I.

Nach der Grundsteinlegung.

Geschichtliche Vergangenheit von Bayreuth. – Das ›historisch-politische Kränzchen‹: Dittmar, Muncker, Feustel. Adolf Groß. – Sommer auf Schloß Fantaisie. – Eindrücke von außen her. – Komposition des 3. Aktes ›Götterdämmerung‹ vollendet. – ›Über Schauspieler und Sänger.‹ – Besuch bei Liszt in Weimar.


Wer, weit in der Welt umherverschlagen, an die Stätte gelangt, die er sich zur letzten Rast erwählt, beachtet genau die sich ihm aufdrängenden Anzeichen, denen er eine günstige Deutung zu geben sucht.

Richard Wagner.


Drum sag' ich: Der Grund, auf dem wir bauten, ist, daß mir Bayreuths Bürger vertrauten.

(Spruch zur Hebefeier.)


Umgeben von waldigen Höhenzügen, den Ausläufern des Frankenwaldes und Fichtelgebirges, inmitten einer fruchtbaren welligen Tal- und Hügelebene voll prangender Wiesen, blühender Gärten, wohlgepflegter Alleen und Laubgänge, liegt – mehr als tausend Faß hoch über dem Meeresspiegel – das liebliche Bayreuth.

Ringsum fürstliche Parks und Bosketts, aus schattigem Grün hervorlauschende Schlösser und Pavillons, die – zum Teil verwitterten – Zeugen früherer Herrlichkeit. Verstummt das bunte Leben am Hof der prachtliebenden Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach, die einst hier ihren Sitz hatten; nur noch der Hauch des vornehm Stattlichen und idyllisch Poetischen blieb aus jener Zeit über dem reizvollen Orte ausgebreitet, dessen charakteristische Physiognomie im übrigen durch den kernhaften und geraden, bürgerlich protestantischen Sinn seiner Bewohner, durch ihre rege Betriebsamkeit in mancherlei Zweigen der Industrie und den daraus fließenden Wohlstand, sowie andererseits durch ihre ehrenfeste Schlichtheit und Einfachheit gebildet wurde. Anmutig und heimlich, der großen Zentralverkehrsstraße entlegen, die den Norden Deutschlands mit München, Salzburg und Tirol verbindet, schien seine geschichtliche Bedeutung für immer der Vergangenheit anzugehören. Was[3] den Fremden von der geraden Bahn über Eger und Regensburg zu einer Abschweifung nach Westen verlockte, war – außer den landschaftlichen Reizen der Stadt und den anziehenden Resten ihres einstigen Glanzes – etwa noch die pietätvolle Erinnerung an den sinnig-gemütlichen Jean Paul, dessen Andenken hier noch auf Markt und Straßen lebendig war, durch sein Standbild von Schwanthaler und sein Geburtshaus, durch die Rollwenzelei mit ihren Reliquien und dem unvermeidlichen Fremdenbuch. Wer wollte es dem freundlichen Städtchen verdenken, daß es seine Geschicke für abgeschlossen hielt und nur noch nach kräftiger bürgerlicher Entfaltung als Glied des Landes und des Reiches trachtete? Welche Wechsel der Zeiten waren nicht über ihm und seiner Umgebung hinweggerauscht? Wie viele Völker hatten nicht hier ihren Sitz gehabt, wie vieler Herren Eigentum war es gewesen!

Von den Römern verschont, dann aber von slavischen und wendischen Stämmen besiedelt, die zuerst seine dunklen Tannenwälder lichteten, von Thüringern begehrt, von Franken in blutigen Kämpfen behauptet, soll das Land schon in ältesten Zeiten von den fränkischen Königen den Herzögen von Bayern übergeben sein, welche daselbst ›reuteten‹ und sich einen Wohnsitz schufen, die ›Beyerrewt‹ oder die ›Altstadt am Mistelbache‹. Durch Erbschaft um die Mitte des 13. Jahrhunderts an die hohenzollernschen Burggrafen von Nürnberg übergegangen, strebte die Stadt einer bedeutenden Entwickelung entgegen. Von Nürnberg aus erstreckte sich die alte Handelsstraße über Kreußen, Bayreuth und Hof nach Sachsen; in dieser günstigen Lage erhob sie sich schnell zu gedeihlicher Blüte. Während der Hussitenkriege völlig zerstört, rang sie sich bald aus dem Schutte hervor und wußte den Angriffen der Böhmen und fehdelustiger Ritter tapferen Widerstand zu leisten Schnell erwärmte sich der größere Teil der Bevölkerung für die Lehre Luthers und sagte sich kräftig von Rom los, indem er den katholischen Markgrafen Kasimir zur Duldsamkeit zwang Seuchen, Brand und kriegerische Unruhen wechselten in der ersten Hälfte des 17 Jahrhunderts miteinander, um die Stadt zu vernichten; immer wieder erhob sie das Haupt in ungebeugter Kraft. Schon seit 1415 waren die ehemaligen Burggrafen durch Belehnung mit der Mark Brandenburg zu Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach geworden; sie verlegten seit dem Jahre 1603 ihre stehende Residenz nach Bayreuth. Nach allen Stürmen und wiederholten Zerstörungen des dreißigjährigen Krieges erhielt die Stadt unter ihnen mehr und mehr ihre nachmalige Gestalt; der Glanz und die Pracht ihres Hofes steigerte sich besonders unter dem Markgrafen Georg Wilhelm (gest. 1726) und dem prunkliebenden Friedrich (gest. 1763), dem Gemahl der geistreichen Sophie Wilhelmine, der ältesten Schwester Friedrichs des Großen Bayreuth durfte sich hinsichtlich seines Glanzes unter den kleineren und größeren Residenzstädten Deutschlands bald zu den ersten zählen.

Jetzt fielen die alten Mauern und Festungswerke; lachende Gärten im [4] Versailler Geschmack traten an ihre Stelle. Luxus und Nachäffung des französischen Hofstaates nahmen überhand. Mit der Vollendung der unter Georg Wilhelm begonnenen Eremitage ward ein Bau von feenhafter Pracht geschaffen: in ihm schrieb die ihrem großen Bruder in manchen Stücken und so auch in ihrer Vorliebe für französisches Wesen geistesverwandte Prinzessin Wilhelmine ihre – so vielfach von Spottlust und Verbitterung diktierten, aber für die Geschichte des Hoflebens im 18. Jahrhundert wichtigen Memoiren. Das wohlerhaltene Sanssouci der Bayreuther Markgrafen inmitten üppiger Parkanlagen, der von Wilhelmine erbaute Sonnentempel mit seinen musivischen Säulen, der allein eine Bausumme von gegen 100000 Talern verschlang, die mit bunten Steinen, Perlen und Muscheln ausgelegte Tuffsteingrotte, die Bassins mit ihren wasserspeienden Ungetümen, versetzen den Beschauer noch heute in jene wunderliche Zeit, in welcher das, französischen Einflüssen fortgesetzt unterworfene, törig entfremdete Wesen der höheren Regionen mehr und mehr in gespenstische Impotenz verfiel. Eine andere phantastische Schöpfung dieser Zeit ist das im Innern der Stadt belegene Opernhaus, erbaut um 1748 durch den Italiener Babiena, in dessen Räumen nach Verlauf von kaum fünf Vierteljahrhunderten die Feierlichkeiten der Grundsteinlegung des Festspielhauses vor sich gingen. Vier mächtige Säulen tragen das Portal mit seinen in Stein gehauenen überlebensgroßen allegorischen Figuren. Wie durch einen Zauberschlag fühlt sich der Eintretende in jene Epoche fürstlicher Allgewalt versetzt. So überrascht ihn der, auf dunkelgrünem Grunde in reicher Vergoldung prangende, in verschwenderisch überladenem Barockstil dekorierte Zuschauerraum, dessen Parterre und dreifache Logenreihen nahezu tausend Personen aufzunehmen vermögen. Der Bühne gegenüber liegt die große markgräfliche Loge, ehemals, wie alle übrigen Logen, mit schweren rotseidenen, goldgestickten Vorhängen versehen. Der Eingang war so eingerichtet, daß ein Gespann bequem bis zur Brüstung fahren konnte. Stieg Serenissimus aus dem Wagen, um auf seinem Sessel Platz zu nehmen, so ward aus den zu beiden Seiten des Proszeniums befindlichen Logen1 von gallonierten Hoftrompetern ein Tusch geblasen und von der Bühne erwiderten schmetternde Fanfaren. Über die großen mythologischen Ballet- und Opernaufführungen auf diesem Bühnenraum mit seinen nach Tiefe, Höhe und Breite sehr ansehnlichen Dimensionen melden die Chroniken Wunderdinge. Die Vorstellungen gelegentlich der Anwesenheit Friedrichs des Großen sollen nicht weniger als 20000 Gulden gekostet haben. Zu den ferneren Bauten des prachtliebenden Markgrafen Friedrich gehört das ›neue Schloß‹ in der Ludwigstraße mit dem dahinter befindlichen Hofgarten, sowie das südwestlich von der Stadt belegene Lustschloß Fantaisie mit seinen ausgedehnten Parkanlagen.

[5] Während so der Stadt und ihrer Umgebung durch den Luxus ihres Fürstenhauses das schimmernde Gewand des französisch-italienischen Geschmackes angelegt wurde, und im markgräflichen Opernhause Ballet und Comédie florierten, bewahrte sich hingegen das Bürgertum Bayreuths seine kräftig deutsche Gesinnung. Als die Schwester des großen Friedrich bei ihrem Einzug in die Residenz von dem Bürgermeister zu bewillkommnen war, ›affektierte‹ der Mann, wie die hohe Dame sich ausdrückte, sie im ehrlichsten Deutsch anzureden. Mit siegreicher Treue war hier, auf rauhem Grunde und Boden, gedüngt von den verschiedenartigsten Völkerschichten, die nacheinander auf ihm sich lagerten, allen romanischen Einflüssen von oben her zum Trotz, die deutsche Sprache behauptet worden. ›Die römische Kirche drang ihm ihr Latein, die wälsche Kultur ihr Französisch auf: der Gelehrte, der Vornehme sprach nur noch die fremde Sprache, aber der Tölpel von Bürgermeister »affektierte« immer wieder sein Deutsch. Ja, wie wir dies aus näherer Betrachtung des Vorfalles zwischen dem Bayreuther Bürgermeister und der preußischen Prinzessin ersehen, ward hier nicht nur Deutsch gesprochen, sondern man affektierte sogar, sich in, gereinigtem. Deutsch auszudrücken, was der hohen Dame sehr peinlich auffallen mußte, da sie selbst in einer Begegnung mit der Kaiserin von Österreich sich, wegen des von beiden hohen Frauen einzig gekannten schlechten Dialektes ihrer speziellen Heimat, im Deutschen nicht verstehen konnten!‹2

Und doch war die Regierung Friedrichs wenigstens eine Zeit der Ruhe für das Land gewesen. Als, kurz vor dem Hubertusburger Frieden, den noch nicht 52jährigen Herrscher eine Lungenentzündung jählings dahinraffte, war die Trauer im Lande allgemein und ungeheuchelt: der Verstorbene war ein leutseliger und jovialer Herr gewesen. Und wenn die Prachtentfaltung an seinem Hofe die Kräfte seiner Untertanen über Gebühr anspannte, so hatte sie andererseits doch auch ›manchen fremden Gulden ins Land gezogen‹. Mit dem Tode seines Nachfolgers, des Sonderlings Friedrich Christian, fiel das Fürstentum Bayreuth an die Ansbacher Linie. Aber der Markgraf von Ansbach war ebenfalls der letzte seines Stammes. Er verkaufte den kleinen Staat gegen ein festes Jahrgeld an Preußen. Die neue Regierung war bestrebt, die geteilten Gefühle über diese Abtretung durch milde Maßnahmen zu gewinnen. Da kam das Jahr 1806 Schlag auf Schlag folgten die Niederlagen Preußens gegen Napoleon Bayreuth war schutzlos der Willkür des Feindes preisgegeben. Ein französischer Intendant nahm von Landeskassen und Revenuen zugunsten der französischen Armee Besitz; alle preußischen Wappen und Siegel wurden verwischt und umgestochen; dann trennte der Tilsiter Frieden Bayreuth gänzlich von Preußen und verleibte es dem [6] französischen Kaiserreich ein Erst durch den Vertrag von Paris gelangte es an Bayern, um sich unter dessen dauerndem Schutz endlich der Segnungen des Friedens zu erfreuen. Die Kreiseinteilung Bayerns schlug das ehemalige, Fürstentum zu Oberfranken und die einst markgräfliche Residenz ward nun Regierungssitz und Hauptstadt dieses Kreises.

In fünf Jahrzehnten hatte Bayreuth viermal seine Regierung gewechselt, der treue deutsche Sinn der Bevölkerung aber sich unter allen Wechselfällen rein und unverdorben erhalten. Dieser treue deutsche Bürgersinn ließ Land und Ort in mehr als 60jähriger Angehörigkeit zur bayerischen Krone immer inniger und anhänglicher mit derselben verwachsen und sich dabei, in höherem Maße als manche andere bayerische Provinz, der hochsinnig nationalen Politik seines Herrschers würdig und reif erweisen. Ja, seinem kühnsten und entscheidendsten Schritt zur Herstellung einer deutschen Einheit waren diese schlichten Männer schon um ein volles Jahrzehnt vor ausgewesen. Seit dem Jahre 1861 nämlich bestand hier als ›historisch-politisches Kränzchen‹ ein privater Klub von etwa acht bis zehn Personen, dem Bürgermeister, dem Rektor des Gymnasiums, mehreren Professoren und Herren von der Regierung, die als ersten Paragraphen ihrer geselligen Vereinigung festsetzten, daß jeder Teilnehmer, bevor er den ersten Trunk tue, sein Glas mit den Worten zu erheben habe: es lebe der deutsche Kaiser! ›Sie werden sich‹, sagte Wagner späterhin einem Freunde, den er als Gast in diesen Kreis einführte, ›die Freude denken können, als 1871 das Glas endlich auf Kaiser Wilhelm erhoben und auf sein Wohl angestoßen werden konnte!‹3 So war denn auch der große Entscheidungskampf von 1870 hier sogleich in seiner ganzen weitreichenden nationalen Bedeutung erkannt. Der alte Pfarrer Konsistorialrat Dr. Lorenz Kraußold hielt den ausrückenden Regimentern in der protestantischen Hauptkirche4 die Abschiedsrede. ›Er sah aus wie ein Luther und sprach mit der Kraft und Wahrheit eines Luther. Er flocht Körners »Gebet vor der Schlacht« in seine Predigt ein und erhob die Herzen zu einem wahren patriotischen Fanatismus. Schöneres und Anfeuernderes hätte niemand sagen können.‹5

Eben dieser kräftig deutsche Gemeinsinn seiner Bürger befähigte Bayreuth vor anderen Orten dazu, die Pflanzstätte auch für die junge deutsche Kunst zu werden. Während in den gleichzeitigen Münchener Kreisen das große künstlerische Unternehmen als die Errichtung einer ›preußischen Nationalbühne‹ verhöhnt, bewitzelt und angefeindet wurde, traf er in Bayreuth auf Männer, die das nötige Verständnis für seinen großen Gedanken hatten. ›Als ich hierher kam‹, konnte er daher in einer jener wunderbaren Gelegenheitsreden sagen, die ihn eben durch ihre schlichte Natürlichkeit in seiner ganzen Größe [7] zeigen, und bei denen so oft beklagt werden muß, daß kein Griffel da war, um sie in eherne Tafeln zu graben, ›als ich hierher kam, fing ich nicht an von Opernrezensionen und Theaterintendanten zu reden, sondern ich sprach zu den Männern, die jetzt meine innigsten, teuersten Freunde sind, von einer Idee, die dem Ganzen zugrunde liegen soll. Sie hörten mich an, diese Männer, die jetzt im Verwaltungsrate sind; es hörten mir zu Dekane, Konsistorialräte und Professoren, um mich zu ergründen, ob ich etwas Törichtes sagte oder etwas, was, Fundament hat, und dieses aufmerksame Anhören dessen, was ich will, hat mich tief gerührt und geehrt‹.6 Männer dieses Schlages traf er vor allem an der Spitze des städtischen Magistrats, in dem trefflichen Bürgermeister Muncker, der in Gemeinschaft mit der gesamten Verwaltung der Stadt, dem großen Bayreuther Kunstunternehmen seine rastlos tätige Teilnahme widmete, und dem Vorstand der Stadtverordneten, dem Bankier Friedrich Feustel; demnächst in dem soeben erwähnten Konsistorialrat Kraußold und dessen Amtskollegen, dem im wahrsten Sinne des Wortes liebenswerten und ehrwürdigen Dekan und Kirchenrat Dittmar, einem der herrlichsten Männer, die er je kennen gelernt; sowie endlich auch in dem, alsbald auch in den Verwaltungsrat der Festspiele mit aufgenommenen Advokaten Käfferlein. Wir nennen hier, in demselben Zusammenhang, gleich auch noch die übrigen Herren jenes ›historisch-politischen Kränzchens‹, unter dessen regelmäßige Teilnehmer sich der Meister auf Feustels Veranlassung gern mit aufnehmen ließ: den ausgezeichneten Rektor Großmann, die Professoren Frieß und Nägelsbach, und den Spinnereidirektor Kolb. Alle diese Männer waren und blieben ihm seit der ersten Bekanntschaft warm und treu ergeben; der Zauber seiner Persönlichkeit hatte sie ihm rückhaltlos gewonnen. Von Dittmars Eigenart geben uns die Erinnerungen der Zeitgenossen ein ansprechendes Bild. Ein bleibendes Denkmal seiner Wirksamkeit hat er der Stadt Bayreuth durch die würdige Umgestaltung der protestantischen Stadtkirche hinterlassen, die im Jahre 1816 durch eine ungeschickte Renovierung entstellt, eben um die Zeit der Grundsteinlegung des Festspielhauses, dank seiner unermüdlichen Bestrebungen, ihre gegenwärtige, durchweg gelungene und würdige Umgestaltung erhielt. Das hübsche, altertümliche Pfarrhaus, worin er seinen Amts-und Wohnsitz hatte, lag dieser Kirche gerade gegenüber. ›Wenn man zur Haustür hereinkam, blickte man durch den Hausflur und die offenstehende Hintertür in den Garten: es leuchtete einem entgegen in allen Farben, es blühte und duftete in dem schönen kleinen Pfarrgärtchen wie in einer Oase inmitten hoher Mauern und Häuser.‹7 Hier konnte man an schönen Sommerabenden den würdigen Herrn treffen, der, wie ein Patriarch, [8] mit dem Käppchen auf dem Haupte, unter seinen Blumen umherging. Mit der bloßen Bezeichnung einer ›derben herzlichen Natürlichkeit, die soviel Anziehendes an sich gehabt hätte‹8, ist aber seine feingebildete, eines edlen Enthusiasmus fähige Persönlichkeit nur wenig charakterisiert! Es gab in deutschen Landen gewiß nicht viele Oberpfarrer und Kirchenräte, die z.B. mit so williger Begeisterung wie er die Schönheiten von Nietzsches ›Geburt der Tragödie‹ erkannt und anerkannt hätten, die er in zahlreichen Stellen ›dem Besten beizählte, was unsere Literatur besäße‹. Dem Meister verursachte seine Bekanntschaft nur das eine wehmütige Gefühl, einen solchen Mann so spät erst kennen gelernt zu haben. Das ist denn auch der Sinn der bald darauf (Nov. 1872) an Feustel gerichteten Briefstelle, an der er die drei Namen Feustel, Muncker und Ditt mar als eng zu ihm gehörig hervorhebt: ›Ihr drei teuren, lieben Freunde, die Ihr meine neue Heimat ausmacht, denkt Ihr freundlich an uns?‹

Es mag der biederen und herzlichen Natur der hier aufgezählten würdigen Bayreuther Männer Dank gewußt werden, daß sie den überragenden Genius mit den traulichen Banden des Heimatgefühles an ihre enge Scholle zu fesseln, daß sie ihm den Übergang aus der einsamen Traum- und Zaubersphäre seines sechsjährigen Triebschener Aufenthaltes im Angesicht ragender Schneegipfel, in den Kreis ihrer bürgerlichen Geselligkeit zu erleichtern vermochten. Doch ist es nicht minder gewiß, daß dies keine schwere Aufgabe war dem Manne gegenüber, welchem Wohlwollen und Leutseligkeit auch gegen den Geringsten – wo immer er auch vorübergehend eine Stätte gefunden – überall die Zuneigung seiner Umgebung gesichert hatten. Nicht anders war dies gleich bei seinem ersten Eintritt in Bayreuth. Mit Rührung wird man noch in fernen Zeiten das Andenken an zahlreiche kleine Züge dieser Art im Gedächtnis bewahren. Mitten unter den sich drängenden Ereignissen der Grundsteinlegungstage fand er z.B. doch noch den freien Augenblick, durch ein paar freundliche Zeilen an den Kapellmeister Sonntag vom 7. Infanterie-Regiment, als seinem ›geehrten Herrn Kollegen‹, diesem für seine Mitwirkung beim Grundsteinlegungsakt durch den Vortrag des ›Huldigungsmarsches‹ unter strömendem Regen, mit der Versicherung seines lebhaften Mitgefühls für die erlittene Beschwerde zugleich seinen Dank zu sagen. Nicht lange darauf faßte ein einfacher Bayreuther Bürger, Kohlenschreiber in der mechanischen Spinnerei, sich ein Herz, den Mann, dessen Namen halb Europa mit Scheu oder Bewunderung nannte, zur Taufe seines jüngsten, am Tage der Grundsteinlegung geborenen Kindes als Paten einzuladen. Und Wagner wies eine solche Aufforderung nicht zurück. Er erschien vielmehr (2. Juni) mit seiner ganzen Familie in der Wohnung des glücklichen Vaters, und hielt sich mehrere Stunden [9] in heiterer und ungezwungener Weise in dem schlichten kleinen Kreise auf, durch liebenswürdige und anspruchslose Lustigkeit Alles um sich her bezaubernd und beglückend.

Züge dieser Art aneinanderzureihen, welche ungesucht und ungewollt – denn nie konnte Wagner anders als völlig unwillkürlich und ungezwungen handeln! – zur Vermehrung seiner Popularität an dem neuerwählten Wohnsitze dienten, halten wir hier zunächst nicht für unsere Aufgabe Sie werden uns im weiteren Verlauf noch mannigfach begegnen. Wohl aber liegt es uns nahe, noch bevor wir den eigentlichen Faden unserer Erzählung wieder aufnehmen, zur Ergänzung manches früher Gesagten noch einiges über die Person der ihm zunächststehenden unter den Bayreuther Freunden, Friedrich Feustel und Theodor Muncker, nachzutragen. Über den Letztgenannten hat dessen eigener Sohn so eingehend und in so lauterer Klarheit berichtet, daß wir es für ein Unrecht halten würden, seine ungemein vergegenwärtigende Darstellung, wenn wir sie auch nicht in ihrem vollem Umfange reproduzieren können, anders als mit dessen eigenen Worten zu geben. ›Gewiß gab es‹, so berichtet er, ›in Wagners Denken und Schaffen Vieles, was außerhalb der geistigen Sphäre meines Vaters lag. Um mit dem nachprüfenden Verstande die ganze Größe der Wagnerschen Werke im einzelnen klar zu erkennen, um Schritt für Schritt das ungeheure reformatorische Wirken des Meisters in seinen verschiedenen Schriften und künstlerischen Schöpfungen zu begreifen, dazu fehlten ihm die formale philosophisch-ästhetische Schulung und die fachmännischen Einzelkenntnisse. Aber was er nicht mit logischer Schärfe zergliedern konnte, das erfaßte er mit reinem naiven Sinn und schaute es in seiner ganzen Fälle, wie es sich ihm auf dem Grunde der Seele abspiegelte. Mit dem Herzen mehr als mit dem Kopfe begriff er den Künstler und ebenso den philosophischen Denker Wagner; und die hingebendste, verehrungsvollste Liebe zog ihn zu dem Menschen Wagner. An allem, was diesen bekümmerte oder erfreute, nahm er innigen Anteil; persönliche Angriffe auf Wagner und die Seinen konnten ihn empören, fast als wenn sie gegen ihn selbst gerichtet gewesen wären. Es war ihm ein Herzensanliegen, teilnehmen zu können an den Arbeiten, die sich um Wagner auftürmten, die Lasten, die ihm den Weg zu versperren drohten, mit beiseite räumen zu helfen.‹

›Als er sich‹, heißt es weiter in dieser Charakteristik, ›zuerst bereit erklärt hatte, der Sache des Meisters nach Kräften zu dienen, da war es die Rücksicht auf seine amtliche Pflicht gegen die Stadt Bayreuth, die ihn zu diesem Entschlusse trieb. Auch später ließ er diese amtliche Pflicht bei den Forderungen, die Wagner und sein großes Werk an ihn stellten, nie außer acht; das Wohl der Stadt durfte durch das künstlerische Unternehmen nicht geschädigt werden, wenn er für das letztere tatkräftig eintreten sollte. Und glücklicherweise war die Vereinigung beider Bestrebungen nur mit wenig Schwierigkeiten [10] verknüpft; sie ergab sich gewissermaßen von selbst. Aber in jenen zahlreichen Fällen, wo mein Vater sich dem Meister dienstwillig erweisen konnte, ohne daß dabei überhaupt an einen Nutzen oder Schaden für die Stadt zu denken war, wo es sich um rein persönliche Liebesdienste handelte, da säumte er ebensowenig zu tun, was er irgend konnte. Und was er tat, das tat er mit aufrichtiger Freude, auch wenn es mühevoll war. Freilich vermochte auch die unvergleichliche Herzlichkeit, mit der Wagner zu danken pflegte, überschwenglich für alle Mühe zu belohnen. Noch viel mehr als das, was man für ihn tat, würdigte er die Gesinnung, in der man es tat, und das wußte er, auch wo er es nicht mit Worten aussprach, durch die ganze Art, wie er sich erkenntlich bewies, unendlich wohltuend anzudeuten. Freilich in gleichmäßig friedlicher Stille wickelte sich ihr persönlicher Verkehr nicht ab, vielmehr war er reich an stürmischen Szenen. Gegen manches, was Wagner von seinem künstlerischen Standpunkt aus mit vollem Rechte wünschte und forderte, mußte er aus praktischen Rücksichten Bedenken erheben, und das führte oft zu leidenschaftlichen Äußerungen, denen mein Vater einen möglichst ruhigen, aber beharrlichen Widerstand entgegensetzte. Bei allen solchen Erörterungen aber, mochte sich auch in ihnen der Unmut Wagners noch so heftig aussprechen, galt seine Erregung doch nur den seiner eigenen Auffassung zuwiderlaufenden Ansichten, die mein Vater vertrat, nie diesem persönlich. Daß Muncker so eifrig wie er selbst nach allen Kräften das gemeinsame Unternehmen zu fördern bestrebt war, daß er auch, wo er ihm widersprach, nur sein Bestes im Auge hatte, davon war der Meister im Grunde seiner Seele überzeugt, und daher endigte auch der hitzigste Streit immer mit Freundschaftsversicherungen, deren ungezwungene Herzlichkeit unzweifelhaft bewies, daß die sachlichen Gegensätze nimmermehr eine persönliche Verstimmung bewirken konnten. Diese Herzlichkeit war himmelweit entfernt von der zutunlichen Höflichkeit, mit der etwa ein weltkluger Mann den Groll eines beleidigten Mitarbeiters versöhnt, dessen brauchbare Dienste er ungern entbehren würde. An ihr war überhaupt nichts Klugberechnetes; sie entsprang ganz und gar einem unbewußten Trieb der innersten Natur Wagners, dem einzigen aufrichtigen Wunsche, dem Freunde zu zeigen, wie lieb er ihn trotz aller Meinungsverschiedenheit habe.‹9

Und nun Feustel, dieser kerndeutsche Mann von jener wahrhaft freimütigen, echt liberalen Gesinnung eines weiten, großen Herzens, die mit der politisch ›liberalen‹ Richtung, für die er zeitlebens so mannhaft eintrat, doch innerlich so wenig als möglich gemein hatte. Eine ganz seltene, einzig dastehende Erscheinung in seiner ehrenfesten, jovialen Schlichtheit und Einfachheit, genoß er um die Zeit, da ihm Wagner zuerst begegnete, unter seinen Mitbürgern [11] bereits, und nicht ohne Grund, ein hervorragendes Ansehen und Vertrauen. Er hatte seine öffentliche Wirksamkeit schon früh damit begonnen, daß er als Redakteur der Bayreuther Zeitung für des Vaterlandes Wohl, Einheit und Größe kämpfte, als dies noch gar nicht opportun war; in den bayrischen Landtagen hatte er nicht mit langen Reden auf Prinzipien Parade geritten, wohl aber mit kurzen Worten stets das Rechte getroffen und oft die widerstrebendsten Gegner unter sich und mit seinen Ideen versöhnt Seine umfangreichen Budgetarbeiten, bei denen er alles so einzurichten wußte, daß der Staat mit den möglichst geringen Einnahmen möglichst viel leisten konnte und mit des Volkes Gut gespart wurde, seine Berufung zum Frankfurter Vertrauensausschuß, seine Wirksamkeit beim Zollparlament, wo er in hervorragender Weise dazu beitrug, daß schon damals die Mainbrücke geschlagen und zwischen Nord- und Süddeutschland ein herzliches Einvernehmen hergestellt wurde, sein rechter Sinn und scharfer Blick, all diese Dinge und Eigenschaften, die ihn bisher in seinem politischen Wirken seinen Mitbürgern wert gemacht, befähigten ihn ganz vorzüglich auch zu einem segensreichen Wirken und Schaffen im Dienste des großen kunstreformatorischen Werkes, dessen Förderung er sich mit warmem Herzen und in felsenfestem Vertrauen auf den künstlerischen Beruf des Meisters hingab. Wie war er, der Nichtkünstler, zu diesem Vertrauen gekommen? Darüber haben wir uns, bei allen früheren Betrachtungen seiner Persönlichkeit10 schon so eingehend verbreitet, daß wir es an dieser Stelle nicht zu wiederholen brauchen. Nur soviel sei hier noch zur Charakteristik seiner Persönlichkeit hinzugefügt, daß er von Geburt kein Franke, sondern ein Oberbayer war und einer katholischen Familie entstammte; er hatte sich aber, unter dem mächtigen Einfluß Döllingers, zum Altkatholizismus bekannt und war nun, eben um die Zeit der Übersiedelung Wagners nach Bayreuth und der Grundsteinlegungsfeier, mit seiner ganzen Familie zum Protestantismus übergetreten, wobei ihm der Dekan Dittmar das Abendmahl reichte. Er genoß, außer seinem schönen Stadthause, in welchem Richard Wagner bei seinem ersten Eintreffen sein Gast gewesen, noch des Besitzes eines prächtigen Aufenthaltes unweit der Stadt, des wohlbekannten Riedelsberges, dessen Landhaus mit turmartig sich erhebendem Belvedere, inmitten des welligen Hügel- und Wiesenlandes auf lieblicher Anhöhe, umgeben von einer Gruppe von Pappeln, Linden und alten Akazien weithin sichtbar sich erhebt; hier führte er auserlesene Gäste wohl noch in späteren Zeiten auf den Balkon des oberen Stockes und berichtete ihnen, wie er hier einst, während das Abendrot die umgebende Landschaft vergoldete, mit dem Meister gesessen und wie dieser ihm damals in der ihm so unvergleichlich eigenen Art, selbst ergriffen und bis in ferne Rückerinnerung hinein ergreifend, in vertrautem Gespräch die Mysterien des [12] christlichen Sakramentes gedeutet, welche dem deutschen Wesen tief entsprechende Bewandtnis es mit dem echt germanisch-lutherischen ›das ist‹ im Unterschiede von dem ›das bedeutet‹ habe. Ein Eindruck seltenster und weihevollster Art, der ihm nie aus der Seele entschwand und von dem er nur wie von etwas Geweihtem und Heiligem sprach.

Er hatte Mut und Glauben; Glauben an die Person und an die Sache des Meisters, wo alle Welt noch über Beides tief im Zweifel und Verwirrung steckte. Seine eigene wahrhaftige Natur glaubte auch an die Wahrhaftigkeit des deutschen Künstlers und setzte alsbald seine ganze Kraft, sein geschäftliches Geschick, seine weltkundige Klugheit, seine unbeugsame Energie (dieselbe, der er sein eigenes rastlos erarbeitetes Lebensglück verdankte) an die Ermöglichung eines rein idealen Werkes. ›O Freund!‹ ruft ihm deshalb der Meister einmal zu, ›seien Sie und bleiben Sie stets überzeugt, daß Sie mir, selbst wenn Sie nicht so hilfreich und wichtig in mein Leben getreten wären, ganz allein durch Ihre ungemeine und liebenswerte Person teuer und wahrhaft verehrt worden sind‹. Er war auch im Verkehr mit Muncker das treibende Element; wo dieser noch zögernd zurückhielt und an das Sparen dachte, woran er in seinem Amte gewohnt war, da drängte Feustel kräftig vorwärts. Bei Schwierigkeiten und Hindernissen war er weit davon entfernt, abwartend die Hände in den Schoß zu legen; vielmehr stets bereit, alle Schwierigkeiten in rüstigem Anlauf zu besiegen. Dabei kam ihm die Eigenschaft zustatten, daß es für ihn keine Entfernungen gab; er war immer auf Reisen; geschäftliche Beziehungen und Unternehmungen riefen ihn von Bayreuth bald an diesen, bald an jenen Ort, und er betrieb wichtige Angelegenheiten immer lieber persönlich als schriftlich. Wegen dieser Reiselust und steten Reisebereitschaft nennt ihn Wagner einmal den ›fliegenden Holländer von Bayreuth‹, und ein anderes Mal redet er ihn an: ›O mein Freund! daß Sie vorgeben, in Bayreuth zu wohnen, ist wirklich kühn! Man komme nur hierher, um sicher zu sein an den einzigen Ort zu kommen, wo Sie nicht sind.‹11 Das gehörte zu seiner Natur: rast' ich, so rost' ich. Für die ausdauernde, nie ermüdende Bewältigung der eigentlichen Arbeitslasten, die das große Werk mit sich brachte, weit ausgebreitet und immer mehr sich steigernd, stand ihm dabei eine jugendliche Kraft von eiserner Beharrlichkeit zur Seite. Dies war sein Schwiegersohn Adolf Groß, der zukünftige ›Bismarck von Bayreuth‹, von Anbeginn in jede Angelegenheit desselben eingeweiht, da alles und jedes durch seine Hand ging. Daher die wiederholte Nennung seines Namens – als ›Freund Adolf‹ oder ›Vetter Adolf‹ oder ›der gute Vetter Groß‹ – in den an Feustel gerichteten Briefen. Daher die genaueste Sach- und Personenkenntnis, die ihn als lebendes Archiv des Bayreuther Werkes in all seinen Stadien dazu befähigte, es mit sicherer Hand, [13] besonnen und unbeugsam, als Steuermann durch alle Wirbel und Strudel zu lenken und alle ihm von außen her drohenden Gefahren mit staatsmännischer Überlegenheit abzuwehren. Die Vermählung des jungen Paares fiel in denselben Sommer und vollzog sich demnach unter den Auspizien der neugewonnenen Bedeutung des Ortes. Als Wagner zuerst in Bayreuth eintraf und bei Feustel wohnte, sagte er zu der Braut: ›Nun, Sie werden doch nicht Hochzeit machen, ohne uns einzuladen‹, und erschien dann wirklich mit seiner Gemahlin, um dem ganzen Verlauf der Feier mit Tafelmusik, Toasten und schließlichem Tanz im ›Hotel Anker‹ beizuwohnen Höchst charakteristisch ist es dabei, daß der große Menschenkenner, der so oft Gelegenheit gehabt, einen edlen Kern auch in rauher Schale zu würdigen, nicht sogleich bei den ersten Begegnungen von der Persönlichkeit des Bräutigams sich angezogen fand; er hielt ihn vielmehr anfangs für einen ›mürrischen Menschen.‹ Nicht erst allmählich sollte sich dieses Verhältnis ändern, so viele Steigerungen es auch noch im Laufe der Jahre erhalten hat: nein, es war auf eben dieser Hochzeitsfeier und beinahe erst im Moment des Abschiedes, den das junge Paar, um seine Hochzeitsreise anzutreten, von den Festgästen nahm, daß er einen Blick in das Innere dieses scheinbar verschlossenen, unzugänglichen jungen Mannes tat, einen Blick, dessen er später nie ohne Rührung gedachte. Die Abschiedsworte des Neuvermählten an den Meister klangen nach Ton und Inhalt wie ein ihm dargebrachtes ›Gelöbnis‹. Die Einlösung dieses Gelöbnisses blieb seitdem die Aufgabe seines ganzen nachfolgenden Lebens.

Wenn wir im folgenden den Faden unserer Erzählung ordnungsmäßig wieder aufnehmen, so gilt es zunächst unmittelbar an die Tage der Grundsteinlegungsfeier wieder anzuknüpfen, um uns ein Bild davon zu machen, in welch hohem Grade von Erschöpfung die sonst so geglückte Feier ihn zurückließ. ›Ich bin zu sehr ermüdet‹, schrieb er am 25. Mai an Muncker, ›um zu Ihnen zu kommen; dennoch beschwert es mich, Ihnen nicht auch heute das tiefe Dankgefühl zu bezeugen, welches mich für Ihre Freundschaft und für die so außerordentliche Bewährung derselben erfüllt! Ihr so stilles, für mich so überaus schonungsvolles, und endlich so wundervoll wirkungsreiches Bemühen erfüllt mich im Gedenken wie ein wahrer Segen des Himmels!‹ Zu dieser Ermüdung kamen nun aber noch, recht wie um ihm die Freude an dem schön Gelungenen eigens zu vergällen, eine ganze Folge der widerwärtigsten Erlebnisse, die so recht die deutsche Öffentlichkeit charakterisierten, innerhalb deren er sein großes Unternehmen durchzuführen hatte Gerade während er im Begriff stand, die nötigen Kräfte zu sammeln und die gute Stimmung zu gewinnen, um sich der Orchestrierung der ›Götterdämmerung‹ wieder zuzuwenden, drang eine dieser Unannehmlichkeiten nach der anderen auf ihn ein. Den Reigen eröffnete der unglückliche Weißheimer, von dessen gleich zu Beginn mit niederen egoistischen Interessen gemischter Teilnahme, seit der Ablehnung seines [14] nicht minder unglücklichen ›Theodor Körner‹, einzig nur jene egoistischen Regungen noch übrig geblieben waren Eben jene verunglückte Oper hatte er nun doch durch ununterbrochene Wühlereien bei den zuständigen Münchener Behörden endlich auf die dortige Hofbühne gebracht, und einen zurückhaltenden Beifall dafür eingeerntet. Nicht genug damit; eine Notiz der Augsburger Allg. Zeitung bemühte sich, den ephemeren Erfolg dieses, von dem Meister wegen seiner ›höchst bedenklichen‹ Beschaffenheit abgewiesenen Produktes, vielmehr in höhnischer Wendung auf seine Empfehlung (!) desselben bei der Münchener Intendanz zurückzuführen Gegen eine derartige gröbliche Umkehrung des wahren Verhältnisses protestierte er in einer vom 1. Juni datierten ›Berichtigung‹, ohne zu ahnen, welche neue Widerwärtigkeiten er gerade dadurch auf sich herabbeschwor. Denn erstens konnte Weißheimer nichts lieber sein, als dieser Anlaß, um in öffentlicher Erklärung mit seinen einstigen freundschaftlichen Beziehungen zu ihm zu prahlen; andererseits ging die Angelegenheit in unpassendster Form durch alle deutschen Zeitungen,- bis in das kleine ›Bayreuther Tagblatt‹ hinein! ›Den Zeitungsklatsch anderer Orte über mich den Bayreuthern in der bekannten Anekdoten-Manier zum Besten zu geben, wird das sicherste Mittel sein, meine Niederlassung dahier mir gänzlich zu verleiden‹, schrieb er in dieser Angelegenheit an Feustel. ›Mein Verlangen nach Ruhe vor diesem Unsinn muß mir gestattbar erscheinen, wenn ich dagegen die Verpflichtung übernehme, privatim der Redaktion jede Aufklärung über auffällige Notizen auf das wahrhaftigste zu erteilen‹. Er wandte sich in dieser Angelegenheit an Feustel, da er von diesem wußte, daß er mit dem Herausgeber jenes ›Tagblattes‹, dem Buchhändler Gießel, in hinreichend freundschaftlichen Beziehungen stand, um ›einen solchen lüderlichen und schlechten Geist in loco nicht aufkommen zu lassen‹. Trotzdem wartete er Tag um Tag vergebens auf irgend eine Berichtigung in den Spalten jenes Blattes12; es ist auch nie zu einer solchen gekommen.

Nicht erfreulicher war die Erfahrung, die er gleichzeitig an der Aufnahme von Nietzsches Schrift über die ›Geburt der Tragödie‹ in der deutschen Öffentkeit machte. Auf diese hatten nämlich die philologischen Fachgenossen anfangs in sprachloser Verwunderung stillgeschwiegen, dann aber einer der Unerfahrensten und aus diesem Grunde am wenigsten Berufenen, ein ehemaliger Studiengenosse Nietzsches und Rohdes, Herr Ulrich v. Wilamovitz-Möllendorf, in einer Schmähbroschüre von unwürdigem Ton dagegen reagiert. Um dem jungen Freunde die ihm gebührende Genugtuung zuteil werden zu lassen, richtete er an ihn jenen so bekannt gewordenen ›offenen Brief‹ vom 12. Juni 1872, der kurz darauf in der ›Norddeutschen Allg. Zeitung‹13 erschien, und späterhin in den neunten Band der ›Gesammelten Schriften‹ aufgenommen wurde. Er [15] untersucht darin den Bildungswert der herrschenden philologischen Wissenschaft mit ihren ›uns Laien so unbegreiflichen Forschungen‹ und kommt zu dem Ergebnis eines beängstigenden Zweifels darüber, ob das unter dieser Hülle Verborgene der Mühe der Unterhaltung einer so kostbaren Kaste wert sei. ›Wie steht es um unsere deutschen Bildungsanstalten?‹ – diese entscheidende Frage richtet er darin gerade an den jungen Feuergeist, der so früh von einem ausgezeichneten Meister der Philologie (Fr. Ritschl) vor vielen bevorzugt sei, den Lehrstuhl einzunehmen, und sich auf diesem schnell ein so bedeutendes Vertrauen erworben, daß er ›es wagen konnte, mit kühner Festigkeit aus einem vitiosen Zusammenhange herauszutreten und mit schöpferischer Hand auf seine Schäden zu deuten‹. ›Was wir von Ihnen erwarten, kann nur die Aufgabe eines ganzen Lebens sein, und zwar des Lebens eines Mannes, wie er uns auf das höchste not tut, und als welchen Sie allen Denen sich ankündigen, welche aus dem edelsten Quelle des deutschen Geistes, dem tief innigen Ernste in allem, wohin er sich versenkt, Aufschluß und Weisung darüber verlangen, welcher Art die deutsche Bildung sein müsse, wenn sie der wiedererstandenen Nation zu ihren edelsten Zielen verhelfen soll.‹14 Wie erhebend dieser Zuruf auf seinen Adressaten wirkte, geht aus dessen gleichzeitigen brieflichen Äußerungen an seinen ausgezeichneten Freund Erwin Rohde hervor: ›Ich für mein Teil gebe für einen solchen Zuschauer, wie Wagner ist, alle Ehrenkränze, die die Gegenwart spenden könnte, preis; ihn zu befriedigen, reizt mich mehr und höher, als irgendeine andere Macht. Die stumpfe philologische Rasselbande zieht dann an mir wie eine Schar Bleisoldaten vorbei.‹15 Aber auch auf den Meister selbst hinterließ dieser Zwischenfall schließlich doch nur erhebende Nachwirkungen. Ein an Nietzsche gerichtetes Schreiben vom 25. Juni, voll Teilnahme und Herzensgüte (womit er dessen begeisterte Danksagung für jenen offenen Brief beantwortet), schließt mit den freudigen Worten: ›Ich werde grenzenlos zuversichtlich, und meine Sorgen gehen schließlich immer in Hoffnungen über, zumal wenn ich erfahre, daß Sie rechtes Vertrauen zu sich selbst haben, über Ihre Gesundheit beruhigt und guten Mutes sind.‹

Es ist eine betrübende Aufgabe für den Biographen, immer wieder der erschreckenden, die Kluft zwischen dem Reformator und seinen Zeitgenossen bezeichnenden Symptome zu gedenken. Aber gerade die Grundsteinlegungsfeier entfesselte in der deutschen ›Presse‹, in der Zeitungs- und Broschürenliteratur eine ebenso tobende Flut von Beschimpfung, Lärm und Hohn auf der einen Seite, als ihr auf der andern Stumpfheit, Unwissenheit und Gleichgültigkeit gegenüberstand. Einem gewissen Dr. Wilh. Mohr in Köln, der sich schon drei Jahr früher in der Frage des ›Judentums‹ mit seiner dreist geschwätzigen Unwissenheit an die Öffentlichkeit gedrängt hatte, genügten die damals [16] gewonnenen literarischen Lorbeeren nicht mehr; in einem eigenen ›Epilog zur Bayreuther Grundsteinlegung‹ unter dem gehässigen Haupttitel: ›Das Gründertum in der Musik‹ schickte er ein neues Pamphlet voll giftiger Schmähungen und offenkundiger Lügen in die Welt hinaus, welche doch ein großer Teil der damaligen Leser für bare Münze nahm.16 Ein Königsberger, Gustav Dullo, ließ unter dem Namen einer ›Aufklärung (!) über die Nibelungen-Trilogie‹ Richard Wagners, die wüstesten Schmähungen gegen das Werk und seinen Meister vom Stapel, durch welche er seinem sonst in friedlicher Unbekanntheit verbliebenen Namen für alle Zeiten eine traurige Berühmtheit verschafft hat. Ein Münchener Irrenarzt ohne nachweisliche Praxis, Dr. Th. Puschmann, setzte all diesen Gehässigkeiten die Krone auf, indem er in einer sogenanten ›psychiatrischen Studie‹ den Beweis für den Irrsinn, die Geistesgestörtheit Wagners antrat. Eine Berliner Buchhandlung brachte dieses jämmerliche Pasquill bis zum Herbst in zweiter Auflage zu ausgebreiteter Versendung; aber trotz des abgelegenen Druckortes war es dennoch durch und durch ein Münchener Produkt und hatte dort seine eifrigsten Leser. Man sollte es nicht glauben, daß eine derartig beschimpfende Verleumdung und bösartig schleichende Verdächtigung ernstgemeinte Gegenschriften, resp. Widerlegungen hervorrufen konnte; es ist aber doch so der Fall gewesen. Die wohlgesinnten Herausgeber desselben beriefen sich in ihren Vorreden darauf, daß die pseudowissenschaftlichen Deduktionen dieser, auf gefälschten und aus ihrem Zusammenhang gerissenen Zitaten beruhenden Broschüre in ihren Kreisen Glauben gefunden hätten!! Einflußreiche Blätter, wie beispielsweise die Berliner ›Nationalzeitung‹ mit ihrem berüchtigten kleinen -t,17 Zeitschriften, wie die ›Deutsche Warte‹ (B. Meyer) und ›Im neuen Reich‹ (A. Dove) u.a., beteiligten sich an diesem schmachvollen Treiben durch ernsthaftes Eingehen auf jene Thersitesreden18 und moralische Aufrechterhaltung der böswilligen Tendenzschrift durch ihre Autorität. Das war nun die deutsche ›Öffentlichkeit‹, innerhalb deren das große reformatorische Werk des Meisters in mühvollem Ringen seiner Verwirklichung entgegenstrebte! Eine jede allgemeinere Bewegung zu [17] seinen Gunsten wurde hier durch seine eigenen Landes- und Volksgenossen von überall her im voraus warnend als eine ›krankhafte und verderbliche‹ gebrandmarkt, welche ›immer mehr Terrain zu erobern drohe‹, eingegeben von ›maßloser Selbstsucht und unverhülltem Größenwahnsinn‹ und in gefahrdrohender Weise weitergetragen durch urteilslose ›Adepten‹ und ›Korybanten‹19. Bei der Bekämpfung des größten deutschen Künstlers erschien kein Mittel zu gemein und zu schlecht. Von einem der Hauptlager giftiger Feindschaft, der Wiener ›Neuen freien Presse‹, dem Stammsitze des Herrn Hanslick aus, ging kaum vierzehn Tage nach der Grundsteinlegung ein fingierter Brief Victor Hugos durch fast sämtliche deutsche Zeitungen, in welchem der berühmte französische Dichter in schwülstig karikiertem Barockstil seiner (angeblichen) Sympathie für das Bayreuther Unternehmen einen – für den damaligen deutschen ›Zeitungsleser‹ – kompromittierenden und speziell auf diese Wirkung berechneten, Ausdruck verlieh. Wie andere journalistische Auswüchse dieser Art wurde er dem Meister direkt in das Haus geschickt, ohne eine sonderliche Beachtung zu finden; gleichzeitig traf auch der Weißheimersche Ausfall, wenige Tage darauf das Pamphlet jenes Herrn Wilamowitz Möllendorf ein und löschte vollends die Erinnerung daran aus. Aber nicht einmal dieser ›Victor Hugo‹ blieb dem Meister ganz geschenkt; vierzehn Tage später wandte sich von Dresden aus einer seiner ältesten Freunde, Dr. Pusinelli, an ihn mit dem Anliegen, die Unechtheit jenes böswilligen Elaborates durch ein paar öffentliche Zeilen zu bestätigen ›Lieber, Freund,‹ erwiderte er diesem, ›bis jetzt, wo nun auch Du. Deine zweifelvolle Anfrage deshalb an mich richtest, konnte ich es für mehr als unnötig halten, im Betreff jenes Machwerkes eines Wiener oder Münchener Journal-Witzlings mich näher zu erklären. Bedarf es aber zu Deiner, wie zu andrer gleichbeängstigter Freunde Beruhigung dessen, so sei vor allem nur darauf aufmerksam gemacht, daß nie ein gebildeter Franzose, als welcher Victor Hugo am Ende doch wohl auch angesehen werden dürfte, einem deutschen Autor »bayerische Gulden« vorwerfen, und über dessen Verhalten zu seinem erhabenen Wohltäter sich unehrerbietige Wünsche erlauben wird Hat sich ein ähnliches Verhalten gegen mich je in die französische Presse eingeschlichen, so ist es sich, er nur aus den Organen der öffentlichen Meinung in Deutschland dort hinübergeführt worden, wie dies aus den Originalen derselben sattsam zu ersehen ist‹20.

Dieser Brief ist vom 22. Juni datiert; genau vier Wochen später, am 22. Juli, war die Orchesterskizze des 3. Aktes der ›Götterdämmerung[18] vollendet. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn er in jener Welt da draußen und nicht in seiner eigenen, völlig von jener abgeschlossenen, gelebt, wenn nicht, zum Ausgleich von so viel Neid, Haß und Feindschaft von außen her, in seiner nächsten Umgebung Liebe, Verehrung, sorgsamste Beachtung alles seinem Wohlergehen Förderlichen pietätvoll gewaltet hätten, um ihm sein arbeits- und sorgenreiches Daheim mit Heiterkeit zu erfüllen und der schöpferischen Phantasie die Schwingen, gleich stolz gebläheten Segeln, flugfrei zu erhalten. Der fortdauernde Frevel der Mitwelt an seinem Werk, wie an seiner Person, war einzig auf diese Art in seinen Wirkungen zu neutralisieren. Daß er überhaupt noch unter den Lebenden weilte, war gewiß nicht so sehr bloß seiner stählernen Natur zu danken, als eben dieser Liebe, die allen weltlichen Rück sichten getrotzt hatte, um der Aufgabe willen, der Erhaltung seines einzig kostbaren. Daseins ganz sich zu weihen. Sonst hätte er notwendig schon in jener Münchener Periode, als alles gegen ihn wütete und selbst des jungen Herrschers schwärmerische Zuneigung ihn davor nicht zu schützen vermochte, nicht allein moralisch vor Ekel und Widerwillen, sondern im rein physischen Sinne zugrunde gehen müssen. Wer ihn nur immer in jenem kampf- und leidvollen Tristan-Jahre gesehen, bezeugt übereinstimmend, wie ungesund damals sein ganzes Aussehen war, wie nicht allein sein Haar ergraut, sondern seine Gesichtsfarbe fahl und grau gewesen, und wie nun wiederum in den seither verflossenen Triebschener Jahren dieses Aussehen sich verjüngt und wohltätig verändert habe. Auf der andern Seite war die geistige und körperliche Spannkraft seiner Natur reichlichst dazu angetan, ihn ein hohes, patriarchalisches Alter erreichen zu lassen – war doch Alles bei ihm außerordentlich! Was davon unerreicht geblieben, ist demnach ausschließlich jenen zerstörenden Mächten, den Hanslicks und Puschmanns, in Rechnung zu stellen, sowie der Indolenz der Zeitgenossen, die in ihrem stumpf gleichgültigen Dahinleben ihm, statt eines freudig begeisterten Entgegenkommens, unausgesetzt die aufreibenden Kämpfe des Reformators aufzwangen. Nun aber hatte in den letzten sechs Jahren seines Daseins (der Name ›Triebschen‹ faßt sie zusammen!) die opfermutige Liebe ihn der Vollendung seiner erhabenen Aufgabe wie auf Flügeln zugetragen; für sie und um ihretwillen, nicht für irgendwelche abstrakte Allgemeinheit da draußen, war nun sein größtes Werk auf den Punkt gebracht, daß es jetzt nur noch der letzten Ausführung in Partitur bedurfte. Durch welche stets erneuten, immer gleichartigen Hindernisse ihm am Ende auch diese letzte Nacharbeit auf das Unerhörteste erschwert wurde, das – muß uns die fortschreitende Schilderung seiner nächsten Lebensjahre lehren.

Einstweilen stand der Sommer auf Schloß Fantaisie mit seiner üppig herrlichen Parkumgebung, den reichen und mannigfachen Schönheiten der umgebenden Natur, in seinem wohltuenden Zauber den in Triebschen verlebten nicht nach, und die neugewonnenen Bayreuther Freunde trugen das Ihre dazu [19] bei, ihm den Aufenthalt nicht zu einsam werden zu lassen. An den Donnerstag- Zusammenkünften des historisch-politischen Kränzchens (S. 7) nahm er, wie schon erwähnt, gern und regelmäßig teil. War es ihm ausnahmsweise – wegen Geschäftsüberhäufung – schwer oder unmöglich, ›mit am Kranze zu winden‹, so unterließ er es nicht, dies rechtzeitig durch eine kurze Nachricht wissen zu lassen.21 Auch auf Fantaisie fanden gelegentlich diese geselligen Zusammenkünfte statt. Noch um die Mitte Juni gab es recht störend ablenkende Verhandlungen mit seinen neuen Bevollmächtigten Voltz und Batz. Diese beiden Herren hatten ihm, infolge des neuerlassenen Urheberrechtsgesetzes (vom 11. Juni 1870) zur Wahrung seiner Rechtsansprüche an die verschiedenen Theaterdirektionen und Intendanzen, ihre Dienste angetragen; mit ihnen hatte er noch in Triebschen am 21. Februar d. J. einen rechtskräftigen Vertrag abgeschlossen, vermittelst dessen er das Aufführungsrecht seiner früheren Werke, vom ›Rienzi‹ bis auf die ›Meistersinger‹, mit Ausschluß des ›Tristan‹, auf den Kaufmann Karl Voltz in Mainz übertrug, so daß ihm wenigstens für diese, immer beschwerlicher fallende Geschäftslast die Sorge dauernd abgenommen wurde. Sehr nahe ging ihm um diese Zeit die Nachricht von einer plötzlichen ernsten Erkrankung des bereits sehr liebgewonnenen Dittmar, und dementsprechend erfreute er sich dann wieder des allmählichen Eintretens der Besserung. Auf Spaziergängen in die Stadt, die er gern und regelmäßig unternahm, erkundigte er sich dann wohl, persönlich in dem Hause des werten Patienten vorsprechend, nach dem Befinden des Freundes. Einmal ward ihm auch durch einen auswärtigen Verehrer, Herrn Nettke (Wien, Nibelungenstraße 10), eine Sendung auserwählter Havannazigarren zuteil. ›Wertester Freund!‹ schrieb er diesem (14. Juni), ›unleugbar halfen Sie mir zur »Götterdämmerung«! Heute früh kamen die Wunder der Havanna an und sogleich versetzte ich mich durch den Gebrauch eines solchen in die Verzückung, wie sie die Pythia empfunden haben mag, wenn die Dämpfe Apollons um sie aufstiegen. Die ganze Familie nahm an dem Genusse teil und jedes behauptete, solch schönen Duft noch nie geatmet zu haben.‹ Des Feustel-Großschen Hochzeitsfestes, das ebenfalls in diese Zeit fiel (19. Juni), haben wir bereits im voraus gedacht (S. 14).

Von sonstigen Vorgängen dieses schönen Sommers sei hier noch eine überraschende Aufmerksamkeit aus fremdem Lande erwähnt. Wir erinnern uns des merkwürdigen Triumphes, den sich im Vorjahr der ›Lohengrin‹ auf italienischem Boden in Bologna errungen, so daß selbst von Rom und Neapel die Musikfreunde dahin gepilgert waren. In Italien gehörte Wagners dortiger Verleger, der rührige und ehrenhafte Franzesko Lucca († 8. November 1872) zu den auswärtigen Patronen; in Florenz war infolge eines Briefes, den Eduard Schüré an den gelehrten Herausgeber der ›Rivista Europea‹, [20] Angelo de Gubernatis22 richtete, eine ›Wagner-Subskription‹ von diesem mit einem namhaften Beitrag eröffnet. Unter diesen Umständen war es gewiß nicht ohne Bedeutung, wahrzunehmen, wie nicht etwa das bloße Theaterpublikum sich für den ›Lohengrin‹ warm und anhaltend begeisterte, sondern selbst das Munizipium, der Rat und Magistrat der alten Bologna dieser Begeisterung einen schönen Ausdruck verlieh, durch Ernennung des Meisters zu ihrem Ehrenbürger. Noch hatte keine einzige Stadt Deutschlands es für würdig erachtet, durch eine ähnliche, dem Genius dargebrachte Auszeichnung sich selbst zu ehren; ja sogar die bestehenden musikalischen Akademieen und anderweitigen künstlerischen Korporationen nur ausnahmsweise das Bedürfnis gezeigt, die Konformität ihrer Gesinnungen mit der des viel bewunderten und vielangefochtenen Künstlers durch die Tat zu erweisen.23 Diesen erfreulichen Beweisen des in die Tendenzen und Leistungen des deutschen Meisters von auswärts her gesetzten Vertrauens dürfen wir, im gleichen Zusammenhange, noch ein anderes Zeugnis hinzufügen, für Deutschland von noch beschämenderer Natur: von jenseits des Ozeans erging an ihn aus dem fernen Chicago die liberale Aufforderung, zur Feier des Wiedererstehens dieser Stadt aus der Asche ihrer Zerstörung im eigens dafür zu errichtenden Theater unter eigener Leitung und mit frei auszuwählenden Kräften sein Werk auf ihre Kosten zur Darstellung zu bringen. Zwar mußte er die Einladung ablehnen; doch konnte dies nicht ohne einen vergleichenden Hinblick auf die mannigfachen Mühsale geschehen, denen die Durchführung seines Vorhabens im Vaterlande fortgesetzt unterworfen war.

Seit den Tagen der Grundsteinlegung war der norwegische Komponist J. Svendsen mit seiner jungen Frau in der wundervollen Umgebung der Fantaisie wohnhaft geblieben; das gutartige, sehr gebildete Paar schloß sich auf Spaziergängen und bei wiederholten Besuchen recht an den Meister an und er sah sie immer gern. Es kam sogar zu einer Taufe, bei welcher er mit seiner Gemahlin die Patenschaft übernahm. Mit einer Empfehlung [21] Schotts, der in ihm einen zukünftigen Siegfried prophezeite, hatte sich schon Ende Mai der dreiundzwanzigjährige Tenorist Franz. Diener bei ihm gemeldet und war zunächst nach Mailand zu weiteren Gesangstudien empfohlen. Gegen Ende Juli erschien er wieder in Bayreuth, um sich vier Wochen lang, unter Anleitung Wagners, ernsteren Vortragsstudien zu widmen und ließ sich recht hoffnungsvoll an. Wiederholt wurde abends mit ihm aus den Werken musiziert, wobei der junge Rubinstein, auf dessen Person wir später (S. 34) zurückkommen werden, ihn am Klavier begleitete. Gelegentlich stellte sich auch Hans Richter auf einige Tage ein (6.-8. August), von Pest aus, wo er am Nationaltheater als Kapellmeister wirkte. Endlich meldeten sich nacheinander Niemann, die Sängerin Lilli Lehmann aus Berlin mit ihrer Mutter, und Kapellmeister Hermann Levi, soeben im Begriff, von Karlsruhe dauernd nach München überzusiedeln.24 Er traf mit Niemann gleichzeitig ein, und berichtete dabei von Weißheimer, dieser habe ihm 1000 Taler in bar und außerdem lebenslängliche Versorgung seines Weinkellers angeboten, wenn er sich dazu verstünde, in Karlsruhe seinen ›Körner‹ aufzuführen!! Niemann blieb vom 17. bis 22. August; er wohnte in Bayreuth im ›Hotel Sonne‹, kam aber täglich nach Schloß Fantaisie heraus, um mit viel gutem Willen den ›Siegmund‹ zu studieren. Beim Abschied bezeugte er seine enthusiastische Ergebenheit und Verehrung, wie auch schon in den Grundsteinlegungstagen, mit jener besonderen Art der Huldigung, die einst Schopenhauer in ähnlichem Falle zum Aufschreien brachte: nämlich, daß er dem Meister die Hand küßte. Auch traf in diesen Augusttagen von Wesendoncks die Nachricht von der bevorstehenden Vermählung ihrer Tochter Myrrha ein, zu welcher Feier ihr Wagner in einem schönen, herzlichen Schreiben seine Glückwünsche darbrachte.

Den Geburtstag des königlichen, Freundes, welchen dieser im laufenden Jahre (1872) in Gesellschaft seiner Mutter auf Hohenschwangau verbrachte, pflegte er alljährlich durch eine huldigende Sendung zu verherrlichen. Dieses Mal war es die Komposition des dritten Aktes der ›Götterdämmerung‹, die kostbarste Gabe, die er dem Schutzherrn seines Lebenswerkes zu Füßen legen konnte. Das auf das Vorderblatt eingezeichnete Widmungsgedicht begann mit den Worten Wotans im Rheingold: ›Vollendet das ewige Werk!‹25 – ›Nicht schildern kann ich Ihnen den Wonneschauer, der mich durchbebte, als ich diese Worte las‹, schrieb ihm der König, als er in seiner Bergeinsamkeit auf Halbammerhütten die kostbare Gabe empfing Inzwischen hatte derselbe Monat [22] August, gleich nach dem Abschluß seines großen Werkes, die Entstehung der umfassenden Abhandlung ›Über Schauspieler und Sänger‹ gereist. Die darin niedergelegten Erfahrungen und Ge danken bezeichnete Nietzsche als ein ›ganz neu entdecktes Bereich der Ästhetik‹. In Wahrheit führte die Schrift ihre Leser vielmehr um einen bedeutenden Schritt aus aller bisherigen professoralen ›Ästhetik‹ hinaus, durch die gänzlich veränderte Grundlage der Betrachtung. Nur aus der Eigenartigkeit der mimischen Kunst, so lautet die neue Lehre, sei das künstlerische Verfahren Shakespeares bei der Abfassung seiner Dramen zu erklären. Aus dem Widerstreite der populären Naturanlagen gegen das überkommene Dogma der antiken Kunst ging die Wiedergeburt der Künste bei den neueren Völkern hervor: der Schauspieler war eher da als der Dichter, welcher ihm Stücke schrieb. In Spanien entsagte der große Lope de Vega dem Ruhme, ein klassischer Kunstdichter zu sein, und schuf uns das moderne Drama, in welchem Shakespeare zum größten Dichter aller Zeiten gedieh. Völlig behaupteten die antikisierenden Gegenversuche das Feld in Frankreich: hier ward das Drama akademisch zugeschnitten, und die Regeln traten nun auch sofort in die Schauspielkunst ein. Bei dieser war es immer weniger auf eine erhabene Täuschung abgesehen, sondern zu jeder Zeit wollte man sich deutlich dessen bewußt bleiben, daß es sich hier um eine ›Kunstleistung‹ handele. Systematisch ausgebildet ist diese Konvention zuerst in Frankreich: offenbar haben es die Franzosen in dieser Kunst am weitesten gebracht Sehr übel muß sich diese gleiche Kunst aber unter den Deutschen ausnehmen, welche ohne anerzogenen Kunstsinn im Theater eine wirkliche Erregung suchen, wie sie nur durch jene Täuschung bewirkt werden kann. Wie nun aber im Schauspiel, statt der höchst seltenen Fälle, in welchen diese erhabene Täuschung durch wahrhaft geniale Darsteller gelingen kann, dem deutschen Publikum allabendlich Theater (und zwar eben ›Theater überhaupt‹) vorgeführt wird und hierzu die unerläßlichen Hilfsmittel der theatralischen Konvention der Franzosen in Anwendung gebracht werden: so hat in der Oper der italienische Koloraturgesang, als eine spezifische Kunstfertigkeit, deren Erwerbung alle Ausbildung der eigentlich mimischen Anlagen auszuschließen schien, den deutschen Singschauspieler von dem Ausgangspunkt seiner jetzt so entarteten Kunst, dem Singspiel mit gesprochenem Dialog, weit abgelenkt. Das Nötige zu ihrer gesunden Ausübung kann ihm nur vermöge seines, durch das richtige Beispiel angeleiteten und bestimmten, mimischen Darstellungstriebes eingegeben werden. Auf dieses Beispiel, als technisch fixiertes Vorbild einer vollendeten dramatischen Aufführung, komme es daher an, um den an sich bloß reproduktiven mimischen Nachahmungstrieb zur idealen Nachbildungskunst zu erheben. Dies der Gedankengang der Schrift, als bloßer leitender Faden oder als festes Knochengerüst betrachtet, das er aus dem reichen Schatz seiner künstlerischen Erfahrung mit kräftigen Muskeln und [23] Sehnen ausstattet, zum körperlichen Organismus durchbildet und diesen mit dem frisch pulsierenden Blut einer warm lebendigen Darlegung durchtränkt, wie es kein Katheder-Ästhetiker je vermocht hätte, sondern einzig der produktive reformatorische Genius.

Inzwischen war, trotz zögernder Zuflüsse von außen, das Werk des Theaterbaues auf dem Festspielhügel mutig in Angriff genommen, und mit sorglicher Teilnahme an seinem Fortgange von dem Meister verfolgt. Wiederholt richtete er seine Spazierfahrten von Fantaisie aus nach dem Bauplatz, entweder allein, mit seiner Gattin, oder in Begleitung des trefflichen Feustel, um sich an dem regen Treiben der Arbeiter in dem ›großen Loch‹ zu erfreuen. Die Fundamentierungs- und Grundmauerungsarbeiten rückten sichtbar vorwärts. Auf Brandts Empfehlung war der Architekt Otto Brückwald in Leipzig zur Ausführung des Baues von dem Meister bestimmt worden26; am 8. August erging an diesen ein Schreiben des Verwaltungsrates, wegen Übersendung der Detailpläne und Kostenanschläge, das unterm 12. August erwidert wurde; am 30. legte er bereits die vollständigen Zeichnungen und Grundrisse, Durchschnitte und Fassaden brieflich vor. Vier Wochen später, am 16. September, langten von Leipzig die Einzelverzeichnisse der Zimmerarbeiten an; am gleichen Tage wurde der Rest der Maurerarbeiten an die Herren Wölfel und Weiß in Bayreuth übertragen. Mit dem Erstgenannten hatte er bereits wegen Errichtung seines eigenen zukünftigen Wohnhauses am Rennweg, auf Grund Neumannscher Zeichnungen und Entwürfe verkehrt, woran uns ein Briefchen an Feustel vom 3. Juli erinnert.27 Am Vorabend des königlichen Geburtstages, 24. August, war durch den Münchener Wagner-Verein ein großes Konzert zu Gunsten des Bayreuther Unternehmens veranstaltet, wofür er in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Vereins, Reinhard Schäfer, vom 31. August den an diesem Unternehmen beteiligten ›ausgezeichneten Kunstkräften‹ seinen besten Dank ausspricht. Insbesondere freute es ihn, von den Musikern der Kgl. Hofkapelle zu hören, daß ihre entscheidend wichtige Mitwirkung als eine freie Tat ihrer Teilnahme gern und willig geleistet worden wäre. Er ersuchte deshalb, den Herrn Hofmusikern seinerseits die besondere Versicherung zu geben, daß er der Zeiten ihrer gemeinschaftlichen Wirksamkeit mit vorzüglich angenehmer Erinnerung eingedenk sei. ›In unserm gegenseitigen Verkehr zeigte es sich stets, daß Künstler, sobald es um wahrhafte Leistungen der Kunst sich handelt, stets glücklich sich verständigen können; wofür mir sowohl die noch jetzt berühmt gebliebenen Aufführungen meiner Werke, die wir damals zutage förderten, als auch die gute und freundschaftliche Gesinnung Bürgschaft leistet, welche über alle Wechsel der Umstände und Verhältnisse hin uns vereinigt erhalten hat.‹

[24] Vom gleichen Tage, 31. August, datiert war ein anderes Schreiben des Meisters das wir nie zu sehen bekommen haben, welches aber Liszt in seinen Briefen an die Fürstin Wittgenstein28 erwähnt, und welches demnach, wenn auch unveröffentlicht, doch wohl noch irgendwo existieren muß. Wir erinnern uns, daß – aus sehr weitgehenden Dankbarkeitsrücksichten gegen die fürstliche Freundin – Liszt ihr das ungeheuere Opfer des Fernbleibens von Wagner, selbst um die entscheidende Periode der Grundsteinlegung, gebracht hatte; wir entsinnen uns auch des darauf bezüglichen Briefwechsels zwischen den beiden Meistern.29 Die sich stets gleichbleibende Ritterlichkeit Liszts gegen die unheilbar verbitterte, den größten Genius in rätselhafter Weise verkennende Frau hatte das Wiedersehen in dem rechten, entscheidenden Moment vereitelt. Um so mehr empfand es der Meister als seine heilige Pflicht, die mehrjährige – unfreiwillige und mit der Zeit unhaltbare – Spannung seinerseits dadurch aufzuheben, daß er die alljährliche Anwesenheit Liszts in Deutschland dazu benutzte, ihm in Weimar, wo er gerade weilte, mit seiner Gattin einen mehrtägigen Besuch anzukündigen. Umgehend traf Liszts Antwort mit dem Ausdruck seiner ungeteilten, tiefen und herzlichen Freude über diese ihm eröffnete Aussicht ein. Sogleich darauf, am Montag, den 2. September, trat der Meister in aller Stille die Fahrt von Bayreuth nach Weimar an, ohne daß das Geringste davon in der Öffentlichkeit verlautete. Drei Tage, vom 3. bis 5. September, waren die Freunde vereinigt. ›Die Freude Liszts war grenzenlos, und durch die Überwältigung seiner ganzen Natur erschütternd. Sie gab sich u.a. in der rührenden Erregung kund, daß nichts aus seiner Umgebung vorfallen möchte, was irgendwie den größten Freund verstimmen könnte. Nun hatten sie sich gefunden, für immer gefunden.‹30 Am Freitag, den 6., wurde der Rückweg nach Bayreuth wieder angetreten. Der erste Schritt zu einem dauernden Verkehr zwischen beiden Teilen war damit von Wagners Seite getan. Das Eis der unnatürlichen Stockung war gebrochen und Liszts Gegenbesuch vielleicht noch für denselben Monat, zum Kosmostage (27. September), angekündigt. Doch verzögerte er sich tatsächlich noch um mehrere Wochen. Einstweilen übersandte ihm der Meister die soeben in Druck vollendeten fünf ersten Bände seiner gesammelten Schriften und Dichtungen mit eingezeichneten Begleitversen.31 ›Mein hoher Freund,‹ erwiderte ihm darauf Liszt (unterm 16. September), ›gestern von Magdeburg zurückgekehrt, finde ich Deine fünf Prachtbände, »von Cosimas Büchertisch entwandt«. Habe Dank für diese herrliche Gabe, welche nun – als ein teures Sinnbild Deiner immerwährenden geistigen Gegenwart – in meiner Behausung prangt. Überaus erfreut durch [25] die Widmung im Hans Sachsschen Stil sagt Dir heute kurz und herzlichst »auf baldiges Wiedersehen in Bayreuth« Dein getreuer F. L.‹32

Das für beide Meister in ihren menschlichen Beziehungen zueinander Unerläßliche war hiermit geschehen. In Anknüpfung an einen früheren Ausspruch Wagners über Liszt, wonach ihm dieser immer wie ein leichtschwebender Traum vorkomme, wogegen er selbst immer so ein übernächtiges Wachen in seinen Gliedern verspüre, heißt es von Liszts Erscheinung um diese Periode der endlich erfolgten Wiedervereinigung: ›Jetzt war dieses Traumhafte bis in das Phantastische gesteigert. Man konnte glauben, Nornagest vor sich zu haben, von dem die Volksdichtung uns erzählt, daß er sein Lebenslicht vor dem Christuskinde auslöschte. Erschauten wir das innere Gefühl, welches ihm sein jetziges Handeln und Gebahren eingab, so fragen wir weiter: was verlieh, nebst dem eigenen unablässigen Schaffen und Wirken, diesen seinen letzten Lebensjahren den künstlerischen Gehalt? – Sein Wiedersehen mit dem Meister und seine Teilnahme an dem Werke von Bayreuth!‹33 Rein äußerlich bekundet sich dies sogleich nach der ersten Wiederbegegnung in seinem Bericht darüber an die Fürstin (vom 8. September), wie auch in seinem Antwortschreiben an Heckel (am 17. Sept.) worin er diesem, neben seiner bereits durch Tausig veranlaßten Zugehörigkeit zum Leipziger Wagner-Verein, nun auch noch, auf dessen Anregung, dem Mannheimer Verein seine Mitgliedschaft erklärt, und nicht leicht eine Gelegenheit außer acht ließ, der großen Sache an seinem Teil dienstbar zu sein.

Fußnoten

1 Vgl. die Erwähnung dieser ›Trompeterlogen‹ in Bd. IV (früher III1), S. 419. 429.


2 Ges. Schr. IX, S. 396.


3 Gustav Kietz, Erinnerungen an R. Wagner, S. 161/62.


4 Der sog. ›Dreifaltigkeits‹ Kirche in der Kanzleistraße.


5 A. v. Schorn, Zwei Menschenalter (Berlin 1901), S. 183.


6 Vgl. Band IV (früher III1) des vorliegenden Werkes, S. 431.


7 A. v. Schorn Zwei Menschenalter (Berlin 1901), S. 326.


8 A. v. Schorn, Zwei Menschenalter (Berlin 1901), S. 326.


9 Bayreuther Blätter 1900, S. 213/14 (Nachwort Franz Munckers zu den ›Briefen Richard Wagners an Theodor Muncker‹).


10 Vgl. besonders Band IV (III1) des vorliegenden Werkes, S. 378/79.


11 Bayreuther Blätter 1903, S. 180/185.


12 Vgl. Briefe an Feustel, Bayr. Bl 1903, S. 180.


13 Sonntagsnummer v. 23. Juni 1872


14 Gesammelte Schriften, S. 350 ff.


15 Briefwechsel mit Rohde, S. 330. 356.


16 Der ›Verwaltungsrat‹ der Festspiele, hieß es darin, hätte ›dafür gesorgt, daß die Welt durch Schlag auf Schlag eintreffende Telegramme von den unbedeutendsten Wendungen und Zwischenfällen des Festes unterrichtet worden sei‹ (!); ›tausend geschäftige Agenten (!!) hätten (im Interesse des Bayreuther Werkes) die Redaktionen der öffentlichen Blätter gestürmt‹; eine ›sein berechnete Reklame (!) sei von Bayreuth aus losgelassen worden‹ etc. etc.


17 Otto Gumprecht, dem Leser von der Feier der Grundsteinlegung her bekannt, zu welcher er sich als angeblicher ›Patron‹ wider den ausgesprochenen Willen Wagners eingedrängt; vgl. Bd. IV (III1), des vorliegenden Werkes, S. 420 A., 451.


18 Die soeben genannte ›Nationalzeitung‹ reproduzierte in ihrem Bericht darüber in extenso die verleumderischen Ausführungen, ohne ein Wort des Einwandes, der Verwerfung, und mit der bloßen Hinzufügung: ›die Verantwortlichkeit für seine Beweisführung müssen wir natürlich dem Verfasser selbst überlassen; in ärztlichen Angelegenheiten (!!) mitzureden liegt außerhalb unseres Amtes‹!


19 Eben dieselbe Berliner ›Nationalzeitung‹ hatte es sich herausgenommen, z.B. Nietzsche unter die ›literarischen Lakaien‹ Wagners zu zählen (Briefwechsel mit Rhode, S. 355); über die geheimen Ursachen seines Abfalls hat man sich späterhin so vielfach den Kopf zerbrochen, ohne sich einfach zu sagen, welchen Eindruck gerade dieses konsequente Herabziehen und Totschweigen auf seine ehrgeizige, nervös empfindliche Natur machen, wie es ihm auf die Dauer unerträglich werden mußte!


20 Briefe an Pusinelli, Bayreuther Blätter 1902, S. 118.


21 Vgl. Briefe an Feustel, Nr. 18 vom 18. Juli 1872 (Bayreuther Blätter 1903, S. 180).


22 A. de Gubernatis, Professor des Sanskrit und der vgl. Literatur am Instituto di studii superiori zu Florenz, der gelehrten Welt durch seine Forschungen über die Mythenlehre der Veden, sowie durch sein großes Werk. ›Die Tiere in der indogermanischen Mythologie‹ (deutsch von M. Hartmann, Leipzig 1874) rühmlichst bekannt. Seine innige Vertrautheit mit deutscher Forschung bewiesen u.a. die ›Cenni sopra alcuni indianisti viventi‹. Eine geistvolle Deutung des ›Lohengrin‹-Mythus bietet sein Hauptwerk (S. 581 der deutschen Übersetzung).


23 So war Wagner im Jahre 1864 vom ›Freien deutschen Hochstift‹ in Frankfurt a. M. in die Klasse der Meisterschaft aufgenommen und zum Ehrenmitglied ernannt; über die Umstände seiner Wahl zum auswärtigen Mitglied der Berliner musikal. Akademie ist schon berichtet (Bd. IV – III, S. 280. 448/49); Ehrenmitglied der Wiener ›Gesellschaft der Musikfreunde‹ war er seit dem 29. Dezember 1871 u.s.w. Doch war auch hierin eigentümlicherweise das Ausland längst mit seinem Beispiel vorausgegangen: denn schon 1854 hatte der niederländische Verein zur Förderung der Tonkunst ihn zu dem Seinigen erwählt.


24 Vgl. Wagners Antwort auf diese Anmeldung (in den ›Bayreuther Blättern‹, 1901, S. 1901 S. 19): ›Wertester Freund! Ich bin hier und freue mich zu jeder Stunde Sie bei mir zu sehen! Bestens willkommen!‹ Datiert ist das Briefchen merkwürdigerweise: ›11. Aug. 1872, am Tage vor dem Weltuntergang‹, offenbar mit Bezugnahme auf eine damals verbreitete volkstümliche Vorstellung, deren Ursprüngen wir nicht weiter nachgeforscht haben.


25 In vollständigem Wortlaut findet es der Leser in der G. Groteschen Ausgabe der ›Gedichte‹, S. 85.


26 Vgl. Bd. IV (III1) des vorl. Werkes, S. 404.


27 Bayreuther Blätter 1903, S. 180.


28 Liszt-Briefe, herausgegeben von La Mara, Band VI, S. 359.


29 Band IV (III1) des vorliegenden Werkes, S. 412/13 und S. 431.


30 ›Zu Liszts Briefen an die Fürstin Wittgenstein‹ (Bayreuther Blätter 1900, S. 94).


31 Richard Wagner, Gedichte, S. 87.


32 ›Franz Liszt an Richard Wagner‹, Bayreuther Blätter 1904, S. 250.


33 ›Zu Liszts Briefen an die Fürstin Wittgenstein‹ (Bayreuther Blätter 1900, S. 92).


Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 5, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 1-27.
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