XIV.

›Das Kunstwerk der Zukunft‹.

[394] Über Zürich nach Paris. – Belloni, Semper, W. Leine. – Zürich und die dortigen Freunde: Baumgartner, Sulzer, A. Müller u.a. – ›Die Kunst und die Revolution.‹ – ›Das Kunstwerk der Zukunft.‹ – Verhältnis zu Feuerbach. – ›Wieland der Schmied.‹ – Erfolgloser Aufenthalt in Paris. – Besuch in Bordeaux. – Frau Julie Ritter. – Rückkehr nach Zürich.


Meine letzten Erlebnisse haben mich auf eine Bahn gerückt, auf der ich das Wichtigste und Bedeutungsvollste zustande bringen muß, was meiner Natur zu produzieren gestattet ist. Noch vor vier Wochen hatte ich davon keine Ahnung, was ich jetzt als meine höchste Aufgabe erkenne.

Richard Wagner.


Unter dem sichtbaren Schutze einer höheren Macht war Richard Wagner, trotz aller Verzögerungen und unfreiwilligen Aufenthalte, den ihn bedrohenden Gefahren der Verfolgung entronnen. Doch war es nicht so sehr das bloße Bewußtsein persönlicher Sicherheit, der vergleichende Gegensatz zu dem traurigen Lose, das seiner in den Händen erbitterter rachsüchtiger Gegner geharrt hätte, was ihm die Empfindung eines tiefen Aufatmens verursachte. Es war vielmehr das Vollgefühl der Befreiung von einem unerträglichen Alpdruck, der in einem schiefen und falschen, seiner ganzen Natur widersprechenden Amtsverhältnis durch eine Reihe von Jahren auf ihm gelastet. Er hatte bis zum Äußersten gezögert, das drückende Joch aus eigenem Antriebe von sich abzuwerfen; nun war es mit einem Schlage fast ohne sein Zutun geschehen. Er hatte nur gehandelt, wie er mußte, seinem innersten Wesen nach nicht anders konnte; dafür hatten ihn nun eben dieselben Verhältnisse und Umgebungen, die ihn bisher wie mit ehernen Klammern umschlossen, freiwillig und gewaltsam aus ihrer Mitte ausgestoßen. ›Wie mir die Dresdener Katastrophe längst in den Gliedern lag, wissen Sie‹, schreibt er bald darauf an seinen jungen Freund Uhlig ›– nur hatte ich keine Ahnung davon, welcher Sturmwind mich eigentlich von dort hinwegführen sollte. [395] Versichert sind Sie aber auch wohl, daß alle Amnestie und Restitution der Welt mich nicht wieder vermögen könnten, irgendwo wieder Das zu werden, was ich in Dresden zu meinem größten Leiden war.‹

Nun war er geächtet, verstoßen, äußerlich hilf- und mittellos, wie einst in Paris – aber frei und sich selbst wiedergegeben, als Mensch und schaffender Künstler auf der vollkräftigen Höhe des Mannesalters. Eine neue Epoche seines Daseins lag vor ihm. Mochte mit ihm werden, was da wollte, jenem demütigenden Zwang des Hoftheater-Despotismus unterzog er sich zeitlebens nicht wieder. Nur ein Zwang von außen her lastete noch auf ihm, – eine teilnehmende Freundeshand hatte ihm diesen aus Mißverständnis auferlegt. Es war die Zumutung, sich äußere Erfolge als ›Opernkomponist‹ zu erringen, auf einem Boden, der zu seinem künstlerischen Wesen im vollsten Widerspruch stand. ›Nichts mehr von Paris! ‹ hatte er schon vor sechs Jahren den wohlgemeinten Ratschlägen seiner Freunde erwidert,1 und mitten in aller Dresdener Bedrängnis, in allem Stillstand der Verbreitung seiner Werke sich ihm der Seufzer entrungen: ›Sollte es doch nur durch dies Paris möglich sein, auf Deutschland zu wirken? Wenn ich den Gedanken auf Paris festhalte, gerate ich in eine wehmütige Unruhe, als ob ich meine gute Mutter verkaufen sollte!‹2 Und nun war es gerade Liszts sorgende Freundschaft, die ihn ganz wider seinen Willen auf eine europäische Ruhmeslaufbahn drängte und dafür keinen anderen Ausgangspunkt ersah.

Es ist wahrhaft rührend zu beobachten, wie er, um jeden Anschein des Eigensinns zu vermeiden, gegen seine bessere Überzeugung den ihm vorgezeichneten Pfad betritt Kaum einige Tage der Rast gönnte er sich in dem traulich anheimelnden Zürich zur Anknüpfung der nötigen Bekanntschaften, die ihm zunächst zu einem eidgenössischen Passe verhelfen sollten. Auch war durch die vier Reisetage bei größter Sommerhitze sein Blut in so heftige Aufregung versetzt, daß er unmöglich sogleich wieder abreisen konnte, ohne sich einem Schlagfluß auszusetzen.3 ›Die Schweiz tat mir wohl‹, schreibt er an Liszt ›auch traf ich dort einen alten Jugendfreund, Alexander Müller, den Du auch kennst, – ein tüchtiger, liebenswürdiger Mensch und Künstler.‹ In Zürich bekam er auch Liszts Artikel über den ›Tannhäuser‹ im Journal des Débats zu lesen.4 Er erkannte daraus nur aufs neue die enthusiastische Freundschaft seines neuen ›Brot- und Lehnsherrn‹, wie er ihn in dem an Professor Wolff gerichteten Briefe in warmer Empfindung dieses einzigen[396] Verhältnisses nennt. Kurz nach dem Erscheinen dieses Artikels erfolgte nun auch in den ersten Tagen des Juni seine Ankunft in Paris, – im Sinne Wagners ein reiner Zufall. Doch gab dieses zufällige Zusammentreffen seiner dortigen Anwesenheit sogleich eine ganz bestimmte Farbe, und eine – nicht minder zufällige – Begegnung mit seinem künstlerischen Antipoden und einstigen Pariser Protektor Meyerbeer belehrte ihn nur allzu deutlich, in welchem Lichte diese Farbe gesehen werden könne. ›O bester Liszt‹, ruft er bei diesem Anlaß aus innigster Überzeugung ›über diesen Mann mußt Du Dir noch vollkommen klar werden! Solltest Du nicht wissen, daß Naturen, wie die seinige, der Deinigen und der meinen schnurstracks entgegengesetzt sind? daß zwischen Dir und ihm nur ein Band bestehen konnte, das Deinerseits durch Großherzigkeit, seinerseits aber durch Klugheit geknüpft war? Meyerbeer ist klein, durch und durch, und leider begegne ich keinem Menschen mehr, der dies irgendwie zu bezweifeln Lust hätte.‹ Eine Begegnung, wie diese, und der davon gewonnene Eindruck bestärkte in ihm nur das Gefühl einer tiefen Beschämung bei dem bloßen Gedanken, in diesem ›niederträchtigen, verfaulten und todesreifen Kunstgetriebe‹ ›ein Intriguenspiel à la verre d'eau eingehen‹ zu sollen. Von ganzem Herzen dankt er Liszt für Belloni: ›das ist ein tüchtiger, braver und äußerst tätiger Mensch; täglich holt er mich ab und führt mich die nötigen Wege zum Pariser Ruhm‹. Aber Belloni selbst habe ihm erklärt, um hier durchzudringen, müsse er Geld haben, wie Meyerbeer, oder eigentlich mehr Geld als Meyerbeer. Oder aber: – er müsse sich fürchten machen. ›Nun denn, Geld habe ich nicht, aber ungeheuer viel Lust, etwas künstlerischen Terrorismus auszuüben.‹ Gelange er auf dieser Pariser Hetzjagd zu einem Ziele, so wolle er es denn auch nicht nach dem gewöhnlichen Herkommen ausbeuten: er würde dann etwas Neues schaffen, und das könne er nur, wenn er es ganz und gar selbst mache. Ich suche mir daher schon jetzt einen jungen französischen Dichter zu gewinnen, der warm genug ist, sich meiner Idee hinzugeben: mein Sujet mache ich mir selbst; er soll dann so unbefangen wie möglich seine französischen Verse machen.

Von Dresdener politischen Flüchtlingen hatte sich in jenen Junitagen, außer dem jungen Heine, der ebenfalls steckbrieflich verfolgte Semper eingefunden, der seinen Weg nach Frankreich über das insurgierte Baden genommen. Er gedachte den Winter über in Paris zu bleiben, entschlossen, sich demnächst (wozu es nicht kam) in Amerika ein neues Glück zu erobern. Mit ihm und dem alten Freunde seiner ersten Pariser Jahre, Ernst Kietz, verbrachte Wagner – bei allseitiger Mittellosigkeit – in einer billigen Garküche der glänzenden Kapitale, wo ›Kutscher und Fuhrleute verkehrten‹, manche Stunde unter anregenden Gesprächen. Das Bedenklichste an diesem zwecklosen Aufenthalt in der ihm aufgedrungenen Umgebung war das reißend schnelle [397] Abnehmen der mitgebrachten kleinen Barschaft, die ihn in dem gastlichen Zürich bis auf weiteres eine Weile hätte erhalten können. Trotz Liszts großmütigen Anerbietungen sah er mit wahrer Todesangst dem Augenblick ihres gänzlichen Versiegens entgegen. ›Mir ward zumute wie damals, als ich vor zehn Jahren hierherkam und sich oft Spitzbubengedanken meiner bemächtigten, wenn ich die heißen Tage aufsteigen sah, die mir in den leeren Magen scheinen sollten.‹ Da zudem noch in Paris die Cholera wütete, zog er es vor, sich auf einen bescheidenen Landaufenthalt bei Paris, la Ferté sous, Jouarre bei Reuil, in die Nähe des im Sommer dort wohnhaften Belloni zu begeben, um von hier aus, sogleich nach seiner Ankunft daselbst, seinem Weimarer Freunde das Unnütze seines ferneren Verweilens in der französischen Hauptstadt darzulegen. ›Der Zweck, für Paris eine Oper zu schreiben, läßt sich nicht im Sturm erreichen; im glücklichen Falle habe ich in einem halben Jahre die Dichtung, in einem und einem halben Jahre die Aufführung. In Paris und ohne Häuslichkeit – ich will sagen: Herzensruhe – kann ich nichts arbeiten; ich muß einen neuen Punkt gewinnen, wo ich daheim bin und mir vornehmen kann, daheim zu bleiben. Als solchen Punkt habe ich mir Zürich erlesen: meiner Frau habe ich geschrieben, sie möge mit ihrer jüngsten Schwester (Natalie) und den letzten Resten unseres Hausstandes dorthin kommen, um sich wieder mit mir zu vereinigen. Dort habe ich einen Freund Alexander Müller, der mir wegen der Einrichtung einer möglichst wohlfeilen Wohnung usw. an die Hand gehen wird.‹ Das Betrübendste war ihm das Verhalten Minnas zu seiner ihr zugegangenen Einladung in die Schweiz. Seit jenem ihrem letzten Abschied (S. 393) hatte er in ihrem Betreff nur den einen Wunsch und Gedanken einer, den Umständen gemäß, möglichst schnellen, unverzüglichen Wiedervereinigung gehegt. Konnte er annehmen, daß dieser Gedanke, dieser Wunsch nicht ebenso fest und bestimmt der ihrige war? Die Beziehungen zu ihr schienen aber völlig abgebrochen; denn er erhielt auf seine Zuschriften keine Antwort. Vor seinem Fortgang von Zürich nach Paris hatte er ihr unter der unverdächtigen Adresse einer Hausnachbarin im Marcolinischen Palais (Frau Portius) geschrieben, zwei weitere Briefe aus Paris unter der Leipziger Adresse seines Schwagers Avenarius, – und kein Wort bezeugte ihm, daß sie überhaupt noch lebe! ›Meine Angst um sie ist grenzenlos: warum erhalte ich nirgendsher ein Lebenszeichen meiner Frau?‹ schreibt er unter dem Datum des 18. Juni 1849 an den soeben genannten Schwager. ›Ich verfluche jeden Tag, der mir ohne Nachricht von ihr dahinfließt. O schreibe mir augenblicklich und löse mir das Rätsel‹5 ›Ob meine Frau‹, teilte er sich im gleichen Sinne und am gleichen Tage an Liszt mit ›wenn sie meinen heißen Bitten [398] nachgibt und nach Zürich zu reisen gedenkt, das Nötige dazu wird austreiben können, weiß ich leider nicht: frägst Du wohl schnell bei ihr an, ob sie etwas braucht?‹

Das ›Rätsel‹ löste sich beim endlichen ersten Eintreffen einer direkten Nachricht in wenig erfreulicher Weise! Feurig und seelenvoll hatte er sie in seinen mehrfachen Briefen zu sich eingeladen und ihr die dort – in Zürich – zu erwartenden Verhältnisse so günstig als möglich ausgemalt, selbst eines durch Liszts Vermittelung zu gewärtigenden Jahrgeldes darin gedacht, welches sie über die nächsten Lebenssorgen hinwegheben sollte. Als sie endlich ihr Schweigen brach, geschah dies in einem unglücklichen Brief, der besser ungeschrieben geblieben wäre und der ihn ›in seiner Lieb- und Herzlosigkeit zu Eis erstarrte‹. Sie erklärte ihm darin kalt und trocken, daß sie ihm nicht weiter zu folgen gedenke; nicht eher würde sie zu ihm zurückkehren, als bis er sie im Auslande durch einen bestimmten Verdienst ernähren könnte; auch hege sie keine Liebe mehr zu ihm.6 Ihrer Erklärung, ihm zunächst nicht wieder schreiben zu wollen, erwiderte er mit dem Vorsatz, sie einstweilen denn auch seinerseits mit Berichten über seine noch zweifelhaften Schicksale zu verschonen. ›Meine Frau leidet und ist bitter‹, meldet er gleich nach Empfang ihrer Nachrichten an Liszt; ›ich hoffe für sie von der Zeit. Ich bat Dich, wegen etwa nötiger Geldhilfe bei ihr nachzufragen: ich bitte Dich nun, es nicht zu tun, – nicht jetzt.‹7 Wie leid aber mußte es ihm sein, sie, die allem Gerede der Leute so Zugängliche, gerade in dieser Zeit des entfesselten Klatsches und Tratsches in Dresden zu wissen! ›Ich stehe‹, schreibt er an Liszt ›wie ich aus allen Nachrichten ersehen muß, bei Euch in einem schönen Ansehen! Neulich ist mir – so höre ich – sogar vorgeworfen worden, das Dresdener alte Opernhaus mit noch einem andern in Brand gesteckt zu haben! Immer zu! Meine Frau lebt mitten in diesem Pfuhl bürgerlicher Vortrefflichkeit und Großherzigkeit. Nur Eines bekümmert mich schwer, weil es mich bis auf die Knochen verletzt: das ist der mir so häufig gemachte Vorwurf der Undankbarkeit gegen den König von Sachsen. Ich bin doch gänzlich Gefühlsmensch, und konnte demnach diesem Vorwurfe gegenüber lange nicht begreifen, warum ich denn dieser vermeinten Undankbarkeit wegen in meinem Gemüte so gar keine Regungen des Gewissens empfand? Ich habe mich endlich gefragt: ob der König von Sachsen strafbar sei, mir unverdiente Gnaden erwiesen zu haben, für welchen Fall ich ihm wegen seiner Verletzung des Rechtes allerdings zu Dank verpflichtet gewesen wäre? Glücklicherweise spricht ihn mein Bewußtsein von dieser Schuld vollkommen frei. Daß er mir 1500 Taler dafür zahlte, daß ich auf das Geheiß seines Intendanten ihm jährlich eine Anzahl schlechter Opern dirigierte, [399] war allerdings übermäßig bezahlt: indes lag hierin für mich weniger ein Grund zur Dankbarkeit als zur Unzufriedenheit mit meiner ganzen Anstellung. Daß er mir für das Beste, was ich leisten konnte, nichts zahlte, verpflichtete mich nicht zur Dankbarkeit: daß er mir da, als ich ihm wirklich Gelegenheit gab mir gründlich zu helfen, nicht helfen konnte oder – durfte, sondern sich ruhig mit seinem Intendanten über meine Entlassung unterhielt (S. 264), – beruhigte mich über die Abhängigkeit meiner Stellung von Gnadenerzeigungen Schließlich bin ich mir aber auch bewußt, wenn selbst ein Grund zu besonderer Dankbarkeit gegen den König von Sachsen bei mir vorhanden gewesen wäre, wissentlich keinen Akt der Undankbarkeit gegen ihn begangen zu haben: die Beweise hierfür zu führen wäre ich imstande.‹8

Noch in Paris hatte er, kurz vor seinem Fortgang aufs Land, von Semper erfahren: Heubner sei zum Tode verurteilt, und die Exekution würde bald vollzogen werden Dies ›wendete ihm das Herz im Leibe um‹. Es drängte ihn, ein vermittelndes Wort in die Wagschale zu werfen, – an wen aber sollte er es in dem unglücklichen, der erbittertsten Reaktion verfallenen Dresden richten? Wer würde es dem Ohre des Monarchen übermitteln? Er wußte dafür nur eine, ihm unter allen Umständen wohlgeneigte Persönlichkeit, die einen solchen Schritt wagen durfte: die feingebildete Gemahlin seines früheren Chefs, Frau von Lüttichau. Er schrieb ihr sogleich von Reuil aus, sie solle – natürlich ohne von ihm ein Wort zu reden – zum König gehen und ihn, falls es wirklich gefällt sei, vor der Vollziehung des Urteils warnen. Er pries Heubner und erklärte, wie der König nicht nur besser gefahren sein würde, wenn er ihn, nach seiner ursprünglichen Absicht, zum Ministerium berufen hätte, sondern, wie er jetzt noch nicht besser tun könnte, als wenn er Heubner kennen lernen und sich zum Freunde machen wollte. In Dresden entstand daraus das alberne Gerücht, er habe sich direkt mit einem Briefe an den König gewendet. Tatsächlich wurde das Todesurteil über Heubner, Röckel und Bakunin erst im Januar 1850 gefällt und einige Monate später durch das Ober-Appellationsgericht bestätigt, worauf es der Monarch ›im Wege der Gnade‹ in lebenslängliche Zuchthausstrafe ›milderte‹!9

[400] Ende Juni kam er vom Lande nach Paris zurück. Eine Stunde vor seiner Abfahrt nach Zürich traf noch der junge Heine bei ihm ein. ›Ich habe den gesunden tüchtigen Jungen nun einmal über alles gern und freute mich seiner. Wie er mir ganz trocken sagte, mit Europa wäre es nun zunächst noch nichts, er ginge nach Amerika, und Vater, Mutter und Geschwister würden in ein paar Jahren nachkommen, da fand ich das so vernünftig und natürlich, daß ich ganz gelassen eine Prise nahm und sagte: »das ist gescheit!« – Sieh, das war ein weltgeschichtlicher Moment! da hörte alles persönliche, winzige, kümmerliche Menschen-Be wußtsein auf; groß, nackt und offen standen wir Beide auf der Erdkugel, die wir Welt nennen, und begriffen mit einem Überblick das ganze Gefüge dieses Balles.‹ So erzählt Wagner kurz darauf dem alten Vater Heine in Dresden. Wie der Sohn, den der Dresdener politische Klatsch zum ›Guillotinen-Erfinder‹ abstempeln wollte10 (wie den Meister selbst zum Brandstifter im Prinzenpalais!), wie der junge Heine seine Vorsätze durchgeführt, ist von uns bereits im Vorausblick beachtet worden;11 er hat das Vertrauen Wagners in seine Tüchtigkeit durch eine lange, tatenreiche Laufbahn bewährt.

Und nun eilends fort aus dem ›Pestgeruch des modernen Babel‹! ›Wie ein schwarzes Bild aus einer längst abgetanen, gräßlichen Vergangenheit war nochmals jenes Paris an mir vorübergezogen, das ich jetzt, beim ersten Wiedererkennen seiner ekelhaften Gestalt, wie ein nächtliches Gespenst von mir wies, indem ich nach den frischen Alpenbergen der Schweiz mich wandte.‹ Unter den Männern, die ihm mit treuherzig warmem Entgegenkommen über die Schwierigkeiten einer ersten Niederlassung in Zürich hinweghalfen, steht der Zeit nach obenan der mehrgenannte Musikdirektor Alexander Müller aus Erfurt. In seiner bescheidenen Wohnung, in dem vierstöckigen Hause ›zum Tannenberg‹ am Rennweg, brachte der Heimatlose bis zum Eintreffen Minnas und der Auffindung einer eigenen passenden Domizilierung zwei volle Monate – Juli und August 1849 – als willkommener Gastfreund zu. Im dritten Stock des seither niedergerissenen Gebäudes (mit seinem altväterischen Erker und seiner Steinbank unter dem großen vergitterten Parterrefenster neben der Haustür, über welcher der Name des Hauses stand) lag das dem Meister eingeräumte Aufenthalts- und Arbeitszimmer – mit der Aussicht auf den sog. ›Fröschengraben‹. Hier entstand, im Laufe von vierzehn Tagen des Monats Juli, die Abhandlung über. ›Die Kunst und die Revolution‹. Müller, den Wagner einst in Würzburg kennen gelernt und der schon damals eine dauernde Zuneigung zu ihm gefaßt, ein Schüler J. N. Hummels, ein tüchtiger Musiker und sehr fertiger eleganter Klavierspieler, war bald nach ihrer damaligen Trennung nach Zürich gegangen; hier lebte er nun [401] seit einer Reihe von Jahren als Familienvater und bescheidener Musikdirektor. Diese Doppeleigenschaft hinderte ihn nicht, sich dem mittel- und zufluchtslosen Freunde sogleich bei dessen erster Ankunft, und nun wieder bei seiner Rückkehr aus Paris in entgegenkommender Weise gastlich zu erzeigen. Seine Familie bestand aus seiner Frau und zwei Töchtern in frühem Kindesalter, denen Wagner während seines dortigen Verweilens viel Freundliches erwies. Es kam vor, daß er sie sogar, in Abwesenheit des Vaters, der als Musiklehrer viel außer Hause war, in seinem Zimmer duldete. ›Saß er dann am Klavier‹, erzählt die eine der beiden Schwestern,12 ›und ließ seinen musikalischen Eingebungen freien Lauf, so kauerte ich still in einer Ecke und hörte verwundert zu. Auf seine Frage, ob mir dies gefiele, schüttelte ich wohl den Kopf, worauf er von neuem spielte, bis es mich selbst entzückte.‹ ›Ich erinnere mich, daß ich meinen Papa zum erstenmal weinen sah, als er am 22. Juli die Nachricht vom Tode seines Vaters erhielt, und welchen Trost ihm damals die Gegenwart und der Zuspruch seines Freundes Richard gewährte.‹ In einem Briefe an Uhlig beklagte Wagner einzig, daß dieser ›zuverlässige, sehr ergebene Freund‹ leider durch zu vieles Stundengeben und durch aufreibende Kränklichkeit ›etwas unzugänglich für die neue Welt geworden‹ sei. Mit desto größerer Wärme näherte sich ihm unter den jüngeren Züricher Musikern ein Schüler Alexander Müllers, Wilhelm Baumgartner, ein ›tüchtiger offener Kopf‹ und ›heiterer, ungemein gutmütiger und lernbegieriger Mensch‹.13 Am 15. November 1820 als Sohn der wackeren Wirtsleute zum ›grünen Baum‹ in Rorschach geboren, offenbarte er frühzeitig ein unverkennbares Musiktalent, und nachdem er zunächst das Gymnasium zu St. Gallen, sodann die Universität Zürich bezogen hatte, widmete er sich unter der Leitung Alexander Müllers ausschließlich der Musik. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Berlin (Winter 1844) hatte er sich Zürich zum dauernden Wohnsitz erwählt. Ein Meister des Klaviers, entzückte er seine Freunde mit seinen Improvisationen, am liebsten allerdings bei einem Glase Wein, sei es zur Sommerszeit auf dem Muggenbühl, oder an Herbst- und Winterabenden im ›Café littéraire‹ oder in der Attingerei. Er war eine schlichte, treuherzige, gesellige, humorvolle Natur und gehörte unter dem Kosenamen ›Boom‹ von Anbeginn in Zürich zu den ersten und nächsten Freunden des Meisters, und selbst sein Papagei wußte darin gut Bescheid, da er nach Erlauschung und schneller Aneignung der oft gehörten Begrüßungsworte die eintretenden Freunde sogleich mit dem Zuruf empfing: ›Guten Abend, Müller!‹ ›Da bist Du ja, Boom!‹14

[402] Vor allem aber trat ihm der damals noch ganz jugendliche erste Staatsschreiber des Kantons Zürich, Jakob Sulzer, freundschaftlich nahe ›ein philosophisch sein gebildeter Verstand, nobel, zuversichtlich, fernsehender Radikaler‹.15 Dr. Johann Jakob Sulzer, geb. i. J. 1821 zu Winterthur als der Sohn des Mathematikers und Stadtrates Sulzer, hatte sich bereits früh durch seine reichen Geistesgaben ausgezeichnet. Auf den Hochschulen zu Zürich, Bonn und Berlin eignete er sich in der Rechtskunde, Philologie, Geschichte, Nationalökonomie und Philosophie eine seltene Fülle des Wissens an und war während seines ganzen langen Leben († 25. Juni 1897) darauf bedacht, diesen Geistesschatz unablässig zu vermehren. Eine scharfe Auffassungsgabe und ein außerordentliches Gedächtnis kamen ihm dabei trefflich zustatten. Insbesondere vertiefte er sich gern in die höchsten Probleme des Daseins, wie die Philosophie sie aufstellt und zu lösen versucht. Seine äußeren Mittel enthoben ihn der Notwendigkeit, nach vollendeten Studien in der Ausübung eines bürgerlichen Berufes einen Erwerb zu suchen; seine Sachkunde, seine geistvolle, Eleganz mit Tiefe verbindende Beredsamkeit bewirkten indes schon früh, daß die Lenker des zürcherischen Staates auf den glänzend ausgerüsteten jungen Mann aufmerksam wurden. Mit fünfundzwanzig Jahren wurde er als Sekretär des ›Großen Rates‹ in den Staatsdienst berufen; ein Jahr später (1847) wählte ihn der Regierungsrat zum zweiten Staatsschreiber, neben seinem Studiengenossen Alfred Escher, der die Stelle des ersten Staatsschreibers bekleidete, und dem er nach dessen Eintritt in die Regierung nachfolgte; aber erst nachdem er das dafür erforderliche gesetzliche Alter von dreißig Jahren erreicht hatte. Mit dem Eintritt dieses Zeitpunktes wurde er auch Mitglied des Regierungsrates, in welcher Funktion er mit ebensoviel staatsmännischer Einsicht als spezieller Fachkunde das Finanzwesen des Staates verwaltete, bis er i. J. 1857 freiwillig aus dieser Behörde ausschied und bald darauf durch das Zutrauen seiner Mitbürger als Stadtpräsident an die Spitze des aufstrebenden Gemeinwesens seiner Vaterstadt Winterthur berufen wurde. In seiner damaligen, einflußreichen und unabhängigen, angesehenen öffentlichen Stellung und durch den sprühenden Feuergeist Wagners mächtig angezogen, ließ er es sich angelegen sein, dem Verbannten bei jeder sich ihm darbietenden Gelegenheit mit Rat und Tat helfend zur Seite zu stehen. Diese Gruppe verständnisvoller Züricher Freunde erweiterte sich in den nächsten Jahren; die Zaubermacht seiner Persönlichkeit machte ihn alsbald zum anziehenden Mittelpunkt eines Kreises warm ergebener Verehrer und Anhänger. Seltsamerweise schien dabei gerade der Umstand, daß er als ›Revolutionär‹ und politisch Geächteter aus seiner Heimat ausgestoßen, schutzsuchend das Gastrecht des kleinen Freistaates ansprach,[403] ihn den ›freien Schweizern‹, gegen die er sein Verhalten nicht erst zu rechtfertigen oder zu entschuldigen hatte, nur um so viel näher zu bringen, als es bei einer Übersiedelung unter normalen Verhältnissen der Fall gewesen sein würde. Für diese erste Zeit seiner dortigen Niederlassung erwähnt er unter seinen Schweizer Freunden, neben den bereits genannten, noch den jungen Advokaten B. L. Spyri und Franz Hagenbuch, den zweiten Staatsschreiber des Kantons. An dem ersteren rühmt er seine Offenherzigeit, Empfänglichkeit und enthusiastische Ergebenheit; an Hagenbuch, einem ›schönen jungen Manne‹, den ›hell geweckten Kopf, das gesunde Herz und seine lebendige Bildung‹.

An diese näher Vertrauten schlossen sich eine Anzahl entfernterer, aber sehr angenehmer Bekanntschaften, die ihn aus der bisherigen Einsamkeit des versumpften Dresdener Bodens heraus mit einem Male in die Umgebung einer teilnehmenden, ja aufhorchenden Geselligkeit versetzten. ›In ihrem Kreise‹, sagte er selbst ›habe ich mich oft bis zur Schädlichkeit frisch an- und aufgeregt befunden‹.16 ›Von Philistern kenne ich hier nur die sächsischen Flüchtlinge.‹ Mit diesen letzteren kam er hauptsächlich an dem Sammelplatz der damaligen ›Liberalen‹ in Zürich, dem Café littéraire am Weinplatz, zusammen; politische Flüchtlinge aus allen Teilen Deutschlands, hauptsächlich aus Sachsen und Baden, fanden sich hier zahlreich ein. Eine gleichzeitige Skizze17 gibt uns ein lebendiges Bild dieser bunten Gesellschaft jenes Café littéraire, in welchem sogar der Wirt, Herr Große, eine politische Notabilität – oder Kuriosität – repräsentierte, indem er ›dermaleinst den bekannten Robert Steiger aus dem Kerker zu Luzern befreit hatte‹. ›Die Sachsen‹, heißt es in dieser Schilderung ›gruppieren sich um das ehemalige provisorische Regierungsmitglied Todt Der Mann ist sehr alt geworden und sucht umsonst unbehagliche Stimmen in seinem Innern zu betäuben. Neben ihm krümmt sich wie ein mißratenes Fragezeichen die armselige Gestalt des einstigen Landtagsabgeordneten Jäkel usw. Der Kapellmeister Wagner hingegen, der geniale Tonsetzer des Tannhäuser, schwimmt noch kräftig oben und will sich vom Geschick nicht beugen lassen; bei ihm ist die Begeisterung echt, ohne Haken und Häkchen gewesen, – von wie vielen außer ihm wird sich das noch sagen lassen?‹

Im Unterschiede von diesen minder erquicklichen Erscheinungen erfreute ihn der kräftig gesunde, vortreffliche Menschenschlag seiner Züricher, dieser, schnell gewonnenen ›biederen Freunde‹. In ihrem Schutz sammelte er sich zunächst zur öffentlichen Kundgebung seines Protestes gegen die augenblicklichen Besieger der Revolution, denen er wenigstens den Titel ihres Herrenrechtes [404] abzustreiten hatte, nach welchem sie sich für die Beschützer der Kunst ausgaben. ›So ward ich wiederum zum Schriftsteller, wie ich es einst in Paris geworden war, als ich meine Wünsche auf Pariser Kunstruhm hinter mich warf und gegen das Formelle des herrschenden Kunsttreibens mich empörte Jetzt aber hatte ich mich gegen dieses ganze Kunstwesen in seinem Zusammenhange mit dem ganzen politisch-sozialen Zustande der modernen Welt auszusprechen, und der Atem, den ich hierzu schöpfen mußte, hatte von anhaltenderer Natur zu sein.‹ Es geschah dies zunächst in der bereits erwähnten Abhandlung: ›Die Kunst und die Revolution.

Dieser flammende Aufruf an die Menschheit, mit seinem weitreichenden weltgeschichtlichen Horizont, seiner begeisterungsvollen Sprache, bildet den ersten tragkräftigen Grundstein zu dem ihm folgenden Aufbau dichterisch- philosophischer Gedanken in der Reihe von Wagners Züricher Schriften. ›Seitdem jene Gedanken mir zuerst aufgingen‹, sagt er noch dreißig Jahre später,18 ›haben mich das Leben und die von ihm abgenötigten Zugeständnisse dennoch nie mehr von der Erkenntnis der Richtigkeit meiner Ansichten über das erschreckend Fehlerhafte des Verhältnisses der Kunst zu eben diesem Leben abbringen können.‹ Und nicht eher glaubt er die der seinigen etwa entgegenkommende Tat erwarten zu dürfen ›als bis jene von ihm mit dem »Kunstwerk der Zukunft« verbundenen Gedanken ihrem ganzen Umfange nach beachtet, verstanden und gewürdigt worden sind‹.19 Daß sich ihre Darlegung auf der damaligen Stufe ihres literarischen Vortrages auf das engste mit dem Begriffe der Revolution verbindet und durchdringt, tut ihrer dauernden Bedeutung keinen Eintrag. Die große künstle risch-soziale Menschheits-Revolution Wagners hat mit den vielfach unreifen und unzulänglichen Ideen des gleichzeitigen politischen Liberalismus gerade nur so viel gemein, daß der Künstler – in seiner damaligen feurig ungebrochenen Kraftfülle und unter den Erfahrungen der letzten Jahre – die mögliche Erreichung des ihm vorschwebenden Zieles allerdings damals ingrößerer Nähe zu sehen vermeinte. Der Grundzug der Lehre Wagners ist die ihm zur Überzeugung gewordene Annahme eines Verfalles der geschichtlichen Menschheit und die Notwendigkeit ihrer Aufraffung zur Verwirklichung ihrer höchsten inneren Anlagen. Der Weg dazu stellt sich auf den drei Stufen der Entwickelung des künstlerischen Denkers verschieden dar und läßt sich in die leitenden Begriffe der Revolution, Reformation, Regeneration zusammenfassen.20 Aber diese sukzessive nacheinander eintretenden leitenden Begriffe stehen nicht als leere Abstraktionen, willkürliche Schemen vor uns da; sie sind die Ergebnisse [405] seines Lebens und aufs innigste durch die Erfahrungen dieses wahrhaft einzigen Erdendaseins bedingt. Wir wiesen schon zuvor darauf hin, daß das wesentliche Erfordernis für den Glauben an eine Revolution die Vorstellung einer vorhandenen Gemeinsamkeit zur Verwirklichung des Echten und Rechten sei; alles Dichten und Trachten Wagners der realen Welt gegenüber war und blieb auf die Erweckung und Schaffung einer solchen Gemeinsamkeit gerichtet. Und wo er diese nicht finden und erwecken konnte, das hatten ihn die Dresdener Jahre genugsam gelehrt! ›Liebster‹, schreibt er an Liszt ›– fern von aller politischen Spekulation, fühle ich mich aber gedrungen, unverhohlen herauszusagen: auf dem Boden der Antirevolution wächst keine Kunst mehr. Sie würde auf dem Boden der Revolution vielleicht zunächst auch nicht wachsen, wenn nicht – bei Zeiten dafür gesorgt werden sollte.‹

Der Aufsatz über ›die Kunst und die Revolution‹ hat eine doppelte Redaktion erfahren. Er hatte ihn zunächst für ein Pariser politisches Journal bestimmt, wohin er ihn in der zweiten Hälfte des Juli abschickte, um ihn für das Feuilleton des ›National‹ übersetzen zu lassen. Unmittelbar darauf machte er sich an die erneute Bearbeitung desselben für einen deutschen Abdruck als Broschüre bei Otto Wigand in Leipzig, dem er ihn acht Tage später, unter dem Datum des 4. August, durch Vermittelung Liszts zugehen ließ. Wenige Tage darauf erhielt er, ebenfalls durch Liszt, die bei diesem zurückgelassenen Partituren seines ›Tannhäuser‹ und ›Lohengrin‹. Er sah sich den letzteren nach so langer, unruhiger Zwischenzeit am Klaviere wieder durch und gab sich willig dem wunderbar ergreifenden Eindrucke hin, den seine eigene Arbeit auf ihn hervorbrachte. Er entsann sich dabei, daß sein junger Dresdener Freund Uhlig bereits übernommen hatte, den Klavierauszug dieser Oper anzufertigen, und sein in dieser Angelegenheit an Uhlig gerichtetes Schreiben bildet den Beginn einer, von jetzt an ununterbrochenen Korrespondenz mit dem Trefflichen, der noch aus der Ferne es sich zur Lebensaufgabe machte, ihm in jedem Sinne mit all seinen Kräften zu dienen Einer Aufforderung Uhligs ist u.a. auch die Herausgabe der Schrift: ›Die Wibelungen, Weltgeschichte aus der Sage‹ zu verdanken, die bereits im vorigen Sommer (S. 300) als das Ergebnis seiner dem ›Friedrich Rotbart‹ gewidmeten Studien entstanden, nunmehr bei der Abschrift mannigfach neu von ihm redigiert wurde. Mehr als an dieser episodisch mit veröffentlichten Schrift war ihm aber an einer anderen ausführlicheren Arbeit gelegen. Sie schwebte seinem Geiste bereits in allen Einzelheiten vor, noch ehe er, wegen Unzulänglichkeit der äußeren Umgebung, dazu kam sie niederzuschreiben. Es war dies die Abhandlung ›Das Kunstwerk der Zukunft‹. Er erkannte es als unbedingte Notwendigkeit, ehe er in irgendwelchem künstlerischen Produzieren fortfahre, diese Arbeit zu vollenden und [406] in die Welt hinauszuschicken, um zuvor mit allen Denjenigen, die sich für sein künstlerisches Wesen interessierten, zu einer präzisen Verständigung über das zu erstrebende Ziel zu gelangen.

Inzwischen hatte sich in seinem äußeren Dasein die Veränderung vollzogen, daß Anfang September – nach viermonatiger Trennung – seine Frau bei ihm eingetroffen war. Durch Liszts Unterstützung war es ihr möglich geworden, einige liebgewonnene Kleinigkeiten aus seiner Dresdener Einrichtung, vor allem seinen Flügel, ihm zu erhalten und in die neugewonnene Heimat zuzuführen. Wäre nur die Art und Weise dieser ihrer Rückkehr zu ihrem Gatten eine freundlichere, liebevollere gewesen! Wiederum stand sie vor ihm, kalt und entfremdet, wie bei ihrem letzten Zusammentreffen in Magdala, gleichsam auf dem Sprunge, ihn sogleich wieder zu verlassen, wenn er nicht nach ihrem Willen handelte. In ergreifender Weise rekapituliert er ein halbes Jahr später das Vorgefallene, wodurch auch die Lücken unseres vorausgegangenen Berichtes ergänzt werden. ›Du schriebst mir wieder, verkündigtest mir Deinen Entschluß, zu mir nach Zürich zu kommen: ich durfte nun wieder hoffen! Ja, ich hegte die Hoffnung, Dich endlich vollends ganz noch für mich gewinnen zu können, Dich von meinen Ideen zu überzeugen, Dich mit mir endlich näher vertraut zu machen. Äußere Sorgen abzuwenden, war ich unablässig bedacht. Du kamst, – wie war ich glücklich! Und doch – ich Unglücklicher! nicht zu mir warst Du gekommen, um mit mir, wie ich war, nun Freud' und Leid zu teilen, – sondern zu dem Wagner warst Du gegangen, von dem Du annahmst, er werde nun nächstens eine Oper für Paris komponieren! In Dresden hattest Du Dich geschämt zu sagen, Du gingest zu mir nach der Schweiz, – sondern Du gabst vor, Du gingest nach Paris und Dein Mann habe – wie Du wahrscheinlich selbst glaubtest – schon einen festen Auftrag in der Tasche. O, der ungeheure Irrtum zwischen uns beiden mußte sich mit jedem Tage nur mehr enthüllen! Alle meine Ansichten und Gesinnungen blieben Dir ein Greuel; meine Schriften verabscheutest Du, trotzdem ich Dir deutlich zu machen suchte, daß sie mir jetzt nötiger wären, als alles unnütze Opernschreiben. Alle Personen, mit denen ich nicht gleichgesinnt war, verteidigtest Du, alle mir Gleichgesinnten verdammtest Du, – ich durfte sie vor Dir nicht einmal entschuldigen. Nur die früheren Verhältnisse bereutest Du, – die Zukunft sahst Du nur in einer Wiederversöhnung mit ihnen, oder – in einem Pariser Erfolge. Mein ganzes Wesen war Dir feindselig und zuwider: jeden Augenblick, ach! fast in jeder Bewegung mußte ich etwas tun, was Dir nicht recht war. – Kurz, erst jetzt fühlte ich mich bei Dir grenzenlos allein, weil ich sah, es sei unmöglich, Dich für mich zu gewinnen.‹21

[407] Bereits kurz vor Minnas Ankunft hatte er die gastliche Behausung seines Freundes Alexander Müller im ›Tannenberg‹ verlassen und sich in einem provisorischen Unterkommen in der ›Akazie‹ im Schanzengraben eingemietet. In dieser unzureichenden Umgebung, die ihm nicht einmal ein eigenes Zimmer bot, hatte er die Arbeit am ›Kunstwerk der Zukunft‹ nicht aufnehmen wollen, sondern nur die ›Wibelungen‹ neu redigiert und zur Absendung fertig gemacht, am 15 (resp. 19.) September schickt er das Manuskript, mit einem Begleitbrief an den Verleger Otto Wigand, zur Weiterbeförderung an Uhlig ab. In der zweiten Hälfte des September bezog er endlich seine erste eigene Züricher Wohnung am Zeltwege, in den hinteren Escherhäusern Nr. 182 parterre, in der Gemeinde Hottingen bei Zürich.22 Leider erwies sich diese gar zu anspruchslose Parterrewohnung in den darauf folgenden Wintermonaten durch ihre mangelhaften Heizvorrichtungen wenig behaglich. Eine humoristische Anspielung in den Briefen an Uhlig bezieht sich darauf: in seiner unbefriedigten Sehnsucht, endlich einmal wieder an eine künstlerische Arbeit zu gehen und bei ihr verbleiben zu können, fühle er sich zwischen Himmel und Hölle schwebend und bekomme mitunter große Lust, sich in die Hölle zu stürzen, wo er es für den Winter wenigstens warm haben würde. Daß es ihm dabei auch sogar noch an einem ›warmen Überrock‹ fehle, da ihm seine Frau den alten, seiner Dürftigkeit wegen, gar nicht erst mitgebracht habe, erfahren wir aus einer an Liszt gerichteten brieflichen Bemerkung! Unter diesen Umständen blieben allerlei ihm von früher bekannte Winterleiden nicht aus: Rheumatismen, die besonders dadurch beängstigend wurden, daß sie sich nach dem Herzen hinzogen. Die täglichen Kämpfe in seiner Häuslichkeit trugen das Ihre zu seinem Unwohlbefinden bei. Seine für den, National: bestimmte Redaktion des Aufsatzes über. ›Die Kunst und die Revolution‹ war ihm von Paris aus zurückgeschickt. er war dort gänzlich unverstanden geblieben. Man begriff nicht, was er – namentlich in einem politischen Journale – zu jener Zeit damit sagen wollte. Der Eindruck dieser und ähnlicher Erfahrungen hatte bloß die Wirkung, daß sich der ideale Kern seiner Tendenz immer mehr von der politischen Erregtheit des Tages zurückzog und sich bald immer reiner als künstlerisches Ideal herausbildete. So entstand in den ersten acht Wochen seiner neuen Niederlassung die umfangreiche Abhandlung über ›Das Kunstwerk der Zukunft‹, zu deren Abfassung es ihn innerlich drängte, seitdem er häuslich zur Ruhe gelangt war. ›Mir brennt der Kopf vor lauter Kunstdarlegung‹, schreibt er am 26. Oktober an Uhlig, und Ende November war die Schrift bereits [408] beendet, während er seine erste Broschüre: ›Die Kunst und die Revolution‹, die sich dazu gewissermassen als Einleitung oder Vorläufer verhielt, noch nicht einmal in einem eigenen Exemplare zu lesen bekommen hatte. Nur einmal hatte er in einem fremden Exemplare davon geblättert und dabei zu seinem Leidwesen viele Druckfehler der schlimmsten Art entdeckt, die zuweilen den Sinn völlig entstellten und verkehrten!

Der ersten Ausgabe des ›Kunstwerkes der Zukunft‹ ist als Vorwort eine Widmung an Ludwig Feuerbach vorgedruckt, dessen Schriften eben damals sein vorübergehendes lebhaftes Interesse erregten. Er gebe ihm, heißt es darin, mit dieser Arbeit als künstlerischer Mensch. Das wieder zurück, was ihm jener als philosophischer Mensch gespendet. In unphilosophischen Köpfen, die infolge eigener abstrakt schematisierender Steckenreiterei-Gewohnheiten Zaum und Steigbügel mit einem wirklichen Pferde verwechseln und auf Grundlage solcher Anschauung dicke Bücher schreiben, haben diese generösen Widmungsworte nachträglich viel Verwirrung hervorgerufen, als habe dieses Buch, das innerste Eigentum Wagners, die positivste Verkündigung seines künstlerischen Glaubensbekenntnisses, mit der Philosophie Feuerbachs mehr als einige unbedeutende terminologische Wendungen gemein,23 als sei die darin vorgetragene umfassende und überragende Kunstlehre in irgendeinem, noch unentdeckten Winkel der Feuerbachischen Schriften gleichsam in nuce bereits mit enthalten. Einer solchen Verkennung des wahren Verhältnisses gegenüber ist mit Recht auf das bis dahin unbeachtet gebliebene interessante Faktum hingewiesen worden, daß, als Wagner diese Abhandlung mit jener Widmung an den Bruckberger Philosophen versah, er doch erst nur sehr weniges aus Feuerbachs Werken kannte. In seinem allerersten Brief an den Verleger Wigand (vom 4 August 1849) klagt er ausdrücklich: ›leider ist es mir hier noch nicht möglich geworden, von Feuerbachs Werken mehr als den dritten Band mit den Gedanken über Tod und Unsterblichkeit zur Kenntnis zu erhalten‹.24 Werfen wir einen Blick auf seine bisherigen philosophischen Studien, seit jenen allerfrühesten jugendlichen Disputationen über Schellings ›transszendentalen Idealismus‹,25 so treffen wir allerdings, wie auf allen [409] Wissensgebieten, so auch hier auf den ausgeprägtesten guten Willen, sich durch einen Philosophen belehren zu lassen, – wenn er nur einen solchen gefunden hätte. An instinktiver Ehrerbietung vor der philosophischen Wissenschaft als solcher, und ihren Geheimnissen, fehlte es nicht. Noch während seiner Dresdener Zeit hatte er dem allgefeierten Hegel, dessen überschwengliches Lob ihm von allen Seiten entgegentönte, ein sorgsames Studium zugewandt, mit dem aufrichtigen Bestreben ihn weise und tiefsinnig zu finden Leider wollte ihm dies nicht gelingen. Eine hübsche Episode aus der Zeit dieser Bestrebungen hat uns Pechts Erinnerung aufbewahrt. ›Bei einem Besuche, den ich ihm eines Tages machte, fand ich ihn in Feuer und Flamme über Hegels Phänomenologie, die er gerade studierte, und in seiner exzentrischen Art mir als das erste aller Bücher pries (?). Zum Beweis las er mir eine Stelle vor, die ihm eben besonders imponiert hatte. Da ich sie nicht ganz verstand, bat ich ihn, sie noch einmal zu lesen, wo wir sie dann beide nicht verstanden. Er las sie also zum dritten und vierten Male, bis wir uns endlich ansahen und fürchterlich zu lachen anfingen, wo es dann mit der Phänomenologie ein Ende hatte.‹26 Somit war der eigentliche Erfolg dieser ernstgemeinten Bestrebungen ein lediglich negativer. sie schreckten ihn von einer weiteren Befassung mit dem Gegenstande zurück.27 Er hatte den einzigen großen Denker unter seinen Zeitgenossen, dessen Entdeckung ihm recht eigentlich vorbehalten war, damals noch nicht gefunden und bezeugte seine innere Verwandtschaft mit ihm einstweilen durch die entschiedene Abwendung von aller Schein philosophie. ›Hierin gab ich mich ohne kritische Überlegung der Führung eines geistreichen Schriftstellers hin, der meiner damaligen Stimmung vorzüglich dadurch nahe trat, daß er der Philosophie (in welcher er einzig die verkappte Theologie aufgefunden zu haben glaubte) den Abschied gab, und dafür einer Auffassung des menschlichen Wesens sich hingab, in welcher ich deutlich den von mir gemeinten künstlerischen Menschen wiederzuerkennen glaubte.‹ Vollkommene Voraus setz ungslosigkeit ist demnach das hervortretende Merkmal sämtlicher Darlegungen der Schrift über das ›Kunstwerk der Zukunft‹. Wie sie es sich zur Aufgabe setzt, das eine unteilbare Kunstwerk unmittelbar aus der Beschaffenheit der menschlichen Natur herzuleiten, so will sie Alles geben, was zum Nachweis dieses seines rein menschlichen Ursprungs dienen kann: im engsten Raume eine in sich [410] selbst beruhende systematische Philosophie der Kunst, fähig und geeignet, ganze philosophische Bibliotheken überflüssig zu machen. Eben diese Voraussetzungslosigkeit verbreitet über das ganze Buch eine heitere Freiheit, wie sie nur der schöpferische Genius erreichen und mitteilen kann, der hoch über dem drückenden Nebel der Schulästhetik und -Philosophie von dem erreichten Ziele aus auf die Voraussetzungen zurückblickt, an deren gebrechlichen Leitersprossen Jene da unten vergebens emporzuklimmen sich mühen. Hat sich der Künstler in ›Kunst und Revolution‹, trotz aller Weite der Betrachtung, gleichsam in den Grenzen eines bloßen Aufrufes gehalten, so treffen wir hier, auf der Grundlage der einfachsten Begriffe, ein vollständiges dichterisches Gedankengebäude errichtet, ohne jede schwerfällige Rüstung einer pedantisch gelehrten Terminologie, aber in ebenso bedeutenden allgemeinen Umrissen, wie strenger Gliederung bis ins einzelne.

Diese Schrift ist durch und durch das Produkt des Genies. Ihre Gedankenentwicklung war dem Künstler selbst vor und während ihrer Abfassung wie eine Offenbarung seines eigenen Wesens und des Wesens der Kunst überhaupt aufgegangen. Er verschwieg sich das Paradoxe mancher darin aufgestellten Behauptungen nicht. Aber es ist bezeichnend, daß er sogleich nach ihrer Beendigung nichts mehr daran ändern mochte und konnte. ›Man muß so etwas, wie es nun einmal heraus ist, gelten lassen: Vorzüge und Schwächen verhalten sich meist ganz richtig zueinander‹, schrieb er gleich bei Absendung des Manuskripts an Uhlig (November 1849). Wer sich in müßiger Klauberei an allerlei Adiaphora und gleichgültige Einzelheiten hält, wie an die darin vorherrschende einseitige Auffassung des Christentums im Gegensatz zum Hellenentum, wird nie den vollen Eindruck davon gewinnen, nie die entscheidende Wohltat genießen, in ihr lebendiges Innere einzudringen. Niemand hat sie in ihren Äußerlichkeiten unnachsichtiger beurteilt (denn das Geschwätz einer impotenten journalistischen und ästhetischen ›Kritik‹ kommt hier nicht in Betracht) als Wagner selbst bei ihrer erneuten Ausgabe im dritten Bande der ›Gesammelten Schriften‹, aber er fügt diesem Urteil in demselben Vorwort die Schlußäußerung hinzu: ›Unter allen Formen ihrer Darstellung habe ich jene künstlerische Idee (des »Kunstwerkes der Zukunft«) bisher als mein innigst erworbenes Eigentum mir festgehalten; sie blieb mir die einzige Ausbeute einer ungemein aufgeregten Arbeit meines ganzen Wesens.‹ Von einem Verständnis dieser Idee durch die Zeitgenossen war leider nur wenig die Rede. Man hielt sich an das Einzelne und, so unerhört nach allen Richtungen hin, unter Musikern wie Literaten, das dadurch erregte Aufsehen war, hatte doch der Verfasser wesentliche Punkte gegen die Mißverständnisse seiner besten Freunde zu verteidigen. Ihre Widmung an Feuerbach war der Ausdruck einer lebhaften Dankbarkeit für eine empfangene Anregung; in keiner Weise verband sich damit etwa die spekulative [411] Vorstellung, in dem damals besonders beachteten Schriftsteller einen geistigen Bundesgenossen und literarischen Vorkämpfer für seine Ideen zu gewinnen. Auch trat ein solcher Erfolg nicht ein Zwar erklärte ihm Feuerbach brieflich, nicht zu begreifen, wie man über dieses Buch geteilter Meinung sein könne: ›er seinesteils habe es mit immer wachsendem Interesse, ja mit Entzücken gelesen, und seine Empfindung mit Bezug auf die Widmung könne nur die des freudigsten Dankes sein‹. Dabei hatte es aber auch sein Bewenden Wohl hätte eine verständnisvollere Aufnahme seiner Gedanken von unermeßlicher Bedeutung für die gesamten deutschen Bildungsverhältnisse in Kunst und Literatur werden können; mit einem halben Dutzend führender Geister ersten Ranges an seiner Seite wäre ein geistiger Umschwung herbeizuführen gewesen, der einer völligen Erneuerung des erschlafften deutschen Kunstgeistes gleichkam. Das war nun anders. Hatte doch anfänglich selbst der so tiefbegeisterte als wohlwollende Weimarer Freund, – hatte doch selbst Liszt bei der ersten Ankündigung seiner Schrift über ›Kunst und Revolution‹ ihn vor ›politischen Gemeinplätzen und sozialistischem Gallimathias‹ gewarnt!28 Und kaum trauen wir unseren Augen, wenn wir in Bülows Briefen lesen, wie noch ein Jahr später, inmitten alles hellen Entzückens über ›Lohengrin‹, die Fürstin Caroline bei Erwähnung der in Wagners Schriften ausgesprochenen Ideen lebhaft erwidert habe : ›Ah, monsieur, ne me parlez pas de ces grosses bêtises!29 oder wie ein Adolf Stahr, der in einer Weimarer Probe des ›Tannhäuser‹ von dem Eindrucke so hingerissen wurde, daß er weinte und schluchzte wie ein Kind, dennoch das ›Kunstwerk der Zukunft‹ – ›nicht goutierte‹!30 Und die sonderbar gemischte literarisch-musikalische Partei, welche bald darauf in der Neuen Zeitschrift für Musik unter Brendels Leitung tatsächlich das ›Kunstwerk der Zukunft‹ auf ihre Fahne schrieb, hat dem Meister durch ein theoretisierendes Hin- und Herzerren seiner Gedanken und die kurzsichtige, einseitig buchstäbliche Auffassung seiner Lehre über das ›Gesamtkunstwerk‹ und die ›Sonderkünste‹ reichlich ebensoviel Verdruß als Befriedigung bereitet!

Der Schritt, den er mit dieser Schrift über die trostlose Realität der bestehenden Kunstzustände getan, war augenscheinlich zu groß für andere, um ihn in dem idealen Sinne ihres Autors nachzutun. Dennoch war er für den Künstler zu seiner moralischen Selbsterhaltung notwendig, und jeder Versuch, ihn aus dieser freieren Sphäre in den Sumpf und Moder der herrschenden Opernkunst zurückzudrängen, ein Verbrechen an seiner schöpferischen Natur. Wie eine schwere Last hatte er das ihm aufgedrungene Pariser Opernprojekt von seinem letzten dortigen Aufenthalt mit sich nach Zürich [412] geschleppt Alle ihm im voraus bewußten Enttäuschungen dieser fruchtlosen Unternehmung machten sich als grenzenloser Widerwille dagegen fühlbar. Von den mehrfachen ihm vorschwebenden dramatischen Stoffen, unter denen sich damals auch ein ›Achilleus‹ befand,31 eignete sich durchaus keiner zu einer französischen Ausführung. Vorübergehend hatte er sogar daran gedacht, seinen ›Jesus von Nazareth‹ dazu zu bestimmen. Sollte sein französischer Associé das Entsetzen überwinden, das diese Dichtung ihm notwendig bereiten würde, sollte er Mut dazu fassen, mit ihm alle die tausend Kämpfe zu bestehen, die der Vorsatz, einen solchen Stoff auf das Theater zu bringen, notwendig herbeiführen mußte, – so wollte er es für ein Schicksal halten und auf die Sache losgehen. Der aus seiner nächsten häuslichen Umgebung auf ihn ausgeübte Zwang erschwerte es ihm doppelt, das bereits in die Öffentlichkeit gedrungene Gerücht, er schreibe für Paris eine Oper, durch die Tat zu widerlegen ›Schon schämt sich meine Frau unseres Aufenthaltes in Zürich, und meint, man müsse allen Leuten glauben machen, wir seien in Paris.‹32 Dazu verhielt sich Weimar gerade während dieses Herbstes auffallend schweigsam und zurückhaltend: der großherzige Freund, der in der vorläufigen Unterstützung und Erhaltung des auf seine Hilfe Angewiesenen, wäre sie ihm vergönnt gewesen, seine innigste Genugtuung gefunden haben würde, war von eigenen schweren Sorgen gepeinigt. Seiner beabsichtigten Vermählung mit der Fürstin Wittgenstein stemmten sich unüberwindliche Hindernisse durch ihre russischen Verwandten und den ihr abgeneigten Kaiser Nikolaus entgegen; ihre Verlobung mit Liszt hatte sie durch Sequestrierung und drohenden gänzlichen Vermögensverlust aus einer der begütertsten Frauen zu einer nahezu mittellosen gemacht; trotzdem sollte die von den Verhältnissen ihr auferlegte finanzielle Einschränkung ihrem fürstlichen Haushalt auf der Altenburg nichts von seinem Charakter nehmen.33 So imaginär das ganze Pariser Projekt in Wagners Augen sich darstellte, fiel es doch seinem Zartgefühl unter so bewandten Umständen doppelt schwer, solange Liszt daran festhielt, es ganz von sich abzuweisen. Er beschloß dem Freunde das Opfer seiner Überzeugung zu bringen, und sein Brief an Liszt vom 5. Dezember zeigt ihn nach Möglichkeit willig, seine Abneigung zugunsten einer einflußreichen künstlerischen Unternehmung zu besiegen. Selbst einen Stoff dazu vermeinte er gefunden zu haben, den er behufs weiterer Ausarbeitung für die Große Oper seinem französischen Textdichter, Gustave Vaëz, zuzuweisen gedachte. Es war dies ›Wieland der Schmied‹, ein Stück innerer Lebensgeschichte des Künstlers.34 Mit einem begeisterten Hinweis auf den [413] Wieland-Mythos hatte er soeben sein ›Kunstwerk der Zukunft‹ beschlossen. Der Gedanke, mit einer großartigen dichterischen Belebung dieses Stoffes zugleich einen umgestaltenden Einfluß auf das gesamte Institut der Pariser Großen Oper zu gewinnen, ließ ihm das verzweifelte Pariser Unternehmen, gegen das seine ganze Natur sich auflehnte, in einem anziehenderen Lichte erscheinen. So teilt er sich Ende Dezember brieflich gegen Uhlig mit. ›Zuerst greise ich (mit diesem Entwurf) die fünfaktige Opernform an; dann das Statut, nach welchem in jeder Oper ein besonderes Ballett sein muß. Gelingt es mir, Gustave Vaëz zu begeistern, ihm das Verständnis meiner Absicht und den Willen, sie mit mir durchzuführen, beizubringen, so ist's gut, – wenn nicht, so suche ich so lange, bis ich den richtigen Dichter finde. Jede Schwierigkeit, die dem Unternehmen entgegensteht, wird mir und dem mir Verbündeten Stoff zu Angriffen in der Presse werden, und gelte es den ganzen Mist unbarmherzig aufzuwühlen und frisches Wasser durchlaufen zu lassen. Dabei bin ich dann in meinem rechten Zeuge, denn meine Sache ist: Revolution zu machen, wohin ich komme. Unterliege ich, nun, so ist diese Niederlage mir ehrenvoller als ein Triumph auf dem entgegengesetzten Wege: selbst ohne persönlichen Sieg nütze ich aber jedenfalls der Sache.‹

Neben den mancherlei belebenden Anregungen des Umganges mit seinen neuen Schweizer Freunden hatte den einsam Schaffenden in diesen Herbst- und Wintermonaten eigentümlicherweise der Beginn eines regeren brieflichen Verkehrs mit dem kleinen Kreise seiner in Dresden zurückgelassenen Freunde und Verehrer gestärkt und erhoben. Es gehörte schon etwas dazu, in dem damaligen Dresden, inmitten alles wütenden reaktionären Verleumdungsklatsches35 dem ›Revolutionär‹ die Treue zu wahren, – darin bewies sich Echtheit der Gesinnung. Obenan stand in dieser Gruppe sein junger Freund Theodor Uhlig, sodann der ehrwürdig alte Vater Heine, der redliche Chordirektor Fischer, der die einst ihm angetragene und von dem bescheidenen Manne abgelehnte Bruderschaft nun aus der Ferne von sich aus dem Verbannten entgegenbrachte und ihm dadurch eine wahrhafte Freude und Überraschung bereitete. Charakteristisch ist es für diese treuen Anhänger in der Heimat, daß ihre gemeinsame Verehrung und Ergebenheit für sie zu einem festen freundschaftlichen Bande ward, das sie untereinander eng verknüpfte. Zu [414] diesem tief überzeugten Freundeskreise gehört nun aber auch in ganz hervorragender Weise eine edle Frau, deren persönliche Beziehungen zu dem Künstler gerade während der Zeit seines Verweilens in Dresden so vereinzelt, ja für den Meister selbst kaum bemerkbar hervortretend gewesen waren, daß wir sie aus diesem Grunde auch eben jetzt erst in den Bereich unserer Darstellung ziehen. Wir meinen damit die Mutter der beiden wiederholt bereits genannten Studiengenossen des jungen Hans von Bülow, Karl und Alexander Ritter. Frau Julie Ritter, eine keineswegs vermögende, aber in unabhängigen Verhältnissen lebende Witwe aus Narwa in den russischen Ostseeprovinzen, hatte sich zur Erziehung ihrer Söhne seit dem Beginn der vierziger Jahre in Dresden niedergelassen, wo sie mit ihrer Familie sehr zurückgezogen lebte. Den Ernst ihrer Verehrung, ihren festen Glauben an seine Bedeutung und Zukunft bewies sie auf jene besondere Art und Weise, wie sie dem Künstler im Verlaufe seiner dornenvollen Bahn auch von seiten seiner begeistertsten und schwärmerischesten ›Verehrer‹ so äußerst selten sich dokumentierte. durch freudig und überzeugungsvoll dargebrachte Opfer aus den Mitteln ihres eigenen, um jene Zeit keineswegs namhaften Vermögens Diese Opfer hat sie in der Folge dem Schaffenden, ohne daß irgendeine Öffentlichkeit davon ahnte, in jener so einfach natürlichen, ungezwungenen Weise gebracht, daß Geber und Empfänger sich dieses segensreichen Verhältnisses gleich unbefangen erfreuen durften. Sie gingen eben aus dem richtigen Verständnis seiner Situation hervor. ›Ach Kinder! gäbet Ihr mir wie einem mittelmäßigen Handwerker zu leben, Ihr solltet wahrlich Freude an meinem Schaffen haben‹, ruft Wagner dem Weimarischen Freunde zu. ›Grundarm und mittellos für das nackte Leben, ohne Gut und Erbe, wäre ich daher einzig nur auf den Erwerb angewiesen; ich habe aber nichts erlernt als meine Kunst, und diese kann ich heutzutage ganz unmöglich zum Erwerb verwenden. Die Öffentlichkeit kann ich nicht suchen, meine einzige künstlerische Erlösung könnte einst nur dadurch vollbracht werden, daß die Öffentlichkeit mich suchte. Die Öffentlichkeit, für die ich allein schaffen kann, ist nur eine kleine Gemeinde Einzelner; an diese Einzelnen muß ich mich somit wenden und ihnen die Frage vorlegen, ob sie mich und meine beste künstlerische Tätigkeit genug lieben, um nach Kräften es mir möglich zu machen, ich zu sein und meine Tätigkeit ungestört zu entfalten.‹ Der wahren Liebe war überhaupt eine solche Frage gar nicht erst vorzulegen, da sie bereits aus eigenem Antriebe das Rechte ergriff und tat. Charakteristisch für die Gesinnung dieser seltenen Frau sind die äußeren Umstände und Voraussetzungen ihrer dem Meister erwiesenen Wohltat. Wie schon bemerkt, beruhte sie keineswegs auf einem vorausgegangenen intimen Freundschaftsverkehr. In Dresden hatte er einem ihrer Söhne gelegentlich (S. 234) eine freundliche Teilnahme bezeigt, ihr selbst war er kaum einmal, bei jenem flüchtigen ersten und einzigen Besuch in ihrer [415] dortigen Häuslichkeit (S. 336) persönlich begegnet, der noch dazu in die erregte, so ungemein zerstreuungsreiche und anforderungsvolle Periode seines letzten Dresdener Halbjahres fiel Durch seine Dresdener Freunde über seine derzeitige hilflose Lage unterrichtet, zögerte sie dennoch keinen Augenblick, ihm sogleich eine vorübergehende materielle Aushilfe anzubieten. Noch mehr: da sie befürchten mußte, daß diese materielle Aushilfe ihrerseits zu dem von ihrer mütterlichen Sorge ins Auge gefaßten Zweck noch nicht hinreichend sein dürfte, war sie zu gemeinsamer Betätigung mit einer sehr wohlsituierten jüngeren Freundin in Bordeaux in ein briefliches Einvernehmen getreten. Wir haben diese jüngere Freundin der Ritterschen Familie, zugleich eine frühe Jugendfreundin Hans von Bülows, bereits unter dem Namen Jessie Taylor (S. 234) kennen gelernt; um diese Zeit war sie, selbst vermögend, durch ihre Verheiratung mit einem französischen, aber ebenfalls deutsch sprechenden, in Dresden erzogenen Handelsherrn Laussot in noch günstigere Verhältnisse getreten. Da auch sie, während ihres Dresdener Aufenthaltes, eine lebhafte Begeisterung für das Schaffen des Künstlers gefaßt hatte, war sie gern zu jedem angemessenen Opfer bereit, um ihn von ferneren Sorgen für seine nackte Existenz zu befreien. ›Die Nachricht von Frau Laussot‹, teilt er sich (27. Dezember 1849) an den brüderlichen Freund Uhlig mit ›hat mich ungemein gerührt und ergriffen, und zwar in mehr als einer Hinsicht! Mit Frauenherzen ist es meiner Kunst immer noch ganz gut gegangen, und das kommt doch wahrscheinlich daher, daß bei aller herrschenden Gemeinheit es den Frauen doch noch immer am schwierigsten fällt, ihre Seelen so gründlich verledern zu lassen, als dies unserer staatsbürgerlichen Männerwelt so zu voller Genüge gelungen ist. Die Frauen sind eben die Musik des Lebens: sie nehmen alles offener und unbedingter in sich auf, um es durch ihr Mitgefühl zu verschönen. Sogleich habe ich, so gut ich konnte, zurückgeschrieben und die Gefühle geschildert, die mir diese Zeichen der Liebe und Teilnahme von seiten solcher, die ich fast gar nicht kannte, hervorriefen Wenn solche Erfahrungen jeden Menschen gut, edel und heiter stimmen, so wirken sie auf mich gerade jetzt wirklich beseligend: noch nie habe ich das Bewußtsein der Freiheit so wohltätig empfunden als jetzt, und die Bestätigung dafür gewonnen, daß nur ein liebevoller Zusammenhang mit anderen frei macht Sollte ich durch diese Hilfe vollends in den Stand gesetzt werden, einige Jahre ohne Erwerbsnot gesichert vor mir zu sehen, so sind diese Jahre die entscheidendsten meines Lebens und namentlich meiner künstlerischen Laufbahn‹.36

Wäre nur die Möglichkeit, sich eines solchen Liebesopfers in der einzig angemessenen, vernünftigen Weise zur Stärkung seiner Züricher Existenz und einer, seinem inneren Bedürfnis angemessenen Betätigung zu bedienen, ihm [416] wirklich vergönnt gewesen! Selbst zu gelegentlichen Mitwirkungen in Züricher Konzerten hätte er sich gern bereit gefunden, um seiner dortigen Existenz eine kleine Auffrischung zu verschaffen. So trat er am 15. Januar 1850, anläßlich des 4. Abonnementkonzertes der Züricher Musikgesellschaft nach einer Reihe ernstlicher Proben zum ersten mal ans Dirigentenpult im Kasinosaal zur Aufführung der Beethovenschen A dur-Symphonie.37 Leider war der tolle, mißverständnisvolle Gedanke einer abenteuerlichen Pariser Ruhmesunternehmung in den Köpfen sämtlicher Freunde zu einem wahren Gespenst von ungeheuerlichen Dimensionen herangewachsen! Da war von ihnen allen auch nicht Einer, der ihm die so wohltätige ›Freiheit‹ in Wahrheit gegönnt, d.h. einen bloßen Begriff davon gehabt hätte, was darunter zu verstehen sei! Einen Begriff, der nicht auf allen erdenklichen Vorurteilen moderner Kunst und modernen Theaterwesens beruht hätte! Während ihn Liszt mit den feurigsten Zurufen für alle zu überstehenden Nöte und Leiden schon im voraus mit dem Morgen nach seiner ersten Pariser Aufführung tröstete,38 ward er andererseits in seiner nächsten Umgebung durch seine Frau unablässig dazu angestachelt, und von Dresden ließ es der gute alte Freund Heine an nichts fehlen, um ihm in brieflichen Ermahnungen seine Vergangenheit und Zukunft so schwarz als möglich auszumalen;39 so, daß er endlich – von allen Seiten gedrängt – in halber Verzweiflung den bereits fest beschlossenen Verzicht wieder umstieß. Der innere Zwang, den ihm diese Wiederaufnahme seiner Pariser Pläne kostete, der widerliche Kampf gegen seine Überzeugung, die Unmöglichkeit, seiner nächsten Umgebung sich verständlich zu machen, bei ihr Trost, Rat und Hilfe zu finden: dies alles erzeugte in ihm Seelenzustände, die sein körperliches Übelbefinden durch hinzutretende Gemütskrankheit nur bedenklich verschlimmern konnten. Noch kämpfte er mit sich, ob er in dieser leiblichen und seelischen Verfassung seine Reise wirklich antreten sollte. Schwach und hinfällig, wie er war, trat er am Sonnabend, dem 26. Januar, vor seine Frau mit der Frage: ›Minna, soll ich nicht wenigstens noch einen Brief von Belloni abwarten?‹ Diese aber war des langen Zögerns überdrüssig; nur von Paris war ja immer bei ihr die Rede gewesen; auch hatte sie es sich für jetzt zurechtgelegt, die Stube scheuern und das Logis reinigen zu lassen. Kurz, sie verstand ihren Mann auch diesmal nicht und erwiderte ärgerlich auf seine Frage. Bei Wind und Wetter, matt und krank, machte er sich auf, seinen Platz im Postwagen zu besorgen; denn er wußte, welche Existenz er in seinem eigenen Hause haben würde, wenn er bleiben wollte!40 Unter diesen Umständen mußte ihm die erzwungene Reise am Ende noch wie ein gewissermaßen verzweifeltes [417] Mittel erscheinen, durch einen Ortswechsel sich zu erfrischen und seine außerordentlich abgespannten Nerven zu stärken. ›Mein Opernplan für Paris‹, schreibt er am 28. an Uhlig ›ist gerade noch fertig geworden, nur muß ich ihn erst noch übersetzen. Wie mir bei alledem zumute ist! Ungeheuer albern, – denn ich suche mich in einem fort zugunsten meiner Freunde zu – belügen!‹ – So trat er in der Frühe des andern Tages, am Dienstag, den 29. Januar 1850, in voller Zerrissenheit und Nervenabspannung die unselig ziel- und zwecklose Fahrt an, deren Mißerfolg er mit zweifelloser Bestimmtheit voraussah; Sulzer und ›Boom‹ gaben ihm auf den Bahnhof das Geleit.41

Sein schweizerischer Paß leistete ihm an der Grenze die besten Dienste, er konnte ohne den geringsten Aufenthalt weiter reisen. Dagegen hatte der, den Irrtümern seiner Freunde zulieb aus äußeren Rücksichten seiner wahren Natur auferlegte sinnlose Zwang die übelsten Wirkungen auf seine Gesundheit. Von seinem ersten Eintritt in Paris an befiel ihn ein heftiges, all seine Nerven lähmendes Übelbefinden. Dazu ließ ihn für die Verwirklichung jener hochfliegenden Pläne im Augenblick der Entscheidung alles, aber auch alles, im Stich. Sein erster Gang war zu Liszts Sekretär und Geschäftsbesorger Belloni, als bewährtemchargé d'affaires in seinen Pariser Angelegenheiten. Dieser hatte bereits im November die Partituren der ›Rienzi‹- und der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre von ihm verlangt, um beide in einer neubegründeten Konzertgesellschaft, der Union musicale, im Laufe des Winters zur Aufführung zu bringen. Leider fand es sich nun, daß dieser liebenswürdige Vermittler durch ein sonderbares Mißverständnis gerade um die Zeit von Wagners Ankunft in Paris – soeben nach Wetmar abgereist war. Man vergegenwärtige sich die Wirkungen dieser Abwesenheit, die sich von Tag zu Tag und von Woche zu Woche schließlich auf anderthalb Monate ausdehnte, d.h. so ziemlich die ganze Zeit, welche er überhaupt für Paris bestimmt hatte. Bellonis Mutter hatte ihm auf seine briefliche Anmeldung hin im Faubourg Montmartre eine Wohnung besorgt, finster und unfreundlich, und mit viel Straßenlärm; doch versuchte er sich darin einzurichten. Von allen Beschwerden und Enttäuschungen seines ersten Pariser Tages erregt und ›müde wie ein Hund‹, legte er sich am Schluß desselben zu Bett – da begann dicht über ihm eine Sängerin eine Arie aus den Puritanern einzuüben und setzte ihre Studien beharrlich bis Mitternacht fort. Das gab den Ausschlag, anderen Morgens ging es an das Wohnungsuchen. In den sogenannten ›stillen‹ Qartiers herumgehetzt bis zum Umsinken, fand er doch erst am dritten Tage nach seiner Ankunft im vierten Stock einer sog. Cité (großer Hof) ein Logis, welches [418] wenigstens das Gute hatte, daß kein Klavier und keine Sängerin in der Nähe war.42 Als er sich aber die erste Nacht in das Bett legte, kam eine neue Überraschung Nach 11 Uhr hörte er auf einmal dicht neben sich so laut die Zeitungen lesen, als ob es in seinem Zimmer wäre: das dauerte bis 1 Uhr, und mit seinem ersehnten Schlafe war es vorbei Nachdem er sich morgens darüber beklagt, begann in der andern Nacht der Nachbar, der ganz für sich allein las, anfangs leise zu murmeln, als wollte er gleichsam sich selbst beherrschen; dann ging es aber immer crescendo und endlich wieder wie die Nacht vorher. So ging es auch die dritte Nacht, da riß dem Meister die Geduld Wütend rief er dem Nachbar zu: ob er verrückt wäre mit seiner lächerlichen Gewohnheit? morgen werde er seinetwegen ausziehen! Das half denn und in der vierten Nacht konnte er zum erstenmal ruhig schlafen.43 Dies die ersten störenden Abenteuer in der rue de Provence No. 59, in der er es über einen vollen Monat aushielt, immer auf die Rückkehr Bellonis wartend, und immer vergebens! ›Wie sehr recht hatte ich‹, schreibt er daher am 13. Februar an seine Frau ›als ich erst noch einen Brief Bellonis abwarten wollte! Deine Ungeduld war es, die mich forttrieb; entsinne Dich des letzten Sonnabends!‹44 Nach zehntägigem fruchtlosen Aufenthalt erfuhr er dann durch den Leiter der Union musicale, Herrn Seghers, daß er die Ouvertüre wohl sehr gern aufführen wolle, aber das Ausschreiben der Orchesterstimmen habe ihm bei den beschränkten Mitteln der Gesellschaft zu teuer geschienen. In einem Briefe vom 9. Februar,45 unmittelbar nach Empfang dieser Aufklärung, erbittet er sich daher von Liszt die Zusendung der ›gestochenen Orchesterstimmen‹ der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre. ›Nach endlosem Warten erhalte ich endlich diese Stimmen, und zahle mit Genuß fünfzehn Francs Spesen dafür. da entdeckt sich, daß die Stimmen noch viel zu zeitig ankamen; denn – alles hat die Union musicale, nur noch keine Zeit meine Ouvertüre zu probieren‹, – so lautet der Schlußbericht über diese Ouvertüren-Angelegenheit, in einem Briefe an Uhlig vom 13. März. Das war der erste Schritt der Pariser Ruhmes-Unternehmung, um kein Haarbreit verschieden von den Erfahrungen, die er vor zehn Jahren an demselben Orte und unter den entsprechenden Verhältnissen gemacht hatte!

[419] Inzwischen Schmerzen, schlaflose Nächte, vergebliches Warten auf Zuflüsse an materiellen Subsistenzmitteln, z.B. das für das ›Kunstwerk der Zukunft‹ ihm zugesagte Honorar seines Leipziger Verlegers! Endlich traf letzteres ein, leider aber um die Hälfte geschmälert, nämlich in der Höhe von zehn statt zwanzig Louisdor, – also 200 Francs weniger, als worauf er für seine mannigfachen Pariser Ausgaben gerechnet hatte!46 Seinen noch unvollendeten ›Wieland‹-Entwurf für eine Ausführung in der ihm verhaßten ›Schnettereteng-Sprache‹ herrichten zu sollen, widerstand ihm im Innersten Mußte nicht dieser Entwurf mit vollem Recht einem Jeden lächerlich vorkommen, der an die französische Sprache und an die Pariser Oper dachte? ›Mit grenzenloser Mühe zwang ich mich zu meinem Wieland; immer klang es mir wie : comment vous portez-vous? Die Tinte floß nicht, die Feder kritzelte, draußen war schlechtes graues Wetter.‹ Bereits in die ersten Tage dieses unfreiwilligen Pariser Aufenthaltes fiel der eigentümlich grauenhafte Eindruck des nun wirklich gefällten Todesurteils über Heubner, Röckel und Bakunin. ›Ich beabsichtige an meine drei Freunde auf dem Königstein zu schreiben, indem ich den Brief dem Kommandanten der Festung zur Einsicht zusende‹, meldet er Uhlig. ›Es liegt mir am Herzen, ihnen einen energischen Brudergruß zuzusenden.‹ Aber auch ihm selbst schien die französische Hauptstadt mit Mißtrauen zu begegnen. Eines Morgens fand sich auf seinem Zimmer ein Agent des französischen Ministeriums ein. ›Eine volle Stunde hat der Mann meine Aussagen über meinen Zweck in Paris protokolliert, und nachdem er die volle Überzeugung gewonnen, daß ich in Paris nichts wie die allerunschuldigste Musik – ganz nach Gebrauch und Herkommen, mit pas de deux u. dgl. – zu machen gedachte, gab er mir seinen Segen, ermunterte mich, der Kunst mit treuem Eifer zu dienen, und – da er einmal in väterlicher Stimmung war – ließ er auch einige patriarchalische Warnungen mit einfließen, die mit dem Packen meines Koffers in naher Berührung standen. Ich habe später erfahren, daß dieser wohlmeinende Mann – ein enthusiastischer Verehrer Meyer beers sei.‹ Wie sollte ein Werk wie ›Wieland der Schmied‹ bei demselben Publikum der Pariser Oper Anklang finden, das um diese Zeit bei den szenischen und musikalischen Herrlichkeiten des ›Propheten‹ sich vor Entzücken nicht zu lassen wußte? Die weiten Räume der Großen Oper konnten noch bei der fünfzigsten Wiederholung (und darüber hinaus) die Menge der Hör- und Schaulustigen nicht fassen, die sich zu der damals neuen Oper des großen Maestro drängten! Der 47. Aufführung des ›Propheten‹ hat Wagner unter großer Selbstüberwindung, aber nicht bis zum Ende, beigewohnt. Zu der niederdrückendsten Nervenabspannung gesellte sich ein furchtbarer Ekel vor dieser Art von ›Bankier-Musik‹, von [420] der – wie er fand – jeder ›Anständige in Paris selbst sich abwandte‹! Die Verblendung seiner Freunde, ihn in eine ähnliche Bahn drängen zu wollen, versetzte ihn in einen Zustand tiefsten Mißmutes: ihm war, als hätte sich alles, was ihm nahe stand, verschworen, ihn aufs Äußerste zu treiben.

Einen Verkehr von irgendwelcher geistigen Bedeutung fand er – außer Semper – in dem damaligen Paris ebenfalls nicht. ›Ach! Diese Menschen, und diesen Verkehr hier zu sehen, ist etwas Greuliches! Herzlosigkeit und der frechste Egoismus, ohne alle Scham und Bemäntelung, begegnen einem, wohin man nur tritt. Gestern war ich bei der Garcia,47 – aus der mache ich mir nun auch nicht viel!‹48 Berlioz, als ›Meyerbeers Leibeigener‹, war ihm vollends zuwider. In der deutschen Buchhandlung von Albert Franck, dem Bruder seines Dresdener ›Lohengrin‹-Freundes Hermann Franck und Nachfolger seines Schwagers Avenarius, sprach er gern täglich etwas vor: ›Franck benimmt sich sehr hübsch und freundschaftlich gegen mich.‹49 Leider bekam er dabei regelmäßig einen ehemaligen Bekannten, Herrn Vieweg,50 zu sehen, der nichts besseres wußte, als ihm ganz naiv vorzuhalten, daß er ihm aus seiner früheren Pariser Notzeit gerade noch 30 Francs schuldig sei und ›so lange hin und her nörgelte, daß ich im Verdruß das Geld ihm gab‹, – da es ihm wegen der wiederholten Begegnungen höchst peinlich war, ihn nicht auf eine noble Weise abfertigen zu können. Von den ersten Tagen an war er viel mit seinen alten Freunden Kietz und Anders zusammen, und machte daher aus der rue de Provence wiederholt seine Promenade über die Seine, um bei Truffaut, wo Anders seit 20 Jahren seine Mahlzeit einnahm, Mittag zu machen. ›Ich tue es schon, so oft mir's möglich, der Wohlfeilheit wegen; denn in meinem Quartier komme ich unter 2 Fr. für das Diner nicht weg.‹51 Diese guten alten Freunde waren ihm mehr durch ihre treue Anhänglichkeit wert geblieben, als durch eine erhebliche geistige Anregung, die sie ihm hätten gewähren können; doch war das Zusammensein mit ihnen, inmitten aller sonstigen Mattigkeit und trüben Laune, wenigstens stets ein heiteres, und schon darin allein lag für ihn eine Wohltat. ›Anders und Kietz, mit denen ich oft zusammen esse, lassen Dich herzlich grüßen: namentlich hat Dich Anders sehr in sein Herz gefaßt; er stößt jedesmal mit dem Glase Wein auf Dich an und erzählt mir von einem Gedichte, das er auf Dich gemacht habe:


»O, herzgeliebte Minna! – Du, die stets meinem Sinn nah'!«


Ich unterschreibe es, und wünsche Dir bestes Wohlsein!‹ Gelegentlich dieser Zusammenkünfte entstand von Kietzens geschickter Hand ein anziehendes Portrait [421] Wagners in Buntstift.52 Charakteristisch bleibt es aber doch für diesen vortrefflichen, jederzeit dienstbereiten und ergebenen alten Freund, daß er, der des Meisters Züge so ansprechend wiederzugeben wußte, von dessen künstlerischer Bedeutung nie einen Schimmer von Verständnis gewinnen konnte. Gar manche, durch seine nächsten Angehörigen in der Erinnerung bewahrte naive Äußerung beweist dies. Statt vieler anderen nur ein kleiner vielsagender Zug: das ihm damals mit einer eigenhändigen Widmung geschenkte Exemplar der Schrift. ›Das Kunstwerk der Zukunft‹, wie auch andere noch von Zürich aus ihm zugesandte Schriften und Broschüren des Meisters, wurde nach seinem (vierzig Jahre später erfolgten) Tode unaufgeschnitten, also ungelesen in seinem Nachlaß angetroffen! Freunden dieser Art gegenüber hat Wagner von je die größte Nachsicht und Geduld bewiesen. Da er sie nicht in ihrem Grundwesen ändern konnte, nahm er sie, wie sie waren, und nötigte sie nur ganz unwillkürlich durch seine geistige Überlegenheit, ihn wenigstens im persönlichen Verkehr nicht allzusehr mit den Unzulänglichkeiten ihres Begriffsvermögens zu belästigen. Konnten sie ihn zur Not, als treuherzig teilnehmende Menschen, über die Empfindung der Einsamkeit inmitten des geräuschvoll bunten Gewimmels der Weltstadt für kurze Stunden hinwegtäuschen, – das zwiefach erdrückende Gefühl nahmen sie nicht von ihm, mit diesem ganzen, gleich in seinen ersten Anfängen so qualvoll sich hinausziehenden Pariser Unternehmen auf seine künstlerische Selbstentehrung angewiesen zu sein, und für dieses Bewußtsein – keine lebende Seele zum Mitwisser zu haben!

Von seiner projektierten Pariser Schriftstellerei, etwa einer Übersetzung des ›Kunstwerks der Zukunft‹, und sonstigen ›Kunstwühlereien‹ hatte er gleich beim ersten Wiederbetreten des französischen Bodens Abstand genommen. Die umständlichen Nachforschungen jenes Meyerbeer-freundlichen Polizeiagenten über Zweck und Dauer seines Verweilens waren nur allzu geeignet gewesen, ihm jeden ähnlichen Wunsch zu verleiden. ›Paris und der Franzose werden selbst wissen, was sie zu tun haben: das hat ihnen keiner in übersetztem Kauderwelsch erst zu sagen.‹ Dagegen entstand in der letzten Februarwoche der Artikel: ›Kunst und Klima‹, für die in Stuttgart erscheinende, von Adolf Kolatschek in Zürich herausgegebene ›Deutsche Monatsschrift‹. Inzwischen aber hatte die zwangvolle Affektion seines Gemütes ihre physisch irritierende Wirkung zu so bedrohlicher Höhe gesteigert, daß sie ihn zu dem Entschlusse drängte, der Situation ein Ende zu machen. ›Immer mehr überzeuge ich mich, daß mein übel nur eine große Überreizung, und demzufolge Abspannung meiner Nerven ist: sobald ich mich stark aufgeregt habe, treten [422] auch die scheinbar rheumatischen Schmerzen (S. 408) sogleich ein, – wenn ich dagegen recht ausgeruht bin, hören diese auch alsbald wieder auf.‹ So schreibt er darüber an seine Frau. ›Ich komme mir hier wie in einer langen, langen Nacht vor, in der ich nicht schlafen kann, halbwach träume, mich bald auf diese, bald auf jene Seite wende, um nur endlich – ruhen zu können, d.h. nichts mehr zu wissen – wenigstens nichts von Paris! O, ihr törigen Freunde, die ihr nur Spekulation und großen Sums mit mir im Kopfe habt, wie wenig kennt ihr mich, und das, was mir nötig ist, um mich glücklich zu fühlen. Befreiung aus dieser Hölle ist alles, was ich wünsche.‹ ›Ich will Dir nicht sentimental erscheinen, aber das sage ich Dir: wenn ich meine Sachen einpacke, um zu Dir, meinen Freunden und unsren lieben Viechern im traulichen Zürich wieder zurückzukehren, – wäre ich noch so krank, da würde ich ganz von selbst wieder gesund.‹53 Es war betrübend genug, daß auf eine solche Mitteilung auch nicht der geringste Zuspruch ihrerseits erfolgte, alles fahren zu lassen und in die heimatliche Umgebung zu befriedigtem Schaffen zurückzukehren! Ein so liebloses Verhalten hätte ihm die aus eigener freier Wahl erkorene neue Heimat geradezu wieder verleiden können. Als er zuerst als Flüchtling in Zürich eintraf, war er allein und ohne Häuslichkeit; seine rückhaltlosen Äußerungen gegen Liszt, wie gegen Minna selbst, bezeugen in ergreifender Weise, wie sehr es ihn nach dieser Häuslichkeit und nach seiner Frau verlangte. Mit ihrer Ankunft war alles wie umgewandelt, aber nicht zum Bessern. Sie war ihm nachgefolgt, aber nur, um den alten Gegensatz wieder aufleben zu lassen, der bereits seine letzten Dresdener Jahre verbittert hatte. ›Nicht zu mir warst Du gekommen, sondern zu dem Wagner, von dem Du annahmst, er werde nun nächstens eine Oper für Paris komponieren!‹ Die Bedeutung seiner inzwischen erfolgten entscheidenden inneren Lossagung von allem modernen Kunst- und Theaterwesen blieb ihr ein ungelöstes Rätsel; sein gesamtes Verhalten während dieser letzten Dresdener Zeit, als eine bloße Begleiterscheinung der inneren Entwickelung des Genius, wurde von ihr nur nach der gleichgültigsten äußeren Seite, der rein politischen, aufgefaßt und als unerklärlicher Leichtsinn beurteilt; ohne Verständnis für den tieferen Grund des in ihm lebenden gebieterischen Unabhängigkeits-Triebes, drängte sie ihn einzig in die seinem wahren Wesen entgegengesetzte Richtung Was hatte es nun geholfen, daß er mit dem ehrlichsten Willen darauf ausgegangen war, den irrigen Vorstellungen seiner Freunde zulieb gegen seine bessere Überzeugung zu handeln?

In einem ausführlichen Briefe an Liszt sprach er diesem endlich seinen motivierten Entschluß aus, unter keiner Bedingung eine Oper für Paris schreiben, sondern höchstens seinen ›Lohengrin‹ dazu opfern, einstweilen [423] aber nur noch die Rückkehr Bellonis und die Aufführung seiner ›Tannhäuser‹-Ouvertüre abwarten zu wollen. Der erste Erfolg dieses Schrittes war, daß ihm schon nach Absendung dieses Briefes eine schwere Last vom Herzen genommen war Es ward ihm wohler, und die Besserung nahm zu, als Liszts Antwort ihm dessen herzlich zustimmenden Glückwunsch zu seinem Entschlusse brachte. ›So, lieber Freund‹, schreibt er an Uhlig ›kuriert sich das Pferd in der Wildnis, indem es sich eine Ader aufbeißt; die Ader hieß bei mir: Pariser Oper; ich freue mich des Gefühles, wie dieses ungesunde Blut von mir geht‹54 Es war die höchste Zeit, daß diese Wendung eintrat; war doch sein körperliches übel und seine Stimmung bereits unerträglich geworden Was ihm zu diesem Entschlusse die Kraft gab, müssen wir im Zusammenhange betrachten. Bereits erwähnten wir des Planes der Frau Julie Ritter, was sie aus ihren eigenen Mitteln allein nicht vermochte, in Verbindung mit einer begeisterten Freundin, Frau Laussot, zu ermöglichen. Wie ihre darauf bezüglichen Bemühungen dem Ziele sich näherten, das erfahren wir aus den fortlaufenden Nachrichten in seinen Briefen an seine Frau. Bereits am 13. Februar hatte er ihr melden können, daß er durch einen Brief aus Bordeaux sehr erfreut und beruhigt worden sei: ›unsre Freundin (denn sie ist die Deinige nicht minder) rät mir offen an, in meiner Kunst und in allem, was ich tue, mir ganz treu zu bleiben, nichts zu unternehmen, wobei ich mich in Zwiespalt mit mir selber setze, und in jeder Hinsicht nur nach meiner inneren Eingebung zu handeln, da sie und ihre Freunde es für ihre vollste Pflicht hielten, mir wegen meiner äußeren Verhältnisse alle Sorge zu benehmen‹.55 (2. März:) ›Es ist unmöglich, daß ein Mensch liebenswürdiger, edler und zarter handeln kann, als unsre Freundin Laussot! Ich dächte, liebe Frau, es müßte für Dich wirklich erhebend sein, zu sehen, welchen tiefen Eindruck die Werke Deines Mannes auf gesunde, unentstellte und edle Herzen hervorzubringen vermögen, daß er imstande ist, zu solchen aufopferungsvollen Entschlüssen der innigsten Teilnahme zu bestimmen? Solltest Du vor Deiner Seele es über Dich gewinnen, einen solchen Erfolg meiner Kunst – denn nur diese hat dies hervorgebracht – gering zu achten oder gar zurückzusetzen gegen diese sogenannten glänzenden. Erfolge, wie sie heutzutage durch Spekulation und Raffinement von der albernen, schlampigen, herzlosen Masse unsres großen Theaterpublikums erlangt werden?‹ (13. März:) ›Gerade um nichts gegen meine Natur und innerste Neigung zu unternehmen, um mich vor allem gänzlich nutz- und fruchtlosen Ärger hier zu bewahren, handelt die Laussot so, wie sie an mir handelt, und – denke Dir – sie und die Frau Ritter ganz allein bieten uns die Jahreseinnahme, niemand sonst ist dadurch in Anspruch genommen, kein Kaufmann und kein Bankier! Du solltest [424] nur das Glück dieser Frau kennen, daß sie – die Deinen Brief erhalten – nun hoffen darf, auch Dich ganz beruhigt und für meinen zukünftigen künstlerischen Lebensplan gewonnen zu haben!‹56 Eine Einladung nach Bordeaux, zur völligen Wiederherstellung seiner leidenden Gesundheit, sollte zu gleich der näheren Verständigung über die Fixierung jenes aus vereinten Mitteln ihm darzubietenden Jahrgehaltes dienen, um dem Schaffenden das einzige zu gewähren, dessen er von außen her bedurfte: ein gesichertes Auskommen für die nächste Reihe von Jahren. Noch vor seiner Abreise wurde die Dichtung des ›Wieland‹ soweit beendet, wie sie uns heute vorliegt, d.h. vollständig, bis auf die Versifikation. Nun nicht mehr französisch: – ›deutsch! deutsch! – wie flog es mir da vom Zeuge‹! – ›Dieser Wieland soll Euch noch alle auf seine Flügel mitnehmen, selbst Eure Pariser Freundeshoffnungen!‹ ›Von den Alpen aus schreibe ich Euch einen deutschen Wieland fix und fertig – den wird einst das Volk verstehen: »Siegfried« und »Achilleus«, für die die Darsteller wohl noch nicht geboren sind, will ich gedruckt, – schwarz auf weiß – einem glücklicheren Nachkommen vermachen.‹57

Zum Überfluß sollte sich auch die Angelegenheit der ›Tannhäuser‹- Ouvertüre in der Union musicale ebenfalls in aller Eile noch entscheiden Uhlig hatte seiner teilnehmenden Besorgnis darüber Ausdruck verliehen, ob es ihm gelingen werde, den Pariser Traditionen zuwider, die persönliche Leitung dieser Aufführung durchzusetzen. ›Meine Ouvertüre‹, lautet die Antwort ›kann ich in Paris unmöglich selbst dirigieren, und zwar aus dem Grund, weil – sie gar nicht dort aufgeführt wird, da die Zeit zu den Proben nicht mehr ausreicht: – vielleicht »nächstes Jahr!« Diese Nachricht erhielt ich am Abende vor meiner Abreise von Paris und zwar in einer sehr schönen Gegend: ich glaube, so laut und aus Herzensgrunde habe ich in meinem Leben noch nicht gelacht, als an jenem Abend und in jener Gegend.‹

Am 14. März früh acht Uhr verließ er Paris nach monatelangem, fruchtlosem Aufenthalt, um seine Reise in das südwestliche Frankreich anzutreten. Am Sonnabend den 16. erreichte er Bordeaux, um sofort am folgenden Tage seiner Frau diejenigen ausführlichen Nachrichten über Ort und Verhältnisse zugehen zu lassen, aus denen auch wir einen Einblick in beides erhalten: ›Hier bin ich nun und warte recht von Herzen auf einen Brief von Dir, der mir zumal auch sagen soll, ob Du nicht gar etwa über diesen meinen Ausflug böse seist? Hier in Bordeaux muß ich mich nun wohl wie im Himmel befinden [425] gegen Paris! Du kannst Dir keinen Begriff von der Liebenswürdigkeit und Ergebenheit dieser Familie machen. Es ist ein unerhörtes und seltenes Glück, das mir widerfahren ist. Der junge, höchst liebenswürdige und zutrauliche Mann hatte eine ganz unbeschreibliche Freude, als er mich ankommen sah: meine Werke sind hier bis auf die letzte Note bekannt und alle wissen, um was es sich handelt, und sind stolz darauf, mir so wichtig sein zu können. Mit Einem habe ich jedoch große Not: sobald meine Wirte namentlich noch erfuhren, daß aus meiner Ouvertüre Ende März in Paris gar nicht einmal etwas würde, bestürmten sie mich natürlich, noch länger hier zu bleiben. Ich erklärte aber, daß ich Dir beim Umzuge helfen müßte, und – aufrichtig gesagt – trotz aller Freude, die ich jetzt genieße, sehne ich mich doch von ganzem Herzen nach Dir und dem Hause zurück. Glaub' mir, ich kenne nun kein Glück, als mit Dir in unsrer kleinen Häuslichkeit ruhig und zufrieden leben zu können. Zudem ist Bordeaux eine Wüste, wo es niemand von unsrem Wesen lange aushalten kann. Namentlich auch meine Freunde fühlen sich hier wie aus der Welt, und trotz dieser vortrefflichen Familie möchte ich um keinen Preis die Schweiz mit Bordeaux vertauschen: ich habe völliges Schweizer Heimweh. Mit Dir, meine liebe Minna, glücklich und ungestört in dieser herrlichen frischen Alpenwelt leben zu können, das ist für mich fast das Seligste, was ich ersehnen kann. Vielleicht besucht uns wenigstens die Frau einmal in der Schweiz, um sich zu überzeugen, daß wir zufrieden sind und es uns an nichts fehlt.‹58

Wahrhaft befreiend wirkte auf ihn gerade jetzt, nachdem er das unerhörteste Maß eines gegen sein ganzes künstlerisches Wesen gerichteten zerstörenden Zwanges in diesen nichtigen und qualvollen Pariser Monaten durchkostet, – gar nicht einmal so sehr die ihm in Aussicht gestellte Wohltat, als die darin kundgegebene Gesinnung. Die letzten Bande waren damit von ihm abgefallen, die ihn bisher durch das Drängen seiner besten Freunde an eine Welt gefesselt hatten, in der er nicht etwa bloß geistig, sondern rein physisch hätte zugrunde gehen müssen. ›O welche Freude ist es mir jetzt zu gewahren‹, ruft er aus ›wie meine gute Natur, mit allen äußeren Zusammenhängen, sich so gebieterisch gegen das Machwerk meiner Pläne auflehnte, daß ihr entscheidendster Sieg mich so schnell vor endlosen bittern Folgen, Ärger und Kummer aller Art bewahrt hat! Ihr erstes Veto sprach sie in meiner Krankheit aus: sie war zum überwiegenden Teile eine Gemütskrankheit. Wie ich frisch und tätig bin zu allen Unternehmungen, bei denen meine ganze Seele ist, – so war ich trüb und träge, als es an Paris ging.‹ Aber auch die hinderlichen Zufälle dieses Pariser Aufenthaltes, die ausgesuchten Verzögerungen der bloßen Konzert-Aufführung einer Ouvertüre, die Abwesenheit [426] des unentbehrlichen Helfers usw. erschienen ihm nun in dem Lichte eines wunderbaren Zusammenhanges, mit seinem eigenen innersten Wesen auf merkwürdige Art sich berührend und ergänzend. Wenige Tage nach seiner Ankunft in Bordeaux (22. März) wendet er sich von dort aus brieflich an Frau Ritter, nicht um ihr zu danken, sondern um das Glück zu preisen, das er im Vollgefühl ihrer Freundschaft empfinde, einer Freundschaft, die nicht bloß den Künstler, sondern, wie dies einzig das Richtige, auch den M. Menschen umfasse. Die gleiche Stimmung ist in dem wenige Tage später geschriebenen Briefe an Uhlig vom 26. März vorherrschend; und es ist gerade diese beseligte Empfindung, in seinem wahren Wesen rückhaltlos begriffen und liebevoll verstanden zu sein, aus welcher heraus er dem Getreuen die ›philisterhafte‹ besondere Freude gerade über das ihm verheißene ›Jahrgeld‹ verweist. In der Tat war gerade diese Freude verfrüht; die edelmütige Absicht einer zartsinnigen Teilnahme an seinem Geschick gelangte für jetzt, und auf diesem Wege, durch eigentümliche, ganz unerwartete Verflechtungen der Umstände, nicht zur Verwirklichung. Vor allem aber hatte er noch einmal die unerbittliche Tragik seines, auf ein totales Mißverständnis seiner künstlerischen Persönlichkeit hin geschlossenen Ehebundes auf das schmerzlichste an sich zu erfahren. Die hartnäckig festgehaltenen Hoffnungen seiner Frau auf den von ihr erwünschten ›Pariser Erfolg‹ waren auch durch die beredteste, zartfühlendste Form seiner Mitteilungen an sie nicht zu beseitigen. Sie blieb dabei, seinen Widerwillen gegen dieses Ziel ihrer Wünsche und alles davon Ablenkende ihm einzig als Schwäche auszulegen, um derentwillen er, (in ihrem Sinne) unverrichteter Sache, zu seiner und ihrer Beschämung nach Zürich zurückkehren würde und drang, mit der Drohung sich ganz von ihm loszusagen, darauf, daß er sich sofort wieder nach Paris begeben und dort die Aufführung seiner Ouvertüre betreiben möchte.59 ›Unter Martern aller Art‹, so erwidert er ihr ›faßte ich in Paris – beim Anblicke des nichtswürdigen Kunstschachers – den festen Entschluß, dem mir Unmöglichen fortan ein für allemal zu entsagen und dieser ganzen elenden Kunstwirtschaft unwiderruflich den Rücken zu wenden. Nur eine Sorge hatte ich – nicht um mich, sondern um Dich und unsres Lebens willen. Siehe da! Ein Freundschaftsbund der seltensten und erhebendsten Art hatte sich geschlossen, – die Sorge war plötzlich von mir entfernt: Dir selbst war es mitgeteilt worden, wie ich nun nur noch ein Glück kenne, ruhig mit Dir in Zürich unsrer beiderseitigen Gesundheit [427] leben und nach Herzenslust schaffen zu können Dein Brief hat nun alles zerrissen! Unversöhnlich stehst Du da vor mir, – suchst die Ehreda, wo ich fast die Schande erkennen muß, und schämst Dich dessen, was mir das Willkommenste ist Ja, jetzt verstehe ich alles! Nicht zu mir warst Du nach Zürich gekommen, sondern zu dem Komponisten einer neuen Oper im Pariser Auftrage. Du verweisest mich auf einen früheren Brief – ich weiß es, es ist der Brief vom vorigen Jahre (S. 399)! Du bist Dir treu! Daß Du mich nicht liebst, steht klar und deutlich in jeder Zeile, denn Du spottest selbst über alles, was ich irgend liebe, selbst über das »Du«, mit dem ich meiner inneren Neigung nach – am liebsten jemand nenne, der mir nicht fremd sein soll.60 Was kann nun meine Liebe sein? Nur der Wunsch, Dich für Deine mit mir nutzlos verlebte Jugend, für Deine mit mir überstandenen Drangsale zu belohnen, Dich glücklich zu machen. Kann ich das nur hoffen zu erreichen durch mein Zusammenleben mit Dir? Unmöglich!‹61

Aus einer letzten Täuschung über die fernere Möglichkeit eines Zusammenlebens mit seiner Gattin hatten ihn ihre Briefe nach Bordeaux gewaltsam aufgeschreckt. ›Ich glaubte endlich Dich gewonnen zu haben, ich wähnte Dich der Macht der wahren Liebe gewichen zu sehen, – und empfand mit fürchterlichem Schmerze mehr als je die unfehlbare Gewißheit, daß wir uns nicht mehr angehören‹ Von diesem Augenblick litt es ihn auch in dem neugewonnenen Freundeskreise nicht länger; er konnte mit niemand mehr sprechen, er wollte schnell fort, verließ in Hast seine Freunde, und eilte (Ende März) nach Paris, in der Absicht von da weiter nach Zürich zu gehen. Aber sein altes Nervenleiden, von dem er kaum genesen war, kam in verstärktem Maße wieder über ihn und verhinderte ihn an der Weiterreise. ›In meinem Leben sind jetzt entscheidende Dinge vorgefallen‹, heißt es in seinem nächsten Briefe an Liszt. ›Die letzten Bande sind von mir abgefallen, die mich an eine Welt fesselten, in der ich – nicht geistig – sondern physisch selbst nächstens hätte zugrunde gehen müssen. Unter ewigem Zwange gegen mich, durch meine nächste Umgebung mir auferlegt, habe ich meine Gesundheit verloren, meine Nerven zerrüttet. Jetzt werde ich zunächst fast nur noch meiner Genesung leben: für mein Auskommen ist gesorgt; von Zeit zu Zeit sollst Du von mir hören.‹ Während er in dieser traurigsten aller Seelenverfassungen krank, elend und verzweifelnd vor sich hinbrütete, war sein Blick auf die Partitur seines, fast ganz schon von ihm vergessenen ›Lohengrin‹ gefallen Es jammerte ihn plötzlich, daß diese Töne aus dem totenbleichen Papier heraus nie erklingen [428] sollten.62 ›Lieber‹, so fährt er daher fort ›soeben las ich etwas in der Partitur meines Lohengrin – ich lese sonst nie in meinen Arbeiten. Eine ungeheure Sehnsucht ist in mir entflammt, dies Werk aufgeführt zu wissen. Ich lege Dir hiermit meine Bitte an das Herz. Fähre meinen Lohengrin auf! Du bist der Einzige, an den ich diese Bitte richten würde: Niemand als Dir vertraue ich die Kreation dieser Oper an: aber Dir übergebe ich sie mit vollster freudigster Ruhe. Führe sie auf, wo Du willst: gleichviel wenn es selbst nur in Weimar ist: ich bin gewiß, Du wirst alle möglichen und nötigen Mittel herbeischaffen, und man wird Dir nichts abschlagen. Führe den Lohengrin auf und laß sein Inslebentreten Dein Werk sein.‹63 Die Antwort auf diesen Zuruf war keine andere, als – die Mitteilung der, für die geringen Mittel Weimars, umfassendsten Vorbereitungen zu der künstlerischen Freundestat, durch welche – kaum vier Monate später – in der Weimarischen Lohengrin-Aufführung die Namen Liszt und Weimar für alle Zeiten mit dem dieses Wunderwerkes verknüpft wurden. Was die größten, glänzendsten, reichst dotierten Bühnen sämtlicher deutscher Hauptstädte und Residenzen des ganzen Deutschland nicht konnten und wollten, das fiel durch den Feuereifer Liszts dem kleinen Weimar als Aufgabe zu Wohl trat an eben dieses kleine Weimar in der Folge noch eine größere umfassendere Aufgabe heran, durch deren entschlossene Übernahme und Durchführung es in der Geschichte deutscher Kunst eben die ruhm- und ehrenvolle Stellung hätte einnehmen können, die am späten Lebensabend des Meisters dem fränkischen Bayreuth zuteil geworden ist; wohl erwies es sich, ganz wie Zürich, dieser höheren ihm zugedachten Aufgabe nicht fähig und würdig: – dagegen kann ihm niemand die einzige, von ihm errungene Glorie nehmen, die es sich durch Liszts entschlossene Freundesgesinnung errungen hat. Jene Aufgabe, wie diese, war Sache des Glaubens, der heiligsten künstlerischen Überzeugung. Liszt besaß diese Eigenschaften; aber ihre begeisterte Mitteilung an die ihm unentbehrlichen maßgebenden Faktoren der kleinen thüringischen Residenz, ohne die er nichts durchsetzen konnte, war ihm nur dieses eine, nicht wiederkehrende Mal vergönnt. – –

Daß sich der Meister in diesem entscheidenden Augenblick gerade an Liszt für seinen Lohengrin wandte, mußte ihm in jeder Hinsicht wie eine zu erfüllende Pflicht erscheinen. Eine Pflicht gegen sein armes, verstoßenes und der Vergessenheit anheimgegebenes Werk. Eine Pflicht aber auch gegen den hochherzigen Freund, den er in den kärglich engen Verhältnissen der kleinen sachsen-weimarischen Hauptstadt ohne irgendeine seiner würdige, große, lebenbestimmende Aufgabe sah. Man denke sich Liszt in Weimar ohne ›Lohengrin‹, [429] was hätte er mit allem Genie in diesem weltfernen Nest für die Kunstgeschichte irgend Fruchtbares leisten können?

Aber noch eine andere, nicht länger zu umgehende schwere Pflicht sah der einsame Dulder sich zugewiesen über Paris hatte er zunächst nur den Rückweg nach Zürich antreten wollen, – war aber dieses von ihm erkorene Zürich nach den letzten Vorgängen noch dasselbe geblieben, mußte es ihn nicht, wenn er dahin zurückkehrte, nur neuen schmerzlichen Erregungen aussetzen? Unmöglich konnte er die Frau, die sich einst als die seine bekannt, inzwischen aber innerlich so ganz von ihm abgewandt hatte, daß sie auch seinen überzeugendsten und liebevollsten Darlegungen nicht mehr zugänglich war, noch länger an seine Person und sein Schicksal binden wollen; er mußte ihr die volle Freiheit geben. Das gänzlich Verschiedene im Grunde seines und ihres Wesens hatte sich im Laufe ihres Zusammenlebens zur Pein für beide Teile bald gelinder, bald greller herausgestellt. ›Nicht ich‹, so schreibt er ihr ›brauche Dich an die unzähligen Auftritte zu erinnern, die seit den frühesten Zeiten zwischen uns sich ereigneten; denn in Deinem Gedächtnis leben sie wahrscheinlich lebhafter als in dem meinigen.‹ Dieser wechselseitigen Pein galt es in schonender Weise ein Ziel zu setzen. ›Da Du so oft schon mit dem Gedanken Dich vertraut gemacht hast, von mir getrennt zu leben und so Deine Unabhängigkeit zu gewinnen, so vermute und hoffe ich, daß Du vielleicht wohl verwundert, nicht aber erschreckt über meinen Entschluß einer Trennung geworden bist. Ich für mein Teil lebe der Hoffnung, daß sich in der Trennung die gegenseitige Erinnerung an unser beider vergangenes Leben wohltuender und selbst tröstender gestalten wird, als bei weiterem Zusammenleben, in welchem die fortgesetzten Reibungen unserer sich entgegenstehenden Naturen nur Gehässigkeit und freudloses Dasein erzeugen könnten Laß uns denn jetzt so getrennt sein! Bleiben wir gesund, ändern sich die Zeiten und Verhältnisse, so haben wir ja die Hoffnung uns wiederzusehen. Gut aber wird uns jetzt die Trennung tun! – Von London aus erhältst Du bald das Nötige zu Deinem Leben: willst Du mich herzinnigst erfreuen, so gestalte Dir Deine Existenz so angenehm wie möglich; lege Dir irgendwo ein kleines Gärtchen an, pflege Hund und Vogel, und – hoffe auf die Zukunft!‹

In dieser milden, gerechten und wohlwollenden, aber ernsten und festen Form kündigt er ihr, der in den geordneten Verhältnissen desselben Zürich, das er sich selbst zur neuen Heimat erkoren, unter dem bewährten Schutz seiner von ihr geringgeschätzten Freunde Zurückbleibenden, seinen eigenen Abschied, sein Hinausziehen in eine teilnahmlose Fremde an. Deutschland, das ihn gewaltsam aus seiner Mitte ausgestoßen, konnte ihm erst nach einer gänzlichen Veränderung all seiner öffentlichen Zustände einen fruchtbaren Boden für seine künftige künstlerische Tätigkeit bieten; in Paris hatte er [430] nichts zu suchen; Zürich war ihm, solange Minna daselbst verweilte, der er es zum vorläufigen Asyl angewiesen, gewissermaßen verschlossen. Er fühlte von je, und am stärksten gerade in der letzteren Zeit, das Bedürfnis, aus dem für ihn so verzehrenden Bücher- und Gedanken leben herauszukommen, um sich noch einmal in der Welt etwas umzusehen. So hatte er denn den Entschluß gefaßt, von Marseille aus mit einem englischen Schiffe nach Malta abzugehen, um von da aus Griechenland und Kleinasien zu bereisen. ›Ich hoffe, liebe Minna, Du gönnst mir unter allen Umständen die Ausführung meines Vorhabens und – solange Du Dich nicht vollständig von mir scheiden zu müssen glaubst – erhältst Du hier einen guten Grund gegen alles öffentliche Aufsehen Du kannst aller Welt sagen: nach dem Aufgeben meiner Pariser Pläne hätte ich gefunden, daß ich für jetzt weder in Deutschland noch in Frankreich etwas mir Entsprechendes und Nützliches zu tun hätte; daß ich demnach willig eine Gelegenheit ergriffen hätte, die sich plötzlich mir darbot, einen alten Lieblingswunsch ausgeführt zu sehen, nämlich eine Zeitlang Griechenland und den Orient zu besuchen; und daß ich endlich sowohl wegen drängender Gelegenheit, als auch um mir das Schmerzliche eines persönlichen Abschiedes zu ersparen – ohne Dich noch einmal zu sehen, auf die Reise gegangen sei. Hiermit sagst Du nichts Unwahres, zumal in bezug auf den letzten Punkt Es wäre mir, unter allen Umständen, ganz unmöglich gewesen, Dich noch einmal in Zürich zu besuchen, Dich zu sehen, von Hund und Vogel Abschied zu nehmen. So lebe denn wohl, liebe Minna! Hartgeprüfte Frau, der ich leider keinen Ersatz geben kann, die ich – um sie selbst vielleicht zu heilen – sogar verlassen muß. Lebe wohl und, kannst Du, so gedenke meiner im Guten! Nachricht sollst Du von mir erhalten, – und – auf ein Wiedersehen dürfen wir ja auch wohl hoffen! Grüße Deine Eltern, grüße unsre Freunde! Zürnt mir nicht, daß ich von Euch scheiden mußte! – Glaube mir, es mußte so sein. Es ist so besser für Dich – wie für mich!‹

Bei schweren Entscheidungen trägt die moralische Kraft, mit welcher wir sie fassen, immer selbst den besten Trost und die beste Stärkung in sich. Dies bewährt sich auch in der ruhig sachlichen, geistig und moralisch überlegenen – zugleich von all seiner alten Liebe zu seiner Lebensgefährtin zeugenden – Auseinandersetzung über sein jetziges Vorhaben. Wohl durfte er eine Reise nach Griechenland, an die Trümmerstätte des seinem Geiste so nahestehenden hellenischen Altertums, an sich sehr wohl als einen langgehegten ›Lieblingswunsch‹ bezeichnen, der ihm in der Tat von früher Jugend an bis in sein spätestes Alter verblieb, so wenig er je zu dessen Ausführung kam, und der gerade jetzt, nach eingehender Beschäftigung mit der altgriechischen Welt und dem Geiste ihrer Kunst, mit verstärkter Kraft seiner Phantasie sich darstellen konnte. Auf der andern Seite war ein derartiger [431] Vorsatz gerade unter den damaligen Umständen, wo er so ungern von Zürich sich losgerissen, so kostbare Zeit und namhafte Mittel für das, so ganz außer seinem wahren Lebensplan liegende letzte Halbjahr vergeudet, wo er andererseits, nach Abwerfung eines widrigen Zwanges, von jeder Art Tätigkeitstrieb, nach der künstlerischen, wie nach der literarischen Richtung erfüllt war, wo es ihn demgemäß in Wahrheit einzig nach einer ruhigen Niederlassung verlangte, wie sie ihm in Zürich ohne seine Schuld verdorben worden war, – doch nur ein ›Verzweiflungsentschluß‹. Anstatt einer Rückkehr in die ihm bereits so heimatlich gewordene Schweiz, nach Griechenland oder in eine andere entlegene Ode des Orients flüchten zu müssen, bedeutete damals für ihn soviel wie eine Lossagung von allem Lebenden, eine Sehnsucht nach zeitweiligem völligen Verschollensein für jedermann, keinen Daseinsüberdruß, aber einen durch nichts mehr zu überbietenden Überdruß an allem ihm aufgedrängten falschen und verkehrten Inhalt dieses seines Daseins! Wie er sich bald darauf auch buchstäblich gegen Liszt ausdrückt: ›am liebsten wäre ich allerdings ganz aus der Welt gefahren‹.64 Mit diesem Verzweiflungsentschluß ließ er sich – von unwillkürlich gewaltsamem Lebensinstinkte getrieben – dazu an, um seiner Rettung willen zum Äußersten zu schreiten: ›zum Bruche mit allem, was ihm noch freundgesinnt war, zum Fortziehen in – Gott weiß welche? – wildfremde Welt‹.65 ›In diesem Äußersten, wohin ich gekommen‹, so fährt er rückblickend fort ›ward ich nun von echtesten Freunden aber begriffen: sie leiteten mich an der Hand einer unendlich zarten Liebe von meinem Schritte zurück. Ja, ich lernte jetzt die vollste, edelste und schönste Liebe kennen, die einzig wirkliche Liebe, die nicht Bedingungen aufstellt, sondern ihren Gegenstand ganz so umfaßt, wie er ist und seiner Natur nach nicht anders sein kann. Sie hat mich auch der Kunst erhalten!‹66

Es war die im stillen fortwirkende, überall wo sie eingriff, aufbauende, beruhigende und schlichtende Teilnahme seiner mütterlichen Dresdener Freundin Frau Julie Ritter. Mit ihr hatte er bereits von Bordeaux aus ein Zusammentreffen in Villeneuve am Genfer See verabredet. Nachdem er in Paris nun auch noch ganz zum Schluß den – inzwischen aus Weimar[432] zurückgekehrten – Belloni getroffen, der ihm mit den wärmsten Grüßen Liszts zugleich mannigfache Zusicherungen und Beweise der ununterbrochenen tätigen Teilnahme desselben überbrachte, begab er sich zum Zweck des eben erwähnten Zusammentreffens, um dessentwillen die bejahrte Frau die weite Reise aus Dresden nicht gescheut hatte, an den schönen Genfer See. Es war das einzige Zusammensein der hochsinnig liebevollen Freundin mit dem, in seiner Bedeutung und Individualität so voll von ihr erkannten und verehrten Künstler, das ihr für ihre ganze Lebenszeit vergönnt war. Seiner späteren wiederholten Einladung, ganz in die Schweiz überzusiedeln, vermochte sie nicht zu entsprechen und selbst zu einem erneuten Besuche fand sich nie wieder die Möglichkeit Sie kam mit ihren Töchtern Julie und Emilie (von denen die erstere bald darauf dem Dresdener Kammermusikus Kummer sich vermählte) und ihrem älteren Sohne Karl, und verbrachte gemeinsam mit Wagner am 22. Mai 1850 dessen siebenunddreißigsten Geburtstag. Das tief Bedeutungsvolle dieses einen, nie wieder erneueten, kaum achttägigen persönlichen Zusammenseins mit der ehrwürdigen Frau und den Ihrigen klingt in einem inhaltvollen Briefe Wagners vom 9. Juni aus Zermatt in wehmütigen Seelenschwingungen nach. ›Da bin ich wieder allein, und das Glück ist verflogen wie ein Traum.‹ ›Wie lebe ich nun? wo lebe ich nun? lebe ich überhaupt?‹ Nicht erst in einem Jahre möchten sie ihren Besuch wiederholen, beschwört er sie. Nur der junge Ritter war bei ihm zurückgeblieben; seine vielseitige, dichterische und musikalische Begabung machte einen vielversprechenden Eindruck. ›Karl macht mir viel Freude‹, schreibt Wagner bald darauf über ihn an Uhlig, ›und gewährt mir die Befriedigung, daß er von selbst das Vernünftige tut. Seine Befähigung ist außerordentlich, er kapiert fabelhaft schnell Wenn er auf Spaziergängen mit mir allein ist, äußert er auch die liebenswürdigste Zutraulichkeit: dann kann er einem ein Loch in den Leib schwatzen, aber immer mit Reiz und Schwung.‹

Nach kurzem Verweilen in Zermatt, wie in Thun, kehrte er dann, mit seinem jungen Zögling, im Juli wieder zu dauerndem Verweilen nach Zürich zurück. ›Wenn wir uns einmal wiedersehen‹, meldet er noch von Thun aus (2. Juli) an Liszt ›habe ich Dir viel zu erzählen: für jetzt aus meiner letzten Vergangenheit nur soviel, daß sich meine beabsichtigte Reise nach Griechenland zerschlagen hat; es fanden sich zu viele Bedenken, die ich nicht alle überwinden konnte. Nun, das erfährst Du später einmal!‹ In dem traulichen Zürich fand er seine Freunde unverändert und die unbegreifliche Entfremdung seiner armen Frau einer milderen, duldsameren Auffassung der Dinge gewichen. Seltsamerweise war gerade die äußerste Konsequenz der eingetretenen Spannung in ihr Gegenteil umgeschlagen und hatte sie zur Besinnung gebracht. Gerade seine bereits getroffenen Maßnahmen zu einer[433] – wenigstens zeitweilig – unvermeidlich scheinenden Lösung ihrer Beziehungen ließen sie ›bis auf das Mark ihrer Seele sich bewußt werden, daß sie ohne ihn nicht leben könne‹, und demnach den einzigen Wunsch seiner Rückkehr hegen. In diesem Sinne berichtet er am 27. Juli, bald nach seinem Wiedereintreffen in Zürich, dem treuen Dresdener Freunde Uhlig, er habe ›eine neue Frau bekommen‹. ›Ist sie auch schon in allem die alte geblieben, so weiß ich doch jetzt von ihr, daß sie – möge nun mit mir vorgehen und geschehen was da wolle – mir bis zum Tode zur Seite stehen wird. Ich für mein Teil dachte wahrlich nicht, sie etwa nur zu prüfen: wie sich aber die Ereignisse gewendet haben, hat sie eine Feuerprobe durchgemacht, wie sie alle bestehen müssen, die heutzutage mit Bewußtsein an der Seite solcher stehen wollen, die die Zukunft erkennen und auf sie lossteuern.‹67 Selbst ihre anfängliche hoffnungslose Geringschätzung der – ihn selbst so traulich anheimelnden – Züricher Zustände, im Verhältnis zu Dresden oder Paris, war während der Zeit ihrer Einsamkeit, da eben jene mißachteten Freunde, unter ihnen besonders Sulzer, sich auch ihr gegenüber durch aufrichtige Teilnahme bewährt hatten, einer veränderten Gesinnung gewichen ›Wagners bewundernde Freunde‹, so berichtete nachmals Frau Wille in ihren Erinnerungen, ›hießen auch seine Frau mit ihm willkommen‹; und mit ersichtlicher Befriedigung meldet er bald darauf in einem Brief an den alten Fischer, daß sie sich ganz wohl befinde und ›ganz eingeschweizert‹ sei.68

Damit schließt im Leben des ringenden Künstlers die so überflüssige, von außen her ihm aufgedrängte dritte Pariser Episode; er befand sich nach diesem verlorenen Halbjahr seines Daseins, nach allen überstandenen Leiden, Kämpfen und Entbehrungen genau auf dem Punkte, auf dem er zuvor sich befunden: wie gern hätten sie ihm ganz erspart bleiben dürfen! Glücklicherweise stand das ihn zunächst Betreffende unter einem günstigeren Stern, unter dem Zeichen des edlen Namens: Liszt.

Fußnoten

1 Seite 32 des vorliegenden Bandes.


2 Brieflich an Gaillard, 5. Juni 1845.


3 Brieflich an O. L. B. Wolff, im Briefwechsel mit Liszt I, S. 18.


4 Es war dies eben jene Abhandlung über den ›Tannhäuser‹, die mit der später erschienenen über den ›Lohengrin‹ vereinigt, nachmals (1851) unter dem Titel ›Lohengrin et Tannhäuser‹ bei Brockhaus in Leipzig in Buchform erschien, und zuletzt als zweite Abteilung des dritten Bandes von Liszts ›Gesammelten Schriften‹ (bei Breitkopf und Härtel 1881).


5 Familienbriefe, S. 155.


6 Briefe an Minna, I, S. 74.


7 Briefwechsel mit Liszt, I, S. 28.


8 Briefwechsel mit Liszt, I, S. 32/33.


9 Vgl. Röckel, S. 92/95. Allerdings war, nach Röckel, seine und Bakunins Erschießung auf offenem Markte sogleich nach Unterdrückung des Aufstandes beabsichtigt gewesen und deshalb seine Familie unter dem Vorwande, daß ihre Sicherheit bedroht sei, eiligst aus Dresden fortgeschafft worden! Die Verurteilung und Erschießung Adolf von Trützschlers (S. 271 Anm.) gegen alles Recht und Gesetz lehrte, was möglich war; sie entlockt Röckel noch nach fünfzehn Jahren den bitteren Ausruf: ›Hätten die, welche ihn verurteilten, nur wenigstens gewußt, was sie in ihm töteten!‹


10 S. 346 dieses Bandes.


11 S. 307/08 des vorliegenden Bandes, Anm.


12 Henriette Müller.


13 Briefe an Uhlig, S. 31.


14 Vgl. die anonym herausgegebene Schrift von C. Widmer. Wilhelm Baumgartner, ein Lebensbild (Zürich, Bürkli 1868); Baechtold, Leben Gottfried Kellers I S. 260/64; A. Steiner, Richard Wagner in Zürich, I, S. 16.


15 Briefe an Uhlig, S. 31.


16 An Uhlig, S. 31.


17 ›Deutsche Flüchtlinge in der Schweiz‹, Artikel in den Leipziger ›Grenzboten‹ vom Oktober 1849 (zitiert nach W. Ellis, der Aufstand in Dresden, S. 33/34).


18 In dem Aufsatz: ›Wollen wir hoffen?‹ für die Bayreuther Blätter 1879.


19 Ebendaselbst.


20 Vgl. die nähere Ausführung dieses Themas in des Verfassers Vorwort zur ›Wagner-Enzyklopädie‹ und danach ausführlicher in Chamberlains ›Richard Wagner‹, S. 151.


21 Briefe an Minna Wagner, I, S. 74/75.


22 Hottingen ist eine Gemeinde ›gleichsam Vorstadt von Zürich‹, erklärt er Uhlig die obige Adresse. ›Zürich besteht aus mehreren einzelnen Gemeinden, von denen jede ihren besonderen Namen hat.‹ An Uhlig, S. 27.


23 Vgl. u.a. auch Dinger, S. 22. ›Der Einfluß von Feuerbachs Schriften auf Wagner ... war ein ganz bedeutender‹; ›Wagner entnahm Feuerbach die Grundlage seiner Weltanschauung‹ usw., kurz: Wagner stehe mit seinem Kunstwerk der Zukunft ›im Gefolge (!) Feuerbachscher Ideen‹! (Ebenda, S. XIII).


24 ›Diesen Wink verstand Wigand nicht; denn ein Jahr später, im Juni 1850, bittet Wagner Uhlig, ihm Feuerbachs Schriften doch ja durch Wigand zuschicken zu lassen, und am 27. Juli 1850 wiederholt er diese Bitte; damals war aber »Das Kunstwerk der Zukunft« schon längst im Buchhandel. Wir wissen also mit Bestimmtheit, daß, als Wagner seine ersten »revolutionären« Schriften verfaßte und sein »Kunstwerk der Zukunft« Feuerbach widmete, er nichts weiter von diesem Philosophen kannte, als jene eine, einzige Jugendarbeit.‹ Chamberlain, Richard Wagner, S. 135/36.


25 Vgl. Band I, S. 104, 173, 313 Anm.


26 Fr. Pecht, Aus meiner Zeit, I, S. 294.


27 Wagners späteres Urteil über Hegel in der Schrift über ›Deutsche Kunst und deutsche Politik‹: ›Einem in Berlin seinerzeit gehegten und, auf den Ruhm des Namens der deutschen Philosophie hin, zu völliger Weltberühmtheit gebrachten philosophischen System gelang es, die Köpfe der Deutschen dermaßen zu dem bloßen Erfassen des Problems der Philosophie unfähig zu machen, daß seitdem gar keine Philosophie zu haben für die eigentliche rechte Philosophie galt‹ Vgl. den Artikel ›Hegel‹ in der ›Wagner-Enzyklopädie‹ I, S. 268.


28 Liszt an Wagner im Briefwechsel, I, S. 30.


29 Briefe Hans von Bülows, I, S. 236.


30 Ebendaselbst, S. 342.


31 Der Nachlaßband ›Entwürfe, Gedanken, Fragmente‹ enthält mehrere charakteristische Aufzeichnungen dazu.


32 An Uhlig, 16. Sept. 1849.


33 Vgl. L. Ramann, Franz Liszt, II2, S. 21, 32, 43 und Liszts eigene briefliche Erklärung an Wagner im Briefwechsel, I, S. 45.


34 Über diesen Entwurf hat sehr schön und vollständig Dr. Rudolf Schlösser in einem eigenen dreiteiligen Aufsatz (1. Die Entstehung, 2. Die Quellen, 3. Die Bedeutung der Dichtung) in den ›Bayreuther Blättern‹ 1895, S. 30/64 gehandelt. Wir haben an dem 2. Abschnitt, über die Quellen der Dichtung, nur eines auszusetzen: die unter den germanistisch gebildeten jüngeren Wagnerianern gebräuchliche allzu schroffe Geringschätzung Simrocks und seines Heldenbuches.


35 ›Lest die deutschen Zeitungen: – in der glücklichen Lage, keine Antwort zu riskieren, wie ein Professor auf seinem Katheder, wo er allein spricht, ist ihnen keine Verleumdung zu hoch, keine Gemeinheit zu niedrig, sie greifen danach‹, – heißt es in Kolatscheks ›Deutscher Monatsschrift‹ vom Januar 1850.


36 Briefe an Uhlig, S. 19.


37 A. Steiner, Richard Wagner in Zürich (89. Neujahrsblatt der Allg. Musikgesellschaft in Zürich, 1901) S. 21, 22.


38 Briefwechsel, I, S. 52.


39 Briefe an Uhlig, Fischer und Heine, S. 387.


40 Briefe an Minna Wagner, I, S. 75.


41 ›Das Lebewohl Sulzers und Baumgartners auf dem Bahnhofe hat mir sehr wohl getan‹ (Briefe an Minna, I, S. 61).


42 ›Es ist mir unbegreiflich‹, schreibt er darüber an seine Frau ›wie hier alles teuer geworden ist: ich zahle nun 65 fr. und sage Dir weiter nichts, als daß ich Brix (vgl. Band I des vorliegenden Werkes, S. 375) noch nachträglich um das Logis beneide, welches er für 40 fr. bei uns hatte, und welches unbedingt behaglicher und besser, ja bequemer war, als mein gegenwärtiges, das 25 fr. teurer ist‹ (Briefe an Minna Wagner, l, S. 58).


43 Briefe an Minna, I, S. 59.


44 Ebendaselbst, S. 61.


45 Im Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt ist dieses Schreiben (2 Seiten Quart) nicht enthalten; dagegen trafen wir es kürzlich in dem Katalog einer bekannten Berliner Autographenhandlung für den Preis von 86 Mk. öffentlich zum Verkauf ausgeboten.


46 An Uhlig, S. 28. 30. 37.


47 ›Mache Roger und Madame Viardot-Garcia etwas Deine Cour‹, so hatte ihm Liszt geraten (Briefwechsel, I, S. 29).


48 Briefe an Minna Wagner, I, S. 60.


49 Ebendaselbst.


50 Band I des vorliegenden Werkes, S. 420.


51 Briefe an Minna Wagner, I, S. 60.


52 Es ist späterhin nach einer gleichzeitigen Daguerrotypie des Originals im Kürschnerseben ›Wagner-Jahrbuch‹ für 1886 zur Veröffentlichung gelangt.


53 Briefe an Minna Wagner, I, S. 59. 60.


54 Briefe an Uhlig, S. 33.


55 Briefe an Minna Wagner, I, S. 62.


56 Ebendaselbst, S. 65. 67.


57 Zum ›Achilleus‹ vgl. den Aufsatz von Dr. Rudolf Schlösser: ›Über Richard Wagners Beschäftigung mit einem Drama: Achilleus ‹ (Bayr. Blätter 1896, S. 169 ff).


58 Vgl. Briefe an Minna Wagner, I, S. 68/70.


59 Tatsächlich ging diese, gänzlich folgenlose, erste Aufführung der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre in Paris gerade acht Monate später, am Sonntag den 24. November, durch Mr. Seghers in einem Konzert der Société Sainte Cécile vor sich! Bis dahin hätte er demnach, anstatt in seiner über alles ersehnten Züricher Häuslichkeit, in den dürftig unfreundlichen Räumen eines Pariser Hotel garni inmitten der ihm verhaßten geräuschvollen Stadt verbringen sollen, um eines längst von ihm überwundenen Wahnes willen!


60 Der Brief Minnas ist nicht erhalten; es erhellt aber aus dem Eingang seiner Antwort, daß sie das, von Wagner seinen Freunden gegenüber so gern gebrauchte ›Du‹ in kränkendem Spotte verhöhnt habe, daß sie es mit seinen (von ihr geringgeschätzten) ›Freunden‹ nicht länger teilen und von ihm nächstens wieder mit ›Sie‹ (!) angeredet sein wollte.


61 Briefe an Minna Wagner I, S. 75/76.


62 Ges. Schr, IV, S. 414.


63 Briefwechsel mit Liszt, I, S. 54.


64 Briefwechsel mit Liszt, I, S. 55. Da wir uns an diesem Orte, wie auch sonst, ausschließlich auf tatsächlich vorliegendes Quellenmaterial stützen, entsagen wir in obiger Darstellung gern der naheliegenden Versuchung einer Berichtigung gewisser ›verbürgter Geschichten‹, wie sie Herr Dr. Dinger auf S. 267 seines Buches, und nicht eben zur Zierde desselben, in einem Zusammenhang von gleich bedenklicher Unreifheit und Verworrenheit, ohne jedes entfernte Verständnis für die damaligen Seelenkämpfe des Künstlers in so provozierender Weise zum besten gibt, und verweisen den Leser hierfür an die eigenen Worte Wagners in den Briefen an seine Frau, Band II, S. 95.


65 Ges. Schr., IV, S. 409.


66 Ebendaselbst, S. 309/10.


67 An Uhlig, S. 44.


68 Briefe an Uhlig, Fischer und Heine, S. 284.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 394-434.
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