23.

Nach den Messen nehmen unter den übrigen Kirchencompositionen den ersten Platz die Litaneien und Vespern ein, indem sie ein größeres aus mehreren selbständigen Theilen zusammengesetztes Ganze bilden. Da die Mozartschen Vespern aber erst einer spätern Zeit angehören, so kommen hier zunächst die Litaneien in Betracht.

Von diesen Kirchencompositionen gilt in höherem Maaße als von den Messen, was vom Einfluß der Oper auf die Kirchenmusik [494] oben gesagt worden ist. Sie werden freier behandelt, der individuellen Auffassung ist ein größerer Spielraum gelassen, und wenn in der Messe vorzugsweise die allgemeine Einwirkung einer geistigen Richtung bemerkbar wurde, so tritt uns hier auch die Anwendung der durch die Oper ausgebildeten Formen entgegen. Dies war kaum zu vermeiden, sobald man dem virtuosenhaften Sologesang einen Platz einräumte, der wie von selbst die Formen mit steh brachte, in welchen er steh bequem zu bewegen gewohnt war; wir finden daher nicht allein Passagen, Triller und Cadenzen1, sondern auch die Form der Arie in ihren Grundzügen. Mit welcher Mäßigung diese Formen gebraucht, der glänzends Schmuck verwendet wurde, das hing nun von dem subjectiven Gefühl eines jeden Componisten ab, dessen schwerste Aufgabe es war, – mit welcher freilich gar Viele es am leichtesten nahmen – aus so verschiedenartigen Elementen ein Ganzes zu gestalten. Denn auch hier bot der Text nicht geringe Schwierigkeiten theils für den musikalischen Ausdruck überhaupt, theils für die Gliederung ganzer Sätze dar. Wenn man durch das Zulassen des virtuosenhaften Gesanges mit der Strenge einer kirchlichen, ja einer angemessenen Darstellungsweise überhaupt gebrochen hatte, so gewann diese Richtung begreiflicherweise da am ehesten Einfluß, wo die Worte dem musikalischen Ausdruck an steh widerstrebten, obgleich der Widerspruch zwischen Text und Musik um soviel greller wurde. Auch durch die charakteristische Darstellung der für Musik besonders geeigneten Stellen, in welchen die Empfindung ihren wahren und naturgemäßen Ausdruck fand, lief der Componist [495] Gefahr die Ungleichartigkeit der einzelnen Theile noch zu verstärken. Dazu kam endlich auch hier das Vorurtheil, daß streng contrapunktische Arbeit an sich den Charakter geistlicher Musik repräsentire und man glaubte wohl gar, durch ein contrapunktisches Paradestück einem virtuosenhaften Paradestück die Waage halten und so steh nach beiden Seiten hin nach Herzenslust ergehen zu können. Unter diesen Einflüssen hatten sich auch für die Behandlung der einzelnen Theile gewisse Normen gebildet, die der Ausführung nur einen beschränkten Spielraum ließen, innerhalb dessen Erfindung und Geschicklichkeit sich bewähren konnten. Es gehörte einerseits das bestimmte Gefühl von der Bedeutung einer künstlerischen Schule, eine gewisse Naivetät der künstlerischen und religiösen Ueberzeugung von der Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der überlieferten Formen dazu, um sie willig anzunehmen und unbefangen mit ihnen zu schalten, auf der anderen Seite war eine starke Kraft der Production und eine harmonische künstlerische Durchbildung nöthig, um auf solchen Grundlagen etwas zu leisten, das Anspruch auf die Geltung von Kunstwerken machen durfte.

Gemeinsam sind den Litaneien das Kyrie, mit welchem sie beginnen, und das Agnus Dei, mit welchem sie schließen; die dazwischen liegenden Anrufungen werden durch die besondere Bestimmung der Litanei bedingt, sie geben auch dem musikalischen Charakter derselben seine eigenthümliche Farbe.

Das Kyrie unterscheidet sich von dem der Messe durch die außer dem Kyrie eleison und Christe eleison noch hinzugefügten Anrufungen, die zu einer breiteren Behandlung, und zu einer größeren Abwechslung sowohl im Ausdruck als in der formalen Gestaltung eine bestimmte Veranlassung geben. Auch finden wir daß das Kyrie der Auffassung wie der Ausführung [496] nach immer als einer der gewichtigsten und bedeutendsten Sätze behandelt ist.

Das Agnus Dei ist ebenfalls, wie den Worten nach, so in der musikalischen Behandlung, von dem der Messe hauptsächlich dadurch verschieden, daß es nicht mit dona nobis pacem abschließt, sondern mitmiserere nobis. Es konnte also auch musikalisch nicht als Einleitung und Vorbereitung auf einen heitern Schluß aufgefaßt werden; es wurde vielmehr in der Regel der Ausdruck des geängsteten Flehens gemildert und in den Schluß ein tieferer Ernst gelegt.

Der eigentliche Kern der Litaneien, die Anrufungen, bietet für die musikalische Behandlung nicht geringe Schwierigkeiten dar. Schon die gehäufte Menge derselben, ohne eine bestimmte Gliederung und Steigerung, weder dem Sinne noch dem Rhythmus nach, ist für die Composition ungünstig, und der größte Theil der Prädicate ist eines bestimmten musikalischen Ausdrucks nicht fähig. Die einzig angemessene Weise der musikalischen Darstellung scheint daher die streng liturgische, welche darauf verzichtet das Einzelne individuell zu gestalten und den typischen Charakter des Formelhaften festhält, welcher den Litaneien schon durch den wiederkehrenden Refrain aufgeprägt ist. Den allgemeinen Ton zu treffen, der das Ganze hält, der Modificationen im Einzelnen und dadurch Abwechslung und Steigerung zuläßt ohne wesentlich verändert zu werden, ist gewiß sehr schwer, wenn die Tradition einmal verlassen ist; indem man aber eine im Detail nuancirte Darstellung unternahm, und für dieselbe fremde, auf einem anderen Gebiet entwickelte Formen anwendete, wurde man zu einer ungleichmäßigen Behandlung hingedrängt, welche hervorhob oder zurücksetzte nach rein formalen Gründen. Das charakteristische Moment des Refrains mußte nothwendig für die Gliederung von großer Bedeutung sein, allein [497] es verlor meistens seinen ursprünglichen Charakter und wurde theils nur als ein Bindemittel benutzt um die widerstrebenden Elemente unter einer bestimmten Form zusammenzuhalten; theils suchte man mannigfache Nüancirung der Empfindung in die Worte des Refrains zu legen anstatt ihn in seiner stereotypen Wiederkehr als das stetige Element zu betrachten. Dies hat allerdings seinen Grund darin, daß die allgemeinen Bitten ora pro nobis, miserere nobis die verschiedenartigsten Schattirungen des Ausdrucks zulassen, während jene Anrufe der musikalischen Darstellung widerstreben; indessen scheint auch dies dafür zu sprechen, daß diese Texte sich nicht für eine musikalische Behandlung eignen, welche auf detaillirten individuellen Ausdruck ausgeht, zumal wenn dazu das Bestreben kommt in künstlichen Formen Glanz und sinnliche Schönheit zu zeigen. Dies aber war die Richtung jener Zeit, die wir nun auch auf diesem Gebiet wirksam sehen.

Die Marienlitanei (Litaniae Lauretanae) hatte einen im Ganzen mehr heiteren und anmuthigen Charakter. Indem man sich an die Mutter Gottes wandte, sich ihre Erscheinung vergegenwärtigte, trat das in seiner Hohheit und Reinheit doch so liebliche und reizende Bild der gebenedeiten Jungfrau, wie es auch die bildende Kunst verkörpert hat, in lebendiger Schönheit dem andächtigen Beter vor die Seele, und der Charakter einer schwärmerischen Hingebung an das ewig Weibliche, welcher dem Mariencultus überhaupt eigen ist, verleugnet sich auch in der Musik nicht. Darauf wirkten auch nationale Sitten und Traditionen ein und den Ton der Litaneien, welche man in Italien vor den Marienbildern auf der Straße singen hört, der in den Compositionen italiänischer Meister oft stark hindurchklingt, glaubt man auch in manchen Partien der Mozarischen Litaneien noch zu vernehmen.

[498] Die erste Litanei in B-dur (20), im Mai 1771 componirt, ist wie die meisten Compositionen jener Jahre knapp in den Formen, in der ganzen Behandlungsweise tüchtig und sicher; überall frisch zugegriffen und rasch abgemacht. Ein höherer Schwung tritt weder in der Erfindung noch in der Behandlung hervor, wohl aber ein ausgebildeter Sinn für Wohlklang, für Gliederung der Sätze, und die klare Einsicht mit den gegebenen Mitteln unter den gegebenen Verhältnissen das Passende hervorzubringen. Das Kyrie ist nach Art der kurzen Messen in einem einzigen Chorsatz gradedurch componirt, ohne bestimmte Durchführung eines Motivs; die einzelnen kleinen Sätze oder Phrasen werden mit Geschick durch verschiedene Tonarten geführt, bis zum Schluß das erste Motiv wiederkehrt; der Charakter ist im Ganzen lebhaft und nicht ohne Kraft. Der erste Theil der eigentlichen Litanei ist zwischen Solo und Chor getheilt, die Solostimmen, unter welchen der Sopran am meisten hervortritt, wechseln meist mit einander ab, seltener gehen sie – in einfachen Imitationen – zusammen; zweimal treten Tuttisätze dazwischen. Durch das Ganze geht ein leicht ansprechender, anmuthiger Wohlklang das Melodische ist vorherrschend, die Harmonie einfach ohne dürftig zu sein; es hat einen eigenthümlich populären Charakter in dem oben angedeuteten Sinn2. Eine Unterbrechung machen die Worte salus infirmorum, welche vom Chor im ernsten, feierlichen Ton vorgetragen werden, worauf in starkem Gegensatz die Worte auxilium Christianorum in einem raschen kräftigen Chorsatz folgen. Mit der Anrufung Regina [499] angelorum wild wieder in die verlassene Bahn eingelenkt. Es sind jetzt Solostimmen allein, welche bald abwechselnd, bald je zwei zusammen, in einem lebhafteren und heiteren Ton die Himmelskönigin anrufen, die den Glanz ihrer Erscheinung auch auf das Gemüth der zu ihr Betenden fallen läßt. In dem letzten Satz tritt wiederum der Chor ein mit den Worten Agnus Dei qui tollis peccata mundi, welchen die Solostimmen mit der Bitte antworten, bis zum Schluß auch der Chor in das miserere nobis einstimmt. Der Ausdruck ist gefaßt, in mäßiger Bewegung, und mehr ernst als wehmüthig, zum Schluß steigert die Stimmung sich in angemessener Weise3.

Von ungleich höherer Bedeutung ist die zweite Litanei in D-dur aus dem Jahr 1774, demselben Jahr, in welchem die Messe in F-dur und die Finta giardiniera geschrieben wurden, denen sie durch Ernst und Reise der Conception wie durch Tüchtigkeit und Sorgfalt in der Ausführung würdig zur Seite steht. Das Kyrie ist ein großer, mit vieler Liebe ausgeführter Satz, der aus einem feierlichen Adagio und einem ernst gehaltenen Allegro besteht. Durchgängig sind die Stimmen nicht allein selbständig sondern in strengen contrapunktischen Formen geführt, Haupt – wie Nebenmotive sind festgehalten und durchgeführt in einem bestimmt gegliederten Organismus; auch das Orchester greift selbständig ein, indem es sich nicht begnügt die Singstimmen zu unterstützen, sondern ihm eigenthümliche Figuren theils dem Chor gegenüber [500] durchführt, theils wie mit einer leichten Verzierung den Gesang dadurch hebt. Der Charakter dieses Satzes ist durchaus würdig, der Ausdruck dem Sinne vollkommen angemessen, und zugleich ist über das Ganze eine Milde verbreitet, welche der Stimmung des ganzen Musikstücks entspricht, in welchem es nur den Einleitungssatz bildet. Denn der erste Abschnitt der eigentlichen Litanei hat den für dieselbe charakteristisch gewordenen Ausdruck einer heiteren Zuversicht, man mochte sagen einer gewissen Lebenslust, von welcher auch die andächtige Bitte durchdrungen ist, die sich aber durchgängig mit einer edlen und seinen Mäßigung ausspricht. In der musikalischen Gestaltung ist aber hier der bestimmte Einfluß der Oper nicht zu verkennen, nicht allein in den Passagen, welche zweimal dem Solosopran gegeben sind, dem auch hier die Hauptrolle zugewiesen ist, sondern in der Art wie das Hauptmotiv behandelt und wiederholt wird, in welcher die Analogie der Arie nun klar hervorteilt. Allerdings nur die Analogie, denn die Weise, in welcher die anderen Solostimmen, einzeln oder zu zweien dagegen gestellt sind, ist eine durchaus freie. Auch der Chor ist sehr glücklich so verwendet, daß auch bei weiterer Ausführung das Refrainmäßige festgehalten wird. Dem zarten und anmuthigen Charakter des Ganzen gemäß ist auch die Begleitung, obwohl sie durchgehends ganz frei und selbständig und in reicher Abwechslung der Figuren steh bewegt, leicht und durchsichtig gehalten. So hat dieser Satz bei dem schönsten Wohllaut einen Ton zarter Milde und Anmuth und eine glückliche Harmonie, welche ihm in seiner Art eine hohe Vollendung giebt. Nicht minder vollendet durch die Schönheit der Form, aber wahrhaft erhaben im Ausdruck der Empfindung ist das darauf folgende Adagio, in welchem die Worte salus infirmorum, refugium peccatorum, consolatrix afllictorum, auxilium Christianorum zusammengefaßt [501] sind. Die Gliederung dieses Satzes, die Abwechslung und Steigerung der einzelnen Abschnitte, der Wechsel zwischen Solo und Chor, die charakteristische sorgfältig gearbeitete Begleitung sind so vortrefflich gegeneinander berechnet und abgewogen, das Ganze ist von einem solchen Ernst und einer Tiefe der Empfindung durchdrungen, daß hier der Schönheit die Größe vermählt erscheint. In dem folgenden Abschnitt Regina angelorum, der wieder den leichteren Ton anschlägt, sind die Chorstellen frisch und lebendig, auch durch wechselnden Ausdruck charakteristisch und durch die technische Behandlung interessant; das Tenorsolo aber, welches zwischen dieselben eingeschaltet ist, hat den Charakter des Opernhaften in Passagen und Melodiebildung nicht weniger als das erste Sopransolo, steht jedoch an Erfindung und Ausdruck demselben nach, so daß durch diese Concession an die Mode der Satz zu dem schwächsten in der Litanei wird. Das Agnus Dei ist zwischen einem Solosopran und dem Chor so vertheilt, daß dem ersten das dreifache Agnus Dei, dem letzten die wiederholte Bitte zugefallen ist. Das erstere ist allerdings durch colorirte Verzierungen und Sprünge in den Intervallen auf virtuosenhaften Vortrag berechnet, und trägt dadurch den Stempel jener Zeit, ist aber nicht ohne Gefühl und Würde; die kurzen Chorstellen sind durch Ausdruck und Arbeit durchaus vorzüglich.

Der sorgsame Fleiß und die liebevolle Hingabe an die Arbeit treten in dieser Litanei nicht allein in den Singstimmen sondern auch im Orchester hervor, dessen Hauptkraft in dem sein ausgearbeiteten Saitenquartett ruht. Allein so wie in diesen eine geschickte Berechnung der instrumentalen Effecte sichtbar wird, so sind auch die Blasinstrumente wirksam angewendet, nicht allein um die Harmonie auszufüllen, sondern auch um selbständig Licht und Schatten zu geben. Diese äußeren [502] Vorzüge erhalten durch die innern einer bedeutenden Erfindung ausgiebiger Motive und charakteristischer Figuren und echter Empfindung ihren wahren Werth, und durch den unnachahmlichen Reiz reifer und harmonischer Schönheit den unverkennbaren Stempel Mozarts.


Es ist sehr zu bedauern daß von einer dritten Litanei in C-dur (24) für vier Singstimmen ohne Begleitung nichts Näheres bekannt geworden ist. Es wäre ungemein interessant zu beobachten, wie Mozart diese Form behandelt habe; die wenigen Anfangstacte, die allein vorliegen, bezeugen eine sehr einfache, durchaus abweichende, Auffassung und Behandlungsweise.


Die Litanei vom hochwürdigen Gut (Litaniae de venerabili altaris sacramento) hat der Natur des Gegenstandes gemäß einen engsteren Charakter als die Marienlitanei. Die Anrufungen des heiligen Sacraments aber, fast alle dogmatisch abstract und transscendental, geben für die musikalische Darstellung noch weniger bestimmte Anregung als die an die Jungfrau Maria gerichteten, und die sinnliche Vorstellung der Persönlichkeit, welche dort bewußt oder unbewußt den Ton des künstlerischen Vortrags hervorrief, kann hier nicht wirksam werden. Daraus erklärt steh die auf den ersten Blick auffallende Erscheinung, daß hier neben den Sätzen, welche eine feierliche Würde selbst in einer gewissen tiefsinnigen Weise ausdrücken, andere die opernmäßige Weise unverholener aussprechen, als es dort der Fall ist. Der Eindruck des Ganzen war nicht in gleichem Maaße lebendig und künstlerisch anregend, und da das Hinübernehmen opernhafter Formen gestattet schien, behandelte man einen Text der keinen musikalischen Impuls gab als das bloße Substrat kunstgerechter Behandlung. Die zwei Litaneien, welche wir von [503] Mozart besitzen, sind beide groß angelegte und sorgfältig ausgearbeitete Compositionen4.

Die erste derselben in B-dur (21), im März 1772 componirt, nachdem Mozart von der zweiten italiänischen Reise zurückgekehrt war, hat durchgängig einen Charakter von frischer Lebendigkeit und Kraft, der Ton aber welchen sie anschlägt ist unverkennbar der der großen heroischen Oper, gehoben und geadelt durch den tieferen Ernst der Empfindung; nur in einzelnen Momenten erhebt sie sich zu einer Würde und Feierlichkeit, welche sie jenem Gebiet vollständig entrückt. Schon im Kyrie offenbart sich dieser Charakter. Es wird, wie dies auch in Messen wohl vorkommt, durch einen Instrumentalsatz eingeleitet, in welchem das spätere Hauptmotiv angekündigt wird; der Chor setzt mit einem kurzen feierlichen Adagio ein, und nimmt dann im Allegro molto jenes Motiv auf. Die Anlage dieses Satzes, – es wird diesem mehrmals wiederholten Thema ein zweites scharf contrastirendes (im Sopransolo) entgegengestellt, das an der gehörigen Stelle ebenfalls wiederholt wird – entspricht der in der Oper, in Gesangssachen wie in der Ouverture, üblichen Constructionsweise, auch die Formation dieser Motive, die rauschende [504] Begleitung des Orchesters haben denselben Zuschnitt; nur ist wie bemerkt der Ton ernster, gehaltener als man ihn in der Oper gewohnt war. Der erste Satz in der eigentlichen Litanei Panis vivus ist dagegen eine Sopranarie, welche nach ihrer ganzen Anlage, nach der Bildung und Gliederung der Motive, nach den Passagen und der leichten Begleitung in einer Opera seria Platz finden könnte und auch im Ton nicht einmal erheblich abstechen würde; womit denn auch gesagt ist, daß die Erfindung sich nicht eben über das Gewöhnliche erhebt, der Ausdruck aber mit den Worten oft nicht wenig contrastirt; wie denn die Hauptpassagen auf das Wort miserere gelegt sind5. Ungleich bedeutender ist der dann folgende Chor Verbum caro factum, von ernstem feierlichem Ausdruck, interessant durch seine Modulation und eine charakteristische Violinfigur. Er dient – wie gewöhnlich die kürzeren Adagiosätze für die musikalische Structur verwendet werden – als Einleitung für den folgenden lebhaft bewegten SatzHostia sancta. In diesem treten alle vier Solostimmen auf. Die Weise, in welcher das Hauptmotiv, verschieden modificirt, von ihnen nach einander vorgetragen wird, bis sie dann in angemessener Steigerung einander näher treten und sich vereinigen, ist wiederum der Gliederung der Ensemblesätze in Opern nahe verwandt; die Behandlung ist hier freier als es damals in der Oper üblich war, die einzelnen Sätze sind nicht so breit ausgesponnen und deshalb frischer. Sehr geschickt tritt auch der Chor zweimal mit kurzen aber durch Rhythmus und Harmonie gewichtigen Sätzen in gehaltenen Noten dazwischen, und bringt nicht allein Abwechslung hinein sondern verleiht dem Ganzen Haltung und Würde, die auch den Solostellen, obgleich dort gefälliger Wohllaut vorherrscht, keineswegs [505] abgehen. Eine neue Steigerung tritt ein bei dem Wort tremendum, das dreimal vom Chor im Adagio wiederholt wird, in welchem die tiefe Ehrfurcht schön ausgedrückt ist. Wenn dann aber die Worte ac vivificum sacramentum in einem kurzen lebhaften Satz sich anschließen, so ist das wohl nur die Folge eines Bestrebens zu charakterisiren, das sich lediglich an den Gegensatz hält, der in den Wörtern tremendum und vivificum liegt, und daher auch nur eine äußerliche Charakteristik erreicht. Der folgende Satz Panis omnipotentia verbi caro factus ist wieder eine Tenorarie von angenehmem Ausdruck, die aber, auch wenn sie mit Passagen weniger reich ausgestattet wäre, doch ihrem ganzen Zuschnitt nach der Oper angehören würde. Ein kurzes Adagio in B-moll Viaticum in domino morientium bereitet durch ernste Harmonien auf eine von der vorhergehenden verschiedene Richtung der musikalischen Behandlung vor6. Es war nämlich Sitte geworden die Worte pignus futurae gloriae zur Grundlage eines ausgeführten contrapunktischen Satzes zu machen, und Mozart war nicht der Art sich solchem Ansinnen zu entziehen. Das Thema, mit welchem die Bässe beginnen, denen die Blasinstrumente mit einer Figur antworten, welche auch später mehrfach benutzt wird, tritt mit großer Bestimmtheit und Kraft auf, wie sie einer frohen Zuversicht geziemen, und wird dann in einer langen Fuge gründlich verarbeitet7. Diese ist insofern einfach angelegt, [506] als nur das eine Thema, auch dieses fast immer unverkürzt und unverändert durchgeführt wird, allein es ist bei großer Klarheit eine solche Mannigfaltigkeit namentlich in der Modulation, eine solche Steigerung, an der auch das Orchester besonders in den Blasinstrumenten steh betheiligt, dabei ein so frischer und voller Klang, daß, wenn man auch diese Fuge nur als eine Schularbeit schätzen wellte, Niemand bezweifeln wird daß der fünfzehnjährige Jüngling sich durch dieselbe das Maturitätszeugniß geschrieben habe. Allein so gewiß derselben ein höherer und selbständiger Werth zukommt, so läßt sich doch das nicht leugnen, daß sie aus dem Charakter der übrigen Sätze der Litanei heraustritt: ein Uebelstand, der freilich durch ein Herkommen gerechtfertigt schien, welches an dieser Stelle ausschließlich contrapunktisches Verdienst anerkannte. Das Agnus Dei kehrt wieder zu dem früheren Stil zurück, es ist ein Sopransolo im concertirenden Geschmack, mit Passagen und anderen Gesangskünsten verziert, wie man sie derzeit im Adagio liebte; allein dessen ungeachtet wahr und einfach empfunden und anmuthig schön8. Der Chor [507] nimmt beim drittenmal das Agnus Dei auf, und schließt, indem die Grundmotive des Solo, in passender Weise vereinfacht und abgeändert, angewendet werden, in milder Ruhe ab9.

Die zweite Litanei in Es dur, im März 1776 componirt, ebenfalls ein sorgfältig ausgeführtes Musikstück, zeigt dieselbe [508] Anlage in der Anordnung der einzelnen Theile und dieselbe opernmäßige Behandlung bestimmter Stücke, die aber hier noch schärfer abstechen, weil im Ganzen dem Charakter der Reise, welcher in diesem Werk sowohl in Hinsicht auf die Erfindung und Durcharbeitung als auf den die mildruhigen wie die großartigen Sätze durchdringenden Einst ausgeprägt ist, der angeheftete Flitterputz noch weniger zupaßt. Das Kyrie hat nicht die sonst wohl vorkommende etwas unruhige Lebhaftigkeit, sondern den innigen Ausdruck einer milden Ruhe, der durch die mäßig bewegten Figuren der Begleitung gehoben, aber nicht im Geringsten gestört wird. Die Anlage und Durchführung ist einfach, Solo und Chor wechseln miteinander ab; das Hauptmotiv kehrt zum Schluß wieder, dazwischen sind wie in einem mittleren Theil, kleinere einander entsprechende Motive gruppirt; besonders ist das miserere in verschiedener Nuancirung schön ausgedrückt. Nach diesem harmonischen Ausdruck einer gesammelten, ruhigen Stimmung überrascht es die Worte panis vivus in einer Tenorarie wiedergegeben zu finden, die vollkommen den Stil der Opernarie hat. Sie ist breit angelegt und ausgeführt, mit langen Ritornellen, Passagen und Allem versehen, was zu einer eigentlichen Bravurarie gehört, und hat im Ausdruck die Mischung von heroischer Würde und Lebhaftigkeit, welche diese Arien in der Opera seria charakterisiren. Durch die Behandlungsweise wird man auffallend an den Re pastore erinnert. Auch hier zeigt sich in den einzelnen Motiven sowohl der Singstimme als der Begleitung, in der Modulation und überhaupt in der ganzen Gestaltung die größere Intensivität der Erfindung, die reifere Durchbildung, das seine Gefühl für Schönheit und Ebenmaaß, aber durch die Form auch da gebunden, wo die Normen derselben nicht aus den Gesetzen der Kunst sondern willkührlich bestimmt waren, welche ein [509] hervorragendes Genie durch die Fülle seiner Erfindung und Kunst wohl schmücken und heben aber nicht eigentlich erfüllen und beleben kann. Dies bewährt sich in den folgenden Sätzen, in welchen, obgleich der Text nur an wenigen Stellen zu einem bestimmten musikalischen Ausdruck auffordert, eine vortreffliche Gliederung der größeren Abschnitte gegen einander und der einzelnen Motive innerhalb derselben den Meister ebenso bekundet, als der wahre und schöne Ausdruck der Empfindungen an sich und das Maaßhalten und Abwägen, um bei wirksamer Schattirung und Steigerung die Einheit des Tons festzuhalten. Die Worte verbum caro factum sind als eine feierliche Einleitung gehalten und von der schönsten Wirkung; ganz vortrefflich ist die Behandlung des miserere, welches zuerst im Gegensatz gegen die feierliche Anrufung in tiefer Lage, ohne Begleitung, wie aus gepreßter Brust gemurmelt wird, dann zu einem Angstschrei sich steigert und allmählich steh senkt und in sich selbst zurücksinkt. Auf diesem dunkeln Grunde hebt sich der folgende Satz Hostia sancta, seinem allgemeinen Charakter nach dem Kyrie entsprechend, mild und tröstlich. Solo und Chor wechseln ab; die Weise, wie sie einander entgegengestellt sind, wie die Motive der Solostimmen wechselnd wiederkehren, mit einander verbunden werden, die Gliederung des ganzen Satzes, der Wohllaut und die Harmonie im Wiedergeben der einmal angeschlagenen Stimmung sind vortrefflich. Der vorher schon berührte Ton des feierlich Erhabenen tritt, um vieles gesteigert, von Neuem im Tremendum ac vivificum sacramentum ein. Hier zeigt sich ein Fortschritt gegen die frühere Litanei schon darin daß die Worte tremendum und vivificum nicht einer äußerlichen Charakteristik wegen von einander getrennt und selbständig behandelt werden; vielmehr sind noch die Worte panis omnipotentia verbi caro factus, incruentum sacrificium, [510] cibus et conviva hinzugenommen und in einem zusammen hängenden, fest gegliederten Satz dargestellt. Die Bedeutung des Hauptmotivs verlangte um in einer der intensiven Kraft desselben entsprechenden Weise ausgeführt zu werden eine breitere Grundlage; die Wirkung dieses Satzes durch die Kraft der harmonischen Führung in stark ausgesprochenen aber wohlmotivirten Gegenlätzen, die auch durch die bedeutende und instrumental charakteristische Begleitung10 herausgehoben werden, ist großartig und tief ergreifend. Dieser mächtige Satz schließt in sich sowohl der Form als der Stimmung nach vollständig ab. Der folgende Dulcissimum convivium, ein Sopransolo, nähert sich in Auffassung und Form wieder dem Opernbasten. Es ist, obgleich es an Passagen nicht fehlt, doch keine große Bravurarie, wie die erste, sondern der Cavatine näherstehend, und im Ton und Ausdruck auch mehr zart und weich, dadurch also dem Kyrie und den ähnlichen Sätzen verwandter; immer aber bleibt die ganze Haltung hinter dem Ernst der Hauptsätze zurück, die bestimmte Form giebt auch den einzelnen Motiven einen weniger freien Charakter: Schwächen, welche durch die anmuthige und saubere Behandlungsweise nicht ausgeglichen werden können11. Mit dem tiefsten Ernst und in höchst eigenthümlicher Behandlung tritt dann das Viaticum in domino morientium [511] ein. Die sämmtlichen Sopranstimmen tragen eine dem Choralton entnommene Melodie12 als Cantus firmus vor, dessen Kraft und Würde durch eine volle und eigenthümlich gefärbte Orchesterbegleitung13 außerordentlich gehoben wird, so daß das Ganze eine ebenso überraschende als würdige Wirkung macht. Auf ihn folgt, ohne unmittelbar dadurch eingeleitet zu sein, das Pignus futurae gloriae in einem contrapunktischen Satz, der, obwohl nicht so lang wie die Fuge in der B-dur Litanei, doch auch von beträchtlicher Ausdehnung und in seiner Anlage und Bearbeitung viel complicirter ist14. Auch scheint es mir als merke man diesem Satz mehr als anderen contrapunktischen Stücken Mozarts die Arbeit an, und als ob die Singstimmen weniger als solche und manchmal nur als die abstracten Träger der contrapunktischen Ausführung behandelt seien. Das Agnus Dei ist ein Sopransolo, wie wir es schon kennen; doch ist hier der Charakter[512] einer weichen Anmuth vorherrschend, welchen nicht allein die Passagen der Singstimmen, sondern die concertirende [513] Behandlung der begleitenden Instrumente noch mehr ins Zierliche spielen15. Dieser Satz hat daher mehr Verwandtschaft mit manchen Sätzen der späteren Mozartschen Opern; denn von der charakteristischen Weise der eigentlichen Opera seria hat er gar nichts mehr an sich. Zum Schluß nimmt der Chor wiederum das Hauptmotiv des Kyrie auf, aus welchem ein einfacher Schluß herausgearbeitet wird, der auch der Stimmung nach das Ganze angemessen abschließt16.

Fußnoten

1 So fest war die Regel daß die oben (S. 127. 301) berührten, in den Opern gewöhnlichen Cadenzen auch hier in derselben Weise wiederkehren.


2 Der deutsche Text, welcher diesem Satz in der Cantate II untergelegt ist, hebt den Eindruck der musikalischen Darstellung völlig auf. Diese hat etwas angenehm Behagliches, aber Lebendiges, wie es südlichen Völkern eigen ist, eine Stimmung, mit welcher die Worte dieses Textes im völligen Widerspruch stehen.


3 Die eigentliche Factur ist, wie in anderen Werken aus jener Zeit, einfach; die Singstimmen sind selten eigentlich contrapunktisch, sondern meistens harmonisch behandelt, aber fließend in der Stimmführung und in der Modulation frei und sicher. Auch die Begleitung ist einfach, und macht selten auch nur durch hervortretende Figuren auf selbständige Bedeutung Anspruch.


4 Es ist von großem Interesse Mich. Haydns Litaniae de venerabili sacramento in G moll (Leipzig, Breitkopf und Härtel), welche um dieselbe Zeit und unter denselben Verhältnissen wie die Mozartschen geschrieben sind, mit diesen zu vergleichen. Es ist ein vortreffliches Werk, das in seiner Anlage und Ausführung den durchgebildeten Meister bewährt. Wenn es im Ganzen weniger blühend, weniger weich und anmuthig, in mancher Hinsicht ernster erscheint als die Mozartschen, so zeigt dies die Verschiedenheit in der künstlerischen Natur der beiden Meister; die allgemeine Auffassung ist nicht wesentlich unterschieden, der Einfluß der Oper auch bei Mich. Haydn unverkennbar. Wenn er geringer erscheint als bei Mozart, so liegt das hauptsächlich in anders gearteter Productionskraft, nicht in der ästhetischen Auffassung.


5 Dies findet sich ebenso auch bei Mich. Haydn und Anderen.


6 Dieser Satz ist von Mozart zweimal componirt. Anlage und Behandlung ist beidemal dieselbe, allein er schloß anfangs in B-dur. Da nun die folgende Fuge auch in B-dur ist, und das Thema die Tonart mit einer gewissen Hartnäckigkeit anschlagt, zog Mozart es vor, die Einleitung in F-dur zu schließen, und um den Schluß auf der Dominante entschieden auszuprägen, wiederholte er ihn in etwas modificirter Weise und gab dadurch zugleich sehr zweckmäßig der Einleitung eine größere Breite.


7 Sie war ursprünglich noch länger als sie in der Cantate I gedruckt vorliegt; Mozart hat aber selbst an drei Stellen (S. 21 Tact 11; S. 23 Tact 11; S. 24 Tact 10) Kürzungen und soweit es dadurch nöthig wurde, Aenderungen vorgenommen. Spuren seiner bessernden Hand sind auch im Kyrie einigemal sichtbar; das anfangs Geschriebene ist sorgfältig ausradirt und mit dunklerer Dinte die Correcturen eingetragen.


8 Mitten im Solo, beim zweiten Agnus Dei, hat Mozart die Singstimme im Tenorschlüssel geschrieben, wie es scheint nur aus Zerstreutheit, da die ersten und letzten Tacte auch dieses Abschnittes im Sopranschlüssel stehen; auch hat der Vater sorglich die ganze Stelle auf einem leer gebliebenen System in den Sopranschlüssel umgeschrieben. Zu Anfang des ganzen Satzes hat derselbe darüber geschrieben: »Das Solo vom Agnus Dei wird für Hrn. Meißner in die Baßstimme hinein geschrieben.« Von dem schon S. 428 erwähnten Jos. Meißner heißt es in der Nachricht vom Jahr 1757 (Marpurg krit. Beitr. III S. 190f.), er sei ein trefflicher Sänger. »Seine Stimme hat etwas ganz außerordentlich Angenehmes und er kann mit derselben die Höhe eines guten Tenors und die Tiefe eines Kammerbasses ohne allen Zwang mit schöner Gleichheit erreichen. Er ist sonderlich in dem Pathetischen stark und die Passagen, die einen einfältigen Vortrag erfordern, weiß er unverbesserlich vorzutragen, denn sie sind ihm natürlich.« Wolfgang, der seinem Vater eine Charakteristik Raaffs giebt, lobt besonders dessen Andantino und fahrt fort (12. Juni 1778): »Seine Stimme ist schön und sehr angenehm. Wenn ich so die Augen zumache wenn ich ihn höre, so finde ich an ihm viel Gleiches mit dem Meißner, nur daß mir Raaffs Stimme noch angenehmer vorkommt. Meißner hat wie Sie wissen die üble Gewohnheit daß er oft mit Fleiß mit der Stimme zittert, ganze Viertel, ja oft Achtel im Aushalten der Note marquirt, und das habe ich an ihm nie leiden können, – das ist auch wirklich abscheulich, das ist völlig ganz wider die Natur zu singen. Die Menschenstimme zittert schon selbst, aber so, in einem solchen Grade daß es schön ist – das ist die Natur der Stimme. Man macht ihrs auch nicht allein auf den Blasinstrumenten, sondern auch auf den Geigeninstrumenten nach, ja sogar auf dem Claviere – sobald man aber über die Schranke geht, so ist es nicht mehr schön, weil es wider die Natur ist; da kommt mirs just vor wie auf der Orgl wenn der Blasbalg stoßt. Nun das hat der Raaff nicht, das kann er auch nicht leiden. Was aber das rechte Cantabile anbelangt, so gefällt mir der Meißner (obwohl er mir auch nicht ganz gefällt, denn er macht mir auch zu viel) – aber doch besser als der Raaff. Was aber die bravura, die Passagen und Rouladen betrifft, da ist der Raaff Meister.«


9 Daß Mozart auf die Vollendung dieser tüchtigen Arbeit, die einem funfzehnjährigen Jüngling alle Ehre macht, einen gewissen Werth legte, zeigt daß er aus Ende seiner Partitur schrieb Finis I. O. D. G. Aehnliches erinnere ich mich nur bei einer Symphonie (Beil. X, 9) gefunden zu haben; bei anderen Componisten ist es gewöhnlich, J. Haydn schrieb zu Anfang jeder Composition In nomine Domini, J.S. Bach I. C. S., Mendelssohn H. d. m.


10 Den Saiteninstrumenten, welche eine mächtige Figur durchführen, stehen die Blasinstrumente in ungewöhnlicher Starke gegenüber. Mit den Oboen und Hörnern sind noch die Fagotts vereinigt, und auch die Posaunen verstärken dabei nicht bloß die Singstimmen, sondern greifen selbständig ein.


11 Auch die Begleitung ist sorgfältig behandelt, und die Blasinstrumente – Flöten, Hörner und Fagotts – sind in einer Weise zusammengestellt und selbständig eingreifend, die der später üblichen Instrumentation bereits vorgreift.


12 Die Melodie ist, wie mich mein College Heimsoeth belehrt, die des Hymnus vom heil. Altarsacrament:


Pange lingua gloriosi

corporis mysterium

sanguinisque pretiosi,

quem in mundi pretium

fructus ventris generosi

rex effudit gentium


nach römischer Singweise, wie sie sich in einem Antiphonarium Romano-Servitanum (Prag 1754) verzeichnet findet.


13 Die Blasinstrumente – Oboen, Hörner, Fagotts und Posaunen – und zwei gedämpfte Bratschen geben die Harmonie in vollen Accorden an, die Geigen pizzicato bewegen sich mit einer Achtelfigur meistens in gebrochenen Accorden, die Basse spielen pizzicato und werden von der Orgel unterstützt.


14 Das Hauptthema von 6 Tacten begreift die Wortepignus futurae gloriae miserere nobis, allein im dritten Tacte treten mit den Worten miserere nobis die drei anderen Stimmen dazu:


23.

23.

23.

die Motive derselben werden dann bei der Durchführung des Hauptthemas auf verschiedene Weise verarbeitet. Nach der ersten Durchführung tritt ein zweites selbständiges Thema ein


23.

23.

das dann mit der früheren vollständig durchgearbeitet wird.


15 Flöte, Oboe und Violoncell sind als Soloinstrumente und auch in Passagen mit der Singstimme concertirend eingeführt.


16 Diese Wiederaufnahme des Kyrie findet sich auch in der Litanei von Mich. Haydn; auch in den Messen ist es nicht ungewöhnlich, daß das Dona mit dem Motiv des Kyrie schließt, z.B. Messe 16.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

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