner und die Tierwelt, S. 17.


29 So Dr. E. Kneschke in seiner ›Geschichte der Gewandhauskonzerte‹. Derselbe berichtet auch, Mendelssohn habe es sich zuvor ausdrücklich bestätigen lassen, daß er ›durch sein Kommen Niemand verdrängen oder in seinen Rechten kränken würde‹. Am 9. März 1843 fand zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Gewandhauskonzerte ein von Mendelssohn dirigiertes Jubelkonzert und eine Festtafel statt, an welcher auf Einladung auch Pohlenz teilnahm. ›Anscheinend ganz gesund kam er nach Hause, aber es standen die Stimmungen und Aufregungen dieses Abends dennoch vielleicht in geheimnisvollem Zusammenhang mit dem Schlagfluß, von dem Pohlenz in den Morgenstunden des 10. März tödlich getroffen wurde‹ (a. a. O., S. 63).


30 Der Programmzettel des von Pohlenz dirigierten ›Neunzehnten Abonnementkonzertes‹ vom 2. April 1835, auf welchem Wagners ›Kolumbus-Ouvertüre‹ mit dem Zusatz ›Neu‹ als erste Nummer figuriert, befindet sich im Original in dem ›musikhistorischen Museum‹ des Herrn F. Nikolas Manskopf in Frankfurt a. M. und ist in Wilh. Kienzls illustriertem Wagner-Werk (München 1904) auf S. 25 in der Verkleinerung getreu reproduziert.


31 Beides erwähnt Kneschke, a. a. O. S. 109.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 216-237.
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