1.

Durch die Berufung nach Wien sah Mozart freilich einen lange gehegten sehnlichen Wunsch befriedigt, aber das Verhältniß zum Erzbischof, in dessen Gefolge er sich dort aufhalten mußte, war nur zu sehr geeignet ihm den Aufenthalt gänzlich zu verleiden. Er hatte, da er in der glänzendsten Zeit der Wintersaison1 nach Wien kam, die beste Gelegenheit in den zahlreichen Gesellschaften der vornehmen Welt, in welchen die Musik das vorherrschende Mittel der Unterhaltung war, sich bekannt zu machen und Ruhm und Geld zu gewinnen. Allein der Erzbischof, so sehr ihm daran gelegen war mit dem außerordentlichen Virtuosen und Componisten zu glänzen, den er in seinen Diensten hatte, fand eine ebenso große Genugthuung darin, diesen in jedem Augenblick empfinden zu lassen, daß er in seinen Diensten stand. Es war damals Sitte, daß die Herrschaften wenn sie zu Gast geladen waren ihre Dienerschaft mitnahmen, damit diese in dem Hause des Wirths sich an der Aufwartung betheiligte2; so wurden auch die Virtuosen der Kapelle mit in Gesellschaften genommen oder in fremde Häuser befohlen um sich dort hören zu lassen. Der Erzbischof versäumte es nicht, Mozart wie Ceccarelli und Brunetti auf diese Art als seine Hausvirtuosen zu produciren; aber so oft Mozart eine vortheilhafte Gelegenheit [3] fand sich selbständig hören zu lassen, verweigerte er die Erlaubniß. Und ließ er ihn in dieser Richtung seine Abhängigkeit bitter fühlen, so behandelte er ihn in seinem Hause vollständig wie einen Bedienten. Man kann denken, in welchem Grade Mozart, der diesen persönlichen Druck selbst in Salzburg nicht so empfand, jetzt, herausgerissen aus dem Genusse völliger Freiheit und wohlverdienter Anerkennung, welche ihm in München zu Theil wurde, und den glänzenden Aussichten, welche Wien ihm bot, gegenübergestellt, über eine so unwürdige Begegnung empört werden und wie lebhaft der Gedanke diese Fesseln abzuschütteln ihm sich aufdrängen mußte. Die Briefe an den Vater lassen uns diese Situation und seine Stimmung deutlich erkennen.

»Gestern als den 16 ten [März 1781] bin ich, Gott Lob und Dank, ganz mutterseliger allein in einer Postchaise hier angekommen, Morgens 9 Uhr. – Ich kam Donnerstag den 15ten müde wie ein Hund Abends um 7 Uhr in St. Pölten an, legte mich bis 2 Uhr Nachts schlafen und fuhr dann grade bis nach Wien. Dieses schreib ich – wo? – im Mesmer'schen Garten auf der Landstraße3. – – Nun sogleich vom Erzbischof. Ich habe ein charmantes Zimmer im nämlichen Hause, wo der Erzbischof wohnt4. Brunetti und Ceccarelli logiren in einem andern Hause. Che distinzione! – Mein Nachbar ist Hr. v. Kleinmayrn5, welcher bei meiner Ankunft mich mit allen Höflichkeiten überhäufte; er ist auch in der That [4] ein charmanter Mann. Um zwölf Uhr Mittag, leider für mich ein bischen zu früh, gehen wir schon zu Tische. Da speisen die zwey Leib- und Seel-Kammerdiener, Hr. Controlleur [E.M. Kölnberger], Hr. Zezi [Kammerfourier], der Zuckerbäcker, zwey Herrn Koche, Ceccarelli, Brunetti und meine Wenigkeit. NB Die zwey Leib-Kammerdiener sitzen oben an, ich habe doch wenigstens die Ehre, vor den Köchen zu sitzen. Nun, ich denke halt, ich bin in Salzburg. – Bey Tische werden einfältige grobe Späße gemacht; mit mir macht Keiner Spaß, weil ich kein Wort rede, und wenn ich was reden muß, so ist es allezeit mit der größten Seriosität, und so wie ich abgespeist habe, so gehe ich meines Weges. Abends haben wir keine Tafel, sondern Jeder bekommt drey Ducaten – da kann Einer weit springen. Der Hr. Erzbischof hat die Güte und gloriert sich mit seinen Leuten, raubt ihnen ihre Verdienste und zahlt sie nicht davor. – Gestern um 4 Uhr haben wir schon Musik gehabt, da waren ganz gewiß zwanzig Personen von der größten Noblesse da. – Ceccarelli hat schon beym Palfy6 singen müssen. Heute müssen wir zum Fürst Gallizin7, der gestern auch da war. – Jetzt will ich nur abwarten, ob ich nichts bekomme; bekomme ich nichts, so gehe ich zum Erzbischof und sage es ihm ganz gerade: wenn er nicht will daß ich was verdienen soll, [5] so soll er mich bezahlen, daß ich nicht von meinem Gelde leben muß.«

Der Vater, welcher den Sturm kommen sah, suchte ihn zu beschwichtigen: der Erzbischof habe Wolfgang doch nur nach Wien beordert um mit seinen Leistungen groß zu thun und werde deshalb schon Sorge tragen, daß sie zur Geltung kämen; allein er machte damit auf seinen Sohn wenig Eindruck. »Was Sie mir vom Erzbischof schreiben«, antwortet er (24. März 1781) »hat, was seinen Ehrgeiz in Betreff meiner Person kitzelt, in so weit seine Richtigkeit; – allein, was nützt mich Alles dieß? Von diesem lebt man nicht. Glauben Sie nur sicher, daß er mir hier gleich einem Lichtschirm ist. – Und was giebt er mir denn für Distinction? – Hr. von Kleinmayrn, Boenike8 haben mit dem erlauchten Grafen Arco9 eine Extra-Tafel; – das wäre Distinction, wenn ich bey dieser Tafel wäre, aber nicht bey den Kammerdienern, die außer dem ersten Platze am Tische die Luster anzünden, die Thüre aufmachen und im Vorzimmer bleiben müssen, wenn ich darin bin – und bey den Köchen! Und dann, wenn wir wo hingerufen werden, wo ein Concert ist, so muß der Herr Angerbauer10 herauspassen, bis die Herren Salzburger kommen, und sie dann durch einen Lakay weisen lassen, damit sie [6] hinein dürfen. Wie das Brunetti so im Discours erzählte, so dachte ich mir: wartet nur, bis ich einmal komme.«

»Als wir also letzthin zum Fürsten Gallizin mußten, sagte mir Brunetti in seiner höflichen Art: tu, bisogna che sei quì sta sera alle sette, per andare insieme dal principe Gallizin, l'Angelbauer ci condurrà. – Hò risposto: và bene – mà se in caso mai non fossi quì alle sette in punto, ci andate pure, non serve aspettarmi, sò ben dove stà e ci verrò sicuro. Ich ging also mit Fleiß, weil ich mich schäme mit ihnen wohin zu gehen, allein hin; – als ich hinauf ging, stund schon der Hr. Angerbauer da, dem Hrn. Bedienten zu sagen, daß er mich hinein führen sollte. Ich gab aber weder auf den Hrn. Leib-Kammerdiener, noch den Bedienten Acht, sondern ging gerade die Zimmer durch in das Musikzimmer, denn die Thüren waren alle offen, – und schnurgerade zum Prinzen hin, und machte ihm mein Compliment, wo ich dann stehen blieb und immer mit ihm sprach. Ich hatte ganz auf Brunetti und Ceccarelli vergessen, dann man. sah sie nicht, die steckten ganz hinterm Orchestre an die Mauer gelehnt, und traueten sich keinen Schritt hervor.«

Auch ließ der Erzbischof seine Leute beim alten Fürsten Rudolf Colloredo, seinem Vater, spielen, der sie aber doch mit fünf Ducaten honorirte, und welche Ansprüche er selbst bei seinen Concerten an Mozart machte sieht man aus einem Briefe an den Vater (8. April 1781): »Heute hatten wir – denn ich schreibe um 11 Uhr Nachts – Akademie da wurden drey Stücke von mir gemacht, versteht sich, neue, – als: ein Rondeau zu einem Concert für Brunetti11 – eine Sonate mit Accompagnement einer Violin für mich, welche ich gestern Nachts von 11 bis [7] 12 Uhr componirt habe; aber, damit ich fertig geworden bin, nur die Accompagnement-Stimme für Brunetti geschrieben habe, ich aber meine Parthie im Kopfe behalten habe, – und dann ein Rondeau für Ceccarelli, welches er hat repetiren müssen«12. Für diese Leistungen erhielt er vom Erzbischof, der ihm für das erste Concert doch wenigstens vier Ducaten hatte auszahlen lassen, gar nichts. Und das mochte noch gehen, aber, schreibt er kurz darauf (11. April 1781), »was mich halb desperat macht ist, daß ich an dem nämlichen Abend, als wir die Sch– Musique da hatten, zur Gräfin Thun invitirt war und also nicht hinkommen konnte, und wer war dort? der Kaiser! Adamberger und die Weigl waren auch dort und hat Jeder 50 Ducaten bekommen. – Und welche Gelegenheit!«

Allerdings hatte er Recht, daß der Erzbischof ihm gegen das Publicum ein Lichtschirm sei, denn er kam sehr bald in Verbindungen, die ihm glänzende Erfolge verbürgten. Nicht, allein die alten Bekanntschaften mit der Mesmer'schen [8] Familie (I S. 113), mit Hrn. v. Auerhammer und dessen dicken Fräulein Tochter – die wir noch näher kennen lernen werden –, mit dem alten Kapellmeister Bono – in dessen Hause eine Symphonie von Mozart probirt wurde13 – wurden wieder erneuert, sondern es gelang ihm leicht in die Kreise der vornehmen Musikfreunde zu gelangen. »Ich gehe« schreibt er (24. März 1781) »Abends mit Herrn von Kleinmayrn zu einem seiner Freunde, zum Hofrath Braun, wo mir Alle sagen daß er der größte Liebhaber vom Clavier sei14. Bey der Gräfin Thun habe schon zwey Mal gespeist, und komme fast alle Tage hin: das ist die charmanteste, liebste Dame, die ich in meinem Leben gesehen, und ich gelte auch sehr viel bey ihr. – Beym Grafen Cobenzl15 hab auch gespeist. – Nun ist meine Hauptabsicht hier, daß ich mit schöner Manier zum Kaiser komme, denn ich will absoloment, daß er mich kennen lernen soll. Ich möchte ihm mit Lust meine Opera durchpeitschen und dann brav Fugen spielen; denn das ist seine Sache16. – O hätte ich gewußt, daß ich die Fasten nach Wien kommen würde, hätte ich ein kleines Oratorium geschrieben und zu meinem Vortheile im Theater gegeben, wie es hier Alles macht. Ich hätte leicht vorher zu schreiben gehabt, weil ich die Stimmen alle kenne. – Wie gern gäbe ich [9] nicht ein öffentliches Concert, wie es hier der Brauch ist; aber es wird mir nicht erlaubt, das weiß ich gewiß: denn stellen Sie sich vor – Sie wissen, daß hier eine Societät ist, welche zum Vortheile der Wittwen von den Musicis Akademien giebt17, und Alles, was nur Musik heißt, spielt da umsonst. Das Orchester ist 180 Personen stark18; kein Virtuos, der nur ein bischen Liebe des Nächsten hat, schlägt es ab, darin zu spielen, wenn von der Societät aus darum ersucht wird19; man macht sich auch sowohl beym Kaiser als beym Publicum darum beliebt. – Starzer20 hatte den [10] Auftrag, mich darum zu bitten, und ich sagte es ihm sogleich zu, doch müßte ich vorher meines Fürsten Gutachten darüber vernehmen, und ich hatte gar keinen Zweifel, weil es eine geistliche Art und unentgeltlich, nur um ein gutes Werk zu thun, ist. – Er erlaubte es mir nicht; die ganze hiesige Noblesse hat ihm dieses übel genommen. – Mir ist es nur wegen diesem leid: ich hätte kein Concert, sondern, weil der Kaiser in der Proscen-Loge ist, ganz allein (die Gräfin Thun hätte mir ihr schönes Steinersches Pianoforte dazu gegeben) präludirt, eine Fuge und dann die Variationen Je suis Lindor21 gespielt. – Wo ich noch das so öffentlich gemacht habe, habe ich allezeit den größten Beyfall erhalten, weil es so gut absticht und weil Jeder was hat.«

In diesem Falle mußte der Erzbischof indessen doch nachgeben; Starzer war zur Akademie bei dem Fürsten Gallizin gegangen und er so wie die ganze Noblesse hatten den Erzbischof so lange gequält, daß er seine Einwilligung nicht versagen konnte: »bin ich so froh!« ruft Mozart aus, als er seinem [11] Vater dies meldet22. Der Erfolg war auch so wie er ihn sich nur wünschen konnte. »Gestern« schreibt er (4. April 1781) »kann ich wohl sagen daß ich mit dem Wiener Publicum wohl zufrieden war. Ich spielte in der Akademie der Wittwen im Kärthnerthor-Theater und mußte wieder neuerdings anfangen, weil des Applaudirens kein Ende war.« Auch im folgenden Brief (8. April 1781) kommt er wieder darauf zurück: »Das was mich am meisten gefreut und verwundert hat, war das erstaunliche Silentium und mitten im Spielen das Bravoschreyn. Für Wien, wo so viele, und so viele gute Clavierspieler sind, ist das gewiß Ehre genug.« Nach einem solchen Erfolg waren die Aussichten für ihn, wenn er ein eigenes Concert geben konnte, brillant genug, die Damen trugen sich ihm, wie er dem Vater schreibt, an selbst Billets auszutheilen. »Was glauben Sie, wenn ich nun, da mich das Publicum einmal kennt, eine Akademie für mich gäbe, was ich nicht da machen würde? – Allein unser Erzbischof erlaubt es nicht – will nicht daß seine Leute Profit haben sollen, sondern Schaden.« Er beabsichtigte in der nächsten Zeit seine Musiker nach Salzburg zurückzuschicken; und mußte Mozart jetzt von Wien fort, ehe er sich dort in der Gunst des Publicums fest gesetzt hatte, saß er wieder in Salzburg, wo er an einen Urlaub so leicht nicht denken konnte, war es mit allen guten Aussichten für die Zukunft vorbei. Brunetti hatte ihm erzählt, daß Graf Arco vom Erzbischof aus ihm mitgetheilt [12] habe, daß sie das Diligencegeld bekommen würden und am Sonntag abreisen sollten; übrigens wer noch länger bleiben wolle, könne es thun, doch müsse er dann auf seine eigene Faust leben, er bekomme vom Erzbischof aus weder Tafel noch Zimmer mehr. Als man darauf Mozart fragte, was er denn zu thun beabsichtige, erklärte er, bis Graf Arco selbst ihm sage daß er fort solle, werde er dieses gänzlich ignoriren, dann werde er sich dem schon entdecken. Freilich wollte er in Wien bleiben; er meinte, wenn er nur zwei Scolaren fände – eine Schülerin hatte er schon an der Gräfin Rumbeck – stände er sich schon besser als in Salzburg, dazu ein glänzendes Concert, einträgliche Einladungen in Gesellschaften – es konnte gar nicht fehlen, daß er bald Geld nach Hause schickte, während der Vater dort beide Besoldungen zöge und ihn aus dem Brode hätte. »O, ich will dem Erzbischof gewiß eine Nase drehen daß es eine Freude seyn soll, und mit der größten Politesse, denn er kann mir nicht aus.«

Der Vater erschrak über diese Nachrichten. Er hatte ein gründliches Mißtrauen gegen Wolfgangs Finanzpläne, die auf eine unsichere Zukunft basirt waren, er fürchtete daß ein völliges Zerwürfniß mit dem Erzbischof die Folge eines solchen Schrittes sein, daß er seine sichere Anstellung verlieren und den Gefahren der Hauptstadt allein ausgesetzt sein würde; mit allem Nachdruck suchte er daher seinen Sohn über das Bedenkliche seines Vorhabens aufzuklären. Auf seine Ueberzeugung was ihm das Ersprießlichste sein würde machte er freilich damit keinen Eindruck, allein an seinen kindlichen Sinn appellirte er auch jetzt nicht vergebens. »Liebster Vater«, lautet die Antwort »ich habe Sie wohl recht lieb, das sehen Sie aus diesem, weil ich Ihnen zu Liebe allem Wunsch und Begierde entsage; denn wenn Sie nicht wären, so schwöre ich Ihnen bey meiner Ehre, daß ich keinen Augenblick versäumen [13] würde, sondern gleich meine Dienste quittirte, ein großes Concert gäbe, mir Scolaren verschaffte und in einem Jahr hier in Wien so weit käme, daß ich wenigstens jährlich auf meine tausend Thaler käme. Ich versichere Sie daß es mir schwer genug fällt, daß ich mein Glück so auf die Seite setzen soll. – Ich bin noch jung, wie Sie sagen, das ist wahr; aber wenn man seine jungen Jahre so in einem Bettelort in Unthätigkeit verschlänzt, ist es auch traurig genug und auch Verlust.« Einstweilen wurde die Abreise aber noch aufgeschoben, denn der Erzbischof gebrauchte seine Virtuosen noch in Wien; dann hieß es wieder am 22. April sollten sie nach Hause reisen. »Wenn ich daran denke«, schreibt Wolfgang (11. April 1781) »daß ich von Wien wegreisen soll, ohne wenigstens 1000 fl. wegzutragen, so thut mir das Herz weh. Ich soll also wegen einem schlechtdenkenden Fürsten, der mich mit lausigen 400 fl. alle Tage cujonirt, tausend Gulden mit Füßen stoßen? denn das mache ich gewiß, wenn ich ein Concert gebe.« Und nun hatte er soeben die Erfahrung gemacht, daß er nicht allein für den Erzbischof umsonst gearbeitet, sondern darüber noch die Gelegenheit versäumt hatte sich dem Kaiser zu produciren. »Ich kann ja doch dem Kaiser nicht sagen lassen, wenn er mich hören will, so soll er bald machen, denn in soviel Tägen reis ich ab – so was muß man doch immer erwarten. Und hier bleiben kann und mag ich nicht, außer ich gebe ein Concert; – denn ich stehe freylich, wenn ich nur zwey Scolaren hier habe, besser als bey uns, aber wenn man 1000 oder 1200 fl. im Sack hat, kann man sich ein wenig mehr bitten lassen, mithin auch besser bezahlen lassen. Und das erlaubt er nicht, der Menschenfeind – ich muß ihn so nennen: denn er ist es und die ganze Noblesse nennt ihn so.« Auch für eine Anstellung zeigten sich ihm in Wien in nicht allzugroßer Ferne günstige Aussichten. Kapellmeister Bono [14] war sehr alt; nach seinem Tode mußte Salieri Kapellmeister werden und Starzer an dessen Stelle einrücken, für Starzer wußte man noch keinen Nachfolger – konnte man einen besseren finden als Mozart?

Wiederum ermahnte der Vater nicht ins Ungewisse Pläne zu machen, sondern das Sichere festzuhalten und deshalb zu ertragen, was sich nicht änderen lasse, er warnte ihn auch vor unvorsichtigen Aeußerungen, »die nur schaden könnten.« Der Sohn konnte nicht anders antworten als daß der Vater Recht und nicht Recht habe; »aber dasjenige, in was Sie Recht haben, überwiegt sehr dasjenige, in was Sie nicht Recht haben, mithin, ich komme ganz gewiß und mit größten Freuden, da ich vollkommen überzeugt bin, daß Sie mich niemalen hindern werden mein Glück zu machen« (18. April 1781). Aber schwer wurde es ihm sich dem Willen des Vaters zu fügen, und der Erzbischof machte es ihm durch fortgesetzte Hudeleien nicht leichter. »Sie erwarten mich mit Freuden, mein liebster Vater!« schreibt er (28. April 1781). »Das ist auch das Einzige was mich zum Entschluß bringen kann, Wien zu verlassen – ich schreibe das Alles nun in der natürlichen teutschen Sprache, weil es die ganze Welt wissen darf und soll, daß es der Erzbischof von Salzburg nur Ihnen, mein bester Vater, zu danken hat, daß er mich nicht gestern auf immer (versteht sich, für seine Person) verloren hat. Gestern war große Accademie bey uns – vermuthlich die letzte. Die Accademie ist recht gut ausgefallen und trotz all den Hindernissen Seiner Erzbischöflichen Gnaden habe ich doch ein besseres Orchestre gehabt als Brunetti, das wild Ihnen Ceccarelli sagen; denn wegen diesem Arrangement habe ich so viel Verdruß gehabt – o das läßt sich besser reden als schreiben. Doch wenn, wie ich nicht hoffen will, wieder so etwas vorgehen sollte, so kann ich [15] Sie versichern daß ich die Geduld nicht mehr haben werde, und Sie werden es mir gewiß verzeihen. Und das bitte ich Sie, mein liebster Vater, daß Sie mir erlauben künftige Fasten zu Ende Carneval nach Wien zu reisen – nur auf Sie kommt es an, nicht auf den Erzbischof; denn, will er es nicht erlauben, so gehe ich doch – es ist mein Unglück nicht, gewiß nicht! – O, könnte er dies lesen, mir wäre es ganz recht. Aber Sie müssen es mir im künftigen Brief versprechen, denn nur mit dieser Bedingniß gehe ich nach Salzburg – aber gewiß versprechen, damit ich den Damen hier mein Wort geben kann. Stephanie wird mir eine teutsche Oper zu schreiben geben. Ich erwarte also Ihre Antwort hierüber. – Wann und wie ich abreise kann ich Ihnen noch nicht schreiben. Es ist doch traurig, daß man bey diesem Herren nichts wissen kann – auf einmal wird es heißen: allons, weg! Bald sagt man, es ist ein Wagen beym Machen, worin der Controleur, Ceccarelli und ich nach Hause reisen sollen, bald heißt es wieder mit der Diligence, bald wieder man wird Jedem das Diligencegeld geben, und da kann Jeder reisen wie er will – welches mir auch in der That das Liebste wäre; bald in acht Tägen, bald in vierzehen, bald in drey Wochen, dann wieder noch eher – Gott! man weiß nicht wie man daran ist, man kann sich in nichts helfen23. – Gestern haben mich die Damen nach der Accademie eine ganze Stunde beym Clavier gehabt, ich glaube, ich säße noch dort, wenn ich mich nicht davon gestohlen hätte«24.

[16] Man sieht, wie hoch die leidenschaftliche Erregung Mozarts gestiegen war: es bedurfte nur eines Tropfens um das volle Gefäß überfließen zu machen und der Erzbischof schonte nicht, so mußte es doch zum Aeußersten kommen. Die folgenden Briefe Mozarts an den Vater geben uns eine Anschauung von dem was Hieronymus seinen Dienern glaubte bieten zu können.

»Ich bin noch ganz voll der Galle!« schreibt er (9. Mai 1781) »und Sie, als mein bester, liebster Vater, sind es gewiß mit mir. Man hat so lange meine Geduld geprüft, endlich hat sie aber doch gescheitert. – Ich bin nicht mehr so unglücklich in Salzburgischen Diensten zu seyn – heute war der glückliche Tag für mich; hören Sie. Schon zweymal hat mir der – ich weiß gar nicht wie ich ihn nennen soll – die größten Sottisen und Impertinenzen ins Gesicht gesagt, die ich Ihnen um Sie zu schonen nicht habe schreiben wollen und nur weil ich Sie immer, mein bester Vater, vor Augen hatte, nicht gleich auf der Stelle gerächt habe. Er nannte mich einen Buben, einen liederlichen Kerl, sagte mir ich sollte weiter gehen – und ich litte Alles, empfand daß nicht allein meine Ehre, sondern auch die Ihrige dadurch angegriffen wurde, allein, Sie wollten es so haben – ich schwieg. Nun hören Sie. Vor acht Tägen kam unverhofft der Laufer herauf und sagte, ich müßte den Augenblick ausziehen – den anderen allen bestimmte man den Tag, nur mir nicht; ich machte also alles geschwind in den Koffer zusammen, und die alte Mad. Weber war so gütig mir ihr Haus zu offeriren Da habe ich mein hübsches Zimmer, bin bey dienstfertigen Leuten, die mir in Allem, was man oft geschwind braucht und (wenn man allein ist) nicht haben kann, an die Hand gehen. – Auf Mittwoch setzte ich meine Reise (als heute den 9ten) mit der Ordinaire fest, ich konnte aber meine Gelder, die ich noch zu [17] bekommen habe, in der Zeit nicht zusammen bringen, mithin schob ich meine Reise bis Samstag auf. Als ich mich heute dort sehen ließ, sagten mir die Kammerdiener, daß der Erzbischof mir ein Paquet mitgeben will; ich fragte, ob es pressirt, so sagten sie, ja, es sey von großer Wichtigkeit. So ist es mir leid daß ich nicht die Gnade haben kann S.H. Gnaden zu bedienen, denn ich kann (aus oben gedachter Ursache) vor Samstag nicht abreisen; ich bin aus dem Hause, muß auf meine eigenen Kösten leben, da ist es nur ganz natürlich daß ich nicht eher abreisen kann, bis ich nicht im Stande dazu bin, denn kein Mensch wird meinen Schaden verlangen. Kleinmayern, Moll25, Boeneke und die zwey Leibkammerdiener gaben mir Recht. – Als ich zu ihm hineinkam – NB! muß ich Ihnen vorhersagen daß mir der Schlaucka26 gerathen ich sollte die Excuse nehmen, daß die Ordinari schon besetzt seye, das seye bei ihm ein stärkerer Grund –, als ich also zu ihm hineinkam, war das erste: Erzb. Nun, wann geht er denn, Bursch? – Ich: Ich habe wollen heute Nacht gehen, allein der Platz war schon verstellt. – Dann gings in einem Odem fort, ich seye der liederlichste Bursch, den er kenne; kein Mensch bediene ihn so schlecht wie ich; er rathe mir heute noch wegzugehen, sonst schreibt er nach Haus, daß die Besoldung eingezogen wird, – man konnte nicht zu reden kommen, das ging fort wie ein Feuer. Ich hörte alles gelassen an; er lügte mir ins Gesicht, ich hätte 500 fl. Besoldung27; hieß mich einen Lump, Lausbub, einen Fex – o, ich möchte [18] Ihnen nicht alles schreiben. Endlich da mein Geblüt zu stark in Wallung gebracht wurde, so sagte ich: Sind also Ew. H.F. Gnaden nicht zufrieden mit mir? – Was? er will mir drohen? er Fex! o er Fex! dort ist die Thür! ich will mit einem solchen elenden Buben nichts mehr zu thun haben! – Endlich sagte ich: Und ich mit Ihnen auch nichts mehr. – Also geh er! – Und im Weggehen: Es soll auch dabei bleiben, morgen werden Sie es schriftlich bekommen. Sagen Sie mir also, bester Vater, ob ich das nicht eher zu spät als zu früh gesagt habe? – Nun hören Sie. Meine Ehre ist mir über alles und ich weiß daß es Ihnen auch so ist, – sorgen Sie sich gar nichts um mich, ich bin meiner Sache hier so gewiß, daß ich ohne mindeste Ursache quittirt hätte; da ich nun Ursache gehabt habe, und das dreymal, so habe ich gar kein Verdienst mehr dabey, an contraire, ich war zweymal Hundsfut, das drittemal konnte ich es doch halt nicht mehr seyn. Solange der Erzbischof noch hier seyn wird, werde ich keine Accademie geben. Daß Sie glauben, daß ich mich bey der Noblesse, bey dem Kaiser selbst in üblen Credit setzen werde, ist grundfalsch – der Erzbischof ist hier gehaßt und vom Kaiser am meisten; das ist eben sein Zorn, daß ihn der Kaiser nicht nach Laxenburg eingeladen hat28. Ich werde Ihnen mit nächstem Posttage einiges von Geld überschicken um Sie zu überweisen, daß ich hier nicht darbe. Uebrigens bitte ich Sie munter zu seyn, denn itzt fängt mein Glück an, [19] und ich hoffe daß mein Glück auch das Ihrige seyn wird; schreiben Sie mir heimlich daß Sie vergnügt darüber sind – und das können Sie in der That seyn – und öffentlich zanken Sie mich recht darüber, damit man Ihnen keine Schuld geben kann. Sollte Ihnen aber ungeacht dessen der Erzbischof die mindeste Impertinenz thun, so kommen Sie alsogleich zu mir nach Wien. Wir können alle drey leben, das versichere ich Sie auf meine Ehre, doch ist es mir lieber, wenn Sie ein Jahr noch aushalten können. Schreiben Sie mir keinen Brief mehr ins teutsche Haus und mit dem Paquet – ich will nichts mehr von Salzburg wissen – ich hasse den Erzbischof bis zur Raserei. Schreiben Sie nur: abzugeben auf dem Peter im Auge Gottes im zweiten Stock. Geben Sie mir Ihr Vergnügen bald zu erkennen, denn nur dieses fehlt mir noch zu meinem Glück.«

Er führte auch seinen Entschluß sogleich aus und berichtet am 12. Mai seinem Vater weiter: »Sie wissen aus meinem letzten Schreiben, daß ich den Fürsten den 9ten May um meine Entlassung gebeten habe, weil er mir es selbst geheißen hat; denn schon in den zwey ersteren Audienzen sagte er mir: Scher' Er sich weiter, wenn Er mir nicht recht dienen will! Er wird es freylich läugnen, aber deßwegen ist es doch so wahr als Gott im Himmel ist. – Was Wunder dann, wenn ich endlich durch Bube, Schurke, Bursche, liederlicher Kerl und dergleichen mehr im Munde eines Fürsten rühmliche Ausdrücke ganz außer mir, das: Scher' Er sich weiter! endlich für bekannt angenommen habe.«

»Ich gab den folgenden Tag dem Grafen Arco eine Bittschrift, um sie Sr. Hochfürstl. Gnaden zu überreichen, und auch wieder das Reisegeld, welches in 15 fl. 40 Xr. als das Diligencegeld und 2 Ducaten Verzehrungsgeld besteht. Er nahm mir Beydes nicht an, sondern versicherte mich, daß ich [20] gar nicht quittiren könnte, ohne Ihre Einwilligung zu haben, mein Vater. Das ist Ihre Schuldigkeit, sagte er mir. – Ich versicherte ihn gleichfalls, daß ich so gut als er, und vielleicht besser meine Schuldigkeit gegen meinen Vater kenne, und es wäre mir sehr leid, wenn ich sie von ihm erst lernen müßte29. – Gut also, sagte er, ist er damit zufrieden, so können Sie Ihre Entlassung begehren, wo nicht, – so können Sie sie – auch begehren. Eine schöne Distinction! – Alles, was mir der Erzbischof in den drey Audienzen Erbauliches sagte, besonders in der letzten, – und was mir jetzt wieder dieser herrliche Mann Gottes Neues erzählte, machte eine so treffliche Wirkung auf meinen Körper, daß ich Abends in der Opera mitten im ersten Acte nach Hause gehen mußte, um mich zu legen; denn ich war ganz erhitzt. zitterte am ganzen Leibe und taumelte wie ein Besoffener auf der Gasse, blieb auch den folgenden Tag als gestern zu Hause, den ganzen Vormittag aber im Bette, weil ich das Tamarindenwasser genommen.«

»Der Herr Graf hatte auch die Gewogenheit sehr viel Schönes an seinen Herrn Vater von mir zuschrei ben, welches Sie vermuthlich schon werden haben einschlucken müssen. Es werden freylich einige fabelhafte Stellen darin seyn, doch wenn man eine Comödie schreibt, so muß man, wenn man Beyfall erhalten will, etwas utriren und nicht so genau der Wahrheit der Sache treu bleiben, und Sie müssen auch der Dienstfertigkeit der Herren etwas zu gut halten. Ich will nur, ohne mich zu beeyfern, denn mir ist meine Gesundheit [21] und mein Leben lieber (ist mir leid genug, wenn ich dazu gezwungen bin), ich will also nur noch den Hauptvorwurf, den man mir über meine Bedienung macht, hersetzen. Ich wußte nicht daß ich Kammerdiener wäre, und das brach mir den Hals. Ich hätte sollen alle Morgen so ein paar Stunden in der Antecamera verschlendern; man hat mir freylich öfters gesagt, ich sollte mich sehen lassen, – ich konnte mich aber niemalen erinnern, daß dieß mein Dienst sey, und kam nur allezeit richtig, wenn mich der Erzbischof rufen ließ.«

»Nun will ich Ihnen nur kurz meinen unbeweglichen Entschluß vertrauen, so aber daß es die ganze weite Welt hören kann. Wenn ich beym Erzbischof von Salzburg 2000 fl. Gehalt bekommen kann und in einem anderen Ort nur 1000, so gehe ich doch in das andere Ort; denn für die anderen 1000 fl. genieße ich meine Gesundheit und Zufriedenheit des Gemüths. Ich hoffe also bey aller väterlichen Liebe, die Sie mir von Kindheit auf in so reichem Grade erwiesen haben und wofür ich Ihnen zeitlebens nicht genug dankbar seyn kann (am allerwenigsten aber in Salzburg), daß, wenn Sie Ihren Sohn gesund und vergnügt haben wollen, mir von dieser ganzen Sache gar nicht zu schreiben und sie ganz in die tiefste Vergessenheit zu begraben – denn ein Wort davon wäre schon genug um mir wieder neuerdings und Ihnen selbst – gestehen Sie es nur – Ihnen selbst Galle zu machen. Nun leben Sie wohl und freuen Sie sich, daß Sie keinen Hundsfut zum Sohne haben.«

An demselben Tage, an welchem er diesen Brief seinem Vater durch die Post zuschickte, schrieb er ihm noch durch eine sichere Gelegenheit einen zweiten, in welchem er ihn sowohl von der Berechtigung seines festen Entschlusses den Dienst des Erzbischofs zu verlassen als von seinen guten Aussichten eindringlich zu überzeugen suchte. »In dem Briefe«, schreibt er [22] »welchen Sie mit der Post erhalten haben, sprach ich mit Ihnen als wenn wir in Gegenwart des Erzbischofs wären. Jetzt spreche ich aber ganz allein mit Ihnen, mein liebster Vater. Von allem Unrecht, welches mir der Erzbischof von Anbeginn seiner Regierung bis jetzt angethan, von dem unaufhörlichen Schimpfen, von allen Impertinenzen und Sottisen, die er mir in das Gesicht sagte, von dem unwidersprechlichen Recht, das ich habe von ihm wegzugehen, wollen wir ganz schweigen, denn da läßt sich nichts dawider sagen. Nur will ich von dem sprechen, was mich – auch ohne alle Ursache einer Kränkung – von ihm wegzugehen verleitet haben würde.«

»Ich habe hier die schönsten und nützlichsten Connoissances von der Welt, bin in den größten Häusern beliebt und angesehen, man erzeigt mir alle mögliche Ehre, und bin dazu noch dafür bezahlt, – und ich soll um 400 fl. in Salzburg schmachten, ohne Bezahlung, ohne Aufmunterung schmachten und Ihnen in nichts nützlich seyn können, da ich es hier doch gewiß kann? Was würde das Ende davon seyn? – immer das nämliche: ich müßte mich zu Tode kränken lassen, oder wieder weggehen. – Ich brauche Ihnen nichts mehr zu sagen, Sie wissen es selbst. Nur noch dieses: Die ganze Stadt Wien weiß schon meine Geschichte. Die ganze Noblesse redet mir zu, ich soll mich ja nicht mehr anführen lassen.«

»Liebster Vater, man wird Ihnen bald mit guten Worten kommen, – es sind Schlangen, Vipern! Alle niederträchtigen Seelen sind so: sie sind bis zum Ekel hoch und stolz und dann kriechen sie wieder – abscheulich. Die zwei Leibkammerdiener sehen die ganze Sauerei ein. Besonders sagte Schlaucka zu Jemand: ich – ich kann dem ganzen Mozart nicht Unrecht geben, – er hat ganz recht; mir hätte er es so thun sollen! er machte ihn ja aus wie einen Bettelbuben, ich habs gehört – infam! Der Erzbischof erkennt sein ganzes [23] Unrecht – hat er nicht schon öfter Gelegenheit gehabt es zu erkennen? hat er sich gebessert? Nein! also weg damit! – Wenn ich nicht gesorgt hätte, daß es Ihnen dadurch vielleicht nicht zum Besten gehen könnte, so wäre es schon längst anders. Aber in der Hauptsache – was kann er Ihnen thun? Nichts. Wenn Sie wissen daß es mir gut geht, so können Sie leicht des Erzbischofs Gnade entbehren, – ihre Besoldung kann er Ihnen nicht nehmen und übrigens thun Sie Ihre Schuldigkeit; und daß es mir gut gehen wird, bin ich Ihnen Bürge, ich würde sonst diesen Schritt nicht gethan haben. Obwohl ich Ihnen gestehen muß, daß nach dieser Beleidigung ich – und hätte ich betteln müssen – weggegangen wäre; denn wer wird sich denn cujoniren lassen? besonders, wenn mans besser haben kann. Mithin – fürchten Sie sich, so thun Sie zum Schein als wären Sie böse auf mich, zanken Sie mich in Ihren Briefen recht aus, wenn nur wir zwey wissen, wie die Sache steht. Lassen Sie sich aber nicht durch Schmeicheleyen verführen, seyen Sie auf Ihrer Hut!«

Der Vater aber nahm die Sache nicht so auf und war weit entfernt den Sohn, wie dieser wünschte, »in seinem Entschluß zu stärken anstatt ihn davon abzubringen.« Er sah in dem Aufgeben der festen Anstellung in Salzburg den ersten Schritt zu des Sohnes Verkommen, er hoffte die leidenschaftliche Aufwallung desselben noch dämpfen und ihn auf den Weg der Vernunft, wie er es ansah, durch ernste Vorstellungen zurückbringen zu können. Einflüsterungen aus dem Gefolge des Erzbischofs über den Lebenswandel Wolfgangs in Wien mochten auch nicht ohne Einfluß geblieben sein, er glaubte, es sei wieder an der Zeit starke Mittel in Anwendung zu bringen. Er hielt ihm nicht allein vor, daß er stets auf unsichere Aussichten hin seine Rechnung gemacht und nie verstanden habe haushälterisch mit dem Gelde umzugehen30, [24] er erinnerte ihn an die Verpflichtung die er habe seinem Vater aus den Schulden, welche dieser seinetwegen gemacht habe, herauszuhelfen, deren er in Wien wohl vergessen werde, wie es seine Aloysia gemacht habe31; er meinte die Vergnügungen [25] und Zerstreuungen Wiens, denen Wolfgang sich mehr als billig ergeben zu haben scheine32, seien wohl eine Hauptursache gewesen ihn dort festzuhalten33; auch daß er mit der Weberschen Familie wieder eine Verbindung angeknüpft [26] hatte schien ihm von keiner guten Vorbedeutung zu sein34. Allein er hatte nicht erwogen, daß Wolfgang nicht mehr der unerfahrne Jüngling war, der zum erstenmal aus dem väterlichen Hause kam. Durch den harten Druck des letzten Aufenthalts in Salzburg und die klare Erkenntniß von dem was er leistete und bedeutete, welche er in München hatte gewinnen müssen, war er mündig geworden, und die unwürdige Behandlung des Erzbischofs gegenüber der glänzenden Aufnahme von Seiten des musikalisch gebildeten Publicums in Wien gab ihm das volle Bewußtsein seiner Selbständigkeit. Er sah ein daß er an dem Punkt angelangt war, wo er dieselbe auch seinem Vater gegenüber wahren mußte; seinen äußeren Vortheil, seine Behaglichkeit war er bereit gewesen ihm zu opfern, jetzt stand mit seiner hart angegriffenen Ehre seine ganze Existenz auf dem Spiel, diese mußte er retten. Er blieb daher gegen alles Andringen seines Vaters fest, wies dessen Vorwürfe entschieden und ohne sein gekränktes Gefühl zu verhehlen zurück, und antwortete diesem, als er so weit ging zu behaupten Wolfgang müsse seiner eigenen Ehre wegen sein Entlassungsgesuch zurücknehmen, im vollen Gefühl seines Rechts (l9. Mai 1781): »Ich weiß nicht, was ich zuerst schreiben soll, mein liebster Vater, denn ich kann mich von meinem Erstaunen noch nicht erholen und werde es nie können, wenn Sie so zu schreiben und zu denken fortfahren. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich aus keinem einzigen Zuge Ihres [27] Briefes meinen Vater erkenne! – wohl einen Vater, aber nicht den besten, liebevollsten, den für seine eigene und die Ehre seiner Kinder besorgten Vater, – mit einem Wort – nicht meinen Vater. Doch das alles war nur ein Traum, Sie sind nun erwacht und haben gar keine Antwort von mir auf Ihre Punkte nöthig um mehr als überzeugt zu sein, daß ich – nun mehr als jemals – von meinem Entschluß gar nicht abstehen kann. – Ich kann meine Ehre durch nichts anderes retten als daß ich von meinem Entschluß abstehe? Wie können Sie doch so einen Widerspruch fassen? Sie dachten nicht, als Sie dieses schrieben, daß ich durch einen solchen Zurücktritt der niederträchtigste Kerl von der Welt würde. Ganz Wien weiß daß ich vom Erzbischof weg bin, weiß warum, weiß daß es wegen gekränkter Ehre, wegen zum drittenmal gekränkter Ehre geschah, und ich sollte wieder öffentlich das Gegentheil beweisen? soll mich zum Hundsfut und den Erzbischof zu einem braven Fürsten machen? Das erste kann kein Mensch und ich am allerwenigsten, und das andere kann nur Gott, wenn er ihn erleuchten will. – – Ihnen zu Gefallen, mein bester Vater, wollte ich mein Glück, meine Gesundheit und mein Leben aufopfern, aber meine Ehre, die ist mir und die muß Ihnen über Alles seyn. – Liebster, bester Vater, begehren Sie von mir was Sie wollen, nur das nicht, sonst Alles – nur der Gedanke schon macht mich vor Wuth zittern.«

Der Erzbischof war nicht wenig ungehalten über die Festigkeit, mit welcher Mozart in seinem Entschluß beharrte, die er aber durch sein rücksichtsloses Schelten nur verstärkte35. Er [28] dachte anfangs der Vater werde es schon dahin bringen daß der Sohn zu seiner Pflicht zurückkehre; Graf Arco, der einen Brief von demselben erhalten hatte, ließ Mozart zu einer Unterredung einladen, um ihn durch freundschaftliche Vorstellungen zu halten. Mozart blieb um so mehr fest auf seinem Sinne, als er sich überzeugte daß sein Vater in Salzburg nichts zu fürchten habe. Er reichte nun ein Abschiedsgesuch ein, das ihm aber sowie drei spätere zurückgegeben wurde, weil man sich »aus Manglung des Muthes und aus Liebe zur Fuchsschwänzerey« scheute, den Erzbischof durch diese Angelegenheit verdrießlich zu machen und noch immer auf Mozarts Nachgiebigkeit rechnete. Dieser war außer sich als er erfuhr der Erzbischof werde den folgenden Tag abreisen und wisse von gar nichts. Er entwarf also ein neues Memorial, in welchem er dem Erzbischof erklärte, daß er bereits seit vier Wochen ein Abschiedsgesuch in Bereitschaft gehalten habe; da er sich aus ihm unerklärlichen Gründen so lange damit herumgezogen sehe, bleibe ihm nichts übrig als ihm dasselbe selbst und zwar auf den letzten Augenblick zu überreichen. Als er mit diesem Gesuch sich (am 8. Juni) im Vorzimmer des Erzbischofs einfand und um eine Audienz bat, setzte Graf Arco den früheren Brutalitäten die Krone auf. Nachdem er ihn mit Flegel, Bursch und ähnlichen Ausdrücken tractirt hatte, – warf er ihn mit einem Fußtritt zur Thür hinaus! »Das geschahe in der Antichambre – mithin war kein ander Mittel als sich losreißen und laufen, denn ich wollte für die fürstlichen Zimmer den Respect nicht verlieren, wenn ihn schon der Arco verloren hatte.« Ob dieser Exceß auf hochfürstlichen Befehl geschah wußte Mozart nicht gewiß; jedenfalls war der gräfliche Diener [29] seines Gebieters würdig. Beide ahnten nicht, welch unauslöschliches Brandmal sie ihrem Namen aufgedrückt haben.

Mozart glühte vor Zorn; er versicherte dem Vater (13. Juni 1781) daß er dem Grafen Arco wieder einen Tritt geben werde, wo er ihn treffe und sollte es auf öffentlicher Gasse geschehen. »Ich begehre gar keine Satisfaction deswegen beym Erzbischof, denn er wäre nicht im Stande sie mir auf solche Art zu verschaffen, wie ich sie mir selbst nehmen muß; sondern ich werde nächster Tage dem Hrn. Grafen schreiben, was er sich von mir zuverlässig zu gewarten hat, sobald das Glück will daß ich ihn treffe, es mag seyn wo es will, nur an keinem Ort, wo ich Respect haben muß«36. Der Vater erschrak vor diesem Attentat auf einen adligen Herrn und Grafen; allein der Sohn erwiederte (20. Juni 1781): »Das Herz adelt den Menschen, und wenn ich schon kein Graf bin, so habe ich vielleicht mehr Ehre im Leibe als mancher Graf; und Hausknecht oder Graf, sobald er mich beschimpft, ist er ein Hundsfut. Ich werde ihm den Anfang ganz vernünftig vorstellen, wie schlecht und übel er seine Sache gemacht habe; zum Schlusse aber muß ich ihm doch schriftlich versichern, daß er gewiß von mir einen Fuß im A– und noch ein Paar Ohrfeigen zu erwarten hat.« Und da der Vater sich hatte merken lassen, durch Vermittlung einer Dame oder andern Standesperson ließe sich die Sache vielleicht noch ins Gleiche bringen, erklärte Mozart, dessen bedürfe es nicht: »ich darf nur meine Vernunft und mein Herz zu Rathe ziehen um zu thun was recht und billig ist.« Nur mit Mühe ließ er sich endlich, weil sein Vater es durchaus [30] zu seiner Beruhigung verlangte, von seinem Vorsatz abbringen dem Grafen Arco jenen Drohbrief zu schreiben.

Fußnoten

1 Nach der durch den Tod der Kaiserin Maria Theresia (29. Nov. 1729) verursachten Unterbrechung aller Vergnügungen wurde die Saison um so lebhafter.


2 Nicolai Reise V S. 231.


3 Die prächtige Einrichtung dieses Gartens, der mit Statuen geschmückt war, in welchem ein Theater, ein Vogelhaus u. dgl. sich befanden, rühmt Leop. Mozart in seinen Briefen aus Wien (1773).


4 Er wohnte im deutschen Haus in der Singerstraße.


5 Th. v. Kleinmayrn erwarb sich große Verdienste um das Archiv von Salzburg, welchem er vorstand ([Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre S. 61), und wurde 1772 Director des Hofraths (ebend. S. 65f.). Er war dem Erzbischof Hieronymus ergeben und unterstützte ihn so eifrig als tüchtig in seinen Verbesserungen des Salzburger Staatswesens (ebend. S. 266). Auch durch die Unpartheyische Abhandlung vom Staate Salzburg (1770) und seine Nachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia (1785) erwarb er sich entschiedenes Verdienst.


6 Die Schwester des Erzbischofs Maria Gabriela (geb. 1741) war mit dem Grafen Palfy vermählt. Ihr zu Ehren wurde 1763 Fischiettl's (I S. 430) komische Oper Il mercato di Malmantile aufgeführt. Später unterrichtete Mozart ihre Kinder.


7 Fürst Gallizin war russischer Gesandter in Wien, »un grand imbécille« (Erinnerung an F.L.W. Meyer I S. 91).


8 J.M. Boenike, ein aufgeklärter und unterrichteter Geistlicher, ward auf die Empfehlung des Bischofs Franz Joseph von Würzburg von einer Landpfarre als geheimer Secretär und Consistorialrath 1773 von Hieronymus berufen ([Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre S. 60), und wurde 1787 Kanzler des Consistoriums (ebend. S. 64). Er ward vom Erzbischof zu wichtigen Missionen verwandt (ebend. S. 100. 104f.) und begleitete ihn gewöhnlich auf seinen Reisen (ebend. S. 348f. 356).


9 Der Oberst-Küchenmeister Graf Karl Arco war der Sohn des Oberst-Kämmerers Grafen Georg Anton Felix Arco.


10 Joh. Ulr. Angerbauer, Leibkammerdiener des Erzbischofs, war ein thätiger Musikliebhaber, der sich sogar im Orgelbau versuchte.


11 Dieses Rondo, welches nach einer Notiz auf dem Autograph (das André an P. Rode überlassen hat) am 2. April 1781 für Brunetti componirt wurde, ist als Op. 85 Offenbach bei André erschienen. Es ist inC-dur (Allegretto grazioso 2/4), mit dem Quartett, 2 Oboen und 2 Hörnern begleitet; einfach und graziös, ohne Ansprüche auf Virtuosität. Zu spät habe ich bemerkt daß das II S. 160 erwähnte Rondo für Flöte nur eine Transposition des vorliegenden ist.


12 Diese Sonate kann ich nicht nachweisen; das Rondo (André Verz. 79) ist unter den bei Breitkopf u. Härtel erschienenen Concertarien n. 5. Der Text scheint einer Oper entlehnt, da der Name Zeira angegeben ist; doch habe ich dieselbe nicht ausfindig gemacht. Ein nicht sehr langes begleitetes Recitativ leitet das Rondo ein, dessen Thema dreimal wiederkehrt und dann durch eine Coda abgeschlossen wird. Die Arie ist durchweg sehr einfach gehalten, ohne alle Coloratur, auf einen mäßigen Stimmenumfang berechnet, auch die Begleitung (außer dem Quartett sind nur 2 Oboen und 2 Hörner angewendet) ist sehr leicht und bis auf die ziemlich langen Ritornelle nicht hervortretend. Man sieht daraus daß Ceccarelli kein Sänger war, dem viel zugemuthet werden durfte. Uebrigens ist die durchgehends ruhig gehaltene Cantilene ansprechend und einige, namentlich harmonische Züge sind durchaus eigenthümlich.


13 »Das habe ich Ihnen neulich vergessen zu schreiben«, berichtet er (11. April 1781) »daß die Sinfonie magnifique gegangen ist und allen Succeß gehabt hat. 40 Violin haben gespielt – die Blas-Instrumente alle doppelt – 10 Bratschen, 10 Contrabassi, 8 Violoncelli und 6 Fagotti«


14 »Zu den größten Kennern der Musik unter den Liebhabern gehört der Reichshofrath v. Braun. Er schätzt besonders die Compositionen des großen Philipp Emanuel Bach; er hat freilich darin den zahlreichsten Theil des Publicums in Wien gegen sich.« Nicolai Reise IV S. 556.


15 Philipp Graf von Cobenzl, Josephs Freund und Vertrauter, war seit 1779 Hof- und Staats-Vicekanzler, zur Unterstützung des Fürsten Kaunitz, dem er ganz ergeben war.


16 Vgl. II S. 78.


17 Der Kapellmeister Flor. Gaßmann begründete im Jahr 1771 das Pensionsinstitut für Wittwen und Waisen der Wiener Tonkünstler, welches vom Hof eine Dotation und das Privilegium erhielt, jährlich vier große Concerte, zwei in der Advent-, zwei in der Charwoche im Hoftheater zu geben, und componirte für das erste Concert sein Oratorium Betulia liberata, welches Salieri im Jahr 1821 neu bearbeitet wieder aufführte (Mosel Salieri S. 194ff.). Im Jahr 1772 componirte Dittersdorf für das Institut das Oratorium Esther (Selbstbiogr. S. 203ff.), Haydn 1774 Il ritorno di Tobia (Griesinger Notiz. S. 25), Salieri 1776 La passione di Giesù (Mosel Salieri S. 195), Mozart 1785 Davidde penitente.


18 Bei Dittersdorfs Oratorium war das Orchester 200 Personen stark. K. R[isbeck] (Briefe I S. 276) erzählt sogar, es seien gegen 400 Musikanten in Wien, die sich in gewisse Gesellschaften theilten und oft viele Jahre lang zusammen arbeiteten; unter einer strengen Direction erreichten sie das ungewöhnliche Zusammenspiel, wodurch das Wiener Orchester sich auszeichnete. »An einem gewissen Tage geben diese 400 Künstler zusammen ein Concert zum Besten der Musikantenwittwen. Man versicherte mich, daß dann alle die 400 Instrumente ebenso richtig, deutlich und rein zusammenspielten, als man es von 20–30 hört. Gewiß ist dieses Concert das einzige von der Art in der Welt.«


19 Mozart spielte in dem Societätsconcert am 22. Jan. 1783 ein Clavierconcert; am 23. Dec. 1785 war angekündigt »im Zwischenact ein Clavierconcert neu componirt und geschlagen von W.A. Mozart«; am 22. Dec. 1789 ließ er sein Quintett für Clarinette und Streichinstrumente zuerst spielen.


20 Starzer war ein geschickter Violinspieler und berühmt durch seine Balletcompositionen, die er meistens für Noverre schrieb (Schubart Aesthet. S. 79). Er starb als Kapellmeister 1793 in Wien.


21 Auch in seinem Concert in Leipzig im Jahr 1789 spielte er nach einer freien Phantasie diese Variationen (A. M. Z. I S. 114). Das Thema ist nicht aus Paesiello's Barbiere di Seviglia, welcher 1782 componirt ist, sondern eine Composition der Romanze in Beaumarchais Barbier, ich weiß nicht von wem. Mozarts Variationen waren also ehe er nach Wien kam, in Salzburg oder vielleicht schon in Paris componirt. In einem Briefe an Breitkopf (10. Aug. 1781) erwähnt Leop. Mozart Trois airs variés pour le Clavecin ou Fortepiano von Wolfgang, welche in Paris bei Heyna gestochen wären; dazu mögen auch wohl diese Variationen gehören. Sie finden sich in den Oeuvres II, 5. In einem Brief an Breitkopf u. Härtel (19. Aug. 1799) bedauert die Wittwe Mozarts, daß die Variationen hier fehlerhaft und nicht übereinstimmend mit der Pariser Ausgabe oder dem Amsterdamer Nachdruck derselben gestochen sind; was ich zu controliren außer Stande bin.


22 Auf dem Anschlagzettel für das vier und dreißigste Concert der Societät der Tonkünstler in Wien für den Pensionsfonds am 3. April 1781 heißt es: »Dann wird sich der Herr Ritter W.A. Mozart ganz allein auf einem Pianoforte hören lassen: er war selber bereits als ein Knabe von sieben Jahren hier und hat sich schon damals theils in Absicht auf Composition als auch in Ansehung der Kunst überhaupt und der besonderen Fertigkeit im Schlagen den allgemeinen Beyfall des Publicums erworben« (Neue Wien. Musikzeitg. 1852 N. 35).


23 Vgl. II S. 445.


24 »Ich habe das letztemal, da Alles aus war eine ganze Stunde noch Variationen (dazu mir der Erzbischof das Thema gab) gespielt, und da war so ein allgemeiner Beyfall, daß wenn der Erzbischof nur ein wenig ein menschliches Herz hat, er gewiß hat Freude fühlen müssen; und anstatt mir wenigstens seine Zufriedenheit und Wohlgefallen – oder meinetwegen gar nichts zu zeigen, macht er mich aus wie einen Gassenbuben, sagt mir ins Gesicht, ich soll mich weiter scheeren, er bekäme hundert, die ihn besser bedienten als ich« (13. Juni 1781).


25 Ich weiß nicht gewiß, ob dies der später zum Hofkammerdirector ernannte Freih. v. Moll ist ([Koch-Sternfeld] Die letzten dreißig Jahre S. 73f.).


26 Frz. Schlaucka, Leibkammerdiener des Erzbischofs.


27 So war es allerdings versprochen worden (II S. 313. 315), allein Mozart versichert (S. 14. 23), daß er nur 400 fl. als Gehalt bezogen habe.


28 Hieronymus war in einem Proceß mit dem Domcapitel verwickelt, welches 1779 eine Deputation nach Wien schickte um von dem Kaiser eine außerordentliche Commission zu erbitten, der ihnen zusicherte, der Erzbischof solle wie der geringste Reichsstand behandelt werden. Dies war wohl eine wesentliche Ursache, weshalb Hieronymus sich in Wien auf, hielt. Erst im Jahr 1785 kam ein Vergleich zu Stande. ([Koch-Sternfeld] a.a.O. S. 262ff.)


29 Ich weiß nicht, worauf sich dies beziehen mag. Aber die Briefe Leop. Mozarts, namentlich die späteren an seine Tochter, enthalten nur zu viele Züge, welche das Familienleben des Salzburger Adels in kein günstiges Licht setzen.


30 »Glauben Sie sicherlich«, schreibt Wolfgang (26. Mai 1781), »daß ich mich ganz geändert habe. Ich kenne außer meiner Gesundheit nichts Nothwendigeres als das Geld. Ich bin gewiß kein Geizhals – denn das wäre für mich sehr schwer ein Geizhals zu werden – und doch halten mich die Leute hier mehr zum Kalmäusern geneigt als zum Verschwenden, und das ist zum Anfang immer genug. Wegen den Scolaren kann ich so viele haben als ich will; ich will aber nicht so viel, ich will besser bezahlt sein als die anderen, und da will ich lieber weniger haben. Man muß sich gleich anfangs ein bischen auf die Hinterfüße setzen, sonst hat man auf immer verloren, muß mit den anderen immer den allgemeinen Weg fortlaufen.«


31 »Daß Sie mich mit Mad. Lange in Comparaison setzen, macht mich ganz erstaunen, und den ganzen Tag war ich darüber betrübt. Dieses Mädchen saß ihren Eltern auf dem Hals, als sie noch nichts verdienen konnte; – kaum kam die Zeit, wo sie sich gegen ihre Eltern dankbar bezeigen konnte (NB der Vater starb noch ehe sie einen Kreuzer hier eingenommen), so verließ sie ihre arme Mutter, henkte sich an einen Comödianten, heurathet ihn und ihre Mutter hat – nicht so viel von ihr. Gott! meine einzigste Absicht ist, weiß Gott, Ihnen und uns allen zu helfen; muß ich Ihnen denn tausendmal schreiben, daß ich Ihnen hier mehr nütze bin als in Salzburg? Ich bitte Sie, mein liebster, bester Vater, schreiben Sie mir keine solche Briefe mehr, ich beschwöre Sie; denn sie nützen nichts als mir den Kopf warm und das Herz und Gemüth unruhig zu machen, und ich, der nun immer zu componiren habe, brauche einen heitern Kopf und ruhiges Gemüth« (9. Juni 1781). Er schickte auch seinem Vater 30 Dukaten mit einer Entschuldigung, daß er gegenwärtig nicht mehr entbehren könne, und in den nächsten Jahren findet sich mehrfache Erwähnung von Geldsendungen nach Hause. – Uebrigens haben auf die harte Darstellung von der Handlungsweise Aloysias vielleicht die Erzählungen ihrer Mutter, welche Mozart später weniger günstig beurtheilen lernte, einigen Einfluß gegeben. Der Bericht ihres Mannes Jos. Lange lautet wenigstens ganz anders. Er erzählt in seiner Selbstbiographie (S. 116ff.), daß sie bald nach Aloysias Ankunft in Wien für einander Neigung gefaßt hätten. »Unglücklicherweise wurde der Vater ihr und der Familie durch einen Schlagfluß entrissen. Ihre Trostlosigkeit und tiefe Trauer machten sie mir, sowie meine Sorgfalt der Familie nun mit Rath und That beizustehen, mich ihr noch interessanter. Ihr Herz fand bei mir Theilnahme und Erleichterung und sie entschloß sich mich zu ehelichen, weil sie an dem Gatten den Freund zu finden hoffte, den sie an dem Vater verlor. Da sie durch ihr schönes Talent zum Lebensunterhalt der Ihrigen beitrug, so setzte ich ihrer Mutter so lange sie lebte einen Jahresgehalt von 700 Gulden fest und zahlte einen Verschuß von 900 Gulden, den die Familie von der Hofdirection erhalten hatte.«


32 Besonders Hr. v. Moll »hatte auf ihn ein lästerliches Maul, er werde hoffentlich in sich gehen und nach Salzburg zurückgehen, in Wien sei er nur wegen dem Frauenzimmer.« Man hatte dem Vater berichtet, Wolfgang habe mit einer Person von schlechtem Ruf Umgang gehabt, dieser hielt es ihm vor; allein Wolfgang konnte sich rechtfertigen. Er habe sie auf einem Ball getroffen, ohne von ihrem schlechten Ruf etwas zu wissen – Nicolai bemerkt (Reise V S. 257) daß in Wien der Besuch der öffentlichen Tanzlocale auch für die Frauenzimmer nicht für anstößig galt –, sie engagirt um eine sichere Contredanse-Tänzerin zu haben, dann aber, da er doch nicht ohne einen Grund anzugeben – »und wer wird Jemand so was ins Gesicht sagen?« – habe abbrechen können, öfters angesetzt um mit andern zu tanzen und sei froh gewesen beim Ende des Faschings; sonstwo habe er sie nie gesehen, sie nie besucht. Auch in Rücksicht seines kirchlichen Wandels hatte man den Vater beunruhigt; er bittet ihn sich seiner Seele wegen keine Sorge zu machen, er sei zwar ein fälliger junger Mensch, allein er dürfe zu seinem Trost wohl wünschen, daß es alle so wenig wären. An Fasttagen Fleisch zu essen halte er allerdings für keine Sünde, – »denn Fasten heißt bey mir sich abbrechen, weniger essen als sonst« – aber geprahlt habe er nie damit; alle Sonntag und Feiertags höre er die Messe und wo möglich auch an Werkeltagen. »Uebrigens sein Sie versichert, daß ich gewiß Religion habe. – Sie glauben vielleicht Sachen von mir, die nicht also sind; der Hauptfehler bey mir ist daß ich nach dem Scheine nicht allzeit so handle wie ich handeln sollte« (13. Juni 1781).


33 »Ich habe Ihnen also noch keine Liebe gezeigt?« schreibt Wolfgang (19. Mai 1781) »muß sie also erst itzt zeigen? können Sie das wohl sagen? Ich wollte Ihnen von meinem Vergnügen nichts aufopfern? – Was habe ich denn für ein Vergnügen hier? Daß ich mit Muhe und Sorge auf meinen Geldbeutel denke! – Mir scheint, Sie glauben, ich schwimme hier in Vergnügen und Unterhaltungen. O wie betrugen Sie sich nicht! – Wenn das Vergnügen heißt, wenn man von einem Fürsten los ist, der einen nicht bezahlt und zu Tode cujonirt, so ist es wahr, ich bin vergnügt.«


34 »Was Sie wegen den Weberischen schreiben«, antwortet Mozart (16. Mai 1781) »kann ich Sie versichern daß es nicht so ist. Bei der Langin war ich ein Narr, das ist wahr; aber was ist man nicht, wenn man verliebt ist? Ich liebte sie aber in der That und fühle daß sie mir noch nicht gleichgültig ist – und ein Glück für mich daß ihr Mann ein eifersüchtiger Narr ist und sie nirgend hinläßt, und ich sie also selten zu sehen bekomme. Glauben Sie mir sicher, daß die alte Mad. Weber eine sehr dienstfertige Person ist und daß ich ihr à proportion ihrer Dienstfertigkeit nicht genug entgegen erweisen kann, denn ich habe nicht die Zeit dazu.«


35 »Der Erzbischof schmält hier über mich bey der ganzen Welt und ist nicht so gescheit daß er einsieht, daß ihm das keine Ehre macht; denn man schätzt mich hier mehr als ihn. Man kennt ihn als einen hochmuthigen, eingebildeten Pfaffen, der alles was hier ist verachtet, und mich als einen gefälligen Menschen. Das ist wahr, ich bin stolz, wenn ich sehe daß mich Jemand mit Verachtung und en bagatelle behandeln will – und so ist der Erzbischof gegen mich; aber – mit guten Worten könnte er mich haben, wie er wollte.«


36 »Mein handgreiflicher Discours« wiederholt er im nächsten Brief (16. Juni 1781) »bleibt dem hungerigen Esel nicht aus und sollte es in zwanzig Jahren seyn – denn, ihn sehen und mein Fuß in seinem A– ist gewiß eins, ich müßte nur das Unglück haben ihn zuerst an einem heiligen Ort zu sehen.«


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 4, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1859, S. 1.
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