[347] Zwey und vierzigstes Schreiben.

Nachrichten von des Großherzogs zu Florenz Hofstaate, Pallästen, Kunst- und Schatzkammern, Galerien etc.

Florenz ist in Ansehung der Merkwürdigkeiten, auf welche ein Reisender in Italien seine Gedanken zu richten hat, nach Rom die vornehmste Stadt von ganz Italien, und hat OCTAVIVSFerrariensis nicht unrecht, wenn er sie ipsius Italiæ Italiam nennet. Rand rechts: Schönheit der Stadt Florenz. Gedruckte Beschreibungen davon. Ferdinando LeopoldodelMIGLIORE hat dieselbe in seiner Firenza Illustrata weitläuftig beschrieben; es sind aber seit der Zeit, da dieses Werk herausgekommen, hin und wieder viele Veränderungen vorgenommen worden, an deren Anmerkung einem Reisenden gelegen ist. Il Ristretto delle Cose più notabili della Città di Firenze, so von einemProfessore Juris D. RaffaëllodelBRVNO verfertiget, und im 1719ten Jahre zum drittenmal von Carlo MariaCARLIERI zu Florenz herausgegeben worden, theilt zwar einem neugierigen Fremden eine gute Anleitung mit, ist aber keinesweges hinlänglich, auch in vielen Stücken nicht gar richtig. Dieses erkennen des Raffaello eigene Landsleute, und ist daher ein Medicus, Gioanetti genannt, zu dem Entschlusse gebracht worden, an einer neuen Beschreibung dieser Stadt zu arbeiten, deren baldige Herausgabe man billig mit Verlangen erwartet.

Es ist nicht zu verwundern, daßman in Florenz einen Schatz und treffliche Sammlungen kostbarer Dinge, so die Bildhauer- und Baukunst, Malerey, Mathematik, Medaillen, Edelgesteine, Alterthümer und dergleichen Merkwürdigkeiten betreffen, findet, wenn man in Erwägung zieht, wie die mediceische oder itzige großherzogliche Famille schon seit mehr als zweyhundert Jahren vermittelst vieler Vorsorge und unglaublicher Unkosten, die Beförderung der Wissenschaften gesuchet, dergestalt, daß die Gelehrten (ein Volk, unter welchem[347] man nicht weniger Schmeichler, als an Höfen findet) fast darüber vergessen, was für üble Thaten sich übrigens in dem Lebenslaufe der meisten dieser Fürsten finden. Rand rechts: Gelegenheit zu den kostbaren Sammlungen merkwürdiger Dinge in derselben.

Der itzige Hof ist ganz still und einsam. Rand links: Hofstaat. Die Schwester des Großherzogs, Maria Anna Louise, verwitwete Churfürstinn von der Pfalz, ist (wie man in der römischen Kirche zu sagen pfleget) devot worden, und läßt sich fast mehr in Klöstern und Kirchen, als bey Hofe sehen. Rand links: Charakter der großherzoglichen Personen. Die Großprinzeßinn Violanta Beatrix, des ältesten Bruders vom itztregierenden Herrn hinterlassene Witwe, eine Schwester des vorigen Churfürsten von Bayern Maximilian Maria Emanuels, ist zwar von munterm Geiste, und insbesondere gegen Fremde sehr gnädig; allein sie trägt vielleicht Bedenken, in den Augen ihrer Frau Schwägerinn für eine Liebhaberinn der Eitelkeiten zu paßiren. Der Großherzog selbst ist nun seit dem Monate Julius des verflossenen Jahres nicht aus seinem Zimmer gekommen. Kein Reisender und kein auswärtiger Minister wird vor ihn gelassen, und bringt er die meiste Zeit, theils wegen der Beschwerungen von Engbrüstigkeit und Wassersucht, theils wegen der Stärke des Getränkes und der Liqueurs, die er zu sich nimmt, im Bette zu. Die Großprinzeßinn ertheilet öfters Audienzen, und sendet hernach den Fremden von einiger Distinction, oder deren Verwandten in vornehmen Bedienungen sind, ein Geschenk, welches gemeiniglich in zwoen Kisten oder Flaschenfuttern von guten Weinen, zwanzig bis dreyßig Schnepfen oder Rebhühnern, sechs Käsen und eben so viel großen Bologneserwürsten besteht. Rand links: Hofpräsent. Die Ueberbringer bekommen dafür einen, und derjenige, so das Wort führet, zweene Louis d'or Trankgelder.

Wenn auswärtige Prinzen durch Florenz reisen und die großherzoglichen Personen sprechen wollen, giebt es gemeiniglich viele Schwierigkeiten wegen des Ceremoniels. Rand links: Ceremoniel. Die Italiener weigern zwar keinesweges Besuche, die gleichsam incognito ertheilet werden; allein sie suchen dabey ein Mezzo- Ceremoniale, wie sie es nennen, abzureden, bey welchem die Cavaliere, so große Prinzen auf Reisen führen, wohl auf ihrer Hut seyn müssen, weil die Italiener viele List oder sinesse dabey brauchen, und zu andern Zeiten alles nach ihrem Vortheile auszulegen wissen. Rand links: Der Italiener List bey dem Mezzo-Ceremoniale. Um eine Probe des Mezzo-Ceremoniale zu geben, so füge ich hiemit bey den Auszug einer noch ungedruckten Relation von des Kronprinzen und nachmaligen Königs Friedrichs des vierten in Dännemark, im Jahre 1692 und 1693 durch Italien, Frankreich und Holland verrichteten Reise, wie solche von Hans Hinrich von Ahlefeld, damaligem königlichen Landrathe und des Kronprinzen Oberkämmerer, nachmals Ritter des Elephantenordens, königlichem geheimen und Landrathe, Erbherrn zu Seestermühe, beschrieben worden: Rand links: Mezzo-Cerem. gegen den Kronprinzen von Dännemark 1692.

»Wegen des Ceremoniels in Florenz (setzt itztgedachte Reisebeschreibung) wurde endlich nach vielen Schwierigkeiten zwischen dem Herrn von Ahlefeld und dem General Vitelli ausgemacht, daß Ihro Königl. Hoheit erst jemanden ihrer Cavaliere zum Großherzoge senden sollten, um demselben ein Compliment von Ihnen, als Grafen von Schaumburg, zu machen, worauf selbigen Abend der Großherzog nebst dem Großprinzen unangemeldet vor Ihro Königl. Hoheit Logiment kommen und dieselbe besuchen wollte, da dann Ihro Königl. Hoheit demselben nicht entgegen kommen, sondern ihn nur bloß an der Thüre von ihrem Gemache (woselbst sie stehen würden) empfangen sollten; und weil an selbigem Abend bey der Prinzeßinn ein Ball gehalten werden sollte, wollte der Großherzog Ihre Königl. Hoheit ersuchen, daß sie sich mit ihm dahin begeben möchten. Im Weggehen sollten Ihre Königl. Hoheit dem Großherzoge die Oberhand in Dero Logiment bis zum Wagen geben, und daselbst den ersten Platz in der Kutsche nehmen; der Großprinz aber sollte vor seinem Herrn[348] Vater hergehen nächst denen Cavalieren, welche mit voraus hinunter gehen würden. Wann sie ins Schloß kommen würden, sollte der Großherzog nebst seinem Prinzen Ihre Königl. Hoheit nach der Prinzeßinn Gemach, woselbst der Ball angestellet, begleiten, von dannen wollten Ihre Königl. Hoheit, wann sie sich dort eine Weile aufgehalten, die alte Großherzoginn besuchen, und sich nachgehends bey dem Balle wieder einfinden, des andern Tages aber ohne einige Aufholung oder façon zum Großherzoge kommen, welcher dieselbe meder empfangen noch begleiten sollte. Von dannen wollte er durch des Großprinzen Gemächer, woselbst sie denselben antreffen würden, ohne sich dort aufzuhalten, mit dem Großprinzen zu seiner Gemahlinn gehen, woselbst eine Versammlung von Damen seyn würde etc. – – – Ich habe, (fährt der Herr von Ahlefeld fort) nicht hindern können, daß der Großherzog mit seinem Hofstaate und Garde, wie er in der Stadt zu fahren gewohnt, nach Ihrer Königl. Hoheit Wohnung kam, weil man doch sonst durch das Compliment das incognito genug behauptete. – – Ich habe auch darüber kein Bedenken gemacht, daß Ihre Königl. Hoheit in dero Logiment dem Großherzoge die Hand geben sollen, weil meines Ermessens man ihm als einem souverainen Herrn, welcher mit den Churfürsten in einem Grade zu seyn prätendirt, insonderheit in seiner eigenen Residenz und bey dieser Gelegenheit, hievon keine Dispute machen könne. – – Bey der Entrevüe und sonst gab der Großherzog Ihrer Königl. Hoheit den Titel von Altesse Royale, und gaben sie ihm hingegen, imgleichen auch dem Prinzen den Titel von Altesse, weil solches von dem Marquis Vitelli sehr verlanget ward, und Ihro Königl. Hoheit um so weniger abschlagen wollen, weil sie incognito waren, und, man anführt, daß der Kaiser vor diesem zu Wien den Prinzen von diesem Hause solchen gegeben.«

Die Großherzoge von Florenz haben sich in Deutschland vermittelst einer zu Anfange des vorigen Jahrhunderts abgeordneten Gesandtschaft, (deren Reise Daniel Eremita auf eine den Deutschen gar nachtheilige Art beschrieben hat) eine große Etiquette oder ein Ceremoniel, wie sie es selbst nur verlangten, zuwege gebracht. Rand rechts: Wie sich die Großherzoge viele Vorrechte im Ceremoniel erworben. Die deutschen Fürsten sahen die Absichten des florentinischen Hofes nicht ein, und weil sie sichs für eine Ehre achteten, von auswärtigen Prinzen Gesandtschaften zu bekommen, so wußten sie den Abgeordneten kaum Gepränge genug zu erweisen. Die ehemalige Wohnung der Herzoge, oder il Palazzo Vecchio, liegt an einem großen Markte, la Piazza del Gran-Duca genannt. Rand rechts: Il Palazzo Vecchio. Das erste, was äußerlich daran in die Augen fällt, ist ein über das Gebäude hervor steigender Thurm, so an einem Orte etwas breiter als seine basis, bald aber wieder von einerley Gehalt mit ihr wird. Sein oberster Gipfel ruhet auf vier Seulen. Welcher von diesen zween Umständen verursachet habe, daß man ihm den unverdienten Namen turris aëria beygeleget, ist mir unbewußt. Rand rechts:Turris aëria. Unter seinem Stundenzeiger ist eine Laterne verdeckt, so des Nachts mit ihrem Scheine durch die ausgeschnittenen Ziffern, worauf der Weiser steht, auch im dunkeln dem Auge die Zeit und Stunde zu erkennen giebt.

Bey dem Eingange zeiget sich die marmorne Statue des Herkules, welcher Cacum überwindet. Rand rechts: Statue Herkules. Beyde sind in mehr als natürlicher Größe, und von der geschickten Hand des Baccio Bandinelli. Gegenüber hat Michaele Angelo Buonarota den über Goliath siegenden David gleichfalls in weißem Marmor vortrefflich vorgestellt. Rand rechts: Goliath. Man findet ferner zween Deos Terminos, in der Mitte des Hofes einen Springbrunnen aus Porphyr, auf welchem ein vom Andrea Verochio aus Metalle verfertigtes Kind, so einen Fisch drückt, steht, und noch eine Statue des Herkules, wie er Cacum umbringt, deren Meister Vincenzio Rossi da Fiesole, ein würdiger Lehrling des Bandinello ist. Rand rechts:Dii Termini. Rand rechts: Herkules. Oben in dem Pallaste ist ein Saal,[349] der hundert und zwey und siebenzig Fuß in der Länge und vier und siebenzig in der Breite hat, zu bemerken. Rand links: Huldigungssaal Er ist nur oben herum mit etlichen kleinen und dabey ungleichen Fenstern versehen, daher er dunkel und von keinem sonderlichen Ansehen ist. Wegen seines Raums wird er zu Huldigungen gebraucht, und der Tanz, welchen eine Gesellschaft von Bauern und Bäuerinnen jährlich am Tage St. Johannis (als des vornehmsten Schutzheiligen der Florentiner) halten, daselbst verrichtet, wobey gemeiniglich der Großherzog selbst zugegen ist, und derjenigen Person, die am meisten Geschicklichkeit im Tanze erwiesen, den gesetzten Preis ertheilet. Rand links: Gemälde. An dem Plafond und Seiten des Saals hat Giorgio Vasari die merkwürdigsten Thaten der Republik und der Großherzoge von Florenz auf nassen Kalk (à fresco) gemalt. In den vier Winkeln sieht man vier große mit Oelfarben gemalte Stücke, deren das eine die Krönung, welche Cosmus der erste vom Pabste Pius dem fünften empfangen; das andere zwölf Florentiner, so zu gleicher Zeit Gesandte von verschiedenen Potentaten an dem Hofe des Pabstes Bonifacius des achten gewesen (und daher auch nebst ihren Landsleuten das fünfte Element undsemen Terrarum von ihm genennet worden); das dritte die Wahl Cosmus des ersten zum Herzoge, und das letzte die Einsetzung des Ritterordens St. Stephans (der ein Pabst und Märtyrer gewesen) vorstellet. Die ersten zwey Gemälde sind vom Ligozzi, das dritte vom Cigoli und das vierte vom Passignano. Rand links: Marmorne Statuen. Ferner verdienen die von Bandinello verfertigten marmornen Statuen Johannis de Medicis (welcher der Vater Cosmus des ersten war), des Herzogs Alexanders, des Großherzogs Cosmus des ersten, wie auch der Päbste Leo des zehnten und Clemens des siebenten, die aus dem mediceischen Geschlechte waren, in Augenschein genommen zu werden. Die gleichfalls allhier befindliche Statue der Victoriæ, so einen Gefangenen unter ihren Füßen hat, hat einen allgemeinen Ruhm, und ist vom Buonaroti, welcher sie anfänglich an dem Grabmaale des Pabstes Julius des zweyten mit anzubringen gedachte. Endlich sind allhier noch sechs treffliche Gruppi (oder Stücke Marmor, deren jedes mehr als eine Figur abbildet) zu besehen. Solche kommen von der Hand des Vincenzio Rossi, und stellen sechs Thaten des Herkules vor, wie er nämlich 1) Anteum erdrücket, 2) den Centaurum umbringet, 3) Diomedem den Pferden vorwirft, 4) ein lebendiges wildes Schwein auf den Schultern trägt, 5) dem Atlanti den Himmel tragen hilft, und 6) die Königinn der Amazonen überwindet.

Diomedes Statue und etliche Abbildungen Herkules könnten, ungeachtet ihrer sonderbaren Kunst, vor den Augen eines züchtigen Frauenzimmers wohl bedeckt bleiben.

In der Sala dell Udienza Vecchia hat Francesco Salviati etliche Heldenthaten Furius Camillus à fresco gemalet. Rand links: Gemälde im Audienzsaale.

In dem Palazzo Vecchio wird die Garderobbe des Großherzogs verwahret, zu deren Besehung eine besondere Erlaubniß, so anitzt von dem Marchese Riccardi einzuholen ist, erfodert wird. Rand links:Guardaroba. Man hat dahin zu sehen, daß in dieser Erlaubniß auch die Zeigung der berühmten florentinischen Pandekten und des Evangelii Manuscripti Johannis insbesondere ausgedrücket werde, weil man sonst bey jedem dieser Stücke neue Schwierigkeiten machet. In der Garderobbe sind zehn bis zwölf große Schränke mit Silbergeschirre angefüllet, davon vieles emaillirt und mit kostbaren Steinen besetzet ist. Sonderlich gehören unter diese letzte Zahl vier silberne Bettseulen, so beym Brautbette Cosmus des dritten gedienet haben.

An dem vielen vorhandenen türkischen Gewehre und Pferdezeugen sind gleichfalls die Edelgesteine nicht gesparet. Rand links: Großherzogliche Krone. In einem besondern Schranke wird die Krone, welche der Pabst Pius der fünfte im Jahre 1569 Cosmus dem ersten, als dem ersten Großherzoge von Florenz aufgesetzet hat, gezeiget. Sie ist von Golde, mit vielen Edelgesteinen besetz, und[350] oben mit Zacken versehen. Wie übrigens der kaiserliche Hof mit dem Unternehmen des Pabstes gar übel zufrieden gewesen, und erst Franciscus Mediceus im Jahre 1575 die kaiserliche Einwilligung zu dieser neuen Würde erhalten, ist aus der Historie bekannt.

Das vortrefflichste in der ganzen Garderobbe ist das Palliotto oder die vordere Wand eines Altartisches, so ganz mit Perlen, Rubinen und andern Edelgesteinen besetzet ist. Rand rechts: Kostbarer Altar. Absonderlich werden zween Steine, so den Namen von aqua marina und die Größe einer grossen Wälschennuß haben, außerordentlich hochgeschätzt. Auf beyden Seiten sind die zusammen verknüpften österreichischen und florentinischen Wapen zu sehen. In diesem letzten sind die Kugeln oder Pillen (wie die Spötter solche nennen) von der Größe einer Haselnuß, die einzelne oben von Lazuli, und der übrigen jede aus einem einzigen Granatsteine. Cosmus der zweyte ist in der Mitte des Palliotto mit erhabener Arbeit von zusammengesetzten kostbaren Steinen und Email vorgestellt. Sein Talar ist reich mit Diamanten besetzt, und knieet er vor einem Tische oder Altare, worauf eine diamantne Krone liegt. Oben am Palliotto liest man in Buchstaben, so über einen halben Finger lang und aus Rubinen zusammengesetzt sind, die Worte:


COSMVS II. MAGNAE ETRVRIAE DVX EX VOTO.


Sowohl die basis als das obere Tischblatt, so zu diesem Altare gehören, sind von Lazuli.

Die Pandectæ Florentinæ bestehen aus zween Bänden in Folio, so in Cramoisi-Sammet, der aber ganz abgenutzt ist, gebunden sind. Insonderheit ist der Rücken von bey, den Büchern gänzlich hinweg. Rand rechts: Pandectæ Florentinæ. Der äußerste Deckel des einen Folianten stellet in seiner Mitte Mosen mit zweyerley Tafeln vor, davon diejenigen, so er mit der rechten Hand hält, mit Fleiße also gezeichnet sind, als wäre die Schrift gänzlich verloschen, an statt daß man solche an den Tafeln der linken Hand deutlich unterscheiden kann. Dieses alles ist in Email gearbeitet, und der Deckel der andern Seite leer gelassen. Auf dem andern Volumine sieht man gleichfalls in Schmelzarbeit das alte florentinische Wapen, nämlich ein rothes Kreuz, von dessen Glanze aber vieles abgegangen. Ueber demselben zeigt sich in einem Wapen das Wort Libertas, wie solches die Republik Lucca heutiges Tages zu führen pflegt. Die Bände sind mit silbernen Bouclen beschlagen, und das ganze Werk auf Pergamen geschrieben, dessen Blätter aber oft so dünne, daß man sie fast für seidenes Papier halten sollte. Zu ihrer sichern Erhaltung hat man beynahe allenthalben Stücke von grünem Taffet dazwischen gelegt. Die Hoffnung, daß Brinkmann die schon längst versprochenen Nachrichten nebst dem Texte selbst dieser Pandekten nächstens in Holland an das Tageslicht geben werde, verhindert mich, allhier mehrere Anmerkungen davon beyzubringen. Daß übrigens das römische Recht und die Pandectæ im Gebrauche oder Ansehen gewesen, ehe itztgedachtes Exemplar zu Amalfi entdecket worden, ist eine ausgemachte Sache.

In einem andern Zimmer wird das Original desConcilii Florentini, welches der Pabst Eugen der vierte im Jahre 1439 dem baseler Concilio entgegen setzte, aufgehoben. Rand rechts: Original des Concilii Florentini. Die Canones dieser Versammlung sind auf eine große Pergamenhaut geschrieben, und haben die lateinischen Bischöfe ihre Namen in zwo Columnen (demjenigen, so die Schrift ansieht, zur linken Hand) unterzeichnet. Unter ihnen steht oben an Ego Eugenius Eccles. Catholicæ Episcopus, und ihm folgen die Kardinäle. Auf der andern Seite haben sich die Griechen gleichfalls in zwo Reihen unterschrieben, und steht der Namen des Kaisers Johannis VII. Palæologi rother Dinte oben an. Hiebey befinden sich auch die Acta Concilii Florentini, nebst zwey griechischen Manuscripten des Evangelii St. Johannis, wel che sämmtlich in einem kleinen silbernen Kasten verschlossen werden. Rand rechts: Autographum des Evangelii Johannis. Unter den letztgedachten Evangelien[351] wird das eine für das Original des heil. Johannis ausgegeben. Ob man einen mehrern und stärkern Beweis dieser Meynung anführen könne, als daß es mit güldenen Buchstaben geschrieben, ist mir unbekannt. Man trifft darinnen auch zwey gute Gemälde an, so die geistliche Historie betreffen. Die Buchstaben sind groß und deutlich, jedoch mit vielen Abbreviaturen untermischet. Das ganze Werk ist auf Pergamen in Folio geschrieben und in ein rothes Leder eingebunden. Der andere griechische Codex, so gleichfalls auf Pergamen geschrieben ist, begreift die vier Evangelisten, unter welchen Johannes vornen an steht. Dieses Werk befindet sich in einem silbernen Bande, der reichlich mit Perlen besetzet ist.

Die Pfeiler des Palazzo Vecchio waren ehemals nur aus Backsteinen; der geschickte Baumeister Michelozzi aber hat solche wegzunehmen, und in ihre Stelle andere von Quadersteinen, so die Last des Gebäudes besser ertragen können, anzubringen gewußt. Rand links: Pfeiler des Pallastes.

Außerhalb des Palazzo Vecchio sieht man unter der Loggia, so insgemein de Lanzi genennet wird, drey schöne Statuen, davon die erste eine Judith ist, zu deren Füßen der besoffene Holofernes gleichsam auf der Schlachtbank bereit liegt. Rand links: Statuen unter der Loggia. Der Meister dieses schönen Werkes, das aus bronzo besteht, ist Donatello. An der andern Statue, die gleichfalls von Metall, hat Benevenuto Cellini1 den Perseus, wie er der Medusa Haupt abgehauen, vorgestellt. Die an der basi befindlichen bas-reliefs aus bronzo bilden Andromeden und Perseus nebst andern dahin gehörigen Historien ab. Alles Lob aber übersteigt das nahe dabey befindliche Gruppo, auf welchem eine erschrockene Sabinerinn von einem jungen muntern und über seiner erhaltenen Beute höchst erfreueten Römer weggetragen wird, unterdessen daß der Vater der entführten Person zur Erde geworfen liegt, und aus seinem Gesichte Schmerzen, Zorn und Rache lesen läßt. Der Raub des sabinischen Frauenzimmers ist an den bas-reliefs des Piedestal ausgedrückt, und das ganze Werk machet seinem Meister Giov. Bologna viel Ehre.

Auf dem Platze vor dem Palazzo Vecchio fällt ein trefflicher Springbrunnen, welchen Cosmus der erste durch Ammanati aufführen lassen, in die Augen. Rand links: Treffliche Springbrunnen. Solcher ist mit vielen Kindern, Seemuscheln, Cornibus Copiæ, Tritonen und vier andern, die menschliche Größe übertreffenden Seegottheiten aus Metalle gezieret, in deren Mitte Neptuns Statue, so zehn braccia oder Ellen hoch ist, auf einer großen Muschel als auf einem Triumphwagen von zwey metallenen und zwey andern aus weißem Marmor verfertigten Pferden gezogen wird.

Nahe bey diesem Brunnen steht die metallene Statua Equestris, welche der Großherzog Ferdinand der erste, im Jahre 1594 seinem Vater Cosmus dem ersten zu Ehren aufrichten lassen. Rand links: Statua Equestris Cosmi I. Die Arbeit ist von Giov. Bologna, und stellen die bas-reliefs der einen Seite die Wahl Cosmus des ersten zum Herzoge vor, da er noch nicht achtzehn Jahre alt war, mit der Ueberschrift:


Plenis liberis Sen. Fl. suffragiis Dux Patriæ renunciatur.


Die andere Seite bildet seine Krönung zum Großherzoge vor, mit den darüber gesetzten Worten:


Ob Zelum religionis præcipuumque Justitiæ studium.


An der dritten ist der Einzug in Siena abgebildet mit der Inscription:


Profligatis hostibus in deditionem acceptis Senensibus.
[352]

Und an der vierten Seite liest man:


Cosmo Medici Magno Etrurlæ Duci Primo

Pio, Felici, Invicto, Justo, Clementi,

Sacræ Militlæ Pacisque in Etruria Autori,

Patri & Principi Optimo

Ferdinandus F. Magnus Dux III. erexit

A. M. D. LXXXIIII.


An diesen Platz stößt auch die Fabrica degli Uffici, welche Cosmus der erste nach dem Dessein des Giorgio Vasari anlegen lassen, und in deren unterstem Stockwerke die vornehmsten obrigkeitlichen Personen der Stadt zu mehrerer Beförderung der bürgerlichen Ruhe und Policeyordnung beysammen wohnen. Rand rechts: Fabrica degli Uffici. Das andere Stockwerk ist mit Künstlern, die für die herzogliche Garderobbe und Galerie arbeiten, besetzt. Rand rechts: Wohnungen für Künstler. Florentinische Arbeit. Insbesondere wird hier an den Stücken von zusammen gesetzten Edelgesteinen und kostbarem Marmor, so die Natur und Gemälde aufs wunderbarste nachahmen, gearbeitet. Diese Werkstäte werden insbesondere il Scrittorio genannt, und obgleich die Meister hauptsächlich nur für den Großherzog arbeiten, so unterlassen sie doch nicht, in ihren Nebenstunden vielerley zu verfertigen, woran Fremde ihr Geld verwenden können. Es wird aber desselben nicht wenig erfodert, wenn man etwas rechtschaffenes an sich handeln will. An einem Stücke, das anitzo fertig wurde, Laubwerk und Bluhmen vorstellete, und etwan anderthalb Fuß in der Länge nebst einer Breite von einem halben Fuß hatte, waren achtzehn Monate zugebracht worden. Ein anderes Stück von erhabener Arbeit und von der Größe eines mittelmäßigen Bogen Papiers ist vierzig Jahre unter der Hand etlicher Meister gewesen. Es stellet die Anbethung der Weisen aus Morgenlande nebst den englischen Heerschaaren in den Lüften vor. Zu dergleichen Werken werden keine andern als Edelgesteine genommen, an statt daß zu der andern Art von Mosaique, welche in Rom sehr hoch getrieben wird, Güsse und compositiones aus Glase gebraucht werden. Diese letztere Art besteht aus lauter kleinen und subtilen zusammen geschobenen Theilen oder Stiften, an statt daß die eigentliche florentinische Kunst mehr mit der eingelegten Arbeit der künstlichen Tischler übereinkömmt. Allhier werden kleine Hausapotheken von Ebenholze gemacht, so mit bas-reliefs von kostbaren Steinen (welche Bluhmen, Vögel und dergleichen Dinge abbilden) gezieret sind. In dergleichen Kästchen verschicken die Großherzoge die Parfums und Essenzen, welche sie oftmals an auswärtige große Herren zu schenken pflegen.

Von denen Stücken, die zu dem Altare der neuen Kapelle St. Laurentii gehören, sind hier die vier Evangelisten und etliche Apostel, jeder ein wenig über einen Fuß hoch, zu sehen. Lukas besteht meistentheils nur aus einem einzigen Stücke Lazuli, und Paulus aus einem Lithropio Orientali. Ferner sind etliche Stücke, so die Verkündigung Mariä abbilden, zu bemerken, und darunter eine ins kleine gebrachte Copie der Annunciata, die in der Kirche dieses Namens verehret wird, und an welcher die Engel das Gesicht der heil. Maria gemalt haben sollen. Man zeigt auch vielerley fertige Schreibtische, zwo röthliche Urnen oder Gefäße aus Diaspro di Cypro, nebst einer ganz schwarzen Schale aus Pietra Paragona, so mit erhabenen Früchten, Bluhmen und Laubwerke beleget ist. Hiezu sind nichts als orientalische Steine genommen, und ist zu bewundern, wie trefflich alle Farben der Natur haben nachgeahmet werden können. Wo Vögel angebracht werden sollen, geben die Papagoyen, indianischen Raben, und die in Europa genug bekannten Stiglitze den Werken eine nicht geringe Zierde.[353]

Das oberste Stockwerk der Fabrica degli Uffici dienet zu verschiedenen Kunst. und Raritätenkammern des Großherzogs. Rand links: Galerie von Statuen. Insbesondere findet sich daselbst die berühmte Galerie, deren Beschreibung allein einen Folianten ausmachen müßte, wenn solche nach Würden unternommen werden sollte. Sie ist in folgender Figur erbauet:


42. Schreiben

Ihre innere Breite ist von zehn gemeinen Schritten, und die Länge der beyden längsten Eorridori a bis b und c bis d von zweyhundert und zwölf gemeinen Schritten, so bey vierhundert Fuß austragen. Von b bis c sind siebenzig gedachter Schritte zu zählen. In der Vorkammer, durch welche man in die Galerie auf der Seite von a b kömmt, finden sich viele alte Inscriptionen, Idola, Lampen und Statuen, unter welchen auch der metallene Orpheus oder Amphion, so auf einer Violine spielet, bemerket wird. Rand links: Vorkammer. Von neuerer Arbeit ist hier nichts vorhanden, als zween große metallene Wölfe, die einander gegenüber stehen.

Was die Galerie selbst anlanget, so stellen die Gemälde ihrer Decke die Erfindung der Künste und Wissenschaften, die berühmtesten Leute der Stadt Florenz und andere dergleichen historische Andenken vor. Rand links: Gemälde in der Galerie. An den Seiten sind die von den besten Meistern verfertigte Portraite der berühmten Leute aus dem Hause Medicis aufgehängt. Ueber denselben sieht man längst des Gesimses und zwar rechter Hand, wenn man von a nach b geht, die kleinern Portraite von Generalen, vornehmen Staatsministern und großen Herren, gegenüber aber die Bildnisse gelehrter Leute. Ob man darunter eine Ordnung beobachte, kann ich nicht sagen. Newton und Leibnitz, denen der Neid nicht gestattete, in ihrem Leben gar gute Freunde zu seyn, stehen hier beysammen, und jener voran, wenn man von a nach b geht. Auf beyden Seiten sind Gruppi, Statuen und Brustbilder gestellet, zwischen welchen ein Liebhaber der Alterthümer und Bildhauerkunst einen desto angenehmern Spaziergang haben kann, je mehr man versichert ist, daß man allhier lauter Originale vor sich hat. Rand links: Statuen. In dem Corridore d, c, hat man insbesondere beobachtet, daß die Statuen und Köpfe der Männer auf einer, und die weiblichen auf der andern Seite beysammen zu stehen kommen. Die sämmtliche Anzahl der Statuen erstrecket sich auf zwey und siebenzig, und der Brustbilder auf hundert und zwey Stücke. Es ist nicht möglich, von allen und jeden besondere Nachrichten zu geben, und begnüge ich mich, nur die vornehmsten kürzlich anzudeuten. Das Gruppo aus weißem Marmor, so den Laokoon vorstellet, wie er nebst seinen zween Söhnen von Schlangen umgebracht wird, ist vielleicht die einzige Copey, so in der Galerie angetroffen wird, und steht es wegen seiner ansehnlichen Größe oben an beya. Rand links: Laokoon. An dem Fußgesimse liest man:Baccius Bandinellus Florentinus Sancti Jacobi Eques faciebat. Das Original findet sich im Belvedere des Vaticans zu Rom; an statt aber, daß dieses seine hintere Seite nicht völlig geendet hat, indem es vermuthlich an eine Wand gesetzt werden sollen, so ist das florentinische Gruppo vollkommen ausgearbeitet, auch an den Orten, wo das Original gestümmelt, ergänzet worden, und dieses nicht nach dem bloßen Gutdünken des Bandinelli, sondern nach Anleitung eines alten Modells, welches man allhier von dem kläglichen Ende des Laokoon[354] hat. Die Florentiner behaupten, es verdiene ihre Copey so viele Hochachtung als das römische Original. Nächst dabey liegt ein großes wildes Schwein aus weißem Marmor, welches von einem griechischen Meister zu seyn geglaubt wird. Rand rechts: Ein wildes Schwein. Eine Copey davon ist zu Versailles und in den meisten Sammlungen der berühmtesten Bildhauerstücke.

Die Leda, so die Liebkosungen Jupiters empfängt, hat die Stellung der Venus Medicea. Rand rechts: Leda. Aus ihrem Gesichte blicket Vergnügen und Schamhaftigkeit. Es ist aber schade, daß an einem so künstlichen Stücke der Schwan gar schlecht gerathen. Rand rechts: Victoria. Die Victoria, so mit der einen Hand eine Krone, mit der andern aber einen Lorberzweig darreichet, ist nach der Art, welche die Athenienser beobachteten, nämlich ohne Flügel vorgestellet, und ein schönes Werk.

Narcissus, der sich bücket, um in das Wasser zu sehen, ist aus parischem Marmor und vortrefflich wohl gerathen. Rand rechts: Narcissus. Gleiches Lob gebühret einem Bacchus, derinder linken Hand einen Becher hält, und sich auf einen vor ihm knieenden Faunen lehnet. Rand rechts: Faunus. Nahe dabey steht ein Bacchus, an welchem Mich. Angelo das itztgedachte alte Stück nachgeahmet hat. Rand rechts: Fabelhafte Erzählung davon. Man erzählet insgemein zu Florenz, daß dieses das Werk sey, von welchem Mich. Angelo, ehe solches von jemanden gesehen worden, einen Arm abgebrochen, worauf er es an einem solchen Orte, da er wußte, daß es bald entdecket werden würde, vergraben, damit er hernach Gelegenheit haben möchte, diejenigen, so aus Neid gegen die neuern Meister das Alterthum allein für unvergleichlich hielten, desto offenbarer zu beschämen. Der Erfolg der Sache war, wie er ihn gewünscht und vorher gesehen hatte. Als das vergrabene Stück gleichsam als durch einen bloßen Glücksfall gefunden worden, hielt es jedermann für einen Ueberrest des herrlichen Alterthums, die Verehrer der grauen Vorfahren wußten es nicht hoch genug zu erheben, und die neuere Bildhauerkunst dagegen zu verkleinern, bis endlich Mich. Angelo für rathsam fand, mit dem deutlichen Beweise der Wahrheit heraus zu rücken, und seine Neider ihres groben Irrthums zu überführen. Die Geschichte überhaupt kann wohl wahr seyn, daß sie aber insbesondere mit dieser Statue Bacchus vorgegangen, daran hat man Ursache zu zweifeln, und erzählen glaubwürdige Scribenten, daß sich solche mit einer Statue Cupidons zugetragen habe2.

Die Chimära ist aus Metall, und gleicht von vornen einem Löwen. Rand rechts: Chimära. Aus dem Rücken kömmt noch ein Kopf und Hals eines Gemsen oder Steinbocks hervor, an den Füßen sind Adlerklauen zu sehen, über dem Rückgrade zeigen sich Stacheln, und der hintere Theil kömmt wieder mit einem Löwen überein, der Schwanz ist abgebrochen. Dieses rare Alterthum ist im Jahre 1548 unter Cosmus dem ersten bey Arezzo ausgegraben worden.

Unter die auserlesenen Stücke verdienet ferner Bacchus auf einem Tiger, beyde aus bronzo, gerechnet zu werden, und ist es schade, daß die Füße mangeln. Rand rechts: Bacchus. Das Piedestal dazu hat Lorenzo Guiberti verfertiget, und sieht man an dem einen seiner bas-reliefs die Geschichte der Ariadne, und an dem andern ein Opfer Bacchus vortrefflich ausgedrücket. Die vordere Seite hat folgende Schrift:


Ut potui, huc veni, Delphis & Fratre relicto.


Unter den Statuen haben etliche auch den Scipionem Africanum gefunden zu haben vermeynet; allein solche Muthmaßung hat nicht den geringsten Grund, und scheint dass Bild vielmehr einen toscanischen Redner vorzustellen, wie man denn auch an der frange seiner außerordentlichen Kleidung hetruscische Buchstaben bemerket. Rand rechts: Ein toscanischer Redner. Die Statue ist von bronzo, welches aber vom Alter vielen Schaden erlitten hat.[355]

Morpheus ist als ein schlafender Knabe ausPietra Paragona oder Pierre de touche abgebildet. Rand links: Morpheus. Vermuthlich zielet die schwarze Farbe des Steines, welche ADDISSON auch an andern alten Statuen des Schlafes bemerket haben will, auf die finstere Nacht.

Weiter sind zu besehen Venus und Mars, Cupido und Psyche, etliche Ganymedes, Marsyas, Annibal, ein Philosoph, die sitzende Venus, so sich einen Dorn aus dem Fuße zieht, Venus Urania, die Venus, so dem Mars liebkoset, damit er bey ihr bleiben möge, noch ein Apollo mit einem Faune, eine Vestalinn mit dem heiligen Feuer, Flora etc. Rand links: Andere Stücke.

Unter den Brustbildern und Köpfen sind die raresten Alexander der große, dreymal so groß als die natürliche Statur eines Menschen mit sich bringt, Agrippa, Caligula, Otho in einer kleinen und runden Perrücke, welche man insgemein Abbé-Perrücken zu nennen pfleget3, Antinous, Nerva, Aelius Verus, Caracalla, Pertinax, Didius Julianus, Clodius Albinus aus schönem Alabaster, Severus, Gordianus Africanus, Heliogabal, die zween Gallieni, Cicero mit der Warze am Backen, Seneca, Didia Clara etc. Unter diesen Stücken findet sich auch das metallene Haupt Michael Angelo Buonarota, wie er solches mit eigener Hand verfertiget hat. Rand links: Othons Brustbild mit einer Perrücke. Rand links: Brutus. Dabey steht das marmorne Brustbild des Brutus, welcher Cäsarn ermorden helfen. Es ist solches von itztgedachtem Künstler zwar angefangen, aber nicht vollendet, und die Ursache davon in folgenden darunter gesetzten artigen Versen angedeutet worden:
[356]

M.Dum Bruti effigiem sculptor de marmore ducit,A.

B.In mentem sceleris venit, & abstinuit.F.


Diese Inscription hat der Kardinal Bembo gemacht, und die vier einzelnen Buchstaben, so theils zu Anfange, theils am Ende der Zeilen gesetzet sind, wollen sagen: Michael Angelus Buonarota fecit.

Aus der Galerie geht man in verschiedene Zimmer, die mit Merkwürdigkeiten angefüllet sind. Rand rechts: Portraite berühmter Maler. In dem ersten zeigen sich anitzo zweyhundert und zwanzig Portraite der berühmtesten Maler, deren die meisten von den Künstlern selbst, welche vorgestellet worden, verfertiget sind. Jedes Bildniß ist in einem verguldeten Rahmen gefasset, und oben darüber der Namen gesetzet. Rand rechts: Albrecht Dürer. Albrecht Dürer hat sein Portrait im Jahre 1498 gemalt, und mit subtilen Buchstaben darunter geschrieben:


Das mahlt ich nach meiner Gestalt,

Ich was sechs und zwantzig Jahr alt.


42. Schreiben

[357] Peter Bellotus hat eine güldene Kette um den Hals und ein Glas Wein in der Hand. Rand links: Bellotus. Auf beydes zeiget er mit der andern Hand, und liest man dabey die Worte: Hinc hilaritas. Vermuthlich hat ihn der Großherzog mit Weine und einer güldenen Kette beschenket, daher der Maler auf den Einfall gekommen, sich in solchem Aufzuge abzubilden. Unter dem Gemälde steht: Petrus Belloti hic se ipsum effingebat. Mar. 1658. Bey dieser Sammlung setzet man billig aus, daß die Bildnisse ohne die geringste Ordnung unter einander hängen. Raphaels Portrait fällt nicht sonderlich in die Augen, und scheint er noch sehr jung gewesen zu seyn, als er solches verfertiget hat. Ein besseres Ansehen haben Titiano, Giulio Romano, Andrea del Sarto, Sophonisbe Anguisciola, Rosalba Cariera (der man ein schöneres Gesicht gegeben, als sie wirklich hat), der Chevalier Kneller auf einem großen Stücke, und der Jesuite Pozzi, der es in der Perspective sehr weit gebracht hat. Unter den übrigen Malern finden sich sechse, so den Namen Caracci geführet haben. Rand links: Statue des Kardinals Leopold. Die Statue des Kardinals Leopold von Medicis, welcher ein großer Beförderer der Wissenschaften und insbesondere der Malerey war, auch die meisten dieser itztgedachten Portraite angeschaffet hat, steht in der Mitte des Zimmers. Sie ist aus weißem Marmor, und von dem berühmten Bildhauer Giov. Battista Foggini verfertiget. Der Kardinal ist sitzend vorgestellt, und über ihm liest man: Semper rectus, semper idem.

Der vorige englische Minister an dem florentinischen Hofe, Newton, hat folgendes Distichon darauf gemacht:


Hic Leopoldus adhuc statua non dignior alter,

Nec stetit ulla prius nobiliore loco.


Nächst an dieses Zimmer stößt eine Kammer, so mit trefflichen und großen Porzellangefäßen ausgezieret ist. Rand links: Porzellane kammer. Man zeiget hier auch einige Werke aus Babbagauro, einer sehr raren ägyptischen und der Farbe nach grünlichen Erde, deren sich auch die Alten zu bedienen gewußt haben. Zwo sehrgroße hier befindliche Urnen aus Pucaro des Cile, einer sehr kostbaren Erde, sind aus Mexico gekommen. In eben dieser Kammer steht eine große Tafel von Pieces rapportées oder florentinischer Arbeit, die Vögel, Bluhmen, Früchte und Laubwerk vortrefflich vorstellet. Rand links: Florentinische Arbeit. Sie ist nach der neuesten Art verfertiget, und haben fünf und zwanzig Personen dreyzehn Jahre lang daran gearbeitet. Das ganze Werk ist so hart und fest, daß man mit einem eisernen Schlüssel darauf schlagen kann, ohne etwas daran zu verderben.

Auf der andern Seite der Galerie kömmt mm in ein Gemach, worinnen eine weiße und meist durchsichtige Seule aus Alabastro Orientale zu sehen ist. Rand links: Alterthümer. Ihre Länge hält vier braccia, und besteht sie aus einem einzigen Stücke, weswegen man sie sehr hoch schätzet. Man zeiget hier auch eine kleine Chimæram aus bronzo, welche der größern (so in der Galerie steht) völlig gleich kömmt, ausgenommen, daß die kleinere einen langen Schwanz hat. Sie ist gleichfalls aus dem Alterthume. Ferner finden sich hier vielerley Idola, Lampen, ein Sistrum, Tripos, eine Corona muralis aus Metale, genehete Portraite, das mit Oelfarben gemalte Bildniß des Poeten Dantis, ein großes Gemälde, auf Lapis Lazuli, das Brustbild des Kardinals Bembo von mosaischer Arbeit, und vielerley alte Werke von Pietre commesse, so zwar schön sind, der neuen florentinischen Arbeit aber jedoch lange nicht beykommen. In der Mitte des Zimmers hängt ein großer und in viele Arme sich ausbreitender Leuchter aus Bernstein, welchen ein Churfürst von Brandenburg nach Florenz geschenket hat; daher man auch viele Brustbilder von Prinzen und Fürstinnen aus dem Hause Brandenburg daran eingegraben findet. Rand links: Bernstein.[358]

In dem folgenden Gemache ist die Stadt Livorno mit ihrem Hafen aus zusammengesetzten kostbaren Steinen auf einer Tafel vorgestellet. Rand rechts: Livorno in florentinischer Arbeit. Der Lapis Lazuli dienet um das Meer abzubilden, und ist das ganze Werk, so eine Einfassung von Achat hat, sehr wohl gerathen, ob es gleich schon vor hundert Jahren verfertiget worden. Indessen würde dieses Stück nicht nur seines gleichen finden, sondern auch in vielen übertroffen werden, wenn das kostbare Werk, woran der Landgraf von Hessen-Cassel nun schon über zwanzig Jahre lang zu Cassel arbeiten läßt, zu Stande kommen sollte. Rand rechts: Vergleichung mit einem Werke zu Cassel. Es wird solches die Festung Rheinfels mit der umliegenden Gegend abbilden, und hat der Landgraf nicht nur die dazu benöthigten kostbaren Steine und Marmor angeschaffet, sondern auch mit vielen Unkosten Leute nach Florenz geschickt, um daselbst die Handgriffe und Wissenschaft dieser künstlichen Arbeit recht zu erlernen. Hommagius ein gelehrter und in der Mathematik wohlerfahrner Mann, hat anitzo die Aufsicht darüber: es ist aber zu befürchten, daß mit dem Absterben des alten Herrn Landgrafen, wie viele andere Dinge, also auch dieses Werk, so noch nicht über die Hälfte gekommen, gänzlich ins Stecken gerathen werde.

In dem obgedachten Gemache an der florentinischen Galerie findet sich noch verschiedene schöne Arbeit von Pietre commesse, und Marmor. Rand rechts: Andere kostbare Stücke. Ein großes altes Gefäß besteht aus einem einzigen Stücke von weißem orientalischen Alabaster. Man sieht ferner ein kostbares großes Crucifix auf einer Erhöhung von Pietra Paragona Der Stamm des Kreuzes ist aus Achat und der Leib des Heilandes (ohne die ausgespannten Arme, als welche angesetzet sind) aus einem einzigen Stücke Elfenbein. In einem Schranke werden andere auserlesene elfenbeinerne Werke, die von berühmten Meistern oder vornehmen Herren kommen, aufgehoben. Rand rechts: Drechslerarbeit. Unter solchen findet sich eine runde Schachtel, welche der Czar Peter gedrechselt hat, zween dergleichen Leuchter von dem churbayerischen Prinzen Theodor, und eine Kugel, worinnen bey hundert andere gedrechselt und eingeschlossen sind. Das schönste Stück dieser Sammlung ist Curtius zu Pferde, wie er sich in den Abgrund stürzet.

Hiebey kann man auch einen reichen Vorrath von bernsteinerner Arbeit in Augenschein nehmen. Rand rechts: Bernstein. Die meisten Stücke haben eine röthliche Farbe angenommen, welches ihrem Alter zuzuschreiben und allem Bernstein gemein ist, sonderlich wenn er vorher mit Lein- oder Rübenöle abgesotten worden. Rand rechts: Wie solcher hell gemacht werde. Ob man ihm durch neues Absieden seine erste Schönheit wieder geben könne, ist mir unbekannt, dieses aber gewiß, daß man anfänglich durch ein zwanzigstündiges Kochen in einem der itztgedachten Oele dem Bernsteine seine dunkle und gelbe Farbe dergestalt benehmen, und ihn durchsichtig machen kann, daß er hernach zu vielen Dingen, so gut als helles Glas dienet. Wenigstens verfertiget Christian Porschinen, ein berühmter Bernsteinarbeiter zu Königsberg, Brillengläser Brennspiegel, so größer als ein Speciesthaler sind, und prismata, die Regenbögen vorstellen, aus Bernstein. Es ist aber hiebey zu bemerken, daß der Bernstein nach seiner Abkochung nicht mehr so stark die Spreu und kleine Fäschen Papier, welche ihm, nachdem er gerieben worden, genähert werden, an sich zieht.

Endlich ist in diesem Zimmer noch ein großes Werk von Ebenholze zu betrachten, und die daran befindliche Bildhauerkunst desto mehr zu bewundern, je schwerer es ist subtile Arbeit bey uns in Europa aus diesem Holze zu verfertigen. Rand rechts: Kabinet von Ebenholze. Rand rechts: Wie das Ebenholz in Ostindien tractiret werde. In Ostindien wird es in Bretter geschnitten, und sieben bis acht Fuß tief in die Erde gegraben, da es dann sehr geschmeidig wird und nicht so leicht ausspringt, wie es in unsern Ländern zu thun pfleget4; und daher kömmt der große Unterschied, welchen man an den Kabinetten und andern Dingen, die aus[359] Ebenholze in Ostindien gemacht werden, bemerket, wenn man solche gegen die europäische Arbeit aus Ebenholze hält. Was aber obgedachtes Werk anlanget, so ist solches in Augspurg verfertiget, und gleicht dem äußerlichen Ansehen nach einem Castell oder Schlosse, das verschiedene Pforten hat. Oben ist es mit einer Uhr, und unten mit einer Orgel versehen. Innen und außen hat Bruggel die vornehmsten Geschichte des Alten und Neuen Testaments auf kostbaren Steinen klein und vortrefflich gemalet. Wenn man die eine Thür eröffnet, zeiget sich ein anderes bewegliches Werk, dessen vier Seiten genau in Augenschein genommen zu werden verdienen. Die erste stellt eine Landschaft und Vögel aus Pietre commesse vor, die andere zeigt die Abnehmung Christi vom Kreuze in wächsernen bas-reliefs, so nach dem Modelle des Mich. Angelo Buonarota gemacht sind. An der dritten sieht man den Heiland mit den zwölf Aposteln aus Bernstein, und ist jede Figur einen halben Fuß hoch. Die letzte Seite bildet die Kreuzigung Christi gleichfalls aus Bernstein ab. Dieses Kabinet von Ebenholze wird zusammen auf sechszig tausend Thaler geschätzet.

Von hier kömmt man in eine Kammer, in welcher die Anatomie eines menschlichen Kopfes aus Wachs zu besehen ist. Rand links: Treffliche Wachsarbeit. Ueber derselben hat Cajetano Julio Zummo, ein sicilianischer Geistlicher, der auch en mignature dabey gemalet ist, die Verwesung der menschlichen Körper gleichfalls in Wachs vorgestellet. Rand links: Vorstellung der menschlichen Verwesung. An der Seite dieses Werkes sitzt Saturnus als die Zeit, so ein altes Manuscript in Folio von Wachs und mit zerrissenen Blättern zu seinen Füßen liegen hat. Den Anfang der betrübten Vorstellung machet eine erblaßte Weibesperson, bey welcher ein anderer Körper liegt, so schon anfängt gelb zu werden. Hierauf folgt ein Kind, welches mit seiner blau und gelb unterlaufenen Haut zu erkennen giebt, wie es der Verwesung schon um einen Grad näher gekommen. An dem vierten Körper zeigen sich schon aufgebrochene Beulen, in deren röthlichen oder blutigen Geschwüren und Eyterkleine Würmer herum kriechen. Andere darauf folgende Leichname zeigen, wie ferner die Würmer und Verfaulung mit dem Menschen umgehen, und endlich ein fürchterliches Gerippe und bloße Knochen daraus werden. In der Mitte der Perspective ist es nicht anders, als wann eine Spinne ihr zartes Gewebe gezogen hätte. So unangenehm der menschlichen Eigenliebe ein solcher Schauplatz ist, so vortrefflich ist hingegen die Arbeit, welche alles in kleinen ausdrücket, undkann man sich kaum müde daran sehen. Gegen über hat eben dieser Künstler die verschiedenen Wirkungen der Pest auf gleiche Art abgebildet.

In dem folgenden Zimmer werden mathematische Instrumente, Brennspiegel, die unterschiedenen Systemata der Astronomorum z. E. Ptolomál, Copernici, Tychonis etc. und zween globi (ein terrestris undcœlestis) so über acht Fuß im Diameter haben, aufgehoben. Rand links: Mathematische Instrumente. Rand links: Magnet. Ein allhier hängender orientalischer Magnet, der einen Fuß lang, zween bis drey Zoll dick und ungefähr sechs Zoll breit ist, soll vierzig Pfunde heben; er wird aber nicht in dieser Uebung unterhalten.

Unter den optischen Merkwürdigkeiten finden sich viele Köpfe und Trophæa oder Siegeszeichen von Standarten, Fahnen, Spießen etc. auf einer Tafel abgebildet; wenn man solche aber anderthalb Fuß davon entfernet durch ein Glas und Tubum ansieht, kömmt das Bildniß des Großvaters vom itzigen Großherzoge heraus. Rand links: Optische Zeichnungen. An den Wänden dieses Saales sind die Länder des Großherzogs abgemalet.

Ferner zeiget man in einem Zimmer viele auserlesene Gemälde, Bildhauerarbeit von Marmor und bronzo, nebst andern Dingen, welche zwar von großem Werthe, dennoch aber nicht so kostbar sind, daß sie in der Tribuna einen Platz verdienen. Rand links: Hermaphrodit. Unter andern zeiget sich eine liegende Weibesperson cum membro virili oder Hermaphrodite aus weißem Marmor,[360] welchen man demjenigen, der in der Villa Borghese zu Rom als etwas besonderes bemerket wird, noch vorzieht. Beyde schreiben sich aus dem Alterthume her. Ein hier befindliches Idolum Priapi ist wegen des Frauenzimmers, so etwan herein kömmt, gemeiniglich bedecket, und eigentlich nichts anders, als ein membrum virile aus weißem Marmor von der Dicke eines Mannes und etwan vier Fuß hoch, so an der Seite mit vielen kleinen dergleichen Priapis gezieret ist. Rand rechts:Idolum Prispi.

Mit Beschreibung mehrerer Gemälde, Maler-Desseins5 und Bildhauerstücke, so theils in schon angeführten, theils etlichen andern Kammern aufgestellet sind, auch öfters ihre Plätze verändern, will ich mich nicht länger aufhalten, sondern zu dem kostbarsten Zimmer La Tribuna oder L'Octogone genannt, schreiten. Rand rechts: La Tribuna. Solches führt den letzten Namen von seiner achteckigen Figur, welche zwanzig Fuß im Diameter hat. An der Decke der Cuppola, so inwendig mit Perlenmutter ausgeleget ist, deutet ein Zeiger die Veränderung des Windes an.

Was die Augen zum ersten an sich zieht, sind die in der Mitte des Zimmers stehenden sechs marmornen Statuen, unter welchen die so genannte Venus de Medicis bisher den Rang nicht nur über alle in Florenz befindliche Statuen, sondern auch über alle Bildhauerarbeit, davon man itziger Zeit in der ganzen Welt Kenntniß hat, behauptet. Rand rechts: Venus Medicea. Ehemals stund sie in dem mediceischen Pallasteal monte Pincio zu Rom, von wannen sie nebst dem Arrotino oder Schleifer (dessen bald Erwähnung geschehen soll) nach Florenz gebracht worden. Diese Wegführung geschah zu Zeiten des Pabstes Innocentius des eilften, auf des Großherzogs Cosmus des dritten Befehl, und lief nicht gar glücklich ab, indem dieStatua Veneris unter Weges an beyden Hüften, Beinen und Armen zerbrochen wurde. Man hat indessen alles sowohl und künstlich wieder zusammengefüget, daß man nicht das geringste von solcher ehemaligen Beschädigung merket, wo man nicht gar genau darnach sieht. Die an der basi befindliche Schrift deutet an, daß dieses Werk von Kleomenes, einem Athenienser und Sohne Apollodors verfertiget worden. Von diesem Meister aber findet man keine fernere Nachricht in denen Schriften, die uns aus dem Alterthume übrig geblieben sind. Das Piedestal, worauf die Venus steht, ist neuer und zween bis drey Fuß hoch. Weil die Statue etwas vorwärts gebücket ist, so urtheilen einige Kenner, daß sie anfänglich für einen erhöheten Ort bestimmt gewesen. Allein dieser Schluß ist nicht untrüglich, und kann die Schamhaftigkeit, mit welcher Venus sich zu verbergen suchet, nicht weniger an dieser Stellung Ursache seyn, weswegen sie auch das rechte Knie ein wenig voraussetzet. Die linke Hand hältsie vor die pudenda, und die rechte gegen die Brüste, ohne jedoch den Leib zu berühren.MONTFAVCON in Antiqu. explic. Tom. I, fig. I giebt aus des MAFFEIRaccolta einen Kupferstich von dieser Statue, aus welchem man sich aber einen schlechten Begriff von ihrer Schönheit machen kann, zu geschweigen, daß die Verrichtungen ihrer Hände gerade verkehrt vorgestellet sind, und der rechten zugeeignet wird, was von der linken zu sagen ist. Gleichen Fehler begeht SANDRAT im ersten Theile seiner Bild- und Malerkünste. Itztgedachte Statue ist etwas kleiner, als die gewöhnliche Größe eines Frauenzimmers zu seyn pfleget, welches keinen geringen Zweifel wider diejenige Meynung erwecket, nach welcher sie anfänglich auf einen erhabenen Ort hätte kommen sollen. Den Kopf hält sie ein wenig nach der linken Schulter.[361] Die Blüthe der Jugend, ein gefälliges und stilles Wesen, die Schönheit und Schamhaftigkeit streiten in ihrem Gesichte miteinander um den Vorzug. Ihre Person ist etwas fett gebildet, und solches von dem Künstler so wohl ins Werk gerichtet worden, daß man fast glaubt, es müsse das Fleisch weichen und nachgeben, wenn man den Körper anfassen wollte. Hiezu trägt die Polirung des Marmors kein geringes bey, welcher ursprünglich von heller und weißer Farbe war, mit der Zeit aber etwas gelb (so jedoch nicht übel läßt) geworden. Wenn die Sonne darauf scheint, ist er fast durchsichtig. Die Haare sind anitzt braun, welches vermuthlich von ihrer ehemaligen Verguldung, die bey den Alten nicht ungewöhnlich war6, herkömmt. Man findet die Göttinn Venus oftmals auf alten Statuen und sogar auch auf einer Medaille der Faustina in derjenigen Stellung, welche man an der mediceischen bemerket, ohne daß daraus folget, als habe man sich dabey nach dieser letzten, als nach einem Originale, so damals schon in großem Rufe gewesen, gerichtet. Vielmehr scheint es, daß itztgedachte Positur der Liebesgöttinn ganz gemein gewesen, und kann solche Meynung gar leicht aus dem Aelio LAMPRIDIO7 bekräftiget werden.

Bey allen obbeschriebenen Vollkommenheiten, welche man an der mediceischen Venus bewundert, ist sie dennoch nicht ungetadelt geblieben. Rand links: Was daran getadelt werde. Die meisten Kenner kommen darinnen überein, daß der Kopf für die übrige Proportion des Leibes und insonderheit der Hüften ein wenig zu klein sey. Andern scheint die Nase etwas zu dicke. Vielleicht ist auch die Scheidung des Rückens längst des Rückgrades ein wenig zu tief gerathen, obgleich eine zarte und fette Weibesperson vorgestellet wird. Wenigstens scheint die Zusammenbeugung der Arme in der Positur der Venus und die Vorwärtshaltung ihres Oberleibes dergleichen tiefe Scheidung zu vergringern, wo nicht gar zu verhindern. Die Finger sind außerordentlich Lang und außer dem kleinen Finger der rechten Hand ohne Gelenke; allein es ist offenbar, daß der Künstler die letzte Hand noch nicht an dieselbe geleget habe, und solchem nach seinem Ruhme da durch nichts abgehe. Vielleicht könnte eben dieses von dem Fische oder Delphine, welcher der Statue zur Seite ist, und auf welchem etliche Kinder gleichsam reiten, gesaget werden, wenn man nicht ohnedem wüßte, daß viele alte Stücke nur in ihrem Hauptwerke unvergleichlich sind, die Nebenzierrathen aber den Meistern der Mühe nicht werth zu seyn geschienen, daß sie selbst viele Mühe darauf hätten wenden sollen. Richardson bemerket dergleichen Mangel und schlechte Arbeit auch an den kleinen Kindern des Flusses Nil in dem vaticanischen Belvedere, an dem wilden Schweinskopfe bey der Statua Meleagri imPalazzo di Picchini zu Rom, an den Thieren beymToro Farnese zu Rom, an dem Kinde, welches Commodus in eben demselben farnesischen Pallaste auf den Armen hält, und an der Leda, die in dem Pallaste des Duca di Bracciano zu Rom auf einem Gruppo beym Castor und Pollux zu sehen ist. Gleiche Bewandniß hat es mit den griechischen Medaillen der syrischen Könige und der Ptolemäer, deren Gesichter von der trefflichsten Arbeit sind, da hingegen die Reverse von Lehrjungen gemacht zu seyn scheinen. Ich schließe die Nachricht von der mediceischen Venus mir dem Urtheile verschiedener Kenner, welche darinnen überein kommen, daß, wenn man die einzelnen Theile, z. E. den Kopf, die Nase etc. dieser Statue gegen andere halten wollte, man hier und da dergleichen Stücke und Glieder antreffen würde, welche die Arbeit an der mediceischen Venus übertreffen; diese aber in Ansehung der vielen vereinigten Schönheiten des leichten ungezwungenen Wesens und der ganzen Symmetrie ihres[362] gleichen noch nirgends gefunden habe. Die Venus de Medicis steht zwischen zwoen andern Statuen der Liebesgöttinn, welche an jedem andern Orte, wo sie dergleichen gefährliche Nachbarschaft nicht hätten, für unvergleichlich würden gehalten werden, an statt daß sie allhier ungeachtet ihrer Schönheiten mehr zur Vermehrung des Lobes, welches die mediceische Venus als einen ihr gehörigen Tribut fodert, als zu ihrem eigenen Ruhme stehen. Diejenige, so sich jener zur rechten Hand befindet, ist noch einmal so groß, als die mediceische, hat einen Apfel in der rechten Hand, und wird Venus Victoriosa oder Victrix genennet. Rand rechts:Venus Victoriosa. Die andere, so von trefflicher Arbeit ist, und woran Herkules Ferrata vieles ergänzet hat, führet den Nomen Venus Urania. Rand rechts: Venus Urania.

Auf der Seite dieser letzten Statue folget ein tanzender Faunus, der eine ungemeine Leicht- und Fertigkeit an den Tag legt. Rand rechts: Faunus. Mich. Angelo soll den Kopf und die Arme daran ersetzet haben, das Hauptwerk aber schreiben einige dem Praxiteli zu. Der Marmor hat etliche Flecken, absonderlich im Gesichte, und weil diese durch die Abgüsse oder moules sollen verursachet worden seyn, so wird anitzo nicht mehr erlaubet, dergleichen Abdrücke zu nehmen8.

L'Arrotino oder der Schleifer steht nächst hiebey, und stellt diese Statue einen alten halbknieenden Mann vor, so eine Art von breitem Messer auf einem vor ihm liegenden Steine schleift, und dabey mit aufgerichtetem Haupte und gleichsam mit vieler Aufmerksamkeit und furchtsamer Vorsicht, sich nicht sehen zu lassen, nach etwas höret. Rand rechts:L'Arrotino. Der Kopf und die Haare sind insbesondere wohl gerathen. Man macht insgemein einen Bauer daraus, der die catilinischen Verschwornen bey seiner Feldarbeit behorchet, und hernach verrathen habe; allein die historischen Umstände sowohl dieser Verrätherey, als derjenigen, welche von den Söhnen des Brutus unternommen worden, schicken sich zu keiner Entdeckung, die auf dem Felde geschehen seyn sollte.

Das sechste Stück ist ein Gruppo, auf welchem zween Kämpfer oder Luctatores ihre Kräfte gegeneinander versuchen, und der Ueberwinder seinem zu Boden fallenden Widersacher im Zurückbeugen den Arm entzwey bricht. Rand rechts: Luctatores. Die Köpfe sind gleichfalls an diesem Werke wohl gearbeitet. Nach Flaminii Vaccæ Zeugnisse, welches MONTFAVCON in seinem Itinerario Italico geführet, ist dieses alte Stück zu seiner Zeit vor der Porta di S. Giovanni zu Rom ausgegraben worden. Den Kupferstich davon sieht man in des MONTFAVCONAntiqu. expl. Tom. III, Part. II, p. 292.

Rings um die Tribuna geht ein Repositorium, so mit kleinen aber sehr kostbaren Werken aus dem Alterthume besetzet ist: Rand rechts: Andere Kostbarkeiten. Unter denselben findet sich des Kaisers Tiberius (nicht aber Julius Cäsars, wie MISSON und andere wollen) Brustbild aus einem einzigen Türkis, der die Größe eines Hühnereyes hat; etliche andere busta aus Krystalle, orientalischem Achate und Chalcedon; ein Löwe, so ein Pferd zerreißt, aus Marmor; die Venus in der Stellung der berühmten mediceischen Liebesgöttinn; eine matrix oder Gewächs von Smaragden, davon ein Theil noch unreif, der andere aber zu seiner völligen Reise gekommen ist, nebst vielen andern Merkwürdigkeiten.

Was die kostbaren Gemälde anlanget, so finden sich allhier viele Mignaturstücke eines Servitenmönchs Giovmui Battista del Monte Sinario, welches ein Kloster ist, so nur fünf Meilen von Florenz liegt. Rand rechts: Gemälde. Er hat vor ungefähr sechszig Jahren gelebet, und zwar nichts[363] aus seinem eigenen Kopfe gemalet, aber trefflich copiiret. Eine sonderliche Probe seiner Geschicklichkeit giebt das allhier befindliche Gemälde, welches die Anbethung der Hirten en mignature abbildet, und in Lazuli gefasset ist. Das Original ist vom Titiano. Man zeiget ferner im Originale eine treffliche Madonna vom Corregio; eine andere vom Mich. Angelo Buonarota; St. Johannes, vom Raphael d'Urbino, das Portrait des Pabstes Julius des zweyten, von eben demselben, nebst verschiedenen auserlesenen Stücken vom Titiano, Andrea del Sarto, Paolo Veronese, Holbein, Tintoret, Gherardini, Caracci, Rubens, Vandyk etc.

Gleich beym Eingange linker Hand hängt ein Opus Mosaicum, so aus viel tausend kleinen Steinen zusammengesetzet ist, und eine Eule mitten unter andern Vögeln vorstellet. Rand links: Mosaische Arbeit. Unter solchem trefflichen Werke stehen die Worte: Marcellus Provenzalis a Cento F. 1615.

Es fehlet der Tribune auch nicht an kostbaren Zierrathen von der neuern florentinischen Arbeit, oder von Pietre commesse, worunter sonderlich eine in Lazulistein eingelegte Perlenfischerey sehr wohl ins Auge fällt. Rand links: Florentinische Arbeit. Ein achteckichtes Tischblatt stellt überaus natürlich mancherley Früchte, Vögel und Laubwerk vor, wozu nichts als Achat, Lazuli, Chalcedon, Topase, Rubinen und andere orientalische Steine genommen worden. Diese Tafel wird auf hundert tausend Scudi geschätzt, und sollen dreyßig Personen funfzehn Jahre lang daran gearbeitet haben.

Ehemals zeigte man in der Tribune einen eisernen Nagel, dessen unterste Hälfte von Golde war, und gab man dabey vor, daß der berühmte Chymicus Thurneisser durch solche Probe die mögliche Verwandlung der geringern Metalle in Gold an den Tag geleget habe; allein man schämet sich schon seit vielen Jahren, diesen Nagel ferner zu zeigen, nachdem sich gefunden, daß ein Betrug dahinter stecke, und eine subtile Löthung das ganze Kunststück ausmache. Rand links: Falsche Probe der Alchymie.

Der berühmte große Diamant ist gleichfalls nicht mehr in der Tribune, sondern der Großherzog verwahret solchen selbst in seinem Kabinette, und zeiget man an dessen Stelle ein Modell, das aus einem gelblichen Feuersteine geschliffen ist. Rand links: Vom großen Diamanten. Das Original wiegt nach dem Berichte des Tavernier hundert und vierzigstehalb Karat, und war sonst der größte Diamant in Europa, muß aber zu unserer Zeit diese Ehre demjenigen überlassen, welcher von dem Engländer Pitt an den Herzog Regenten von Frankreich verkaufet worden, und nun die vornehmste Zierde der königlichen französischen Krone ist. Rand links: Seine Vergleichung mit andern. Als er geschliffen wurde, bekam Pitt für die abfallenden Stücke über sechstausend Pfund Sterling. Der geschliffene Stein behielt ein Gewicht von hundert und vier und vierzig Karat, und übertrifft mit seinem Feuer alle Diamanten, welche man gegen denselben hält, an statt daß das Wasser des florentinischen auf Citronenfarbe zieht. Der Großherzog soll einem Jesuiten für diesen letztgedachten Stein nur fünf und siebenzig tausend Scudi gegeben, dieser aber ihn vorher, da man ihn nur für Krystall angesehen, auf der Piazza di Navona zu Rom für einen einzigen Paolo erhandelt haben. Pitt hätte einen viel vortheilhaftern Verkauf treffen können, wenn er sich der Gelegenheit zu rechter Zeit zu bedienen gewußt, indem ihm der König in Polen Augustus achtmal hundert tausend Thaler dafür both, und die chursächsische Landschaft die Bürgschaft, daß diese Summe in etlichen Jahren fristenweise abgetragen werden sollte, über sich nehmen wollte. Weil aber Pitt auf einer Million Thaler bestund, so zerschlug sich der Handel zu großem Schaden des Verkäufers, und wie man versichert, auch nicht ohne Reue des Königs Augusti, als hernachmals dieses Kleinod in die Hände des Königs in Frankreich gerathen war. Pitt war bey Besitzung seines Schatzes kaum des Lebens sicher: und weil[364] dergleichen Waare nicht allenthalben solche Käufer, wie sie erfodert, findet, so verhandelte er ihn endlich an den Herzog Regenten, der ihn für den König in Frankreich einhandelte, und wird der Stein selbst anitzo insgemein Le Regent genennt. Pitt mußte viele andere Juwelen nach der pariser Taxe an dem Kaufschilling annehmen; und weil auch gleich darauf die französischen Bancozettel, so er für baares Geld bekommen, ehe er sich davon losmachen konnte, samt dem missisippischen Actienhandel fielen: so rechnet man, daß er an statt der vielen Millionen französischer Livres, auf welche er gerechnet hatte, kaum dreymal hundert tausend Thaler für seinen Diamant erhalten. Wenn dem Berichte der orientalischen Reisebeschreibungen zu trauen ist, so ist in dem Schatze des großen Mogols ein Diamant, der zweyhundert und neun und siebenzig neun-sechszehntheil Karat wiegt. Ehe er geschliffen worden, war seine Schwere von siebenhundert und drey und neunzig Karat.

Ein besonderer Schrank der Tribune ist mit sehr großen Schalen aus Cristallodi Rocca, wie auch mit andern kostbaren Gefäßen aus Lazuli, Achat, Cornaline, Diaspro etc. angefüllt. Rand rechts: Krystallene und andere kostbare Gefäße. Ein Theil derselben ist in Gold gefasset und mit den besten Edelgesteinen besetzet.

Ferner zeiget sich allhier ein vortreffliches Kabinet oder Studiolo von vierzehn Seulen aus Lazulisteine, deren bases und capiteaux von maßivem Golde mit Perlen und Türkissen gezieret sind. Rand rechts: Kostbaren Schrank. Den Raum zwischen den Seulen füllen goldene bas-reliefs, und wo etwan zu vermuthen wäre, daß zur Befestigung des Werkes Nägel erfodert werden könnten, daselbst zeigen sich an statt der Nägelköpfe nichts anders als Topase, Smaragden, Sapphire, Rubinen, Balassi, Chrysolithe, Perlen und andere Edelgesteine. Den mittlern Platz des obern Theils nimmt eine unvergleichliche Perle ein, welche bey nahe die Größe einer Wälschennuß hat. Der nicht weit davon gefassete Stein Aqua marina ist noch etwas größer, und ein Topas kömmt an Umfange einer mittelmäßigen Tobacksdose bey. Man bemerket auch einen Granat von der Größe einer Wallnuß. Rand rechts: Gemmæ oder geschnittene Edelgesteine. So prächtig dieses Behältniß ist, so kostbar sind auch die Dinge, zu deren Verwahrung es dienet, indem man lauter ächte Edelgesteine entweder mit hol eingeschnittenen oder erhabenen Figuren darinnen antrifft. Jene werden insgemein Gemme Intagliate d'incavo, oder pietre incavate, diese aber Cammei oder Gemme a rilevo genennt. Weil sie wegen ihrer Kleinigkeit leicht von Handen kommen könnten, so wird das innerste dieses Kabinets nicht anders, als nach vorher erlangter Erlaubniß des Großherzogs gezeiget. Eben also wird es mit den Medaillen gehalten, welche an den Seiten der Tribune in zehn Kisten (deren sieben mit alten und drey mit neuen Medaillen oder nummis gefüllet sind) aufgehoben werden. Beyderley Sammlungen stehen unter dem gelehrten Bianchi, welchem die ganze Tribune anvertrauet ist, und kann man, nach erhaltener Erlaubniß, unter seiner Anführung nicht nur alles in genauen Augenschein nehmen, sondern auch für eine Erkenntlichkeit ganze Wochen lang gründliche Erklärungen und Nachrichten von den merkwürdigsten Stücken einholen, bey welcher Gelegenheit die Schubladen, worinnen die Sigilla odernummi liegen, aus der Tribune in eines der benachbarten Zimmer, da man mehrere Bequemlichkeit und wenigere Distraction hat, gebracht werden. Eine gute Hülfe in dieser Wissenschaft geben die zwey und sechszig alten gemmæ, welche vor drey Jahren aus den Kabinetten des Großherzogs, von dem Abbé Petri Andrëini und dem Marchese Riccardi zu Florenz herausgegeben, und dem ersten Theile der Inscriptionum antiquarumSALVINI angehängt worden sind9. Eine vollkommenere Nachricht sowohl von diesen[365] als andern florentinischen Merkwürdigkeiten hat man sich von dem weitläuftigen Werke, womit eine Gesellschaft hiesiger Gelehrten beschäfftiget ist, zu versprechen. Es wird solches den Titel eines Musei Florentini führen, und aus zehn Theilen in Folio bestehen. Der erste und andere begreifen die gemmas; der dritte die marmornen Statuen; der vierte die Brustbilder der Kaiser und anderer berühmten Leute; der fünfte die Alterthümer aus bronzo; der sechste, siebente und achte die Medaillen; der neunte und zehnte die Portraite der berühmten Maler, welche man in der zur Galerie gehörigen Sammlung findet. Jeder Theil wird wenigstens hundert Kupferplatten haben: und hoffet man das Werk (so in allen etwan vierzig Louis d'or kosten wird) innerhalb zehn bis zwölf Jahren völlig aus der Presse zu haben. Die Aufsicht darüber ist dem gelehrten Antonio Francisco Gori anvertrauet, welcher das Werk mit Anmerkungen zu erläutern versprochen hat.

Um aber nur etwas weniges allhier von den gemmis zu erwähnen, so machen die Sigilla antiqua incisa, auf welchen Köpfe von Kaisern und Kaiserinnen befindlich sind, achtzig Stücke aus. Rand links: Drey außerordentliche Frauen. Das rareste darunter ist der Kopf Hadrians. Nach selbigem schätzet man die Plotina, die Marciana und die Matidia sehr hoch. Etliche nennen diese Personen par excellence die drey Frauen, und war die erste des Kaiser Trajans Gemahlinn, die andere seine Schwester, und die dritte dieser Schwester Tochter. Von den ersten beyden meldet Plinius als etwas außerordentliches, daß sie bey gleichem Glücke und Ehren lange Jahre in einem Hause ohne Neid und Zank beysammen gelebet haben10.

Von Köpfen der Könige und Kriegeshelden sind zwey und vierzig antique Stücke vorhanden, worunter Perseus, Massinissa und Cleopatra für die raresten gehalten werden. Die letzte gemma ist besonders schön. Alexander der große und Pyrrhus sind gleichfalls in dieser Sammlung begriffen.

Fernerzeiget man bey vierzig Intagli von Masken, nebst acht und zwanzig Philosophen und Poeten. Von holgeschnittenen Bildnissen der heidnischen Gottheiten sind beynahe hundert Stücke beysammen, und zwar (wie die vorhergehenden) alle aus dem Alterthume. Jupiter, Serapis, Neptun, die Psyche und ein Augur sind die raresten darunter; Serapis und Apollo aber die schönsten. Hierauf folgen funfzehn sehr große antique Stücke, unter welchen die Jole auf einem Chrysolithe wegen des Steins die kostbarste ist. Romulusin Carniol, und Herkules in einem Amethyste, sind wegen ihrer schönen Arbeit hoch zu achten. In Ansehung der Größe ist die Pallas auf einem Chalcedon, der die Größe einer mittelmäßigen Tobacksdose hat, die besonderste. Apollo und Mars stehen auf den zwo unterschiedenen Seiten eines durchsichtigen Sardonyx. Die Seite des Steins, welche Mars einnimmt, ist erhaben und weiß. Es sind von dergleichen und andern gemmis noch mehrere vorhanden, und werden sie bey allen Gelegenheiten, wo man was außerordentlich gutes erhandeln kann, vermehret; sie sind aber noch nicht alle in die gehörige Ordnung gebracht.

Nach den Gemmis Deorum folgen die mythologischen, historischen und andere Sigilla, so eine Anzahl von tausend ausmachen. Unter denselben finden sich viele von Herkules Thaten; ein rares Stück, so den Bellerophon abbildet, wie er eine Chimära umbringt; eine andere rare gemma, auf welcher die Bacchanalia mit trefflicher Arbeit vorgestellet sind; und die mitten im Zodiaco stehende Sonne, um welche ein von Natur im Steine sich befindender[366] weißer Zirkel geht. Auf der andern Seite zeiget sich die Göttinn Luna auf ihrem Wagen.

Von Intagli, die in Ringe gefasset, sind zwar viele neuere, aber nur acht und zwanzig alto Stücke vorhanden. Unter den letzten ist ein annulus memoriæ zu bemerken, welchen man in drey andere, ohne daß sie auseinander fallen, vertheilen kann. Endlich kommen die erhabenen Steine oder bas-reliefs, in welcher Arbeit man den neuern Künstlern den Rang vor den alten nicht wohl streitig machen kann. Unter ihrer Anzahl finden sich hundert und zwanzig neue und fünfhundert alte Stücke, und gehöret zu den letzten Hannibal, der vortrefflich ausgedrücket ist. Laokoon verdienet gleichfalls vieles Lob. Besonders rare cammei sind diejenigen zween, auf deren einem Herkules den Cerberus umbringt, auf dem andern aberkleine Amores sich bemühen, Herkules Keule aufzuheben, und damit gleichsam zu spielen, indessen daß dieser Held verliebt ist. Unter den neuern bas-reliefs sind zwey Brustbilder von Mohren sonderlich wohl gerathen. Ferner finden sich sehr große Stücke theils von einer, theils mehrern Figuren, Landschaften und dergleichen auf Sardonyx, Chalcedon, Achat, Onyx, Cornaline etc.

Den Beschluß machen sieben und zwanzig große antique Köpfe, die gleichsam für unschätzbar gehalten werden: Livia, Augustus, Agrippa, Brutus, Marcus Aurelius, Faustina und andere zeigen sich en bas-reliefs auf kostbaren großen Steinen; die schönsten und raresten Stücke aber darunter sind Vespasian auf einem Chalcedon, wie auch Tiberius und Julia beysammen auf einem andern dergleichen Steine.

Alle diese Gemmæ, deren sämmtliche Anzahl auf drey tausend Stücke gerechnet wird, sind in dem obgedachten kostbaren Kabinette oder Studiolo, woran die außerordentliche große Perle bewundert wird, verwahret, und schätzet man das ganze Werk mit dem was darinnen enthalten ist, auf sechsmal hundert tausend Scudi.

Was den Vorrath von alten Münzen betrifft, so zählt man allhier anitzo dreyhundert und zwölf Medaillons, worunter fünf und vierzig von Silber sind. Rand rechts: Sammlung von Medaillen. Der größte Kupfer-Medaillon ist von Septimus Severus Gemahlinn Julia.

Vom petit bronze oder minore modulo der kupfernen Münzen sind achthundert Stücke vorhanden, und achtzehnhundert vom modulo maximo. Die mittlere Gattung, welche die Franzosen Moyen bronze nennen, begreift zwey tausend und zweyhundert, undist diese Sammlung wegen der griechischen Münzen die gelehrteste und curiöseste. Von silbernen Nummis sind achthundert Consulares und über zweytausend andere vorhanden.

Von Golde finden sich sechszehnhundert Stücke und sechszehn Medaillons. Bianchi versicherte bey Gelegenheit derselben, die größte goldene Medaille, so man habe, wiege hundert und sechszehn Louis d'or, und sey vom Kaiser Johanne VII. Palæologo, der dem florentinischen Concilio beygewohnet hat.

Die Münzen, welche Städte und Länder betreffen, machen sowohl an Golde, als Silber ujd Kupfer funfzehnhundert Stücke aus. Die goldenen und kupfernen sind in dieser Materie die raresten. In allen besteht diese Sammlung aus vierzehntausend alten und acht tausend neuen Münzen. Von den neuern Gedächtnißmünzen, so man Medaillen nennet, sind insbesondere neunhundert goldene, zweytausend silberne (worunter die größeste von Cosmus[367] dem dritten ist), und mehr als dreytausend kupferne allhier zu sehen. Die letztern sind noch nicht in Ordnung gebracht. Eine besondere Kiste ist mit denen Münzen, welche itzt in allen und jeden Ländern der Welt gänge und gebe sind, angefüllet.

Wer alle diese oberwähnten Dinge genau durchsehen will, hat Gelegenheit und Ursache gar oft in dieses Gebäude zu kommen. Die große Galerie von Statuen steht für ein geringes Trankgeld, das man dem Thürhüter giebt, allezeit offen: wegen der Tribune, geschnittenen Steine, Medaillen und etlicher andern Dinge aber muß man mit Bianchi besondere Abrede nehmen.

Uebrigens ist auch die Armeria secreta oder Rüstkammer des Großherzogs, in welche man aus der großen Galerie geht, nicht zu vergessen. Rand links:Armeria Secreta. Man zeiget allhier die Rüstungen der mediceischen Prinzen, von deren Kriegesthaten jedoch die Historie nicht allzusehr angefüllt ist, wenn man den einzigen Laurentium de Medicis ausnimmt, nebst dem Prinzen Matthia, des Großherzog Ferdinands des zweyten Bruder, welcher sich in dem dreyßigjährigen Kriege ein wenig versuchet, und allhier sein Andenken mit einer Standarte, die er von dem Herzoge von Weymar erobert, gestiftet hat. Rand links: Weymarische Standarte. An der Spitze oder dem Spieße derselben stehen auf einer Seite die Worte: Frölich daran, mit Freuden davon; und auf der andern: Hilff Gott, daß wohl gelinge. Wenn die Fahne ausgebreitet ist, liest man auf der einen Seite: Zu recht mit Gott; auf der andern aber: Sine numine frustra. Die vier Ecken dieser letzten Seite sind mit den Buchstaben B. D. S. W. bezeichnet, welche sagen wollen:Bernardus Dux Saxonlæ Wimariens.

Ferner zeiget man vielerley persianische und türkische Rüstungen nebst dem Pferdezeuge, dem Köcher und einer Maske, welche eine türkische Sultanin bey sich auf einem Schiffe, so von florentinischen Galeeren weggenommen worden, gehabt. Die Maske ist schlecht, auch der Köcher nur mit geringen Chrysolithen und Türkissen besetzt. Weiter ist vorhanden eine alte römische Rüstung; ein Schwert Karls des großen; zwey Pistolen nebst einem Degen und einem Stilet beysammen in einem Gestecke; ein Terzetto oder kleines Pistol mit einem goldenen Laufe, welches der Kaiser Leopold an Cosmun den dritten geschenket hat; eine lange Flinte, deren goldener Lauf neunzehn Pfunde wiegt; ein zusammengesetztes Werk von vier Pistolen, welche man im Hute verborgen tragen kann, und Anton von Medicis erfunden hat; viele kleine Modelle von allerley Geschütze; zween Roßschweife; ein Sattel vom Könige Johann Sobiesky; des Fürsten Radzivil mit Türkissen besetztes Pferdezeug; ein rundes Casket von Eisen, welches der Aufseher der Rüstkammer für den Helm Hannibals ausgiebt, weil er imLaco Trasimeno11 gefunden worden, auch die daran befindliche Arbeit und Schrift arabisch sind; Rand links: Casket vom Hannibal. etliche Schilde, welche Raphael d'Urbino bemalet haben soll; ein anderer, auf welchem Julius Romanus die Bestürmung einer Stadt vorgestellet, und noch einer, worauf Leonardo da Vinci der Medusa Haupt gemalet hat; eine Kleidung eines westindischen Königs aus rothen Federn; ein Riemen, der aus einer Büffelshaut geschnitten und zweyhundert und zehn Ellen lang ist, nebst andern dergleichen Dingen.

Ich weis nicht, mit was für Rechte man auch in diese Sammlung das erste claustrum virginale gebracht habe, auf welchem die Worte zu lesen sind: Gelt Füchslein, ich habe dich erwischt etc. etc. 18. Rand links: Claustrum virginale. Auf einem Tische von grünem und weißem Marmor steht ein kleines metallenes Pferd, so auf den Hinterfüßen ruhet. Der Meister davon ist Giovanni[368] Bologna. Eine kleine Statua Equestris von bronzo kömmt von der geschickten Hand des Ferdinand Tacc. Rand rechts: Außerordentliche Mähnen von Pferden. Längst der Seite des einen Zimmers liegt die außerordentliche Mähne eines Schimmels, welchen Karl, Herzog von Lothringen, an den Großherzog Cosmus den dritten verehret hat. Sie ist eingewickelt, und soll zwanzig Fuß, oder, wie andere wollen, vierzehn Ellen lang seyn. Indessen habe ich unter verschiedenen Haaren, die ich herausgezogen, keines finden können, so über eine Elle lang war. Noch vor wenig Jahren fuhr der Lord Gage in London mit zween Schimmeln, deren Mähnen fast bis auf die Erde hingen. Es ist bekannt, daß in England bey anscheinender Gefahr eines Aufstandes wider die protestantische Reichsfolge und Regierung den Römischkatholischen ihre Pferde weggenommen werden; als nun im Jahre 1717 bey dergleichen Furcht und Unruhe Mylord Gage die päbstliche Religion verließ, mußte er leiden, daß man ihm im Scherze vorhielt, er sey bloß aus Liebe für seine Pferde, und damit er solche nicht einbüßen möchte, zur englischen Kirche getreten. Als ihn die Königinn von England einsmals darüber raillirte und anbey fragte: ob er denn auch seine Frau mit zu der protestantischen Kirche bekehret habe? antwortete er aus Uebereilung: was die Frauen anlange, so läge nichts daran, von was für Religion sie wären.

Endlich ist noch in dem untern Theile des itztbeschriebenen Pallastes der Altar zu besehen, welcher der neuen Kapelle di S. Lorenzo gewidmet ist. Rand rechts: Kostbarer Altar. Es ist solches zwar noch nicht völlig fertig, indessen aber doch schon von dergleichen Schönheit und Kostbarkeit an Edelgesteinen und florentinischer Arbeit, daß man sich über den Pracht dieses Werkes höchlich verwundern muß. Rand rechts: Trankgelder. Wenn man die Galerie nebst den dazu gehörigen Sammlungen besieht, belaufen sich die Unkosten ungefähr auf vierzig Paoli, wovon der Aufseher über die Medaillen und gemmas, wenn solche nur einmal gezeiget werden, funfzehn Paoli bekömmt.

Nahe bey diesem Gebäude ist die Fonderia, oder das herzogliche Laboratorium, worinnen die chymischen Operationen verrichtet, und allerley kostbare Arzeneyen, davon der Großherzog viele an auswärtige Prinzen zu schenken pflegt, verfertiget werden. Rand rechts: Chymisches Laboratorium. Man sieht unter andern allhier das Portrait Antonii de Medicis in Lebensgröße, mit der Unterschrift: Rand rechts: Lob Antonii de Medicis.


Ingens consilio, factis Antonius ingens,

Hic mira insignem quem colit arte locus,

Par Phœbo medicas quo vires traxit ab herbis

Æternum famæ lumen ab igne tulit.


Von diesem Antonius wird bey der Beschreibung der Kirche d'Ogni Santi noch etwas zu erinnern seyn.

Die ordentliche Wohnung der Großherzoge ist in dem Palazzo de'Pitti, welcher seinen Namen von der Familie, welcher er ehemals zugehörte, hat. Rand rechts: Herzoglicher Pallast. Seine Façade ist wegen der großen Bruchsteine, woraus sie besteht, und die außenher nicht gleich zugehauen, sondern erhaben sind, schlecht und rustique; an der Seite gegen den Hof und den Garten aber hat er eine bessere Baukunst, und ist daselbst im untersten Stockwerke die dorische, im mittlern die jonische, und im dritten die korinthische Seulenordnung sehr geschickt und zierlich angebracht. An dem Hofe ist auszusetzen, daß er in Vergleichung der Länge und Höhe des Gebäudes viel zu enge ist. Rand rechts: Großer Magnet. Rechter Hand beym Eingange desselben liegt ein großer Magnet, der nach[369] Spons Berichte fünftausend Pfund schwer ist, vom Feuer aber einigen Schaden gelitten hat. Rand links: Betteley der Schweizerwache. Wenn Fremde kommen, so eilen alsbald etliche von der Wache haltenden Schweizer. garde, um ihre Hellebarden daran zu reiben, und hernach etliche einander berührende Schlüssel damit aufzuheben. Die Absicht ist auf ein Trankgeld gerichtet, dawider nichts einzuwenden; daß sie aber sowohl hier als im Palazzo Vecchio betteln, und unverschämt um einen oder zween Paoli bey den Fremden anhalten, ist eine Sache, so sich zur Würde und zum Pracht ihres Herrn keinesweges schicket.

In einer Grotte des Hofplatzes vom Palazzo Pitti steht die Statue Mosis von Porphyr in mehr als Lebensgröße, und nicht weit davon linker Hand im Winkel das bas-relief desjenigen Maulesels, welcher bey der Aufführung dieses Gebäudes viele Dienste gethan und dadurch die Ehre erworben hat, daß ihm Lucas Pitti, der erste Herr des Pallastes, gedachtes Denkmaal gestiftet, mit den darunter gesetzten Worten: Rand links: Denkmaal eines Maulesels.


Lectica lapides & marmora, ligna, columnas;

Vexit, conduxit, traxit, & ista tulit.


Die Athenienser verordneten einem Maulesel, der ihnen bey Erbauung eines Tempels gute Dienste geleistet hatte, den nöthigen Unterhalt auf seine übrige Lebenszeit, welche er in allen auf achtzig Jahre brachte12.

Ueber dem bas-relief des Maulesels im Pallaste Pitti, ist eine schöne alte Statue Herkules aus Marmor zu sehen. In den Zimmern des Pallastes findet man gute Meublen und treffliche Gemälde. Rand links: Gemälde. Unter den letzten sind die vornehmsten etliche Madonne vom Raphael d'Urbino, etliche andere vom Andrea del Sarto, Pharao, so dem Joseph eine goldene Kette überreichet, von eben diesem Meister; vier große Bataillongemälde vom Bourgnognone; etliche andere große Stücke vom Salvatore Rosa, und eines vom Rubens; St. Marcus vom Fra Bartolomeo; die Himmelfahrt Christi von eben demselben; das Portrait Leo des zehnten mit zween Kardinälen, vom Raphael d'Urbino; der Kardinal Bentivoglio, vom Van Dyck; D. Martin Luther, so auf einem Clavicymbel spielet, und seine Frau zur Seite, Bucern aber hinter sich hat, vom Giorgion; Maria, Christus und St. Johannes auf einem Gemälde, vom Andrea del Sarto; St. Maria Magdalena, vom Leonardo da Vinci; der Lebenslauf des Altvaters Joseph auf einem in viele Felder vertheilten Stücke, vom Andrea del Sarto; die Verkündigung Mariä, von eben demselben; zwo kleine Madonne vom Annibal Caracci, wie auch verschiedene Stücke vom alten Palma, Titiano etc.

Pietro Berettini da Cortona hat die Plafonds undFrises von drey Zimmern, welche le Camere di Giove, di Marte & di Venere genannt werden, gemalet, und daselbst die heroischen Tugenden des mediceischen Hauses unter Sinnbildern, so aus der heidnischen Göttergeschichte[370] genommen sind, vorgestellt. Rand links: Anagramma von Pietro di Cortona. Weil diese Gemälde von allen Kennern sehr hoch geschätzet wer den, so haben solche Cornelius Bloemaert und Jac. Blondeau in sechs undzwanzig Kupferstichen, die in Rom sechstehalb Scudi kosten, herausgegeben. Der sonst gewöhnliche Namen des berühmten MeistersPietro di Cortona, giebt durch die Versetzung der Buchstaben die Worte: Corona de Pittori.

Aus den Zimmern des obersten Stockwerkes und der Mansarden13 hat man eine schöne Aussicht über die Stadt, weil der Pallast auf einer kleinen Erhöhung liegt, welche auf der Seite nach dem Garten noch sehr zunimmt, und Gelegenheit gegeben hat, die Parterres also anzulegen, daß man daselbst mit Kutschen vors zweyte und dritte Stockwerk fahren kann. Rand rechts: Parterres

Die herzogliche Bibliothek, so in diesem Gebäude steht, ist in schlechter Ordnung, übrigens aber zahlreich genug. Rand rechts: Herzogliche Bibliothek. Ehemals machte ihr der berühmte und am 4ten Julius des 1714ten Jahres verstorbene Anton Magliabecchi als Bibliothekarius viele Ehre, und könnte man mit geringer Veränderung (da man nämlich an statt des ingenii sein Gedächtniß rühmete) von ihm sagen, was OWENVS von der Akademie zu Oxford geschrieben: Rand rechts: Lebensart Anton Magliabecchi.


Nulla tuæ par Bibliothecæ est altera: nulla

Ingenio par est Bibliotheca tuo.


Die Jesuiter waren keine Freunde von ihm, und war er ihnen hinwiederum wenig gewogen. Insbesondere verdroß ihm sehr, daß sie von ihm das Urtheil gefället:Est Doctor inter Bibliothecarios, sed Bibliothecarius inter Doctores. In seiner eigenen Bibliothek sah es nicht viel besser, als in einem Schweinstalle aus. Die Bücher lagen meistentheils auf der Erde und haufenweise über einander; sein vortreffliches Gedächtniß aber machte, daß er alle Materien, wovon man nur zu sprechen anfing, alsbald zu finden wußte. Der übermäßige Gebrauch des Schnupftobacks brachte denen Büchern, in welchen er viel las, schlechten Vortheil. Eyer waren seine vornehmste Kost, und wurde manches davon über die Bücher, die ihm an statt des Tisches dienen mußten, verschüttet. Seine Nägel unterhielt er allezeit in dem Stande, daß er in Ansehung derselben einen starken Harfenspieler hätte abgeben können. Die Veränderung des weißen Zeuges nahm ihm zu viele Zeit weg, daher blieb jedes Hemde, fast so lange es nur halten wollte, auf seinem Leibe: und weil er dabey schweinisch aß, auch sich sehr selten wusch, so ist kein Wunder, daß er einen solchen Geruch von sich gegeben, der wenig Leuten angenehm war. Rand rechts: Unreinliche Gelehrte. Wenn man ein Verzeichniß von Gelehrten, welche eine unreinliche Lebensart an sich gehabt, herausgeben wollte, würde Magliabecchi ohne Zweifel vorangehen, sein Gefolge aber von manchen berühmten Gelehrten beste. hen, und St. Evremont, Poiret, Leibnitz, Conr. Samuel Schurzfleisch, Joh. Georg Eckard nebst vielen andern unter dieser Zahl erscheinen. Die Musen des Parnasses müssen nicht allzudelicate Prinzeßinnen seyn, daß sie sich mit dergleichen Leuten so gemein machen14.[371]

Aus dem Pallaste Pitti kann der Großherzog durch einen bedeckten Gang nach den Curiositätengalerien und dem Palazzo Vecchio kommen, auch in dem letzten durch verborgene Fenster hören und sehen, was in verschiedenen Gerichten vorgeht, ohne daß ihn jemand bemerket. Rand links: Corridore. Besagter Gang ist sechshundert Schritte lang, sechs breit und acht hoch. An seinen Wänden sind die Thaten des Kaisers Karls des fünften, Philipps des zweyten Königs in Spanien, Heinrichs des vierten Königs in Frankreich, und des Großherzogs Ferdinands des zweyten, in großen Gemälden vorgestellet. Uebrigens ist es schade, daß dieser Corridore nicht in gerader Linie fortläuft, sondern viele Beugungen und Winkel macht.

Die Fremden, so in dem Garten des Pallastes Pitti herum gehen wollen, werden durch einen Schweizer begleitet, dem es nur um ein Trankgeld zu thun ist. Rand links: Garten. Dieser Garten wird il Giardino di Boboli genennt, und hat drey italienische Meilen im Umfange. Von seiner Höhe ist die Aussicht vortrefflich, sonderlich nach dem großherzoglichen Lustschlosse Poggio Imperiale. Rand links: Fontaine. Das schönste ist die große Fontaine, so der Facciata des Pallastes nach der Seite des Hofes gerade gegenüber angeleget worden, und in ihrer Mitte über einer Schale von ägyptischem Granit, welche zwölf Ellen oder sechs und dreyßig Fuß im Umfange hat, mit der Statue Neptuns gezieret ist. Diese ist von Marmor in mehr als Menschengröße, und hat unter sich drey andere sitzende Statuen, die den Ganges, Nil und Euphrat abbilden, und eine Menge Wasser in die Schale ausschütten. Itztgedachtes schönes Werk kömmt von der Erfindung und Hand des berühmten Giovanni Bologna, der aus Douay gebürtig war. In verschiedenen Grotten und an etlichen andern Springbrunnen des Gartens findet man noch ferner vier Statuen von Mich. Angelo Buonarota, welche zu dem Grabmaale des Pabstes Julius des zweyten bestimmt waren, von dem Vetter des Buonarota aber an den Großherzog Franciscus verehret worden; Rand links: Statuen. eine liegende Cleopatra, vom Bandinelli; Paris, der Helenen entführet; Herkules in Riesengröße, vom Vincenzo di Roßl; Adam und Eva aus Marmor, davon diese ihr Haupt auf ihre zwo Hände, so auf des Adams Schultern ruhen, neiget, indessen daß Adam mit betrübten und melancholischen Gedanken vor sich zur Erde sieht etc. Die Grotten werden nicht wohl unterhalten, und verfallen an vielen Orten; die Aleen und mit Laubwerke bedeckten Gänge aber sind unvergleichlich und aus Lorber- und andern solchen Bäumen zusammengesetzt, welche des Sommers und Winters grünen. Oie Espaliers sind mit Orangen-Citronen-Granat- und Jasminbäumen bekleidet. An vielen Orten sind verdeckte Vexirwasser angelegt, welche der Gesellschaft Gelegenheit zu lachen geben.

An der einen Seite des Gartens findet sich die herzogliche Menagerie, worinnen etliche Strause, Löffelgänse, chinesische Gänse, Fasanen, Papagoyen, Pharaonshühner, und Hirsche von Corsica (so viel kleiner als andere sind) unterhalten werden. Rand links: Menagerie. Eine Art von ausländischen Kranichen, Kurkigenannt, ist also abgerichtet, daß sie hüpfen und gleichsam tanzen, wenn man ihnen vorsingt. Rand links: Thierhaus. Die Löwen, Tiger, Panther, wilde Ochsen, Luchse, Bären und dergleichen Thiere werden in einem andern Theile der Stadt, nicht weit vom St. Marcusplatze, in einem Gebäude, dem man den Namen vom Serraglio de'Lioni gegeben hat, verwahret. Jedes Thier hat bey seinem Gehäuse einen langen offenen Hof, worinnen es herum[372] laufen kann. Vor etlichen Jahren hatte eine Tigerinn allhier Junge, fraß solche aber gleich nach der Geburt auf. Der hiebey befindliche Hätzgarten ist wohl angelegt. Wenn die Hatze vorbey, gebrauchet man sich, um die wilden Thiere wieder in ihre Logen zu bringen, eines besondern Mittels, nämlich einer holen Maschine, die einen Drachen vorstellet, und etliche Personen mit brennenden Fackeln in sich verborgen hat. Rand rechts: Mittel, die wilden Thiere zu zwingen. Das Feuer, so durch den eröffneten Rachen und die Augenlöcher des Drachen scheint, setzet auch die wildesten Thiere in solche Furcht, daß sie davor weichen und sich, wohin man will, treiben lassen.

Nicht weit vom Serraglio de Lioni liegt der herzogliche medicinische Garten, oder Giardino de'Semplici, an welchem Cosmus der erste große Unkosten verwendet hat. Rand rechts: Medicinischer Garten. Die Aufsicht darüber hat anitzo des Großherzogs Botanicus Micheli, und weil der Garten mit den auserlesensten und raresten Gewächsen versehen ist, so versammelt sich die in Florenz aufgerichtete Academia di Botanica zu gewöhnlichen Zeiten daselbst. Rand rechts: Academia di Botanica.

Die herrschaftlichen Reit- und Manége-Pferde haben ihre Stallung nächst an diesem Garten. Rand rechts: Reitschule. Der Reitplatz ist drey und siebenzig gemeine Schritte lang, und zeiget man einen Springer, der in fünf Sprüngen oder Sätzen damit zu Ende kömmt. Das Rennen mit der Lanze wird von den Scholaren nach einer beweglichen hölzernen Statue verrichtet. Trifft die Lanze den Schild, wie sichs gebühret, recht in der Mitte, so steht die Maschine fest; geräth aber der Stoß falsch, so dreht sich die Statue herum, und giebt mit ihrem ausgestreckten Arme dem Reuter eine Ohrfeige.

Allhier sieht man auch an dem Ufer des Arno das in Stein gehauene Epitaphium, welches der venetianische Gesandte Capelli, seinem Pferde, so im Jahre 1531 in der Belagerung von Florenz geblieben, mit folgenden Worten hat setzen lassen: Rand rechts: Epitaphium eines Pferdes.


Ossa equiCAROLI CAPELLI

Legati Veneti.

Non ingratus herus, sonipes memorande, sepulchrum

Hoc Tibi pro meritis, hæc monimenta dedit.

Obsessa Vrbe

M. D. XXXI. Id. Mart15.


Außer der Stadt haben die Großherzoge zwey schöne Luftschlösser, Poggio oder Villa Imperiale undPratolino genannt. Rand rechts: Poggio Imperiale. Jenes liegt nur eine italienische Meile von der Stadt, und kommt man gleich vor der Porta Romana in eine dahin führende treffliche Alec, so auf jeder Seite eine doppelte Reihe hat von Cypressen und Leccii, welche letztere eine Art stets grünender Eichen sind. Die auf beyden Seiten befindlichen Weinberge, Klöster und Lusthäuser machen den Weg sehr angenehm. Bey dem Eingange der Alec sieht man auf zweyen Piedestaux kaiserliche Adler mit dem florentinischen und österreichischen Wapen Marien Magdalenen, einer Tochter des Erzherzog Karls von Oesterreich, und einer Gemahlinn Cosmus des zweyen. Ferner zeiget sich zur Rechten die Statue eines Löwen, der mit der einen Pfote eine Kugel hält, und zur Linken eine säugende Wölfinn. Jener stellt das Herzogthum Florenz, und diese den Staat von Siena vor. Bey einem hiernächst folgenden Teiche sind[373] die liegenden Riesenstatuen der Flüsse Arno und Arbia, so reichlich Wasser aus ihren Urnen schütten, zu betrachten, wie auch vorher die auf vier Piedestalen stehenden Bildnisse Hemers, Virgils, Dantes und Petrarcha. Vor dem Schlosse ist ein geräumiges Rwphithener mit Cypressenwänden und einem steinernen Geländer, bey dessen Eingange sich auf der einen Seite die große marmorne Statue Atlantis mit der Kugel auf der Schulter, und auf der andern Jupiter von gleicher Materie und Größe mit dem Blitze in der Hand zeiget. Dus Gebäude selbst fällt zaar von außen nicht sonderlich ins Gesicht, hat aber viele Gelegenheiten und Zimmer. In der untersten Galerie desselben ist das Haupt des sterbenden Alexanders des großen aus Porphyr, nebst vier Statuis Deorum und verschiedenen Brustbildern von römischen Kaisern zu besehen. In den Zimmern des untern Stockwerkes findet man zwo schöne Seulen von grünem Marmor mit schwarzen und weißen Flecken; die vom Buonarota verfertigte berähmte Statue Adonis, aus weißem Marmor, und die Taufe Christi von mosaischer Arbeit, nur von der Größe eines kleinen Bogen Papiers, wozu aber viele tausend Steinchen gebraucht worden sind. Dieses Stück ist vortrefflich gerathen, und vermeynet man ein schönes Gemälde vor sich zu haben. Nahe dabey hängt die Kreuzigung Christi aus Schmelzwerke von allerhand Farben, so nach der Zeichnung des Raphael d'Urbino gearbeitet und vollkommen schön ist. Die Wände der Bethkammer oder des Oratorii sind mit artiger eingelegter Arbeit gezieret. Volterrano hat die Frescostücke gemacht. Die Malerey der Kapelle ist vom Alessmdro Allori, sonst Bronzino genannt. In einem Zimmer zeigt man einen achteckichten Tisch aus florentinischem Marmor, der in der Mitte vielerudera von Mauerwerke vorstellet, bey welchem die Kunst die Figuren etlicher Hafen mit eingelegter Arbeit gefüget hat. Rings herum ist das Meer zu sehen, dem man aber gleichfalls mit dem Zusatze etlicher Fische geholfen hat. Dieser Tisch gleicht demjenigen, welchen man zu Geneve in der Stadtbibliothek sieht, kömmt diesem letzten aber an Schönheit nicht bey. In der Porzellankammer hängen treffliche Mignaturgemälde, und sieht man auch in den übrigen Gemächern viele Portraite, die Venus vom Titiano, und das nach der Lebensgröße in Wachs poußirte Brustbild der Hortensia, Muhme des Kardinals Mazarin. Ihre Lineamenten sind gut, die Farbe der Haut aber ist etwas schwarzgelb und blaß.

In dem andern Stockwerke geht ins Gevierte um den ganzen innersten Hof eine Galerie, die mit lauter marmornen Brustbildern und Portraiten großer Herren besetzt ist, und kömmt man aus derselben in viele reich-meublirte Zimmer, worinnen man unter andern vier in Lebensgröße gemalte Maitressen des englischen Königs Karls des zweyten, die Portraite Petrarcha und seiner Laura, vom Albrecht Dürer, und verschiedene kostbare Kabinette oder Schränke von Schildkröten, Ebenholze, Krystalle, Perlenmutter, Korallen, Mosaique und eingelegter florentinischer Arbeit findet. Die Meublen dieses Pallastes sind überhaupt sehr schön: ich halte mich aber deswegen mit einer weitläuftigen Beschreibung derselben nicht auf, weil solche Dinge gar vielen Veränderungen unterworfen sind.

An den Tapeten des Audienzsaales sind verschiedene Prinzeßinnen und Großherzoginnen von Florenz zu sehen, deren Gesichter und Hände so schön, als wann sie gemalt wären, gewebet, die Kleidungen aber wirklich diejenigen selbst sind, welche diese Damen getragen haben. Rand links: Portraite in ihren Kleidungen. Auf diese Art zeiget sich auch Maria de Medicis mit ihrem noch jungen Sohne Ludwig dem dreyzehnten, Könige von Frankreich.

Die zum Pallaste gehörigen Gärten sind mit schönen Springbrunnen, Wasserkünsten; Grotten, Espaliers von Jasmin etc. und Orangerien gezieret, welche letztern aber im Winter bedecket oder eingebunden werden müssen. Rand links: Gärten. Unter den bestndern Gewächsen hat man allhier[374] auch Orangen, die inwendig ganz blutroth sind, und aus einer Vermischung von Pfirschen und ordentlichen Orangen entstanden zu seyn scheinen. Bey Hiere in der Provence sind sie häufig in einem Orangenwalde anzutreffen. Die Aussichten aus dem Pallaste der Villa Imperiale sind vortrefflich. Nicht weit davon und auf der mehrern Höhe seines Hügels liegt ein altes Franciscanerkloster, S. Matteo in Arcetri, dessen umliegende Gegend wegen der herrlichen Früchte und der köstlichen Weine, Verdee genannt, berühmt ist. Rand rechts: Wein Verdea.

Pratolino ist das andere nahe gelegene großherzogliche Lustschloß. Es ist solches von Florenz sechs italienische Meilen gegen Bologna hin entfernet, und vom Großherzoge Franciscus angeleget, wie folgende in der Mitte des Hauptsaales an der Decke befindliche Inscription andeutet: Rand rechts: Pratolino.


Fontibus, Vivariis, Xystis

Has ædes

Franc. Med. Mag. Dux Etrurlæ Il.

Exornavit

Hilaritatique

Et sui amicorumque suorum remissioni animi

Dicavit

Anno Dom. M. D. LXXV.


Die Zimmer und Säle sind mit guten Gemälden und Meublen versehen, das vornehmste aber kömmt allhier auf den Garten und die darinnen befindlichen Aleen, bedeckten Gänge, Labyrinthe, Grotten, Statuen, Wasserfälle, Springbrunnen und andere Wasserkünste an, welche letztern zwar den Versaillischen nicht gleich kommen, indessen aber jedochauch ihre Schönheiten haben, und im Sommer desto angenehmer sind, je wärmer das hiesige Clima ist. Eine weitläuftige Beschreibung vonallen findet man in dem Leben des Großherzogs Franciscus, welches Franciscode'VIERI ein Florentiner herausgegeben hat. Es sind zwar seit dem Absterben des besagten Herzogs beynahe schon anderthalb hundert Jahre verflossen; allein solches hindert nicht, daß man nicht alles noch in dem Stande, worinnen er es hinterlassen, finden sollte, weil es für ein so vollkommenes Werk angesehen worden, daß man einestheils an der nöthigen Unterhaltung nichts ermangeln lassen, anderntheils aber Bedenken getragen, etwas daran zu ändern oder hinzu zu fügen.

Fußnoten

1 Dieser CELLINI rühmet sich in seiner von ihm selbst verfertigten und mit vielen Pralereyen angefüllten Lebensbeschreibung, daß er derjenige sey, welcher in der Belagerung der Stadt Rom den Herzog Karl von Bourbon erschossen hat.


2 Con.RICHARDSONTraité de la Peinture & de la Sculpture, T. III, p. 77, seq.


3 Man findet ihn auch also auf Medaillen vorgestellet. Rand links: Anmerkungen von den Perücken und ihrem Ursprunge. SVETONIVS schreibt in vita Salvii Othonis cap. 12: Munditiarum vero pene muliebrium: vulso corpore: galericulo capiti propter raritatem capillorum adaptato, ut nemo dignosceret. IVVENALISSatir. VI nennet dergleichen Haarschmuck galerum:

Sed nigrum flavo caput abscondente galero, und zielet darauf auch ValeriusFLACCVS, wenn er im fünften Buche setzt:

Tune novus implevit vultus honors acsina flavis Reddita cura comis.

Jul. FIRMIC. lib. VIII, c. 7: appositis alienis erinibus fictam pulchritudinem mentiuntur. Beyderley Geschlecht bediente sich desselben nach POLLVCISZeugnisse: ἐγκαλᾶται δὲ (κορύμβνκ) πηνύκη καὶ προκόμιον προϑετὸν οὐ γυναιξὶ μόνον, ἀλλὰ κα ἀνδρῶν h. e. vocatur vero corymbe galericulum & coma apposititia, quam non solum mulieres, sedetiam viri sibi adaptabant; und TERTVLLIANVS, der di culu fœminarun gar hitzig dawider schreibt, gebraucht sich unter andern folgender Worte: Affgitis præterea nescio quas enormitates sutilium atque textilium capillamentorum, nunc in galeri modum, quasi vaginam capitis & operculum verticis, nunc in cervicem retro suggestun. Es ist aber Salvius Otho nicht der erste Kaiser gewesen, der sich eines solchen fremden Haarschmuckes bedienet hatA1, sondern SENECAlib. de Constantia Sapientis c. 18 setzet schon vom Julius Cäsar: Tanta illi palloris insaniam testantis fœditas erat tanta oculorum sub fronte anili latentium torvitas, tanta capitis desituti & emendicatis capillis aspersi deformitas. Von des parthischenSurenæ entlehnten Haarschmucke zeuget PLVTARCHVSin Crasso: und was die Könige dieser Nation anlanget, so sieht man sie mit fremder Haarzierde auf verschiedenen alten gemmis, davon eine in dem Kabinette des Marschall d'Estrees ist. Wegen der medischen Könige setzt XENOPHON in Cyropædia p. 8 die Sache ausser allen Zweifel. Nach SVIDAE Berichte trug auch Hannibal falsche Haare, undwar solche Gewohnheit nicht weniger bey den Persern und Hebräern, sonderlich was das Weibesvolk anlangte, im Schwange. (Esaia c. 3, v. 17,24 etc.) Der kahle Kopf war an alten Leuten etwas ehrwürdiges, (Sprüchw. 16, v. 31, c. 20, v. 29) bey andern aber verhaßt, (Es. 3, v. 24, 2 Kön. 2, v. 13, Amos 8, v. 10) und im Gegentheile ein starkes und langes Haar als eine große Zierde angesehen Richt. 16, v. 13,2 Sam. 14, v. 26,27, Hohel. 6, v. 4, c. 5, v. 11,4 Mos. 6. v. 5). In Frankreich sind die Perrücken erst seit hundert Jahren eingeführet und in Deutschland noch später. Von den Zeiten Francisci des ersten an, trugen die Franzosen ihre Köpfe fast ganz kahl, weil sich gedachter König sein Haupt wegen einer Wunde hatte bescheeren lassen müssen. Großen Herren und andern, die ineinigem Ansehen sind, fehlet es niemals an schmeichlerischen Nachahmern. Albemarle, des König Wilhelms Favorit, hatte die eine Seite des Gesichtes mit Pulver verbrannt, weswegen er seine Perrücke schief trug; es währte aber nicht lange, so wurde dieses bey der Armee eine starke Mode, und sogar etliche deutsche Prinzen ließen sich entweder aus Schmeicheley oder durch die Anzahl der andern verleiten, daß sie, ohne die geringste Ursache, ihre Perrücken gleichfalls schief setzten.


4 Vid. TAVERNIERVoyages, Tom. V, p. 338.


5 Die Sammlung der Desseins, so man dem Kardinale Leopold de MEDICIS zu danken hat, besteht aus hundert und zwanzig großen Voluminibus, Nach des jüngern Richardsons Urtheile kömmt sie nach ihrer innerlichen Güte dem übrigen Prachte der mediceischen Collectionen nicht


6 Conf.RICHARDSONTraité de la Peinture & de la Sculpture, Tom. III, p. 97.


7 ÆliusLAMPR. in vita Heliogabali:Agebat præterea domi fabulam Paridis, ipse Veneris personam subiens, ita ut subito vestes ad pedes defluerent: nudusque una manu ad mammam, altera pudendis adhibita, ingenicularet, posterioribus eminentibus etc.


8 RICHARDSONl. c. p. 102.


9 Der Titel des Werkes ist: Inscriptionum antiquarum Græcarum & Romanarum, quæ extant in Etrariæ urbibus, Pars Prima, eas complectens, quæ sunt Florentiæ; sum notisAntoniiMariæSALVINII, in patrio Lyceo Græcarum literarum Professoris. Cura & studioAntonii FrancisciGORII, Presb. Flor. Baptisterii & Ecclesiæ S. Johannis. Accedunt LXII antiquæ gemmæ literatæ etc Florentlæ, 1727. fol.


10 PLIN, Panegyr. c. LXXXIV: Nihil est tampronum ad simultates, quam æmulatio, in feminis præsertim: ea porro maxime nascitur ex conjunctione, alitur æqualitate, exardescit invidia, cujus finis es odium. Quo quidem admirabilius existimandum est, quod mulieribus duabus in una domo parique fortuna, nullum certamen, nulla contentio est etc.


11 Wie Hannibal die Römer beym Lacu Thrasymeno überwunden habe, zeiget LIV IVSlib. XXII, OROSIVSlib. IV, c. 15, POLYBIVSlib. III. Die Ueberwinder aber pflegen ihre Sturmhauben nicht zu verlieren. Uebrigens wurde in dieser Schlacht mit solcher Hitze gefochten, daß beyde Theile nichts von dem starken Erdbeben, welches sich währender solcher Zeit eräuget, verspüret haben.


12 Vid. RHODIG. Lib. XIII, c. 51. PLIN. Hist. Nat. lib. VIII, c. 44.


13 Die Mansarden oder gebrochene Dächer, so mit Fenstern versehen, und zu bequemen Zimmern für die Bedienten gebrauchet werden, haben von dem französischen Baumeister Mansard den Namen, nicht daß er sie zuerst erfunden, sondern weil er sie mehr und geschicklicher in Gebrauch gebracht. Rand links: Benennung der Mansarden. Er starb im Jahre 1666.


14 Wenn man auf die schmutzigen Gelehrten eine Lobrede halten wollte, so müßte man nicht vergessen anzuführen, daß sie dem Bilde ihres obersten Schutzgottes ähnlich zu werden suchen. Das Alterthum nennet uns auch selbst dem Namen nach sieben und dreyßig Maitressen, mit welchen Apoll beständig im Luder gelebet haben soll. Bey einerso ausschweifend unordentlichen Lebensart muß dem Präsidenten des Parnasses nothwendig die Lust zur Reinlichkeit vergangen seyn. Ist es denn wohl zu bewundern, daß das Bild des Apoll in den Gemüthern seiner Anbether einen tiefen Eindruck zurückgelassen hat? Der Verfasser führet einige Beyspiele von Männern an, die wir in der gelehrten Republik als Sterne der ersten Größe zu verehren pflegen. Diese aber sind es nicht allein, welche auf die Classe der schmutzigen Gelehrten Anspruch machen können. Franz Petrarcha, Christoph Gellius und Julius Riccius verdienen ebenfalls einen ansehnlichen Rang. Die Kleidung desersten sah einer schmierigen Schlachterhose ähnlich, daher er auch seine Einfälle sogleich mit einem Griffel darauf schreiben könnte. Der andere, ein öffentlicher Lehrer der Gottesgelahrheit aufder hohen Schule zu Coimbra, hattesich so sehr in die Gesellschaft der Bettler verliebet, daß er amliebsten mit ihnen aß und trank, und in dem niederträchtigsten Aufzuge vor den Thüren bettelte. Von dem dritten aber berichtet TOMASINVSin elog. viror. illustr: Erat corporis cultu adeo sordido, sive propter fortunæ tenuitatem, sive ita ferente eius genio, ut omnem fere ingenii famam suimet neglectu obscraret.


15 Der Kaiser Hadrian hat gleichfalls sein Pferd Borysthenes mit einer Grabschrift beehret, welche noch vorhanden undvon SALMASIO in folgenden Zeilen herausgegeben ist: Rand links: Grabschrift des Pferdes Hadrians.


Borysthenes Alanus,

Cæsareus Veredus,

Per æquor & paludes,

Et tumulos Hetruscos

Volare qui solebat,

Pannonios nec ullus


Apros eum insequentem

Dente aper alicanti

Ausus fuit nocere

Vel extimam saliva

Sparsit ab ore caudam,


Ut solet evenire:

Sed integer juventa,

Inviolatus artus,

Die sua peremtus

Hoc situs est in agro.


A1 Der Gebrauch der Perrücken hat in der That ein sehr großes Alterthum vor sich. Die Gottesgelehrten zu Löwen finden sie bey dem Propheten Jesaias c. 3, v. 17 sehr deutlich beschrieben. Denn sie übersetzen die Wotte des Propheten: Decalvabit Dominus verticem filiarum Sion, & Dominus crinem earum nudabi, folgendermaßen: Der Herr wird das Haupt der Töchter Sion kahl machen, und ihnen ihre Perrücken wegnehmen. Diese Erklärung ist alt, und kann sich mit dem Ansehen des heiligen Paullinus schützen: Gott würde sie lassen kahl werden, weil sie ihre Köpfe mit einer Menge fremder Haare vergrößert, in epithal. in Iulian:


Quæque caput passis cumulatum crinibus augent,

Triste gerent nudo vertice calvitium.


Aus eben dieser Schriftstelle sucht Rangon zu behaupten, daß die Erfindung der Perrück der vorwitzigen Neubegierde der Weiber zuzuschreiben sey de capillament. c. I, n.: Comam adpositiam primo feminis usitatam fuisse colligo, deinde pravo exemplo quoque viris. Wenn meine Neigung etwas entscheiden könnte, so würde man diese Ehre dem Frauenzimmer herzlich gern gönnen. Der D. Thiers aber, der uns mit einer Geschichte der Perrücken beschenket hat, beweiset das Gegentheil aus dem Zeugnisse des Clearchus ap. ATHEN. Deipnos. s. 12 von den japigischen Männern: Primi faciem attriverunt, capiti galericulum & fictitiam comam adaptaverunt. Livius B. 21, c. 5 unterrichtet uns, daß Hannibal seiner Sicherheit wegen Perrücken getragen habe, damit er bey den öftern Abwechselungen den Nachstellungen seiner Feinde entgehen möchte. Die römischen Perrückenmacher liebten sonderlich die Haare der Deutschen:


Nunc tibi captivos mittet Germania crines:

Culta triumphatæ munere gentis eris.

O! quam sæpe, comas aliquo mirante, rubebis!

Et dices: emta mmc ego merce probor.

OVID. amor. l. I, e leg. 14.

Cattica Teutonicos accendit spuma capillos,

Captivis poteris cultior esie comis.

MARTIAL. l. XIV, epigr. 26.

Arctoa de gente comam tibi Lesbia misi,

Vt scires, quanto sit tua flava magis.


MARTIAL. l. V, ep. 69. Es wäre nicht zu wünschen, daß Propertius aus seinem Grabe auferstehen, und unser heutiges Frauenzimmer sehen möchte, weil er ihnen alles Unglück auf den Hals wünschen würde B. 3, El. 13:


Illi sub terris siant mala multa puellæ,

Quæ mentita suas vestit inepta comas.

Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 347-375.
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