26.

Von den bisher behandelten Instrumentalsätzen unterscheiden steh die, welche mit dem Namen Divertimento bezeichnet werden, nicht durch die Form, sondern dadurch daß die verschiedenen Stimmen nur einfach besetzt werden1. Das älteste derselben, in Mailand im Jahr 1771 componirt (50)2, [575] hat die Form der Symphonie – vier Sätze in der gewöhnlichen Reihenfolge, den letzten Satz als Rondo behandelt –, und ist auch in der Kürze und Knappheit, mit welcher die einzelnen Sätze ausgeführt sind, den Symphonien jener Zeit ganz verwandt. Die Saiteninstrumente sind durchaus nicht obligat behandelt und unterscheiden sich kaum von den gewöhnlichen Ripienstimmen einer Symphonie, die Blasinstrumente – zwei Clarinetten und zwei Hörner – treten allerdings mehr als gewöhnlich hervor. Zwar concertirend sind sie auch nicht, allein sie haben nicht den Charakter einer bloßen Verstärkung der Saiteninstrumente, sondern sie machen sich bald zusammen, bald getrennt diesen gegenüber mit eigenen Motiven und Gängen als selbständig geltend; im Andante tragen die Blasinstrumente allein mit den Bässen das Thema vor. In einer für eine spätere Aufführung vorgenommenen Bearbeitung sind die Blasinstrumente noch nachdrücklicher hervorgehoben. Da man im Salzburger Orchester keine Clarinetten besaß, hat Mozart sich nicht begnügt Oboen ihre Stimme zu geben, sondern an ihrer Stelle sind mit den Hörnern zwei Oboen, zwei englische Hörner und zwei Fagotts verbunden3. Dieser vollere Chor ist nun so benutzt, daß bald Oboen und englische Hörner die Partie der Clarinetten gemeinsam übernehmen, bald die englischen Hörner, oder auch [576] die Fagotts die Hörner unterstützen, während die letzteren meistens den Baß verstärken. Im Wesentlichen ist nichts geändert, und die Saiteninstrumente sind von der Bearbeitung ganz unberührt geblieben; beachtenswerth ist dabei, wie eine durch äußere Umstände gebotene Veränderung zur Bereicherung und Verschönerung geführt hat4.

Sehr groß ist die Abwechslung in dem nächsten Divertimento vom Juni 1772 (51), das wie die größten Serenaten aus stehen Sätzen besteht, in welchen die Combination der verschiedenen Instrumente – es sind außer vier Hörnern eine Flöte, eine Oboe und ein Fagott neben dem Saitenquartett beschäftigt – mit stehtlicher Liebe variirt ist. So ist das erste Adagio für die Streichinstrumente, das zweite für die Blasinstrumente, die sämmtlich concertirend sind, allein geschrieben; der erste Menuett ist für die Saiteninstrumente allein, in den drei Trios wechseln die Blasinstrumente mit einander ab, das erste blasen die vier Hörner, das zweite Flöte, Oboe und Fagott, das dritte sämmtliche Bläser und in der Coda vereinigen sich alle Instrumente. Eine andere Zusammenstellung ist beim zweiten Menuett gemacht, der von allen Instrumenten gespielt wird, unter denen die vier Hörner besonders hervortreten; beim ersten Trio gesellt sich die Flöte, beim zweiten die Oboe zu den Saiteninstrumenten. In dem dritten Satz, einem Allegretto, ist die Flöte obligat und die Hörner schweigen; im ersten und letzten Satz wirken alle Instrumente zusammen. Man sieht, eine wie reiche und vielfach schattirte [577] Abwechslung allein nach dieser Seite hin diese Composition darbietet5.

Weniger reich ausgestattet, aber in mancher Beziehung eigenthümlich ist ein Divertimento in sechs Sätzen für Oboe und zwei Hörner neben den Saiteninstrumenten aus dem Juli 1776 (54)6. In der Behandlung der einzelnen Sätze findet sich z.B. das Eigenthümliche daß der zweite Menuett kein Trio hat, sondern statt dessen dreimal variirt wird, wobei die Oboe und die beiden Violinen abwechselnd vortreten7. Hierbei zeigt sich in einigen, obwohl sehr mäßigen Passagen, etwas von concertirender Weise, übrigens sind auch in diesem Divertimento die Stimmen einfach und nicht eigentlich obligat behandelt. Die Oboe tritt zwar durchgehends in bedeutender Weise hervor, aber nicht durch Passagen, sondern durch ausgehaltene Töne und gesangreiche Melodien. Bei der Behandlung der Saiteninstrumente verräth sich, wie das von dieser Zeit nicht anders zu erwarten ist, die Sicherheit in der Belebung des Ganzen durch freie Stimmführung, die, wenn es auch keine eigentlich ausgearbeitete Durchführung wird, [578] doch überall in kleinen Ansätzen auf thematische Behandlung hinweist. Sehr bemerkbar aber ist in dieser Composition schon eine Erscheinung, die später genauer zu verfolgen sein wird, daß die Melodien in den Instrumentalcompositionen Mozarts, je freier und selbständiger dieselben sich entwickeln, um so mehr einen national deutschen Charakter tragen. Zur völligen Klarheit kommt dies, wenn die deutsche Oper der italiänischen bestimmt entgegentritt, unverkennbar aber wird diese Richtung schon in der Instrumentalmusik, seitdem auch in ihr eine selbständige Entfaltung beginnt. Und grade in diesem kleinen Werke finden sich Melodien, die einen so zu sagen volksthümlich deutschen Charakter haben und an die Weisen deutscher Lieder erinnern.

Die Verbindung der Hörner mit den Saiteninstrumenten, wie sie schon in diesem Divertimento sich geltend macht, tritt uns auch in späteren als eine damals beliebte entgegen. Es liegt in der Natur dieser Instrumente daß eine innige Verschmelzung beider Elemente kaum zu erreichen ist. Je freier und gründlicher die thematische Durcharbeitung in den Saiteninstrumenten geführt wird, um so weniger werden sich die Hörner dabei recht eigentlich betheiligen, wenn auch in einzelnen Fällen bei der Erfindung und Bearbeitung der Motive, bei harmonischen Wendungen die eigenthümliche Beschaffenheit dieser Instrumente benutzt und zu sehr schönen Wirkungen verwandt werden kann. Die eigentlichen charakteristischen Horngänge können nur selten, meistens im Menuett oder einem lustigen Finale zur Geltung kommen; desto mehr Gebrauch läßt sich von den schönen gehaltenen Tönen machen. Ueberhaupt kommt es darauf an die Hörner ganz selbständig in das selbständige Wesen der Saiteninstrumente eingreifen zu lassen, nicht nothdürftig die zufällig passenden Horntöne anzubringen, wie sie allenfalls zur Verstärkung bei einem [579] Tutti zu gebrauchen sind, sondern die Hörner, wo sie eintreten, zu ihrer vollen natürlichen Wirkung kommen zu lassen, wodurch dann allerdings ein schönes, tiefes Colorit zu erreichen ist. Concertirend und in diesem Sinn obligat sind sie in diesen Stücken nicht gebraucht, ihre Wirkung beruht auf dem geschickt benutzten Contrast der Klangfarbe.

In einem Divertimento, das etwa 1773 oder 1774 geschrieben sein mag (52) sind zwei Hörner mit Violine, Bratsche und Baß verbunden8. Es ist kurz und knapp in den Formen, aber mit Gewandtheit geschrieben. Im Adagio treten die Violine und Bratsche concertirend auf zu einem ganz einfachen Grundbaß, die Hörner schweigen9; man muß sich dabei erinnern daß damals auch bei Symphonien regelmäßig auf dem Klavier begleitet wurde.

Nicht allein weit bedeutender, sondern vollkommen fertige und reiche Kunstwerke echt Mozartschen Gepräges sind die beiden Divertimenti für Quartett mit zwei Hörnern aus den Jahren 1776 und 1777 (53. 55). Beide haben sechs Sätze, die alle voll und reich ausgeführt sind; Fülle und Anmuth in der Erfindung, der thematischen Durchführung und harmonischen Behandlung sind hier in reichster Entwickelung vorhanden. Es genügt z.B. auf den Mittelsatz des ersten Allegro in 53 einen Blick zu werfen um die echte Mozartsche Kunst zu gewahren, [580] und so tritt sie überall im Ganzen und Einzelnen unverkennbar hervor. Die Saiteninstrumente sind im Stil des eigentlichen Quartetts gehalten, also mit selbständiger Bewegung und Betheiligung der einzelnen Stimmen, jedoch so daß die erste Violine merklich das Uebergewicht hat, und je entschiedener dieselbe als Solostimme behandelt wird, um so mehr nehmen die übrigen den Charakter der Begleitung an. Dies Verhältniß ist in den verschiedenen Sätzen ein verschiedenes. Im ersten Divertimento (53) tritt die erste Violine zwar in allen Sätzen entschieden als die melodieführende hervor, allein während übrigens der Charakter nur in einzelnen Passagen solomäßig wird, tritt im Adagio eine vollkommen concertirende, bravurmäßige Behandlung der Violine ein. In dem letzten, in jeder Hinsicht groß angelegten und ausgeführten Divertimento (55) ist dagegen durchweg die erste Violine als Soloinstrument mit allen Anforderungen an Bravur behandelt, obgleich dadurch keineswegs die übrigen Instrumente so zurückgedrängt werden, daß sie nicht auch, wenn gleich in bescheidener Weise, doch durchaus selbständig mitwirkten. Man gewahrt vielmehr in der seinen und sauberen Behandlung des Details, oft in kleinen Zügen, nicht allein die Sicherheit und Gewandtheit eines geübten Technikers, sondern den schaffenden Geist eines Künstlers, der auch in den Nebendingen sich productiv erweist. Die Violine tritt gleich im ersten Satz, obwohl hier die thematische Behandlung vorwiegt, mit Solopassagen hervor und die Durchführung im zweiten Theil wird hauptsächlich durch Bearbeitung der Passagen bewerkstelligt. Die zweite Stelle – wo in jenem Divertimento ein einfaches, höchst anmuthiges Andante grazioso, eine Art Lied ohne Worte steht – nimmt hier ein Thema mit Variationen ein, an denen sich zwar alle Instrumente gebührend betheiligen, aber die Geige durch virtuosenhafte Bravur, die ihr allein zugemuthet wird, [581] den Vorrang in Anspruch nimmt. In den beiden Menuetts tritt dieser Charakter am wenigsten hervor, sehr entschieden ist er dagegen in dem breit angelegten Adagio ausgesprochen, wo die übrigen Instrumente auch dadurch zurücktreten, daß die zweite Violine und Bratsche gedämpft, der Baß pizzicato spielt10. Dem entsprechend herrscht die erste Geige nicht allein dadurch daß sie die Melodie führt, sondern diese ist auch mit Figuren und Passagen reich geschmückt, deren Ausführung einen Virtuosen verlangt. Der Schlußsatz wird durch ein Andante eingeleitet, in welchem der ersten Violine ein Recitativ gegeben ist, – ganz in der Weise, wie diese Form später so häufig benutzt ist, – nicht zu lang ausgedehnt und so ausgeführt, daß der ganze Umfang des Instruments charakteristisch heraustritt. Auf diese Einleitung folgt ein langes Molto Allegro im 3/8 (Takt, das in unaufhaltsamer Bewegung den Geiger fortwährend in der verschiedenartigsten Weise beschäftigt und ihm Gelegenheit bietet seine volle Tüchtigkeit in jeder Art der technischen Durchbildung zu bewähren, zugleich aber ein wohl angelegtes und durchgeführtes Musikstück bildet, in welchem auch den übrigen Stimmen ihr volles Recht widerfährt. Zuletzt tritt das Recitativ noch einmal wieder ein, worauf ein kurzer brillanter Schluß folgt. Die Stimmung, welche sich in diesem Satz ausdrückt, ist nicht die gewöhnliche [582] einer lustigen Heiterkeit, wie sie in den Finalen Mozarts vorherrscht, sondern es ist etwas von treibender Hast darin, von wechseln der Laune, es fallen stärkere Accente als sonst gewöhnlich, was alles auf eine gewisse Spannung deutet, die auch in der recitativischen Einleitung sich ausspricht. Allerdings darf man diese Andeutungen nicht nach den Voraussetzungen des weltschmerzlichen Fiebers der neuesten Musik auslegen; sie gelten vielmehr nur wenn man sich in die Auffassung jener Zeit versetzt.

Am passendsten findet hier auch das dritte Divertimento in D-dur (56) seine Erwähnung, obgleich es nicht nach bestimmten äußeren Zeugnissen diesen Jahren zugesprochen werden kann. Es ist möglich, daß es erst im Jahr 1779 oder 1780 componirt worden ist, allein die Uebereinstimmung in der Wahl und Behandlung der Instrumente, in der Zahl und Anordnung der Sätze und in der Darstellungsweise mit den beiden eben erwähnten ist so groß, daß man es kaum davon trennen kann. Der größeren Anlage und breiteren Ausführung nach steht es dem letzten in B-dur am nächsten; vielleicht ist die erste Violine hier etwas weniger virtuosenhaft behandelt – jedenfalls ist der Unterschied nicht wesentlich –, die Stimmung aber ist eher etwas ruhiger und wiewohl heiter und freundlich doch gehalten. Die Beherrschung der Form in der Anlage und Gruppirung, in der Stimmführung ist hier ebenso vollkommen, die Sicherheit in der harmonischen und contrapunktischen Bearbeitung der Motive, die Freiheit und Leichtigkeit mit der dieselbe nicht als sei es eigentlich darauf angelegt, sondern als ergebe sie steh von selbst aus dem einmal ausgesprochenen Gedanken am rechten Fleck und mit dem rechten Maß sich geltend macht, ist hier wie dort gleich ausgebildet. Wenn der erste Satz hier vielleicht größer angelegt, die Motive breiter sind, so ist dort das Adagio tiefer und [583] weiter ausgeführt, auch der letzte Satz ist in dem Divertimento in Es-dur eigenthümlicher. Die übrigen Sätze dürften einander nicht viel nehmen. Wenn man genauer in die Structur der einzelnen Sätze eingehen will, wird man große Verwandtschaft zwischen diesen Stücken finden, die ebenfalls dafür spricht daß beide der Zeit nach nicht weit auseinander liegen11.

Dies Divertimento war es, was Mozart in München spielte, »als wenn er der größte Geiger von Europa wäre«, daß »Alles groß darein schauete«. Wir sehen also, daß das Hervortreten des Virtuosenmäßigen in der Behandlung der Geige, welches sowohl in diesen Stücken als in den Serenaten schon seit dem Jahr 1773 sich mehr und mehr geltend macht, Hand in Hand mit der Ausbildung Mozarts als Violinvirtuosen geht, die wir noch näher zu betrachten haben werden12.

Wenn in der damals üblichen Zusammensetzung des Orchesters [584] die Blasinstrumente nur schwach vertreten waren, so darf man daraus nicht schließen, daß diese überhaupt vernachlässigt wurden. Die sogenannte Harmoniemusik, welche allein aus Blasinstrumenten in verschiedener und oft schon reicher Zusammensetzung gebildet wurde, war damals sehr beliebt. Theils wurde sie viel für Nachtmusiken jeder Art verwendet, theils pflegten vornehme Herren, welche ihre eigene Kapelle hielten, sechs- oder achtstimmige Harmoniemusik bei der Tafel, Mittags und Abends zu verwenden13, was denn namentlich in großen Wirthshäusern Nachahmung fand14. So war es auch in Salzburg Sitte, und Mozart fehlte es daher nicht an Gelegenheit sich auch nach dieser Seite hin auszubilden.

In der Form sind diese Compositionen, für welche der Name Divertimento oder auch Partita (Partie) vorzugsweise im Gebrauch blieb, den bisher besprochnen ähnlich. Zum Theil bestehen sie aus mehreren Sätzen, die in derselben Weise gruppirt zu werden pflegen, wie wir es bereits kennen, zum Theil haben sie auch nur drei oder vier Sätze, die aber [585] nicht so fest bestimmt, wie die der Symphonie waren, sondern mehr Freiheit und Abwechslung gestatteten15.


Die beiden ersten Stücke der Art vom Jahr 1773 (59. 60) sind nicht ohne Interesse durch die vollständigere Besetzung: sie sind beide zehnstimmig für 2 Oboen, 2 Clarinetten, 2 englische Hörner, 2 Waldhörner und 2 Fagotts16. Allein die Anlage und Ausführung entspricht den reicheren Mitteln nicht; hier ist noch Alles klein, weder an Umfang noch innerer Bedeutung erheblich, und auch mit den Instrumenten ist nicht frei und kräftig geschaltet.


Für eine ganz besondere Veranlassung muß eine Anzahl kleiner Sätze für 2 Flöten, 5 Trompeten (in C und D) und 4 Pauken (in C. G. D. A) geschrieben sein (61. 62), die etwa aus dem Jahr 1773 oder 1774 herrühren. Wahrscheinlich hat bei einer festlichen Gelegenheit den reich besetzten Trompetenchören Gelegenheit gegeben werden sollen, sich nicht bloß in Fanfaren hören zu lassen. Ob es auf einem Herkommen oder dem genauen Studium eines besondern Effects beruht, daß Flöten mit den Trompeten vereinigt sind, kann ich nicht angeben. Den Flöten ist es übergeben die Melodie zu führen und zusammenhängende musikalische Sätze herzustellen, die übrigens alle kurz und weder dem Gehalt noch der Ausführung nach bedeutend zu nennen [586] sind. Die Trompeten betheiligen steh nur selten an der Melodie, meistens treten sie getheilt oder vereinigt als begleitende Stimmen auf; die Absicht war offenbar darauf gerichtet, die materielle Klangwirkung der Trompetenchöre möglichst zu erhalten und doch eine bestimmt gegliederte musikalische Form zu erreichen. Man kann daraus den Verfall der Trompeterkunst erkennen; in früheren Zeiten, als die Zunft der gelernten Trompeter noch blühete, hätten tüchtige Meister im Clarinblasen dieser Unterstützung der Flöten nicht bedurft.

Von größerem Interesse ist es, in den sechs Divertimenti für 2 Oboen, 2 Fagotts und 2 Hörner (63–68), welche in den Jahren 1775 bis 1777 geschrieben sind, zu beobachten, wie mit den geringen Mitteln innerhalb enger Gränzen ein Meister verfährt. Die Bestimmung dieser kleinen Stücke zur Tafelmusik oder zu ähnlichen Zwecken litt weder eine große Anlage und breite Ausführung, noch den Ausdruck tiefer und bedeutender Empfindungen: es sollte angenehm, heiter und rasch vorbei sein. Diesen äußeren Anforderungen genügen nun die Compositionen nicht allein, sie sind voll Anmuth und Grazie, sein und zart in der Erfindung. Die Ausführung aber zeigt eine sichere Meisterhand. Ohne irgend zu viel zu thun ist überall eine saubere und zierliche Detailbehandlung, überall kleine leicht hingeworfene Nebenzüge, welche das Ganze interessant und lebendig machen, hier eine Imitation, dort eine eigenthümliche Figur oder Wendung in den Mittelstimmen, und mit außerordentlicher Sicherheit sind den Instrumenten glückliche Effecte abgewonnen und durch die verschiedene Combination derselben und den Wechsel der Klangfarben trotz der beschränkten Mittel die festen Umrisse der wohlgegliederten Structur in klare Beleuchtung gesetzt, wie der Maler in einem Monochrom durch geschickte [587] Schattirung derselben Farbe seinen Gestalten plastische Rundung zu geben weiß17.

Fußnoten

1 Wir haben bereits gesehen, daß dieselben auch mit dem Namen von Cassationen angeführt werden; eins (50) führt zugleich den Namen Concerto, ist aber keineswegs concertirend im eigentlichen Sinn.


2 Wo Saiteninstrumente angewendet sind, ist die Baßstimme nur als Basso bezeichnet, es findet sich keine Andeutung darüber, ob damit Contrabaß und Violoncell, wie im Orchester, oder eins von beiden allein gemeint sei.


3 Es ist indessen auch möglich, daß diese Instrumente nur zur Verstärkung hinzugesetzt sind, da sich in zwei Compositionen für Blasinstrumente (57. 58) dieselben fünf Instrumente zusammen verwendet finden. Dieses Zusammentreffen läßt schließen daß die neue Bearbeitung im Jahr 1773 Statt fand, da auch Papier und Handschrift mit dem aus diesem Jahr datirten Divertimento (58) übereinstimmen.


4 Schon bei diesem kleinen Stück ist es nicht ohne Interesse zu verfolgen, mit welcher Sicherheit die bei der neuen Instrumentation sich ergebenden Vortheile benutzt sind; später werden uns ähnliche Umarbeitungen von bedeutenderen Werken begegnen.


5 Vier Hörner, welche sich hier ganz besonders geltend machen, finden sich bei Mozart schon früh angewendet und zwar meist so, daß je zwei einer anderen Tonart angehören, nicht allein in Symphonien (16. 17. 30 und zur Betulia liberata), sondern auch in Opern bei der Begleitung (Ascanio 11. Finta giardiniera 13. 26. Rè pastore 12).


6 Während wir aus diesen Jahren meistens saubere Reinschriften Mozarts haben, ist dies eine sehr flüchtig auf schon anderweitig gebrauchtem Notenpapier von verschiedenem Format hingeworfene Partitur, mit Abkürzungen, Anweisungen für den Copisten, und einzelnen Correcturen. Es scheint daß diese Composition für eine bestimmte Veranlassung rasch geschrieben und nachher liegen geblieben ist.


7 Das Thema ist dreistimmig angelegt, bei den Variationen ändert sich allein die variirende Stimme, die anderen bleiben unverändert, nur die Füllstimmen der Hörner sind fortgelassen.


8 Das Fagott, das mit angegeben ist, dient nur zur Verstärkung der Baßstimme. – Uebrigens ist auch diese Partitur rasch und flüchtig geschrieben.


9 In der Regel sind bei dem ausgeführten Adagio die Hörner nicht angewendet. Dies rührte wohl zum Theil von der allgemeinen Gewohnheit her diese Sätze schwächer zu instrumentiren, theils fürchtete man wohl bei der größeren Intensivität der Motive, bei der vielfach freieren Bewegung in Harmonie und Figuren die Einheit des Ganzen durch die hier mehr vereinzelt eingreifenden Hörner zu stören.


10 Der Gebrauch der gedämpften Saiteninstrumente, namentlich in langsamen Sätzen, sowohl bei der Begleitung als in der Symphonie und im Quartett war damals sehr häufig. Man scheint das Gefühl des Geheimnißvollen, Schaurigen, zu dessen Charakteristik sie jetzt überwiegend gebraucht werden, derzeit dabei nicht gehabt zu haben; in der Regel sieht man nur die Absicht durch die gemäßigte Klangfarbe eine Abwechslung hervorzubringen. Da man die Bässe nicht dampfte und also ihren Ton mit den übrigen nicht in Einklang bringen konnte, war es üblich sie dazu pizzicato spielen zu lassen, wodurch man dann einen durchaus contrastirenden Klang erhielt.


11 Auch die Behandlung der Hörner ist dieselbe; sie treten nicht sehr hervor, aber an einzelnen Stellen sind ihnen überraschende Wendungen abgewonnen, und überflüssig sind sie nirgend. Bemerkenswerth ist auch, daß durch die Anwendung des pizzicato öfter ein pikanter Effect hervorgebracht ist, als Mozart es später zu thun pflegte, z.B. in der sechsten Variation, im ersten Menuett.


12 Ein Scherz ist das Pastorale (58), in welchem dem Quartett ein Corno pastoriccio beigegeben ist. Um dies Instrument, das nur vier Töne hat


26.

die in der bekannten schalmeienartigen Weise verschieden gruppirt werden, anzubringen sind entsprechende Motive auch den Saiteninstrumenten mehrfach gegeben, und der Spaß besteht hauptsächlich in dem Wetteifer der Nachahmung in Anrufen und Antworten mit solchen Figuren unter den verschiedenen Instrumenten. Im Andante, wo das Kuhhorn schweigt, suchen die Saiteninstrumente abwechselnd durch ähnliche Wendungen den pastoralen Charakter darzustellen; im letzten Satz treibt das Kuhhorn mit seinen Signalen wieder sein Wesen. Das Ganze hat wiederum die für einen Scherz angemessene Kürze.


13 So wird die Tafelmusik des Churfürsten von Köln, aus 8 Blasinstrumenten bestehend, ganz besonders gelobt von Junker (musik. Corresp. 1791 S. 373).


14 Mozart schreibt seinem Vater von München (3. Oct. 1777): »Beyläufig um halb 10 Uhr kam eine kleine Musique von 5 Personen, 2 Clarinetten, Corni und 1 Fagotto. Hr. Albert [der Wirth], dessen Namenstag morgen ist, ließ mir und ihm zu Ehren dieseMusique machen. Sie spielten gar nicht übel zusammen; es waren die nämlichen die bei Albert im Saal aufwarten. Man kennt aber ganz gut daß sie von Fiala abgerichtet sind; sie bliesen Stücke von ihm und ich muß sagen daß sie recht gut sind, er hat sehr gute Gedanken.« Joseph Fiala war ein vortrefflicher Oboist, der um das Jahr 1776 in die Kapelle zu Salzburg eingetreten war.


15 So schließt z.B. 60 mit einem Contredanse en Rondeau; 64 hat als ersten Satz ein Andante, dann folgt ein Menuett, darauf eine Polonaise; 65 beginnt mit einem Andante mit Variationen.


16 Da Clarinetten angewandt sind, muß, weil das eine Divertimento (59) nach ausdrücklicher Angabe in Salzburg componirt ist, wo diese Instrumente im Orchester fehlten, eine ganz besondere Veranlassung dagewesen sein, die wohl auch die bereits (S. 576) erwähnte Umarbeitung einer anderen Composition (50) herbeiführte.


17 Mozart hat derartige Compositionen, deren man viel bedurfte, nicht wenige gemacht – sowie auch Beethoven in den ersten Jahren seines Wiener Aufenthalts deren manche geschrieben hat – und von den gedruckten Sachen der Art mag noch manches in diese Zeit gehören. Allein da bei der Sorglosigkeit im Publiciren, die mit der Dringlichkeit der Nachfrage für das tägliche Bedürfniß nur zunahm, nicht allein die Entstehungszeit nicht zu bestimmen ist, sondern willkührlich Arrangirtes und auch wohl Unverbürgtes mit aufgenommen wurde, so habe ich mich auf das Sichere beschränkt, da es genügt um eine richtige Vorstellung zu gewinnen.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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