[297] Sieben und dreyßigstes Schreiben.

Reise von Mayland über Pavia, Voghera, Tortona, Alexandria und Asti nach Turin.

Die Gegend zwischen der Stadt Mayland und Pavia ist überaus angenehm, und finden sich allenthalben fruchtbare mit Canälen durchschnittene Wiesen, treffliche Aleen und schöne Weingärten. Rand rechts: Gegend. Das Gras und Heu, welches allhier wächst, ist so fett und geil, daß die Pferde in etlichen Wochen davon fett, das Rindvieh aber schwach wird. Aus dieser Ursache tauget auch das allhier gefallene Vieh nicht zur Arbeit, sondern man läßt die Zugochsen aus Piemont kommen. Diese sind alle weiß, gleichwie man hingegen im Mayländischen keine andern als schwarze Schweine findet.

Fünf italienische Meilen oder eine gute Stunde vor Pavia hat man eine berühmte Karthause zu besehen. Rand rechts: Karthause vor Pavia. La grande Chartreuse bey Grenoble setzt die Fremden in Verwunderung durch ihre Lage zwischen hohen Felsen und steilen Klüften; allhier aber in der Karthause von Pavia wird man durch den Pracht der Gebäude und insonderheit der Kirche eingenommen. An dieser letzten ist das ganze Frontispicium von trefflicher Bildhauerarbeit in weißem Marmor und von solcher Feinigkeit, daß man sie unten herum mit vorgezogenem Drathe vor Beschädigungen zu verwahren nöthig erachtet hat. Innerhalb der Kirche hat man das vortreffliche eiserne und an vielen Orten verguldete Gitterwerk, welches in allem sechszig tausend Thaler gekostet haben soll, zu betrachten. Ferner zeigen sich zwölf unvergleichliche Statuen aus carrarischem Marmor, davon vier, so an den äußersten Seiten stehen, die vier Haupttugenden, die übrigen acht aber, welche die mittlere Galerie der Kirche ausmachen, und einen Mayländer Gioseppe Lusevati zum Meister haben, die vier Evangelisten[297] nebst den vier Kirchenlehrern Ambrosio, Hieronymo, Augustino und Gregorio vorstellen. Man bemerket ferner zwo große Weihwasserschalen von künstlicher Arbeit, und außer dem hohen Altare noch sechszehn andere in besondern Kapellen. Diejenigen, so einander gegenüber stehen, sind in Ansehung der Baukunst und der marmornen Seulen völlig gleich, und nur im innern Gemälde und in der Auszierung des vördern Theils vom Altartische unterschieden; übrigens aber kann man sich über die mancherley abwechselnden Farben von Alabaster, Granit, und andern Marmor kaum genugsam verwundern. Die meisten Altäre sind mit Arbeit von der neuesten florentinischen Art, welche Vögel, Bluhmen und andere Dinge vermittelst eingelegter kostbaren Steine aufs natürlichste abbildet, gezieret. Rand links: Florentinische Arbeit. Das Kloster unterhält anitzo zu dergleichen Werken zween treffliche Künstler, Vater und Sohn, davon der letzte, Valieri Sac, seine Wissenschaft so weit treibt, daß die geschickteste Stickerinn Mühe haben würde, mit ihrer Nadel und Seide alle Farben und Schattierungen so wohl auszudrücken, als dieser Meister mit zusammen gesetzten Stücken von Achat, Rubin, Amethyst, Carniol, Jaspis, Lazuli und andern dergleichen Steinen thut. Alle Wände oder Mauern um den Hauptaltar nebst denen zween Tischen, die auf den Seiten stehen, sind von solcher florentinischer Arbeit. Vor dem Altare zeigen sich etliche mit trefflichen Zierrathen versehene Pyramiden aus bronzo, nebst einem Leuchter von gleicher Kunst und einerley Materie, welchen Annibal Fontana verfertiget hat. Von diesem Künstler sind auch die schönen metallenen Werke der Kirche St. Celso zu Mayland. Der Hauptaltar selbst ist mit vielen kostbaren Steinen, worunter insbesondere große Stücke vom Lapide Lazuli sich befinden, gezieret. Das darauf stehende Tabernakel pranget mit so kostbarer Arbeitaus Onyx, Achat, Lazuli etc. daß es auf achtzig tausend Thaler geschätzet wird. Das Gewölbe der Kirche ist mit Ultramarin oder Couleur d'Azur gemalt und als ein blauer Himmel mit goldenen Sternen erleuchtet. An verschiedenen Orten desselben bemerket man auch mosaische Arbeit. In der Sacristey besieht man die Geschichte des alten Testamentes vortrefflich aus Zähnen von Meerpferden geschnitten. Diese Arbeit wird desto mehr bewundert, je mürber und gebrechlicher diese Materie ist in Vergleichung mit andern, welche man zu so seinen Werken gemeiniglich zu nehmen pfleget. Die Schönheit der Kirche nimmt täglich zu, weil man beständig tüchtige Künstler, die auf Verbesserung der Zierrathen bedacht sind, unterhält.

Der Stifter dieser Karthause ist Johannes Galeacius Visconti, dessen schönes Grabmaal aus weißem Marmor allhier in der Kirche zu sehen ist. Er starb im Jahre 1494.

Die Bibliothek des Klosters ist nicht sonderlich, und kömmt dem übrigen äußerlichen Prachte keinesweges bey. Man wird aber selten finden, daß sich die Karthäuser auf Wissenschaften legen. In dem Gebäude, welches rechter Hand vom Eingange des großen Hofes aufgeführet worden, finden sich im andern Stockwerke schöne Zimmer, worinnen auch die itztregierende Kaiserinn bewirthet worden ist. Nächst an dem Kloster hat ein kleiner viereckichter Garten artige Hecken von Buxbaume, der theils in Figuren geschnitten ist. Man findet darinnen auch viele künstliche Wasserwerke und Scherzfontainen, mit welchen die hiesigen Mönche insonderheit den fremden Ordensleuten einige Possen zu spielen suchen. Rand links: Wasserkünste. Derjenige, dem der Brunnenmeister ein Bad oder einen Regen zugedacht, kann demselben nicht entgehen, er mag sich hinwenden, wohin er wolle. Fremde aber, von welchen ein Trankgeld zu hoffen ist, weis man dabey dennoch zu schonen.

In einem größern Garten ist ein sehr schöner mit Weinreben bedeckter Gang, der auf beyden Seiten marmorne Seulen und eine Länge von fünfhundert gemeinen Schritten hat. Rand links: Garten. Die Zellen der Mönche sind an den Mauern dieses gevierten großen Platzes von einander[298] abgesondert gebauet. Jeder hat sein eigenes Haus und einen besondern Garten. Die Anzahl der Patrum erstrecket sich auf etliche und funfzig, und gehen sie ganz weiß gekleidet. Vormals wurden allhier alle Fremde gespeiset und frey gehalten: allein in den letzten Kriegen machten es die deutschen Officiere allzu grob, indem sie mit starken Gesellschaften kamen, sich gleichsam nach Gefallen einquartierten und einander vollsoffen; daher man endlich Gelegenheit genommen, die alte Gewohnheit gänzlich abzuschaffen. Rand rechts: Ehemalige Gastfreygebigkeit. Rand rechts: Lebensart. Die Karthäuser essen am besten unter allen Orden. Ihr Officium, ob es gleich eben dasselbe ist, welches andere Mönche haben, singen sie so langsam, daß sie täglich vierzehn Stunden im Chore zubringen. Auf diese Art wird es auch in der Karthause bey Grenoble gehalten, worinnen noch dieses als etwas besonders bemerket wird, daß die Patres der deutschen Nation, indem sie wegen der Lage des Ortes gemeiniglich zu Pferde ankommen, das Recht haben, im innern Klosterhofe, ehe sie absteigen, ihre Pistolen zu lösen, welches sie auch bey ihrer Abreise thun dürfen. Dieses dem Mönchstande nicht allerdings gemäß-scheinende Recht soll von der Freygebigkeit, so die deutsche Nation bey der Stiftung der besagten Karthause erwiesen, seinen Ursprung haben.

Den Parc oder Thiergarten, worinnen die Karthause von Pavia liegt, hat der Herzog Joh. Galeacius für das Wild anlegen und mit einer ins Gevierte gezogenen Mauer, welche aber anitzo in vielen Orten verfallen und eingegangen ist, umgeben lassen. Rand rechts: Ort, wo Franciscus der erste gefangen worden. In der neuern Historie ist er wegen der Niederlage, welche der König in Frankreich Franciscus der erste, mit dem Verluste seiner Freyheit im Jahre 1525 allhier erlitten hat, berühmt.

Pavia ist eine weitläuftige aber alte und einsame Stadt am Teßin oder Ticino, über welchen eine steinerne Brücke von sechs Bogen und einer Länge von dreyhundert gemeinen Schritten nach Borgo geht. Rand rechts: Pavia. Die Befestigungswerke sind schlecht, und sieht man es überhaupt dem Orte nicht mehr an, daß er ehemals die Hauptstadt des mächtigen longobardischen Reiches gewesen. Die Domkirche ist alt und von Backsteinen, wie die meisten hiesigen öffentlichen Gebäude. Man zeigt in derselben einen Mastbaum, welchen das gemeine Volk für eine Lanze des großen Rolands ausgiebt. Rand rechts: Lanze des Rolands.

In dem Augustinerkloster ist ein treffliches aber zur Zeit noch lediges Grabmaal des h. Augustini aus weißem Marmor zu sehen, woran schon seit dem 1364sten Jahre gearbeitet wird. Rand rechts: Grabmaal Augustini. Entdeckung des Körpers St. Augustini. Es soll dasselbe in die nächst daran stoßende und vom Könige Luitprand erneuerte Kirche St. Petri und Augustini gebracht werden, so bald es nur mit allen Anstalten, die zur Translation dieser heiligen Gebeine erfodert werden, seine Richtigkeit haben wird. Bisher hat solches noch nicht geschehen können wegen des Widerspruchs, welchen die Canonici Regulares, so die Hälfte an der besagten Kirche haben, wider die Wahrheit des besagten Heiligthums erreget hatten. Augustini Körper soll im Jahre 506 von Hippon nach Sardinien und zu Anfange des achten Jahrhunderts von dannen nach Pavia gebracht worden seyn. Luitprand, König der Longobarden, bauete deswegen diese Kirche, welche (vermuthlich wegen ihrer verguldeten Cuppola) insgemein il Cielo d'Oro genennet wird. Aus Furcht vor Dieben oder andern Beschädigungen, so in den damaligen Kriegesunruhen hätten vorfallen können, wurde der Ort des Begräbnisses verborgen gehalten, und darüber endlich gänzlich vergessen. Die Aufsicht über diesen verborgenen Schatz hatten die Mönche des Klosters St. Petri, an deren Stelle aber in dem zwölften Jahrhunderte oder am spätesten im Jahre 1120 Canonici Regulares kamen, denen man im vierzehnten Jahrhunderte die Augustinermönche, welche ihr Kloster an der andern Seite der Kirche haben, beyfügte. Die Kirche ist durch einen päbstlichen Ausspruch solchergestalt getheilet, daß die eine Seite den Canoni[299] cis allein, und die andere den Mönchen allein gehöret. Den Chor besitzen beyde Theile wechselsweise und einen Monat um den andern; daher die Mönche eine zwar kleine aber wohlgewölbte Kirche in ihrem Kloster vor sich angeleget haben. Diese haben sich jederzeit Hoffnung gemacht, es würden Augustini Gebeine wieder zum Vorscheine kommen. Worauf sich ihre Hoffnung gegründet, ist noch nicht ausgemacht. Indessen aber haben sie schon von langen Jahren her am obgedachten Grabmaale oder Mausoleo arbeiten lassen, um sich dadurch gleichsam in den Besitz des verlangten Heiligthums zu setzen. Der 1 October des 1695sten Jahres war endlich derjenige Tag, an welchem ihr Wunsch in die Erfüllung zu treten anfing, oder woran sie für rathsam hielten, ihren schon längst gehabten Anschlag ausbrechen zu lassen. In einem Gewölbe, so unter dem Hauptaltare liegt, arbeitete man damals an einer Verbesserung, als man nahe bey einem Brunnen, dessen Wasser von vielen Leuten mit großem Vertrauen wider das Fieber getrunken wird, ein Grab entdeckte, zu dessen fernerer und genauerer Untersuchung alsbald die Obrigkeit der Stadt eingeladen wurde. An diese zeigte man erstlich gegenüber an dem Kalke der Mauer das mit großen schwarzen und gothischen Buchstaben geschriebene Wort: Augustino. Ferner brachte man einen auf allen Seiten verschlossenen Sarg aus weißem Marmor zum Vorscheine, an dessen vördern Seite gleichfalls das Wort Augustino stund. Als dieser Sarg mit Gewalt eröffnet worden, fand sich darinnen ein anderer von Maßivsilber, der verschlossen und auf jeder Seite mit einem Crucifixe nebst den Buchstaben J. C. (Jesus Christus) bezeichnet war. Nachdem diese Art von Kasten eröffnet war, zeigte sich ein mit rothen Strichen gestreiftes seidenes Tuch, welches durch die Länge der Zeit fast gänzlich verweset war. In demselben war ein dritter Sarg aus Bley eingehüllet, aus dessen Alterthume man muthmaßete, daß er derjenige seyn müsse, worein der Leichnam des Kirchenvaters Augustini gleich nach seinem Tode geleget worden. Dieser Sarg ist voller Menschengebeine, welche man durch Leute, die in der Osteologie erfahren sind, hat untersuchen lassen, da sich dann gefunden, daß kein einziges von denenjenigen Stücken, welche an andern Orten der Christenheit, als Reliquien des Leibes Augustini verehret werden, sich darunter befinde. Zur Seite stunden zwo kleine ledige Flaschen, an denen keine von der darinnen gewesenen Feuchtigkeit hinterlassene Farbe zu bemerken war. Etliche vermeynen, es sey ehemals Oel darinnen verschlossen gewesen, welchem man durch die lange Nachbarschaft bey dem heiligen Körper eine sonderbare Kraft habe geben wollen. Ich will mich hier nicht aufhalten mit denen Einwürfen, die sowohl von denCanonicis, als andern Leuten, die nicht alles blindlings glauben wollen, wider die itztbeschriebene Reliquie gemacht werden, und deren etliche auch aus den erzählten Umständen der Entdeckung fließen, was sonderlich dieses anlanget, daß der letzte Kasten voller Gebeine, und nur diejenigen fehlen sollen, von welchen schon andere Mönche und Geistliche im Besitze zu seyn behaupten. Denn woher haben sie Kenntniß von allen solchen Heiligthümern, die hie und da durch die ganze Christenheit unter dem Namen von Gliedern des heil. Augustini gezeiget werden? und woher sind diese in Pavia mangelnde Stücke gekommen, wenn der Leichnam des Heiligen alsbald nach seinem Tode in dem bleyernen Sarge verschlossen worden? Genug ist es inzwischen für die Anhänger des päbstlichen Stuhls, daß Benedictus der dreyzehnte den 22 September des Jahres 1728 durch eine feyerliche Bulle sich für die Augustinermönche[300] erkläret, und diejenigen, welche sich unterstehen würden ihrem Vorgeben von der Wahrheit dieses heiligen Körpers zu widersprechen, mit der Kirchencensur bedrohet hat. Die Partey der Mönche hat auch Justus FONTANINI in einer ganz kürzlich zu Rom herausgegebenen Schrift, angenommen1. Das neue Grabmaal wird perpendicular über dem Orte, wo der heil. Augustin gefunden worden, zu stehen kommen, und zu solchem Ende das Chor verlängert werden.

Nahe bey denen sieben oder acht Stufen, auf welchen man hinunter in besagtes Gewölbe geht, liegt der Leichnam des christlichen Philosophen Boëthii, welcher im letzten Jahre der Regierung Theodorichs unschuldiger Weise hingerichtet worden, nachdem er vorher in seinem Exilio zu Pavia die artige Schrift de Consolatione Philosophiæ verfertiget hatte. Rand rechts: Boethii Körper. In der Stadt zeiget man noch den Thurm, worinnen er gefangen gesessen und den Kopf verlohren hat. Nahe bey seinem Grabe liest man an einer Seule:


Hic jacent ossa Regis Luitprandi.


Es ist zu vermuthen, es werden mit der Zeit die Franciscanermönche in Entdeckung der Gebeine eines Kirchenvaters dem Exempel der Augustiner folgen, weil man an einer Kapelle ihrer Kirche liest: Sacellum, ubi S. Hieronymi corpus sepultum est, in loco tamen incognito. Rand rechts: Franciscanerkirche. Körper des h. Francisci. Dergleichen Erfindungen bringen Ehre und Vortheil. Nahe an der gemeldten Kapelle ist in einem Gewölbe eine Sammlung von Gebeinen zu finden, welche von denen bey Pavia im Jahre 1525 umgekommenen Franzosen übrig geblieben sind. Rand rechts: Gebeine der Franzosen. Ehemals war das ganze Gewölbe damit angefüllet, sie sind aberschon um einen guten Theil zusammen gesunken. Rand rechts: Sonderbare Art Almosen zu sammeln. Ich kann nicht umhin, hiebey einer sonderbaren Almosensammlung zu gedenken, die ich unter den Thoren zu Pavia bemerket, indem man den vorbeygehenden, um sie desto mehr zur Freygebigkeit zu bewegen, eine Schüssel, worinnen ein Todtenkopf liegt, vorhält.

Die Universität zu Pavia ist von Karln dem großen gestiftet und von Karln dem vierten erneuert worden. Rand rechts: Universität. Baldus, Jason, Andreas Alciatus und andere berühmte Juristen haben ehemals mit vielem Ruhme auf derselben gelehret. Unter den sieben dazu gehörigen Collegiis ist dasjenige, welches vom Borromäo den Mamen führet, überaus wohl gebauet und mit schönen Galerien versehen. Rand rechts: Collegium S. Borromæi Collegium Papale. Statua Pii V DasCollegium Papale ist von Pio V. gestiftet, dessen große Statue auf dem Platze vor dem Gebäude steht. Dieses Bildniß ist noch schöner im Kloster linker Hand aus weißem Marmor auf einem Fußgestelle von rothem und schwarzem Marmor. Rechter Hand sieht man in einem hohen Saale eine Sammlung von großen und trefflichen Gemälden, worunter das größeste, so über dem Eingange aufgestellet ist, die Schlacht bey Lepanto abbildet, und vom Giovanni Battista delle Scuole verfertiget ist.

Auf dem Platze vor der Domkirche ist eine ansehnliche Statua Equestris aus Metalle zu sehen, welcheRegisola genennet wird, und Antoninum Pium, oder, nach anderer Meynung, Marcum Aurelium vorstellet. Rand rechts: Statua Antonini Pii. Noch andere machenConstantinum M. daraus, und das gemeine Volk schreibt sie Karln dem fünften zu.

Von Pavia sind fünf Stunden bis Voghera, einem schlechten Orte, welcher dem Principe de Cisterna, Marchese di Voghera gehöret. Rand rechts: Voghera. Es ist daselbst nichts zu bemerken, wo man nicht folgende Inscription, so sich in der Hauptkirche zur Rechten des großen Altars findet, dahin rechnen will: Rand links: Inscription über einen unverweseten Leichnam.
[301]

Thadæns Comes Heroum sanguine natus

Virtute notus, nobilitate clarus

Illustrissuna Vernensium ex indole cretus

Urbis decus ac Orbis

Obiit

Anno M CCCC LXXXIII.

Ad diem usque xxıx. Julii A. MDCXLVIII.

In abditis terræ latitavit imactus

Repertus concreto sanguine tinctus

Hic requiescit.

Unter diesen Worten steht das Wapen und dann ferner:

Quod miraris, ne mireris!

Forte sicuti vivens a criminum labe illibatus vixit,

Ita & defunctus

A vermium morsu illæsus

A putredinis nota incorruptus erupit.


Der Weg von Voghera nach Tortona ist überaus angenehm, auch die Straße erhaben, also daß man diesen letzten Ort auf anderthalb Stunden weit durch die Alec vor sich liegend sehen kann. Rand links: Tortona. Tortona ist eine schlechte Stadt; das Castel aber, so zur linken Hand auf einem Berge liegt, hat viele und weitläuftige Befestigungswerke.

Von Tortona bis Alexandria sind zwölf italienische Meilen. Eine starke Vierthelstunde von dem ersten Platze fährt man durch den Fluß Scrinia oder Scrivia, welcher aus den genuesischen Gebirgen kömmt und bey Regenwetter sehr stark anläuft. Rand links: Fluß Scrinia. Gleiche Bewandniß hat es mit dem Wasser la Bormia, welches nicht weit von Alexandria fließt, daher man bey starkem Regen einen andern obwohl weitern Weg, woselbst man mit Fährden übergesetzet wird, zu nehmen gezwungen ist. Rand links: Bormiä.

Alessandria (im Lateinischen Alexandria Statelliorum) leidet Mangel am Holze und bäckt man daselbst das weiße Brodt mit Strohe, daher auch die StadtAlessandria della Paglia spottweise genennt wird. Rand links: Alessandria. Es ist eine alberne Fabel, wenn etliche vorgeben, sie habe solchen Namen erhalten, weil man daselbst vor alten Zeiten die deutschen Kaiser mit einer strohernen Krone gekrönet. Man zählet in diesem Orte zwölf tausend Seelen. Die Befestigung ist schlecht; es hat aber der König von Sardinien, dem dieser Platz in den letzten Kriegesunruhen mit dem dazu gehörigen Gebiethe abgetreten worden, seit einem Jahre angefangen, eine neue Citadelle jenseit des Flusses Daner und gleichsam in der Vorstadt von Alexandria anzulegen. Weil der Kaiser wider diese Neuerungen sich gereget, so giebt man piemontesischer Seits vor, man stelle nur die Werke, welche schon längst daselbst angelegt gewesen, wieder her. Hiedurch wird zwar Alexandria nicht bedeckt, wohl aber das übrige abgetretene Land; und fehlet es dem Könige von Sardinien überhaupt an Festungen gegen[302] die Gränzen von Mayland. Der Marchese di Solerio hat zu Alexandria ein Opernhaus bauen lassen, worinnen zur Zeit der Messen oder Jahrmärkte, die in die Monate April und October fallen, Singspiele aufgeführet werden. Rand rechts: Opernhaus. Der Prinz von Piemont, so diesen letzten Jahrmarkt besuchet hat, gab für seine Loge hundert Louisdor, und halb so viel wegen eines Balls, den er in diesem Gebäude angestellet. Unter den Sängerinnen war für diesesmal Selvai die beste. Rand rechts: Sängerinn Selvai. Sie ist lange in Deutschland, sonderlich aber zu Wien gewesen, und hat sich ein kaiserlicher Dragonerhauptmann in ihre Person und Stimme verliebet, sie geheirathet, und ihrentwegen seine Bedienung verlassen. Sie hat indessen schon so viel gesparet, daß sie von ihren Capitalien zweytausend und fünfhundert Livres de Piemont jährlicher Zinsen hat.

Die Domkirche hat gute Marmorarbeit und Frescogemälde. Rand rechts: Domkirche. In einer Kapelle fand ich auf dem Fußboden folgende eingehauene Worte: Rand rechts: Grab des Bischofs Resta.


Philippus Maria Resta

Episcoporum Minimus

Peccatorum Maximus

Inspicientium orationibus se commendat.

Prid. Kal. Apr. MDCCVI.


In einer andern Kapelle liest man auf einem viereckichten Steine, so über der Oeffnung eines Grabgewölbes liegt, folgende außerordentliche Worte: Rand rechts: Außerordentliche Grabschrift.


D. O. M.

Delparæ

Patibulato filio commorientis

Piis cultoribus

Sepulchrum virgineo hoc in solo effossum

Ut mortui æque ac viventes

Misericordlæ Matrem sentiant

Sacelli hujus curatores

P P.

Ann. MDCLXXXIX


Ich finde wohl, daß in der heil. Schrift das allerhöchste Wesen der Ursprung oder der Vater aller Barmherzigkeit genennet werde; wie aber Maria als die Mutter der Barmherzigkeit verehret werden könne, begreife ich so wenig, als wie man in dieser Inscription sagen könne, Maria sey mit ihrem am Galgen oder Kreuze hängenden Sohne gestorben. Rand rechts: Mater Misericordlæ. Rand rechts: Christus patibulatus. Patibulum und Crux werden zwar beym IVSTINOlib. XXII. SENEC. de vita beat. c. 17. APVLEIOde Asino, lib. VI, in fin. für eines genommen2, und ist die angeführte alexandrinische Inscription nicht die einzige, welche Christum patibulatum nennet, indem ich auch in der Sacristey der Kirche St. Severin zu Neapolis in der Unterschrift eines gemalten Crucifixes bemerket, daß solches patibulati numinis effigies genannt werde3.[303]

Allein obgleich die vor alten Zeiten gewöhnliche Kreuzigung eben so schimpflich war, als heut zu Tage bey uns das Henken ist, wir uns auch der obgleich schmählichen Todesart Christi nicht zu schämen haben, wie die Jesuiten in den neuern Zeiten in China gethan, da sie aus Politik und unverantwortlichen Nebenabsichten in ihrer Lehre den gekreuzigten Christum gänzlich ausgelassen haben; so giebt doch itziger Zeit das Wort Patibulum einen Begriff von einer ganz andern Todesart, als man sich von der Kreuzigung zu machen hat: und könnte man sich der obgedachten Ausdrückung auch deswegen noch mehr enthalten, weil die heutigen Juden unsern Heiland zum Spott den Gehenkten nennen, den Christen aber den Namen der Tholachler oder der Fresser des Gchenkten geben, zu welcher letzten Redensart vermuthlich die römischkatholische Lehre von der Transsubstantiation Gelegenheit gegeben, indem die Juden von einem Christen, der zum h. Abendmahle gegangen, sagen: er habe den Thola geachelt, d.i. er habe den Gehenkten gegessen. Rand links: Jüdische Lästerung.

Von Alexandria werden sechs italienische Meilen nach Felizane, und von dannen noch acht nach Asti gerechnet. Rand links: Felizane. Anderthalb Meilen vor Felizane hat man auf der Höhe, worauf Solerio liegt, eine treffliche Aussicht gegen Alexandria, und zählet man von dannen bey siebenzig umliegende Städte, Flecken und Dörfer. Castelleta und St. Salvatore gehören mit unter diejenigen, welche am besten ins Auge fallen. Der letzte Ort ist groß und von vielem Adel bewohnet. Seine Luft wird für so gesund gehalten, daß viele Kranke sich dahin bringen lassen.

Zwischen Felizane und Asti finden sich schöne turbines, conchæ, cochleæ, pectines und andere petrefacta, davon ich mehr als zwölf Arten in einem einzigen Steine angetroffen habe. Rand links: Petrefacta.

Asti ist eine große Stadt, so in einem angenehmen und fruchtbaren Thale liegt. Rand links: Asti. So viel man aus den weitläuftigen Mauern, welche auch um die Vorstädte gezogen sind, urtheilen kann, mag sie vor Alters wohl befestiget gewesen seyn. Anitzo aber läßt man alle diese Werke verfallen und eingehen. Es wird auch die Citadelle, so auf einer Höhe liegt, in schlechtem Stande erhalten.

Die Hauptkirche hat eine artige Architectur, eine hohe Wölbung, schöne Cuppola und gute Frescogemälde. Rand links: Kirchen. In den alten Zeiten soll sie ein Tempel der Juno gewesen, vom h. Suro aber, einem aus den siebenzig Jüngern unsers Heilandes, in eine christliche Kirche verändert worden seyn, wie eine neue allhier befindliche Inscription davon Nachricht giebt.

Von Asti bis Turin sind zwey und zwanzig italienische Meilen, welche für die Vetturini eine gute Tagereise ausmachen. Rand links: Montata di Tussino. Unter Weges hat man die Montata di Tussino zu übersteigen, die man bey eingefallenem Regenwetter mit einem Umwege vermeidet, weil es alsdann wegen des leimigen und lättigen Bodens, worinnen die Pferde nicht haften können, große Mühe kostet, darüber zu kommen. Sollte es sich zutragen, daß man auf halbem Wege von einem starken Regen überfallen würde, so ist das beste und einzige Mittel, daß man den Pferden die Hufeisen abnehme, damit sie sich desto besser helfen können. Die Gegenden zwischen Asti und Turin sind nicht mehr so angenehm, als man sie vorher gehabt hat.

Fußnoten

1 Der Titel derselben ist: JustiFONTANINIArchiepiscopi Ancyrani Tr. de corpore S. Augustini Hipponensis Episcopi Ticini reperto in Confessione ædis S. Petri in cœlo aureo, an. 1728. Der päbstlichen Bulle ungeachtet ist im Jahre 1731 zu Rom eine Schrift herausgekommen, deren Verfasser gar hart mit Fontanini verfährt, und die Falschheit seines und der Mönche Vorgebens an den Tag zulegen sucht, der Titel ist: Motivi di credere tuttavia ascoso e non iscoperto l'anno 1695 il sacro corpo di S. Agostino.


2 Eigentlich waren patibula und cruces unterschieden (vid. TACIT. Annal. lib. XIV.) und patibulum insbesondere dasjenige, was sonst furca genennet wird, nämlich ein Holz, welches sich nach Art des Buchstabens Y in zwo Zacken theilete, damit eines Sclaven Hals dadurch gestecket werden konnte, wenn er mit Schimpf und Schande in der Stadt herum geführet und bisweilen dabey mit Stacheln gestochen wurde. Rand links: Crux und Patibulum unterschieden. Es geschah aber wohl, daß diejenigen, so das Holz durch die Stadt getragen hatten, hernach außer derselben auch an das Kreuz geschlagen wurden, und sagt davon PLAVTVS: Patibulum ferat per urbem, dein affigatur cruci. Ein mehreres davon findet man beym ClaudioSALMA SIOde cruce, p. 403, und beym BYNAEO im gekreuzigten Christus.


3 Die mystischen Anmerkungen der ersten Kirchenväter, welche sie bey der Todesart Christi gemacht, verstatten den Ausdruck eines patibulati in eigentlichem Verstande nicht. Denn sie haben in der viereckichten Gestalt, welche Nonnus sublationem in lignum quadrilaterum nennet, große Geheimnisse gesuchet.SEDVL. mir. l. 3:


Neve quis ignoret speciem crucis esse colendam,

Quæ Dominum portavit ovans, ratione patenti,

Quattuor inde plagas quadrati colligit orbis,

Splendidus auctoris de vertice fulget Eous,

Occiduo sacræ labuntur sidere plantæ,

Arcton dextra tenet, medium læva erigit axem.


Augustinus findet eine deutliche Abbildung des Kreuzes in den Worten Paulli Ephes. c. 3, v. 18: Auf daß ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sey die Breite, und die Länge, und die Tiefe, und die Höhe. Erat latitudo, sagt Augustinus in Psalm. c. 3, in qua porrectæ sunt manus: longitudo a terra surgens, in qua erat corpus infixum: altitudo ab illo innexo ligno sursum quod eminet; profundum, ubi sixa erat crux, & ibi omnis spes vitæ nostræ. Und Damascenus B. 4, c. 12: Sicut quatuor extrema crucis per medium centrum vinciuntur & junguntur: sie per divinam potentiam sublimitas & profunditas, longitudo & latitudo omnis conspicua, & in conspicua creatura continetur. Ruffinus beruft sich ebenfalls auf die Worte Paulli, doch so, daß er dieselben verstümmelt erkläret: Docet Apostolus Paullus illuminatos esse debere oculos cordis ad intelligendum, quæ sit altitudo, latitudo & profundum. Descriptio crucis est, cuius eam partem, quæ in terram defixa est, profundum appellavit: altitudinem vero illam, quæ in aërem porrecta sublimis erigitur: latitudinem quoque illam, quæ distenta in dextram levamque protenditur.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 304.
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