12.

Der Vater erwartete daß Wolfgang auf dem directen Wege so rasch wie möglich heimkehren werde und gerieth in eine tödtliche Unruhe, als gar keine Nachricht eintraf, daß er in Straßburg angekommen sei. »Ich beichtete und communicirte sammt Deiner Schwester« schreibt er (19. Oct. 1778) »und bat Gott inständigst um Deine Erhaltung; der beste Bullinger betet täglich in der heil. Messe für Dich.« Dieser war von Grimm nicht, wie er versprochen hatte, mit der Diligence die in fünf Tagen nach Straßburg fuhr, sondern mit einem Wagen der zwölf Tage gebrauchte befördert worden. Länger wie acht Tage hatte er dieses Fahren nicht aushalten können und war in Nancy geblieben. Unterwegs hatte er einen deutschen Kaufmann getroffen, den ehrlichsten Mann von der Welt, der ihn lieb gewonnen hatte, auf alle Weise für ihn sorgte und um nur mit ihm noch reisen zu können einen weiten Umweg nicht scheute; sie lebten zusammen, wie er sagt, wie die Kinder und weinten, wenn sie an den bevorstehenden Abschied dachten. Mit diesem gedachte er mit einer wohlfeilen Gelegenheit nach Straßburg zu fahren, allein er mußte dort lange warten bis sich eine solche fand und kam erst gegen die Mitte Octobers nach Straßburg.

»Hier geht es pauvre zu«, schrieb er »doch werde ich übermorgen Samstag den 17ten Oct., ich ganz allein (damit ich keine Unkösten habe) etlichen guten Freunden, Liebhabern und Kennern zu gefallenper souscription ein Concert geben; denn wenn ich Musique dabey hätte, so würde es mir mit der Illumination über drei Louisdor kosten, und wer weiß, [322] ob wir so viel zusammenbringen.« Das war eine weise Vorsicht, denn in seinem nächsten Briefe (26. Oct. 1778) hatte er zu berichten, daß er bei diesem »kleinen Modell von einem Concert« ganze drei Louisdor eingenommen habe. »Das Meiste« fährt er fort »bestand aber in den Bravo und Bravissimo, die mir von allen Seiten zugeflogen – und zwar der Prinz Max von Zweybrücken beehrte auch den Saal mit seiner Gegenwart. Daß Alles zufrieden war, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Da habe ich gleich abreisen wollen, aber man hat mir gerathen, ich soll noch bleiben bis andern Samstag und ein großes Concert im Theatre geben; – da hatte ich die nämliche Einnahme zum Erstaunen und Verdruß und Schande aller Straßburger. Der Directeur Mr. Villeneuve schimpfte über die Einwohner dieser wirklich abscheulichen Stadt, daß es eine Art hatte. Ich habe freylich ein wenig mehr gemacht; allein, die Unkösten der Musik (die sehr schlecht ist, sich aber sehr gut bezahlen läßt), der Illumination, Wache, Buchdruckerey, die Menge Leute bey den Eingängen etc. machten eine große Summe aus. Doch muß ich Ihnen sagen, daß mir die Ohren von dem Applaudiren und Händeklatschen so wehe gethan, als wenn das ganze Theater voll gewesen wäre. Alles, was darin war, hat öffentlich und laut über die eigenen Stadtbrüder geschmälet; und ich habe Allen gesagt, daß, wenn ich mir mit gesunder Vernunft vorstellen können, daß so wenig Leute kommen würden, ich das Concert sehr gern gratis gegeben hätte, nur um das Vergnügen zu haben, das Theater voll zu sehen. Und in der That mir wäre es lieber gewesen; denn bey meiner Ehre es ist nichts Traurigeres, als eine große T Tafel von achtzig Couverts, und nur drey Personen zum Essen, – und dann war es so kalt! Ich habe mich aber schon gewärmt, und um den Herren Straßburgern zu zeigen, daß mir gar nichts daran liegt, so habe ich für [323] meine Unterhaltung recht viel gespielt, habe um ein Concert mehr gespielt, als ich versprochen habe, und zuletzt lange aus dem Kopfe. – Das ist nun vorbey, wenigstens habe ich mir Ehre und Ruhm gemacht.« Außerdem spielte er auch noch auf den beiden besten Silbermannschen Orgeln in der Neukirche und Thomaskirche öffentlich, und da eine große Ueberschwemmung die Wege unfahrbar und seine Abreise unmöglich gemacht hatte, so entschloß er sich an seinem Namenstage, den 31. October, sich und Andere damit zu amusiren, daß er auf Andringen seiner Freunde der Herren Frank, de Beyer u.a. noch ein Concert gab, welches ihm – einen Louisdor einbrachte1.

[324] Auf den Rath gereister Freunde trat er am 3. November die Weiterreise mit der Diligence über Mannheim an; es war das freilich ein Umweg von acht Stunden, allein der bessere Weg und bequemere Wagen sollte denselben reichlich einbringen; am 6. Nov. langte er glücklich zur angenehmsten Ueberraschung seiner Freunde dort an. War der Vater schon mit dem langen Aufenthalt in Nancy und Straßburg unzufrieden gewesen, so erschien ihm die Reise nach Mannheim als der dummste Streich, den Wolfgang machen konnte, da die Webersche Familie und seine meisten Freunde schon nach München übergesiedelt und nichts für ihn dort zu thun war. Allein er hing mit seinem ganzen Herzen viel zu sehr an Mannheim, als daß er nicht dort sich in der Erinnerung an eine für ihn so wichtige und so schöne Zeit hätte erholen und entschädigen müssen. Zwar der größte Theil der Musiker war schon in München, aber viele liebe Freunde traf er dort noch an. Er wohnte bei Mad. Cannabich, welche vorläufig noch dort geblieben war, und von der er sich nicht genug erzählen lassen konnte, und bei den Bekannten war es »ein rechtes Gereiß um ihn«, denn »sowie ich Mannheim liebe, so liebt auch Mannheim mich.« Unter diesen Umgebungen wurden auch die alten Wünsche und Hoffnungen in ihm wach. Man war in Mannheim überzeugt, der Churfürst werde gewiß bald wieder dorthin zurückkehren (S. 144), denn er könne die Grobheiten [325] der Herrn Bayern nicht ertragen und es deshalb in München unmöglich lange mehr aushalten2. Wie gern glaubte auch Wolfgang solchen Reden und der bestimmten Aussicht, welche man ihm zugleich eröffnete daß eine Anstellung beim Churfürsten ihm jetzt gar nicht fehlen könne. Mannheim und Salzburg – welch ein Unterschied! »Der Erzbischof« schrieb er seinem Vater (12. Nov. 1778) »kann mich gar nicht genug bezahlen für die Sklaverey in Salzburg. Ich empfinde alles Vergnügen, wenn ich gedenke Ihnen eine Visite zu machen, aber lauter Verdruß und Angst, wenn ich mich wieder an diesem Bettlhof sehe.« Auch fand sich schon vorläufig Aussicht auf Verdienst und – was verlangte er mehr? – Gelegenheit zu dramatischen Compositionen in Mannheim.

Bei der allgemeinen Verödung, welche über Mannheim hereinbrach, als der Churfürst mit dem ganzen Hofstaat nach München übersiedelte, waren patriotische Männer darauf bedacht durch mancherlei Mittel dem stockenden geistigen und materiellen Verkehr wieder aufzuhelfen. Unter diesen war Freiherr Heribert von Dalberg, welcher es durchsetzte, daß der Churfürst eine namhafte Unterstützung zur Unterhaltung eines Theaters bewilligte, durch welches die Pläne ausgeführt werden sollten, welche man früher bei der Gründung eines Nationaltheaters im Sinn gehabt hatte (S. 79f.)3. [326] Dalberg wurde an die Spitze desselben gestellt und leitete dasselbe so uneigennützig als eifrig; er suchte den Einfluß und die Bedeutung der Bühne zu heben, indem er mit Ernst den künstlerischen Gesichtspunkt sowohl bei der Wahl der aufzuführenden Stücke als bei der Darstellung durch die Schauspieler geltend machte und festhielt. Sowie er im Schauspieler den Künstler ehrte und ihn in seiner gesellschaftlichen Stellung hob und frei machte, so trat er selbst in die Reihe der Schriftsteller für die Bühne und suchte auch durch eigene Leistungen das Theater zu fördern. Auf eine hohe Stufe und zu eigenthümlicher Bedeutung gelangte das Mannheimer Theater allerdings erst im Herbst 1779, wo die vorzüglichsten Mitglieder des Gothaischen Hoftheaters, unter ihnen Iffland, nach Mannheim gezogen wurden4. Als Mozart von Paris zurückkam, war Seyler mit seiner Gesellschaft dort, allein man war schon damals eifrig bestrebt die vorhandenen Kräfte weiter auszubilden. Für die Oper waren diese allerdings nicht bedeutend; was ausgezeichnet war hatte der Churfürst mit nach München genommen, und die Seylersche Gesellschaft war nur für Operetten und Liederspiele eingerichtet; aber auch hier dachte man höher hinaus, der Gedanke einer deutschen Nationaloper war nicht aufgegeben und einen Componisten[327] wie Mozart dafür zu gewinnen war keine üble Aussicht – wie gern wollte er sich halten lassen. Er war noch nicht acht Tage dort, so schreibt er schon voll Begeisterung seinem Vater (12. Nov. 1778): »Ich kann hier vielleicht 40 Louisd'or gewinnen! – freylich muß ich sechs Wochen hier bleiben, oder längstens zwey Monate. Die Seylersche Truppe ist hier, die Ihnen schon par renommée bekannt seyn wird; Hr. von Dalberg ist Director davon, dieser läßt mich nicht fort, bis ich ihm nicht ein Duodrama componirt habe; und in der That habe ich mich gar nicht lange besonnen, denn diese Art Drama zu schreiben habe ich mir immer gewunschen. Ich weiß nicht, habe ich Ihnen, wie ich das erste Mal hier war, Etwas von dieser Art Stücke geschrieben? – Ich habe damals hier ein solch Stück zwey Mal mit dem größten Vergnügen aufführen gesehen! In der That mich hat noch niemals Etwas so surprenirt! denn ich bildete mir immer ein, so was würde keinen Effect machen. – Sie wissen wohl, daß da nicht gesungen, sondern declamirt wird, und die Musique wie ein obligates Recitativ ist; bisweilen wird auch unter der Musik gesprochen, welches alsdann die herrlichste Wirkung thut. – Was ich gesehen, war Medea von Benda; – er hat noch eine gemacht, Ariadne auf Naros, beyde wahrhaft fürtrefflich5. Sie wissen, daß [328] Benda6 unter den lutherischen Kapellmeistern immer mein Liebling war; ich liebe diese zwey Werke so, daß ich sie bey mir führe. Nun stellen Sie sich meine Freude vor, daß ich [329] das, was ich mir gewunschen, zu machen habe7. – Wissen Sie, was meine Meinung wäre? Man solle die meisten Recitative auf solche Art in der Opera tractiren – und nur bisweilen, wenn die Wörter gut in der Musik auszudrücken sind, das Recitativ singen.«

Das Duodrama welches er zu componiren brannte hieß Semiramis und der Poet war sein Freund und Gönner, Herr von Gemmingen (S. 184). Dieser war es auch eigentlich, welcher wünschte daß Mozart bleiben möchte um die Semiramis zu componiren, denn Dalberg hatte andere Absichten mit ihm. Er hatte eine Oper Cora gedichtet8 und wünschte sehr dieselbe componirt zu sehen; er hatte sich deshalb an Gluck und an Schweitzer gewandt9, allein da er [330] sich derselben nicht sicher hielt, suchte er nun auch Mozart dafür zu gewinnen, der schon der mittelmäßigen Sänger wegen wenig Neigung zu dieser Aufgabe hatte. Auch mit der splendiden Bezahlung, welche wohlmeinende Freunde ihm in Aussicht gestellt hatten, sah es bei näherer Verhandlung sehr unsicher aus10. Indessen würde Mozart schwerlich von Mannheim [331] fortgegangen sein, so lange nur noch ein Schimmer von Hoffnung war dort anzukommen; er, der so glücklich war dort Beschäftigung zu finden, daß er seinem Vater ganz erfreuet schrieb (12. Nov. 1778): »Man richtet hier auch eine Academie des amateurs auf, wie in Paris, wo Hr. Fränzl (I S. 608) das Violin dirigirt, und da schreibe ich just an einem Concert für Clavier und Violine«11. Allein der Vater, der mit dem »närrischen Einfall« sich so lange in Mannheim aufzuhalten sehr unzufrieden war, legte sich ins Mittel und stellte ihm vor (19. Nov. 1778), daß an eine seinen Anforderungen entsprechende Stellung in Mannheim nicht zu denken sei, da der Churfürst unmöglich nach Mannheim zurückkehren könne. Ueberhaupt sei eine Anstellung in bayerschen Diensten jetzt nicht wünschenswerth, da beim Tod des Churfürsten »ein Bataillon Künstler, die in Mannheim und München sind, in die weite Welt wandern und Brod suchen müssen, da der Herzog von Zweybrücken selbst ein Orchestre von 36 Personen hat und die [ehemalige] Mannheimer Musik [332] 80000 fl. kostet«; er will daher auch von den »vielleicht zu verdienenden 40 Louisdor« nichts wissen; sondern erklärt ihm kategorisch: »Beim Empfang dieses wirst Du abreisen!« Und um jeder noch denkbaren Einrede zu begegnen, so spricht er sich wenige Tage darauf noch einmal gegen ihn aus und legt die wirkliche Lage der Dinge unumwunden dar. »Zwey Sachen« schreibt er (23. Nov. 1778) »sind, die Dir den Kopf voll machen und Dich in aller vernünftiger Ueberlegung hindern. Die erste und Hauptursache ist die Liebe zur Mlle. Weber, der ich ganz und gar nicht entgegen bin; ich wars damals nicht, als ihr Vater arm war, warum sollte ichs nun itzt seyn, da sie Dein Glück und nicht Du ihr Glück machen kannst? Ich muß vermuthen, daß ihr Vater diese Liebe weiß, da es alle Mannheimer wissen, da es Hr. Fiala [I S. 585] von ihnen gehört, da es Hr. Bullinger, der beym Grafen Lodron als Instruktor ist, hier erzählte, da er mit den Mannheimer Musicis auf dem Postwagen von Ellwang (wo er in die Vacanz war) fuhr und diese von nichts anderem mit ihm sprachen als von Deiner Geschicklichkeit, Composition und Liebe mit Mlle. Weber.« Allein in Salzburg werde er München so nahe sein, daß er leicht hinreisen, auch Mlle. Weber nach Salzburg kommen könne, wo sie denn bei ihnen wohnen werde; die Veranlassung werde nicht ausbleiben, Fiala habe dem Erzbischof von dem Gesange der Weber und von dem Ansehen, das Wolfgang in Mannheim genieße, viel erzählt; auch die übrigen Freunde Cannabich, Wendling, Ritter, Ramm möge er nach Salzburg einladen, sie würden gastliche Aufnahme bei ihm finden. »Sonderheitlich« fährt er fort »wird Dir die Antretung der hiesigen Dienste (ob es gleich itzt die zweyte Ursache ist, die Dir den Kopf voll macht) die einzige sichere Gelegenheit seyn, wiederum nach Italien zu kommen, welches mir mehr im Kopf steckt als Alles das [333] Uebrige. Und diese Antretung ist ohnabänderlich nothwendig, wenn Du anderst nicht den allerverdammlichsten und boshaftesten Gedanken hast Deinen für Dich so besorgten Vater in Schande und Spott zu setzen; Deinen Vater, der seinen Kindern alle Stunden seines Lebens geopfert, um Credit und Ehre zu bringen, da ich nicht im Stande bin eine Schuld, die sich in Allem auf 1000 fl. belaufet, zu bezahlen, wenn Du nicht durch die hier richtige Einnahme Deines Gehalts die Abzahlung erleichterst; wo ich dann sicher alle Jahr über 400 fl. abzahlen und noch dabey mit Euch beyden herrlich leben kann. – – Ich will, wenn Gott will, noch ein Paar Jahre leben, meine Schulden zahlen – und dann magst Du, wenn Du Luft hast, mit dem Kopf an die Mauer laufen; doch nein! Du hast ein zu gutes Herz! Du hast keine Bosheit, Du bist nur flüchtig, – es wird schon kommen!«

Hier war nun nicht mehr zu widerstehen; Wolfgang schrieb (3. Dec. 1778) er werde den 9. Dec. abreisen, aber auf dem schnellsten Weg kam er doch noch nicht. »Wissen Sie wohl, mit was für Gelegenheit ich künftigen Mittwoch abreife? Mit dem Hrn. Reichsprälaten von Kaysersheim. Als ihm ein guter Freund von mir gesprochen, so kannte er mich gleich von Namen aus und zeigte viel Vergnügen mich zum Reise-Compagnon zu haben; er ist (obwohl er ein Pfaff und Prälat ist) ein recht liebenswürdiger Mann. Ich gehe also über Kaysersheim und nicht Stuttgard.« Der Abschied von Mannheim ward ihm und allen seinen Freunden sehr schwer. Besonders Mad. Cannabich, die er nun als eine seiner besten und wahrsten Freundinnen recht hatte kennen lernen, sowie sie ihm ihr ganzes Vertrauen in den intimsten Familienangelegenheiten schenkte, war sehr betrübt; sie stand bei seinem Weggehen gar nicht auf, weil sie nicht Abschied nehmen wollte und konnte, und er schlich sich so fort um ihr das Herz nicht [334] noch schwerer zu machen. Sein Melodrama aber mochte er darum nicht aufgeben. »Ich schreibe nun« meldet er (3. Dec. 1778) »dem Hrn. v. Gemmingen und mir selbst zu Liebe den ersten Act der declamirten Oper, die ich hätte schreiben sollen, umsonst, nehme es mit mir und mache es dann zu Hause aus; – sehen Sie, so groß ist meine Begierde zu dieser Art Composition«12.

Am 13. December kam er glücklich in Kaysersheim an, und da der Prälat ihn ungemein savorisirte und sehr liebenswürdig war, so entschloß er sich dort so lange zu verweilen, um wieder in Gesellschaft seines Wirths nach München zu reisen, wo er am 25. Dec. glücklich eintraf. Hier versprach er sich glückliche Tage in der Gesellschaft aller seiner lieben Freunde von Mannheim her und vor allem durch das Wiedersehen seiner geliebten Aloysia; er hatte, damit nichts an seiner Freude fehle, das Bäsle aufgefordert nach München zu kommen und ihr angedeutet daß sie dort vielleicht eine [335] wichtige Rolle zu spielen haben werde, er war seines Glücks gewiß.

Zunächst erhielt er einen Brief seines Vaters, worin ihm dieser aufs eindringlichste befahl, daß er mit der ersten Diligence im Januar abreisen und nicht etwa versuchen solle sich durch Cannabich einen weiteren Aufschub zu erwirken, den er dann ausführlich von der Unthunlichkeit überzeugen wolle. Er sah voraus daß Wolfgang jetzt Alles aufbieten werde um mit Hülfe seiner Freunde einen Dienst in München zu erlangen und der Salzburger Sklaverei zu entgehen; um dem zuvorzukommen setzte er ihm noch einmal ausführlich auseinander, daß eine Anstellung in München mit 600–700 fl. Gehalt nicht so gut sei als eine in Salzburg mit 400–500 fl.; daß jene unsicher sei, während diese »nicht abstirbt«; Salzburg sei ein ruhiger Winkel, wo man die gefährlichen politischen Aspecten sicher abwarten könne; damit sei gar nicht gesagt, daß er immer dort bleiben solle, nur jetzt müßten ihre Angelegenheiten erst geordnet werden. Diese Vorstellungen kamen Wolfgang sehr ungelegen; denn in der That arbeiteten seine treuen Freunde Cannabich und Raaff »mit Händen und Füßen« für ihn; auf ihren Rath hatte er sich schon vorgenommen dort eine Messe für den Churfürsten zu schreiben13, die Sonaten welche er der Churfürstin dedicirt hatte (S. 161), waren grade noch zeitig genug angekommen, daß er sie ihr selbst überreichen konnte: – nun zerstörte der Vater [336] alle Hoffnungen und mit der Aussicht auf die Trübsal der Salzburger Verhältnisse wurde in ihm die Besorgniß wach, daß sein Vater, unzufrieden und verstimmt, ihn nicht freundlich empfangen werde. Er schüttete sein Herz ihrem alten Freund, dem Flötisten Becke (S. 51) aus, der ihn durch seine Vorstellungen von der Güte und Nachsicht seines Vaters nur noch mehr rührte. »Ich habe niemals schlechter geschrieben als diesmal«, schreibt er diesem (29. Dec. 1778) »denn ich kann nicht, mein Herz ist gar zu sehr zum Weinen gestimmt. Ich hoffe, Sie werden mir bald schreiben und mich trösten.« Das versäumte der Vater, dem auch Becke zu Gunsten des Sohnes geschrieben hatte14, keineswegs; er versicherte ihn, daß er eines zärtlichen Empfangs gewiß sein könnte, und daß auch für seine Unterhaltung alles geschehen werde, das »Herbstvergnügen aus der Schützencasse« war seinetwegen verschoben worden. Er machte ihn aber darauf aufmerksam daß sein langes Ausbleiben, da das Decret schon vier Monat alt sei, auch den Erzbischof ungeduldig mache, und man dürfe es nicht darauf ankommen lassen, daß er dasselbe wohl gar zurückziehe15 [337] . Darauf antwortete Wolfgang (8. Jan. 1779): »Ich versichere Sie, mein liebster Vater, daß ich mich nun ganz zu Ihnen (aber nicht zu Salzburg) freue, weil ich nun durch Ihr letztes versichert worden bin, daß Sie mich besser kennen als vorhin! Es war einmal keine andere Ursache an der langen Verzögerung nach Haus zu reisen, an der Betrübniß, – die ich endlich, weil ich meinem Freund Becke mein ganzes Herz entdeckte, nicht mehr bergen konnte –, als dieser Zweifel. Was könnte ich denn sonst für eine Ursach haben? Ich weiß mich nichts schuldig, daß ich von Ihnen Vorwürfe zu befürchten hätte; ich habe keinen Fehler (denn ich nenne Fehler das, welches einem christlichen und ehrlichen Mann nicht ansteht) begangen. Mit einem Wort, ich freue mich und ich verspreche mir schon im Voraus die angenehmsten und glücklichsten Täge – aber nur in Ihrer und meiner liebsten Schwester Gesellschaft. Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, daß ich Salzburg und die Einwohner (ich rede von gebornen Salzburgern) nicht leiden kann – mir ist ihre Sprache, ihre Lebensart ganz unerträglich.«

Doch hatte er zur Betrübniß nicht allein diese Ursache; in München erlebte er noch eine andere schmerzliche Enttäuschung. Er fand bei Webers eine freundliche Aufnahme und mußte seine Wohnung bei ihnen nehmen; Aleysia war als Sängerin bedeutend fortgeschritten und Mozart, wie sich das von ihm nicht anders erwarten läßt, brachte ihr seine Huldigung musikalisch von Neuem dar, indem er eine große Arie für sie schrieb. Nicht ohne Selbstgefühl hatte er das Recitativ [338] und die Arie, mit welcher Alceste in Glucks italiänischer Oper zuerst auftritt, zum Text erwählt16; da Schweitzers Alceste damals in München aufgeführt wurde, so trat er gewissermaßen mit beiden in die Schranken. Nicht allein für die Sängerin, sondern auch für seine Freunde Ramm und Ritter beabsichtigte er ein glänzendes Bravurstück zu schreiben, und nahm zur Begleitung obligate Oboe und Fagott, welche mit der Singstimme concertiren. Faßt man die Arie zunächst als Bravurstück ins Auge, so leistet es in dieser Hinsicht was nur zu wünschen ist, indem es der Sängerin Gelegenheit giebt nach den verschiedensten Richtungen Kraft und Umfang der Stimme und ihre kunstgerechte Ausbildung geltend zu machen. Im Recitativ hat das tiefste tragische Pathos einen so wahren und lebendigen Ausdruck gefunden, daß dasselbe als ein Probestück dramatischen Vortrags im großen und edlen Stil angesehen werden kann; die Arie selbst bietet in ihren beiden Theilen –Andantino sostenuto e cantabile und Allegro assai – für getragenen Gesang wie für die Coloratur die schönsten Aufgaben. Die Stimmlage ist auch hier die eines hohen Soprans, die nur selten bis


12.

hinunter geht, eigentlich aber von


12.

aufwärts sich bewegt; was der Sängerin an Höhe und Volubilität zugemuthet wird, können Passagen wie


12.

[339] im Andantino, und


12.

12.

im Allegro beweisen. Indessen beschränkt sich die Bedeutung dieser Composition nicht auf den Antheil welchen die Virtuosität daran hat.

Das Recitativ, unleugbar der bedeutendste Abschnitt, steht durch Wahrheit und Tiefe des Ausdrucks bei edler Schönheit keinem der ausgezeichnetsten Recitative aus Mozarts späterer Zeit nach, und ist mit überraschenden harmonischen Wendungen, mit denen Mozart später sparsamer war, reich ausgestattet. So ist gleich der erste Eintritt der Singstimme nach einem längeren pathetischen Vorspiel frappant und schön


12.

12.

[340] und nicht minder überraschend ist der Schluß des Recitativs


12.

12.

12.

[342] Wollte man das in allen Einzelnheiten sorgfältig ausgeführte Recitativ mit dem einfachen Seccorecitativ bei Gluck vergleichen, so kann kein Zweifel sein, daß sowohl in Hinsicht der musikalischen Erfindung überhaupt als der ausgeprägten Charakteristik das Mozartsche weit überlegen ist; allein hiebei darf man nicht außer Acht lassen, daß wenn Mozart, der Recitativ und Arie als ein selbständiges Ganze behandelte, recht that das Einzelne ausführlicher darzustellen und stärker zu betonen, Gluck dagegen die Situation im Zusammenhang eines größeren Ganzen aufzufassen hatte; weshalb denn sein einfaches, aber ausdrucksvolles Recitativ dort ganz am rechten Ort ist. Die Arie selbst hält sich, was den tiefen Ausdruck des tragischen Pathos anlangt, nicht auf gleicher Höhe mit dem Recitativ17. Sie besteht nach der späterhin üblichen Form aus zwei Sätzen, einem Andantino und Allegro, die dem Umfang und dem Gehalt nach einander ungefähr gleich stehen und jeder selbständig gegliedert und ausgeführt sind. Die Motive in beiden sind einfach und ausdrucksvoll – namentlich ist der mittlere Abschnitt des Allegro in C-moll leidenschaftlich erregt –, aber in der Ausführung [343] ist durch die Rücksicht auf die Bravur, welche auch bei den durchaus concertirenden Blasinstrumenten maßgebend war, der schwere Ernst der Stimmung zurückgedrängt. Die Behandlung der Singstimme und der concertirenden Instrumente, sowohl für sich als in ihrem Verhältniß zu einander, wie des Orchesters18, welches die Grundlage für die freie Bewegung der Solostimmen bildet, ist meisterhaft, die Gruppirung klar und durchsichtig, auch ist nirgends das Maaß überschritten oder ein Widerspruch gegen die Stimmung bemerkbar. Mit Meisterschaft vorgetragen wird die Arie nicht allein eine glänzende, sondern die gehörige Wirkung hervorbringen; aber daß auf die individuelle Anlage und Virtuosität in solcher Weise gerechnet ist weist schon darauf hin, daß das rein aus der Situation geschöpfte dramatische Element verkürzt werden mußte; und damit das so angelegte Kunstwerk ein harmonisches Ganze werden könnte, durfte überhaupt der Ton der Leidenschaft nicht mit voller Kraft angeschlagen werden. So weit man sich von Aloysia Weber als Sängerin eine Vorstellung aus den von Mozart für sie geschriebenen Compositionen machen kann, war der überwältigende Ausdruck heftiger und feuriger Leidenschaft nicht ihre Stärke; so wenig es ihrem Vortrag an innigem Gefühl gefehlt haben kann, so scheint doch eine gewisse Mäßigung ihr eigen gewesen zu sein, welche Mozart als ein Element künstlerischer Harmonie aufzufassen wußte19.

[344] Diese Arie war der Abschiedsgruß an Aloysia Weber. Der Vater, welcher gewöhnt war nur auf den Eigennutz der Menschen zu rechnen, hatte schon die Besorgniß geäußert, daß Weber jetzt, wo er Wolfgang nicht mehr nöthig hätte, ihn auch nicht mehr kennen würde. Dies war zwar nicht der Fall, aber bei Aloysia fand er die alte Gesinnung nicht mehr. »Sie schien den, um welchen sie ehedem geweint hatte, nicht mehr zu kennen, als er eintrat. Deßhalb setzte sich Mozart flugs aus Klavier und sang laut: Ich laß das Mädel gern, das mich nicht will«20. Mit dieser Abfertigung mochte er seinem Stolz genügen, aber nicht seinem Herzen; seine Liebe zu ihr war zu wahr und innig um so rasch zu verfliegen wie die Laune eines Frauenzimmers, dessen wahren Charakter er erst später würdigen lernte. Noch von Wien aus schrieb er über sie dem Vater (16. Mai 1781): »Bei der Langin war ich ein Narr, das ist wahr; aber was ist man nicht, wenn[345] man verliebt ist! Ich liebte sie aber in der That und fühle daß sie mir noch nicht gleichgültig ist – ein Glück für mich, daß ihr Mann ein eifersüchtiger Narr ist und sie nirgends hinläßt, und ich sie also selten zu sehen bekomme!«

Am 7. Januar 1779 hatte Mozart der Churfürstin, von seinem lieben Freunde Cannabich vorgestellt, die ihr dedicirten Sonaten überreicht; sie hatte sich eine starke halbe Stunde mit ihnen sehr gnädig unterhalten. In den nächsten Tagen sah er noch Schweitzers Alceste, welches die Carnevalsoper war, und auf die wiederholte Ermahnung des Vaters reiste er endlich mit einem Salzburger Kaufmann Gschwendner in dessen bequemem Wagen nach Salzburg ab.

Fußnoten

1 Bei so bewandten Umständen war es kein Wunder, wenn Mozart in Straßburg Geld gebrauchte. Sein Vater hatte ihm eine Anweisung auf den Kaufmann Joh. Ge. Scherz geschickt; der Betrag derselben reichte aber nicht und Mozart entnahm gegen einen Wechsel noch zwölf Louisdor. Diese Schuld brachte ihm nachher noch Verdrießlichkeiten; denn von Wien aus schrieb er seinem Vater (6. Dec. 1783): »Sie werden sich erinnern, daß, als Sie nach München kamen, als ich die große Opera schrieb, Sie mir die Schuld von 12 Louisdor, so ich an Hrn. Scherz in Straßburg gemacht habe, vorhielten, mit den Worten: Mich verdrießt nur Dein weniges Vertrauen so Du zu mir hast – genug, ich habe halt nun die Ehre 12 Louisdor zu bezahlen. Ich reiste nach Wien, Sie nach Salzburg. Nach Ihren Worten mußte ich glauben, daß ich mich wegen diesem nichts mehr zu besorgen hätte; ferners, wenn es nicht geschehen wäre, so würden Sie mir es schreiben, und nun, da ich bey Ihnen war, mündlich sagen. Stellen Sie sich nun meine Verlegenheit und Erstaunen vor, als vorgestern Jemand aus des Hrn. Banquier Oechsers Schreibstube zu mir kam und mir einen Brief brachte; der Brief war von Hrn. Hafner in Salzburg, worin ein Einschluß von Hrn. Scherz war. – – Ich verlange nichts bey Ihnen, liebster Vater, als daß Sie die Güte haben nur bis einen Monat bey Hrn. Hafner oder vielmehr Triendl für mich gut zu stehen. – Was mir bey der ganzen Sache am unangenehmsten ist, daß Hr. Scherz nicht die beste Meynung von mir haben wird, – ein Beweis, daß Ohngefähr, Zufall, Umstände, Mißverstand und was weiß ich Alles öfters einen Mann unschuldigerweise um seine Ehre bringen können! Warum hat Hr. Scherz die ganze lange Zeit nichts mehr von sich hören lassen? Mein Name ist doch nicht so verborgen! MeineOpera, welche in Straßburg aufgeführt worden, hat ihn doch wenigstens müssen vermuthen lassen daß ich in Wien war? Und dann seine Correspondance mit dem Hafner in Salzburg! Hätte er sich das erste Jahr gemeldet, ich hatte ihn auf der Stelle und mit Vergnügen gezahlt; ich werde es auch izt thun, aber auf der Stelle bin ich es nicht im Stande.«


2 Man erzählte sich dort, daß in München Mad. Toscani und Mad. Urban ausgepfiffen wären, so daß der Churfürst sich über die Loge neigte und sch! machte. Als sie sich aber gar nicht irre machen ließen, habe Graf Seeau einige Officiere gebeten nicht solchen Lärmen zu machen, der Churfürst sehe es nicht gern; diese aber haben geantwortet, sie seien für ihr baares Geld im Theater und Niemand habe ihnen dort zu befehlen.


3 Aus den Papieren und Briefen Dalbergs, welche auf der königl. Bibliothek in München aufbewahrt werden, ergiebt sich, daß er in einer Vorstellung darauf antrug, man möge um Mannheim zu heben entweder die Universität von Heidelberg dorthin verlegen oder eine Summe für öffentliche Vergnügungen bewilligen, damit der Adel veranlaßt würde sich wieder dort aufzuhalten; dazu sei das Theater besonders geeignet, wobei denn auch die nicht zur Ausführung gekommenen Pläne zur Hebung der dramatischen Kunst in Deutschland verwirklicht werden könnten; er schlug vorläufig eine Unterstützung von jährlich 10000 fl. vor. Der Minister v. Hompesch lehnte in einem Schreiben vom 16. Juli 1778 zwar den ersten Vorschlag als unthunlich ab, ging aber auf den zweiten bereitwillig ein und versprach ihn zu befürworten.


4 Devrient Gesch. der deutsch. Schauspielkunst III S. 3ff.


5 Die erste Anregung hatte Rousseau durch seinen Pygmalion gegeben. Brandes hatte 1772 in Weimar für seine Frau, die damals berühmte Schauspielerin Charlotte Brandes, Ariadne auf Naxes geschrieben, welche Schweitzer in Musik setzte, dem aber dann die Composition der Alceste aufgetragen wurde, für welche er die besten Sachen seiner Ariadne benutzte (Brandes Selbstbiogr. II S. 149. 156f.). Als sie nach dem Schloßbrande 1775 nach Gotha versetzt wurden, übernahm Benda die Composition der Ariadne, welche dort mit großem Erfolg gegeben wurde (Brandes a.a.O. II S. 173. 184). Der außerordentliche Beifall dieses Melodram erregte in Mad. Seyler, der fortwährenden Nebenbuhlerin von Mad. Brandes, den Wunsch nach einer ähnlichen Rolle, und dies veranlaßte Gotter für sie die Medea zu schreiben, welche Benda ebenfalls in Musik setzte (Brandes a.a.O. II S. 192). In Mannheim traten später beide Nebenbuhlerinnen wieder nebeneinander jede in ihrer Rolle auf (Brandes a.a.O. II S. 273). Das Interesse des Publicums für diese Melodramen war sehr lebhaft, sie wurden allenthalben gegeben und mit Entzücken aufgenommen (vgl. Forkel krit. Bibl. II S. 250ff.); auch in Paris wurde die Ariane abandonée 1781 mit Beifall aufgeführt: Grimm sagt (corr. litt. X p. 450): La musique, sans avoir cette élégance de style continue qui semble n'appartenir qu'aux maitres de l'école italienne, est faite avec chaleur et pleine d'expression. Brandes schrieb nachher noch Ino, welche Reichardt componirte, aber mit geringerem Erfolg (Brandes a.a.O. II S. 225), sowie Ramlers Cephalus und Procris; darauf folgte Meißners Sophonisbe von Neefe componirt. Auch wird von zwei Melodramen Lampedo von Lichtenberg und Vogler und Amazili von Buri berichtet, welche nicht gedruckt sind (A. M. Z. II S. 353ff.).


6 Georg Benda, geb. 1722 in Jungbunzlau, kam 1740 nach Berlin, trat dort in die Kapelle und wurde 1748 als Kapellmeister nach Gotha berufen wo er, meistentheils für Kirchen- und Instrumentalmusik, sehr thätig war. Nachdem er 1764 Italien besucht hatte, componirte er die italiänischen Opern Minestrriconosciuto (1765 Hiller woch. Nachr. 1766 S. 41ff.) und Il buon marito (1766 Hiller wöch. Nachr. 1766 S. 143 sk.). Die Anwesenheit der Seylerschen Schauspielergesellschaft und die darauf (1775) erfolgte Gründung eines Hoftheaters in Gotha (Devrient Gesch. d. deutsch. Schauspielkunst II S. 234ff.) veranlaßte daß man die nach Hillers Vorgang in Weimar gepflegte deutsche Oper auch dort ausbildete, und so componirte Benda die von Gotter bearbeiteten Opern Der Dorfjahrmarkt (1776), Walder (1777 Forkel krit. Bibl. II S. 239 sk.), Romeo und Julie (1778, Brandes Selbstbiogr. II S. 193f.). Im Jahr 1778 verließ er, weil er sich gegen Schweitzer zurückgesetzt sah, plötzlich Gotha und hielt sich eine Zeitlang in Hamburg und Wien auf, kehrte darauf nach Gotha zurück, nahm indeß seine Stellung nicht wieder ein, sondern lebte von da auf dem Lande ohne sich mit Musik zu beschäftigen und starb 1795 in Köstritz. Er war seiner Zerstreutheit wegen kaum weniger bekannt (A. M. Z. II S. 876. 894. VI S. 531), als seiner Compositionen wegen, die ungemein geschätzt wurden, so daß man ihn als den würdigen Vorgänger Mozarts bezeichnete (A. M. Z. III S. 329f. XVI S. 869).


7 Dem Vater war die Einrichtung der Melodramen offenbar noch nicht bekannt, er meinte es würde auch darin gesungen und diese Mischung behagte ihm nicht; deshalb belehrt ihn Wolfgang noch einmal (18. Dec. 1778): »Was die Monodrame und Duodrame betrifft, so ist eine Stimme zum Singen gar nicht nothwendig, indem keine Note darin gesungen wird, es wird nur geredet, – mit einem Worte, es ist ein Recitativ mit Instrumenten, nur daß der Acteur seine Worte spricht und nicht singt. Wenn Sie es nur einmal am Clavier hören werden, so wird es Ihnen schon gefallen, – hören Sie es aber einmal in der Execution, so werden Sie ganz hingerissen, da stehe ich Ihnen gut dafür. Allein einen guten Acteur oder gute Actrice erfordert es.«


8 Dalbergs Cora ist in Mannheim 1782 gedruckt; ich habe sie aber nicht zu Gesicht bekommen.


9 Die hierauf bezüglichen Briefe Glucks sind gedruckt in der süddeutschen Musikzeitung 1854 S. 174 (vgl. I S. 211); auch daß Schweitzer mit der Composition der Cora beschäftigt sei, wird in Dalbergs Correspondenz vom Jahr 1778 erwähnt.


10 Die ganze Situation wird klar aus folgendem Briefe Mozarts an Dalberg (Mannheim 24. Nov. 1778), der sich unter den mehrerwähnten Dalbergschen Papieren findet: »Monsieur le Baron! Ich habe Ihnen schon zweymal aufwarten wollen, aber niemalen das Glück gehabt Sie anzutreffen; gestern waren Sie zwar zu Hause, ich konnte Sie aber nicht sprechen. Daher bitte ich um Verzeyhung daß ich Ihnen mit etlichen Zeilen überlästig fallen muß; indem es für mich sehr dringend ist daß ich mich Ihnen erkläre. – Herr Baron! Sie kennen mich; ich bin nicht interessirt, besonders wenn ich weiß daß ich im Stande bin einem so großen Liebhaber und wahren Kenner der Musik, wie Sie sind, eine Gefälligkeit zu erweisen. Im Gegentheil weiß ich auch, daß Sie ganz gewiß nicht verlangen werden, daß ich hier Schaden haben sollte; – mithin nehme ich mir die Freyheit nun mein letztes Wort in dieser Sache zu reden, indem ich ohnmöglich auf ungewiß mich länger aufhalten kann. Ich verbinde mich um 25 Louisdor ein Monodrama zu schreiben, mich zwey Monate noch hier aufzuhalten, Alles in Ordnung zu bringen, allen Proben beyzuwohnen etc.; jedoch mit diesem Beysatz, daß, es mag sich ereignen was nur will, ich zu Ende Jenners meine Bezahlung habe. Daß ich mir ausbitte im Spektakel frey zu seyn versteht sich von selbst. [Brandes erzählt daß die Schauspieler in der Oper, wenn sie nicht beschäftigt waren, das Eintrittsgeld erlegen mußten (Selbstbiogr. II S. 277f.)] Sehen Sie, mein Herr Baron, das ist Alles was ich thun kann; wenn Sie es recht überlegen, so werden Sie sehen, daß ich gewiß sehr discret handle. Was Ihre Opera betrifft, so versichere ich Sie daß ich sie von Herzen gern in Musik setzen möchte. Diese Arbeit könnte ich zwar nicht um 25 Louisdor übernehmen, das werden Sie selbst zugestehen; denn es ist (recht gering gerechnet) noch einmal soviel Arbeit als ein Monodrama; – und was mich am meisten davon abhalten wurde, wäre daß, wie Sie mir selbst sagten, schon wirklich Gluck und Schweitzer daran schreiben. Doch setzen wir daß Sie mir 50 Louisdor dafür geben wollten, so würde ich es Ihnen als ein ehrlicher Mann ganz gewiß abrathen. Eine Opera ohne Sänger und Sängerinnen – was will man denn da machen! Uebrigens wenn unter dieser Zeit ein Aussehen ist daß man sie aufführen kann, so werde ich mich nicht weigern Ihnen zu Liebe diese Arbeit anzunehmen; – denn sie ist nicht klein, das schwöre ich Ihnen bei meiner Ehre. – Nun habe ich Ihnen meine Gedanken klar und aufrichtig erklärt; nun bitte ich um baldige Entschließung. Wenn ich es noch heute wissen kann, so wird es mir desto angenehmer seyn, indem ich gehört habe, daß künftigen Donnerstag Jemand ganz allein nach München reiset und ich sehr gern von dieser Gelegenheit profitiren möchte. Unterdessen habe ich die Ehre u.s.w.


11 Dies scheint nicht vollendet zu sein; mindestens habe ich davon keine Spur gefunden.


12 Die Semiramis von Gemmingen ist meines Wissens nicht gedruckt; über Mozarts Composition kann ich ebenfalls keine nähere Auskunft geben. Im Theaterkalender auf das Jahr 1779 heißt es S. 137: Mozard... Kapellmeister zu Salzburg: setzt an Semiramis, einem musikalischen Drama des Frh. von Gemmingen«; was wohl auf einer Privatmittheilung beruht. In den folgenden Jahrgängen wird sie regelmäßig als vollendet unter Mozarts Compositionen aufgeführt, ich habe aber keine Notiz gefunden, daß sie irgendwo aufgeführt worden sei, noch sonst eine Erwähnung als daß Gerber unter den von Leopold Mozart hinterlassenen Compositionen neben Bastien und Bastienne und der verstellten Gärtnerin auch Semiramis aufführt. Dies ist, wie schon I S. 11 (vgl. S. 366) bemerkt wurde, nur dadurch zu erklären, daß man nach Leop. Mozarts Tod die von ihm aufbewahrten Jugendwerke Wolfgangs für seine Arbeiten hielt; allein danach muß man annehmen daß Mozart Semiramis ganz oder zum Theil vollendet habe. Wie es zugegangen sei, daß sie nicht mit den übrigen Opern wieder in Mozarts Hände und aus seinem Nachlasse in Andres Besitz gelangt ist, weiß ich nicht zu erklären.


13 Von dieser Messe scheint das Kyrie fertig geworden zu sein, da nach der Angabe von Al. Fuchs einKyrie in Es dur, in München 1779 componirt, vorhanden war (Beil. VIII, 18) und zwar in der Sammlung Königs Ludwig von Bayern. Dies letztere ist aber ein Irrthum, wie ich von Kapellmeister Fr. Lachner erfahre, der die Güte hatte demselben nachzufragen; ich bin somit außer Stande über dieses Kyrie näher zu berichten.


14 »Er brennt vor Verlangen« schreibt Becke »seinen liebsten theuersten Vater zu umarmen –, welches sobald als es seine hiesige Umstände erlauben folgen wird; nur machte er mich selbst fast kleinmüthig, indem ich ihn seit einer Stunde kaum aus den Thränen bringen konnte. Er hat das allerbeste Herz! Nie habe ich ein Kind gesehen, das mehr Empfindung und Liebe für seinen Vater in seinem Busen trägt als Ihr Herr Sohn. Es wandelte ihn eine kleine Furcht an, als würde Ihr Empfang gegen ihn nicht so zärtlich seyn als er es wünschet; ich hoffe aber ein ganz Anderes von Ihrem väterlichen Herzen. Sein Herz ist so rein, so kindlich, so aufrichtig gegen mich; wie viel mehr wird und muß es nicht gegen seinen Vater seyn. Nur mündlich muß man ihn hören, und wer wurde ihm nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen, als dem besten Charakter, als dem redlichsten und eyfrigsten Menschen.«


15 Er meint, das Regal, das Wolfgang von der Churfürstin für die Sonaten erwarte, werde einen längeren Aufenthalt nicht lohnen, zumal da Graf Seeau wahrscheinlich die Hälfte für sich behalten werde; ein Verdacht, der zu den S. 47 angeführten Charakterzügen paßt.


16 Das Manuscript der Partitur (André Verz. 76) hat die Ueberschrift: Scena per la Sgra. Weber di Wolfgango Amadeo Mozart, Monaco li 8 di Gennaio 1779.


17 Gluck hat den von Mozart componirten Text


Io non chiedo eterni dei

tutto il ciel per me sereno,

ma il mio duol consoli almeno

qualche raggio di pietà

Non comprende i mali miei,

ne il terror che empie il petto,

chi di moglie il vivo affetto,

chi di madre il cor non hà!


in drei nicht langen Sätzen (Moderato; Adagio; Allegro) dargestellt. Darauf treten Zwischenreden der beiden Kinder ein, welche dem Schmerz der Alceste eine andere Richtung geben, die sich dann in einem längeren Allegro aussorichi. Diese nur auf der Bühne verständliche Situation ließ Mozart für die Concertarie ganz fallen. Es ist lehrreich zu vergleichen, wie diese Verschiedenheit der künstlerischen Voraussetzungen und der Individualitäten eine so abweichende Behandlung desselben Textes hervorgerufen hat.


18 Das Orchester besteht außer den obligaten Instrumenten, Oboe und Fagott, nur aus dem Quartett und zwei Hörnern; durchgehends ist demselben die Rolle einer einfachen Begleitung angewiesen.


19 Ein etwas wunderlicher Musikenthusiast, Frh. v. Boecklin, schreibt von der Lange, daß sie »gleichsam Wunder that mit ihrer feinsten Kehle« und daß ihre Stimme einer Cremoneser Geige ähnlich, ihr Gesang ausdrucksvoller und rührender als der der Mara sei (Beitr. zur Geschichte der Musik S. 18f.).


20 So erzählt Nissen S. 415f., der noch berichtet, Mozart sei mit einem rothen Rock – den er auch auf den Portraits aus damaliger Zeit trägt –, nach französischer Sitte wegen der Trauer mit schwarzen Knöpfen, nach München gekommen, was Aloysia nicht gefallen zu haben scheint. Nissen fügt hinzu: »Von nun an suchte ihre Schwester Constanze, die vielleicht mehr für sein Talent, als für seine Person fühlte (!), und Mitleiden mit dem Betrogenen hatte, welches er von der Aloysia erdulden mußte (so!), ihn zu unterhalten. Er unterrichtete sie im Pianoforte, als eine lernbegierige Schülerin, mit Vergnügen. Später sahen sie sich in Wien wieder, und es fand sich, daß Constanze mehr Eindruck auf Mozart als einst Aloysia gemacht hatte.« Man darf nicht vergessen daß er diese Angaben unter Constanzes Einfluß niederschrieb, der in späteren Jahren das Verhältniß Mozarts zu ihrer Schwester Aloysia und die Entstehungsgeschichte seiner Neigung für sie selbst etwas anders vorschweben mochte, als wir es aus Mozarts gleichzeitigen Briefen kennen lernen.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 2, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Die Reise nach Braunschweig

Die Reise nach Braunschweig

Eine Reisegruppe von vier sehr unterschiedlichen Charakteren auf dem Wege nach Braunschweig, wo der Luftschiffer Blanchard einen spektakulären Ballonflug vorführen wird. Dem schwatzhaften Pfarrer, dem trotteligen Förster, dem zahlenverliebten Amtmann und dessen langsamen Sohn widerfahren allerlei Missgeschicke, die dieser »comische Roman« facettenreich nachzeichnet.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon