[420] Sieben und vierzigstes Schreiben.

Von der Größe der Stadt Rom, ihrem Oberhaupte dem Pabste, dessen Hof-Kammer- und Kriegsstaate; vom Leben und Tode Benedict des dreyzehnten, und den Intriguen der Kardinäle in den Conclaven.

Wenn man auf die gegenwärtige Größe der Oerter und auf die Menge ihrer Einwohner sieht, so sind freylich viele Städte sowohl in Europa, als andern Theilen der Welt, welche das heutige Rom übertreffen. Rand links: Vorzug der Stadt Rom vor andern Städten. Allein wenn man die Macht und das Ansehen, welches eine Stadt über mancherley mächtige Völker so viele Jahrhunderte hindurch behauptet hat, in Betrachtung zieht, so findet Rom seines gleichen in der ganzen Welt nicht,


Gentibus est aliis tellus data limine certo,

Romanæ spatium est Urbis & Orbis idem.
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setzet IVIDIVSTerrarum Domina Gentiumque Roma heißt es beym MARTIALI, und ARISTIDES nennet diese Stadt commune totius terræ oppidum. Rand rechts: Von ihrer Große und Umfange vor Alters und zu itzigen Zeiten. Man sieht aus den überbliebenen Denkmaalen der Mauern und Gebäude, daß sie auch in Ansehung der Grösse ihres Bezirkes vormals wohl verdienet hat, unter die vornehmsten Städte der Welt gerechnet zu werden; ob ich mich gleich nicht überwinden kann, denen allzuhandgreiflichen Pralereyen, welche sowohl alte als neuere Scribenten desfalls vorbringen, Glauben beyzumessen. Zur Zeit Vespasianis war der Umfang der Stadtmauern von dreyzehn tausend und zwey hundert Schritten, wie PLINIVSlib. III, c. 5 meldet; wenn demnach VOPISCVSin Aureliano von funfzig tausend Schritten seiner Zeit spricht, so kömmt solches entweder aus einem Fehler der Abschreiber her, oder er hat die ganze Gegend von Rom, welche mit Gärten und Lusthäusern bebauet war, zugleich in solchem Umfange mit begriffen. Denn zu geschweigen, daß man nothwendig einige Denkmaale solcher Größe der Stadt noch heut zu Tage würde finden müssen: so waren auch die glücklichen Zeiten vorbey, in welchen die Hauptstadt der römischen Monarchie sich so großes Wachsthum hätte zu versprechen gehabt, als man ihr aus dem Vopiscus in einem Verlaufe von etwan hundert und achtzig Jahren nach dem Tode des Kaisers Vespasians zuschreibt; und ist nichts abgeschmackters, als wenn Isaac Vossius in Variis Observationibus seinen Lesern weiß machen will, Rom sey zwanzigmal größer gewesen; als zu seiner Zeit Paris und London zusammengenommen; desgleichen daß Nerons Pallast allein einen weitern Umfang gehabt habe, als die größten unserer europäischen Städte; daß in Rom acht Millionen Sclaven und in allen vierzehn Millionen Einwohner gewesen seyn, da er einer jeden von den Städten Paris und London nur sechsmal hundert tausend; und dem heutigen Europa insgesammt nur acht und zwanzig Millionen giebt. Wer dieses glaubt, mag ihm auch Beyfall geben, wenn er sich getrauet zuschreiben, es wärenin der einzigen chinesischen Stadt Hanchen ehemals bey zwanzig Millionen Menschen gewesen. Bey allen diesen Aufschneidereyen ist er doch noch bescheiden in Vergleichung mit WerneroROLEFINCKIO, der im Fasciculo temporum auf die Stadt Rom in ihrer besten Blüthe sieben und zwanzig Millionen und achtzig tausend Einwohner rechnet. Wenn es wahr ist, was Lampridius im Leben Heliogabali meldet, daß dieser Kaiser durch seine Leute zehn tausend Pfund Spinnengewebe in Rom habe sammeln lassen, so deutet solches mehr eine unglaubliche Menge unsauberer Viehställe, als bewohnter und reinlicher Palläste an. Lipsius begreift unter dem Namen von Rom die ganze umliegende Gegend bis Ostia, Aricia, Ocriculum und andere entfernte Oerter; allein auf diese Art reden die alten Scribenten nicht, und ist solches nicht anders, als wenn ich die Länge von Paris bis nach Versailles, oder die von Londonbis Gravefand rechnen wollte. Sollte man auch einwenden, daß nach Pomponii Zeugnisse zwar Urbs dasjenige andeute, was in den Mauern eingeschlossen ist & aratro sive muro definitum est, da hingegen der Namen Rom in einem weitläuftigern Verstande zu nehmen sey, womit auch der Jure consultus PAVLLVS überein komme in lege 2 ff. de verbor signif. Urbis appellatio muris, Romæ autem continentibus ædficiis finitur, quod latius patet; so sieht jedoch jedermann, daß continentia ædificia nicht in einem so weitläuftigen Verstande genommen werden können, daß alle bis in die Ferne zerstreuete Landhäuser und besondere Flecken darunter begriffen würden. Obgedachter Lipsius ist durch das Vorurtheil von der außerordentlichen Größe der Stadt Rom und der Menge ihrer Einwohner dergestalt eingenommen, daß er kein Bedenken trägt, alle ihm im Wege stehende Stellen der alten Scribenten nach Belieben zu ändern, und dafür den abgeschmacktesten Pralereyen sonderlich der schmeichlenden Griechen, blindlings zu folgen, Was[421] kann aber lächerlicher seyn, als wann der Redner Aristides von der Stadt Rom zu den Zeiten Hadrians vorgiebt, sie sey so groß, daß man allezeit mit Rechte glaube in ihrer Mitte zu seyn, man möge sich auch in was für einem Theile derselben man wolle, aufhalten; desgleichen, daß ein Tag, ja ein ganzes Jahr nicht zureiche, die vielen in dieser himmlischen Stadt befindlichen andern Städte zu zählen, indem ganze Nationen, als z. E. Capa docier, Scythen und andere Völker haufenweise und zugleich sich darinnen niedergelassen, welches in der That doch auf nichts gehen kann, als auf die wenigen Quartiere, worinnen sich obgedachte Landsmannschaften vornehmlich aufzuhalten pflegten? Das Amphitheatrum Vespasiani war ungefähr hundert und funfzig Fuß hoch; und dennoch setzt Ammianus Marcellinus, lib. 16, c. 16: es könne seine Höhe kaum von einem menschlichen Auge erreichet werden. Zu Plinii Majoris Zeiten endigte sich die Stadt gegen Morgen mit dem Aggere Tarquinii, womit es heut zu Tage gleiche Bewandniß hat. Auf der andern Seite hörte in alten Zeiten Rom bey dem Grabmonumente des Cestius nothwendig auf, weiles nicht erlaubt war, innerhalb der Stadt Begräbnisse zu haben. Gegen den Ponte Molle war gleichfalls wie zu unserer Zeit eine unbebauete Ebene, worinnen Konstantin der große sein Kriegesheer in Schlachtordnung stellte; und der Mons Vaticanus war in alten Zeiten gar nicht bewohnt.

Allem Vermuthen nach, und so viel der Augenschein und die Zeugnisse der alten Scribenten an die Hand geben, so sind die Mauern der heutigen Stadt auch die Gränzen der alten Stadt Rom an den meisten Orten gewesen, und geben sie also im Umfange einander nichts nach. Allein es findet sich ein großer Unterschied in der Bebauung dieses Raumes, und darf man nur einen Plan von der neuen Stadt Rom vor die Hand nehmen, um überzeuget zu seyn, daß nicht die Hälfte mit Häusern bebauet, und viele wüste Plätze, Gärten, Felder, Wiesen und Weinberge in denenjenigen Gegenden anzutreffen sind, woselbst ehemals die herrlichsten Gebäude stunden. Um die Stadt nach den Krümmen, Winkeln und Ecken ihrer Mauern zu umgehen, braucht man drey oder höchstens vier Stunden, und rechnet man darauf dreyzehn kleine italienische Meilen; da man im Gegentheile sechs bis sieben Stunden vonnöthen hat, wenn man einen Spaziergang um die Stadt Paris und ihre Vorstädte wagen will.

Was die Anzahl der Einwohner von Alt- und Neu-Rom anlanget, sorechnete man unter Servius Tullius nach des Livius Zeugnisse (Lib. I, c. 44) achtzig tausend Bürger, welche unter dem Burgermeister Quintius auf hundert und vier und zwanzig tausend zwey hundert und vierzehn anwuchsen (IDEM l. 3, c. 3). Rand links: Anzahl ihrer Einwohner. Man darf aber nicht glauben, daß nur diejenigen römische Bürger genennet wurden, welche zu Rom mit Haus und Hofe angesessen waren; sondern es gehöreten unter diese Zahl alle und jede, so das Bürgerrecht erhalten hatten, mit dessen Ertheilung man anfänglich nicht so verschwenderisch umgieng, als hernach unter den schlechten Regenten geschah, da ganze Städte und Provinzen dieses Vorrechts theilhaftig wurden, bis endlich der Kaiser Antoninus alle freye Unterthanen des römischen Reiches zu römischen Bürgern erklärte, und damit den Unterschied, der ohnedem schon große Eingriffe gelitten hatte, völlig aufhob. Anfänglich wurden auch nur römische Bürger in die Legiones aufgenommen, es änderte sich aber solches mit der Zeit. Die erste Anordnung der Musterungen oder Lustrorum hatte zum Endzwecke sowohl die Nachricht von der Anzahl des Volkes, als auch die Vertheilung und den Ertrag der Schatzungen oder Dienste. Unter der Dictatur des Q. Fabius Maximus war die Anzahl der römischen Bürger zwey hundert und vierzehn tausend, und wurde man mit diesem Lustro spät fertig, weil solches auch[422] durch die Provinzen gieng (LIV. lib. XXIX, c. 37) Vor den bürgerlichen Kriegen war die höchste Zahl der römischen Bürger vier hundert und funfzig tausend, wie man aus des FLORIEpitomis Livianis, sonderlich im 98sten Buche ersehen kann; meistentheils aber blieb sie zwischen zwey- und dreymal hundert tausend, bis sie durch die innerlichen Unruhen auf hundert und funfzig tausend vergringert worden, und fand Julius Cäsar nach dem Zeugnisse FLOR.Epit. Liv. L. 115, diese Zahl, welche keinen Schwierigkeiten unterworfen ist, weil auch Plutarchus und Appianus in derselben überein kommen; und der letztere meldet, daß die bürgerlichen Kriege über die Hälfte der römischen Bürger aufgerieben hätten. SVE TONIVSc. 41 in Cæsare, und DIOlib. 43 berichten zwar, daß Cäsar die Anzahl derjenigen, welchen Getraide ex publico ausgetheilet wurde, vergringert habe, und solchem nach nur dreymal hundert und zwanzig tausend Menschen an gedachter Freygebigkeit Theil genommen. Allein bey dieser Gelegenheit sah man nicht auf das Bürgerrecht, sondern auf die Armuth, und wurde also alles gegenwärtige gemeine Volk zugelassen. So gewiß nun diese Rechnungen sind, so sehr muß man sich verwundern, wenn man beym TACITOAnnal. Lib. XI, c. 25 vom Kaiser Claudius liest: Condidit lustrum, quo censa sunt civium LXVIIII centena & LXIIII millia. Denn da vorher in einem Verlaufe von etlichen Jahrhunderten die Zahl sich nur vier- oder sechsfach vermehret hatte, so wäre nun auf einmal zwischen dem Triumphe Cäsars und dem Lustro Claudii, welches höchstens eine Zeit von achtzig Jahren betragen mag, die Proportion auf sechs und vierzig gegen eins verändert worden. Fürwahr die letztgedachte Zahl der sechs tausend mal tausend neun hundert und vier und sechszig tausend römischen Bürger ist entweder durch die Nachläßigkeit der Copiisten außerordentlich groß gerathen, oder Tacitus hat seine Rechnung auf ein ganz anderes Fundament als Livius gebauet, und mag der Schluß endlich seyn, daß zu Tacitus Zeiten in der ganzen Welt sechs bis sieben Millionen Leute, Männer und Weiber, alt und jung, die des römischen Bürgerrechts hätten genießen können, seyn zu finden gewesen. Diejenigen, welche der alten Stadt Rom eine unglaubliche Menge von Einwohnern zuschreiben, dabey aber gestehen müssen, daß ihr Umfang nicht größer gewesen, als die Ueberreste ihrer Mauern andeuten, nehmen ihre Zuflucht zu der Höhe ihrer Häuser; allein auch diese Hülfe beruhet auf schlechtem Grunde. Strabo bezeuget im fünften Buche, daß Augustus verbothen, die Häuser höher als von siebenzig Fuß zu bauen. Trajan hat nach Aurelii Victoris Berichte itztgedachte Höhe noch ferner und bis auf sechszig Fuß eingeschränket. Diese betragen etwan vier bis fünf Stockwerke, sonderlich in warmen Ländern, da die niedrigen Zimmer vielen Beschwerlichkeiten unterworfen seyn würden: Wer weis aber nicht, daß dieses die gemeine Höhe der Häuser von Wien, Paris und andern heutigen großen Städten sey, vor welchen demnach Alt-Rom nichts insbesondere voraus hatte.

Wäre Rom von vielen Millionen Menschen bewohnt gewesen, so sehe ich nicht, wie SVETONIVSin Nerone c. 39 als etwas außerordentliches hätte anmerken können, daß die Pest in einem Herbste daselbst dreyßig tausend Menschen habe hinweggerissen? denn da man aus der Erfahrung bemerket, daß in volkreichen Städten ungefähr von sechs und zwanzig bis dreyßig Menschen jährlich einer mit Tode abgeht, so hätten in einer Stadt, welche auch nur vierthalb Millionen in sich gefasset, nach dem ordentlichen Laufe der Natur und ohne daß sich die Pest darein gemischet, in einem jeden Viertheljahre mehr als dreyßig tausend Seelen abscheiden müssen. London begreift eine Million Einwohner1, und sterben[423] jährlich fünf bis sechs und zwanzig tausend Menschen; zur Zeit der großen Pest aber unter Karln dem zweyten ist solche Zahl auf sieben und neunzig tausend gestiegen. Es mag aber Alt-Rom so wenig Einwohner gehabt haben, als es wolle, so ist es in Ansehung dieses Artikels der heutigen Stadt um ein großes überlegen. Aus dem Ciacconius, in dem Leben Gregorius des eilften, sieht man, daß um das Jahr 1376 in allen nur drey und dreyßig tausend Menschen zu Rom gezählet worden. Paulus Jovius berichtet, daß unter der glücklichen und ruhigen Regierung des Pabstes Leo in Rom fünf und achtzig tausend Seelen gewesen, deren Anzahl aber durch die unglücklichen Zeiten unter Clemens dem siebenten bis auf zwey und dreyßig tausend vergringert worden. Im Jahre 1709 wurden in itztgedachter Stadt drey tausend sechs hundert und zwey und sechszig Kinder gebohren, und die sämmtliche Anzahl der Einwohner belief sich auf hundert und acht und dreyßig tausend fünf hundert und acht und sechszig, worunter vierzig Bischöfe, zwey tausend sechs hundert und sechs und achtzig Priester, drey tausend fünf hundert und neun und funfzig Mönche, tausend achthundert und vierzehn Nonnen, drey hundert und drey und neunzig Curtisanen oder öffentlich lüderliche Weibespersonen, und vierzehn Mohren sich befanden. Von gemeldter Summe waren die Juden, deren acht bis neun tausend sind, ausgeschlossen. Fünf Jahre hernach, nämlich im Jahre 1714 im Monate Julius, ließ der Pabst Clemens der eilfte durch Carraccioli ein Verzeichniß aller Einwohner von Rom verfertigen, da dann die Summe von hundert und drey und vierzig tausend heraus kam, wogegen man in Paris gar wohl acht bis neun hundert tausend, und in London noch mehr rechnen kann, wie solches die jährlichen Verzeichnisse der Todten klar und deutlich machen. Rand links: Parallele mit London und Paris. Die letztgemeldte Stadt hat seit zwanzig Jahren einen unglaublichen Zuwachs gehabt, und ist der Unterschied zwischen London und Paris so groß, daß er gar deutlich in die Augen fällt, wenn man sich nur die Mühe giebt, den letzten Ort vom Thurme de nôtre Dame, und London von dem Dome der St. Pauls-Kirche zu übersehen. Was die Menge der Einwohner betrifft, so hat London zwar viel mehr große Plätze als Paris, hingegen ist diese Stadt mit vielen weitläuftigen Klöstern angefüllet, welche nach Proportion wenig bewohnet sind. Auf der Seine haben die Leute auch wenig Verrichtungen, da hingegen auf den viel hundert großen Schiffen und viel tausend andern Fahrzeugen der Themse mehrere Leute sich aufhalten, als in mancher großen Stadt. Die Menge der Einwohner von London kann auch daraus ermessen werden, daß, einen Tag in den andern gerechnet, täglich zwölf hundert Ochsen, und wöchentlich über zwanzig tausend Schafe nebst zwölf tausend Schweinen und Kälbern geschlachtet und verzehret werden, wie man durch ein genaues Verzeichniß gefunden, und Mylord Townsend im Jahre 1725 dem Könige in Preußen zu Herrnhausen versichert hat.

Die Herrschaft, welche Alt. Rom über einen großen Theil des Erdbodens gehabt, scheint ihm zwar ein großes Vorrecht vor Neu-Rom zu geben; allein dieses pranget gleichfalls mit einer Monarchie, die durch besondere Künste in die Höhe gekommen, und in Ansehung ihrer weit ausgebreiteten Gränzen, insonderheit wenn man die Zeiten vor der Reformation Lutheri in Erwägung zieht, das alte Rom noch übertrifft, also daß es wahr bleibt, was Prosper schon zu seiner Zeit von ihr mit Rechte sagen konnte:


Facta Caput mundi quidquid non possidet armis

Relligione tenet.
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Ich kann auch nicht leugnen, daß in Betrachtung des äußerlichen Prachts und der Schönheit von Tempeln und Pallästen, das heutige Rom einen Vorzug vor dem alten verdienet: und ich wenigstens in Ansehung des Artikels von Rom anders Sinnes als der h. Augustinus seyn würde, wenn erdie drey Dinge, welche er sich in dieser Sterblichkeit vor andern wünschte, darinnen zu bestehen bezeuget, daß er Christum im Fleische, den Apostel Paulum in seinem Lehramte und Rom in seiner vergangenen Blüthe sehen möchte, Christum in carne, Paulum in ore, Romam in flore.

Petrarcha war gleichfalls von dem Vorzuge der alten Stadt Rom sehr eingenommen, und drückt er seine Gedanken in nachfolgenden schönen Versen aus:


Qui fu quella di Imperio antica sede,

Temuta in pace e triomfante in guerra.

Fu! perch' altro che il loco hor non si vede.

Quella che Roma fu giace, s' atterra.

Queste cui l'herba copre e calca il piede

Fur moli al ciel vicine, & hor son terra

Roma che'l mondo vinse, al tempo cede,

Che i piani inalza, e che l'altezza atterra.

Roma in Roma non e. Vulcano e Marte.

La Grandezza di Roma a Roma han tolta,

Struggeudo l'opre e di Natura e di Arte

Volio sossopra il mondo e'n polve e volta

E fra queste ruine a terra sparte

In se stessa cadea morta e sepolta.


Allein seit den Zeiten Petrarchä hat sich vieles in Rom verändert; die Hochachtung für das Alterthum, und das dem menschlichen Geschlechte anklebende Vorurtheil für die abwesenden verlohrnen Dinge, macht, daß man vieles mit ganz andern Augen ansieht, als geschehen würde, wenn diese Dinge gegenwärtig und zu unsern Zeiten verfertiget wären. Die Menge der Statuen und die ungeheure Größe der Gebäude, womit das alte Rom prangete, macht nicht alle Schönheit einer Stadt allein aus; und gleich wie ganz Europa heut zu Tage nichts hat, welches der St. Peterskirche zu Rom könnte an die Seite gesetzet werden: also zweifele ich auch, ob Alt-Rom sein goldenes Haus des Nero oder ein ander Gebäude mit gemeldter Kirche dürfte in Vergleichung bringen.


Qui miseranda videt veteris vestigia Romæ,

Hic poterit merito dicere: Roma fuit.

Ast qui celsa novæ spectat Palatia Romæ,

Hic poterit merito dicere: Roma viget.


Aus allen Landen und Königreichen, die der römischkatholischen Religion zugethan sind, fließt jährlich vieles Geld in diese Stadt; und ist es daher desto weniger zu bewundern, daß sie sich nach so vielen harten Zerstörungen wiederum hat erholen können. Rand rechts: Macht des Pabstes Die Gewalt ihres[425] Oberhauptes gieng noch vor wenigen Jahrhunderten so weit, daß nicht nur viele Könige einen jährlichen Tribut bezahlen, sondern auch innerliche Unruhen, den Bann, und wohl gar die gänzliche Entsetzung ihrer Würden befürchten und erfahren mußten, wenn sie nicht in allem nach des heiligen Vaters Wink und Gefallen sich aufführen wollten. Hierinnen machte man keinen Unterschied der Personen, Nationen und Völker. Rand links: aus dem 8 Pf. erwiesen; Was der König und Prophet David im 8 Psalme, v. 7 u. f. sagt: Alles hast du unter seine Füße gethan, Schase und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Thiere, die Vögel unter dem Himmel, die Fische im Meere, und was im Meere geht; solches findet der heil. Antoninus auch nach dem buchstäblichen Verstande in dem Pabste erfüllet, als welchem unterthan gemacht sind die Schafe, das ist die Christen; die Ochsen, d.i. die Juden; die wilden Thiere oder pecora campi, d.i. die Heiden; die Vögel unter dem Himmel, d.i. die guten und bösen Engel2; und endlich die Fische im Meere, d.i. die Seelen im Fegfeuer. Die Rechtgläubigen haben nicht Ursache, sich zu beschweren, daß sie in solcher Erklärung einem beliebten Thiere nämlich den Schafen verglichen werden; die Ketzer aber sind dem Urban Cerri keinen großen Dank schuldig, wenn er sie in seinem herausgegebenen Staat der römischen Kirche nicht anders als unreine Thiere tractiret, indem er den damaligen Pabst Innocentius den eilften wegen seines Eifers in Verfolgung der Ketzer sehr herausstreicht, und dazu noch ferner anmahnet mit Application und Vorhaltung der Worte Apostelg. 10, v. 13: Stehe auf Petre, schlachte und iß. Rand links: wie auch aus Apostg. 10.

Die Einkünfte des Pabstes können nicht anders als sehr groß seyn, wenn man nur betrachtet, was jährlich aus fremden Ländern für Dispensationes, Annatas, Pallia, Canonisationes etc. nach Rom gezahlet wird. Rand links: Päbstliche Revenüen. Der noch anhaltende Reichthum solcher Familien, welche das Glück gehabt, einen ihrer Verwandten auf dem päbstlichen Stuhle zu sehen, dienet gleichfalls zu einem deutlichen Beweise, daß man oftmals bey einer auch verschwenderischen Haushaltung, dennoch vieles Geld und Gut habe zurück legen können. Die Ottoboni, Altieri, Chigi, Pamfili, Barberini, Borghese, Ludovisi etc. und andere sogenannte Case Papeline könnten genauere Nachrichten davon geben. Insbesondere will man nachgerechnet haben, daß Urban der achte aus dem Hause Barberini, seiner Famille über vier und zwanzig Millionen römischer Scudi hinterlassen habe, zu derer bequemern Sammlung unter andern bey dreytausend Menschen in der Inquisition sollen haben sterben müssen.[426]

Pabst Innocentius der zwölfte führte drey Töpfe in seinem Familienwapen, welche er umkehren ließ, um dadurch anzudeuten, daß er nicht sammeln, sondern ausschütten und mittheilen wollte, dahin auch die Umschrift zielete: Aliis, non sibi; Pasquinus aber machte das Comma nach dem Worte non, mit einem ganz umgewandten, obgleich in der That gegründeten Verstande. Bey seinen Ausgaben ersparet der päbstliche Hof dadurch sehr vieles, daß er wohlfeile geweihete Sachen, Pallia, Agnus Dei3, Rosenkränze, Indulgenzen und Ablaßbriefe, Reliquien und Knochen aus den Catacombis geben kann, wo andere Potentaten öfters mit vielem baaren Gelde heraus rücken müssen.

Die Camera Apostolica besorget des Pabstes Kammergüter und Einkünfte, und sind die dazu gehörigen Bedienungen so einträglich, daß die vornehmsten davon mit achtzig bis hundert tausend Thalern erkaufet werden. In der Dataria geschieht die Vergebung und Ausfertigung der geistlichen Beneficien, Dispensationen etc. Rand rechts: Dataria. Sie hat ihren Namen von der gewöhnlichen Unterschrift: Datum Romæ apud sanctum Petrum etc. wenn der Pabst im Vatican wohnet, und apud sanctam Mariam majorem, wenn er sich im Quirinal aufhält. Was in derDataria unterschrieben ist, kömmt hernach noch in die Kanzley, von welcher die Dataria gleichsam nur ein Theil ist. Die Rota ist als ein Parlement oder als ein Oberappellationsgericht anzusehen. Rand rechts: Rota.

Das Consistorium ist das oberste Staatscollegium, in welchem die Kardinäle Sitz und Stimme haben. Rand rechts: Consistorium der Kardinäle. Es sind unterschiedene Gelegenheiten, da man in dieses Consistorium frey hinein gelassen wird, und ist solches noch den 11 Februar geschehen, da dem Salviati der Kardinalshut aufgesetzet wurde. Rand rechts: Aufsetzung eines Kardinalshutes. Vormittags um neun Uhr versammelten sich die Kardinäle in ihrer langen violettenen Kleidung und karzen hermelinen Mänteln, auf welchen keine schwarzen Flecken zu sehen sind. Auf dem Kopfe hatten sie rothe seidene Käppchen und darüber rothe wollene viereckigte Mützen, fast in der Form, wie die Jesuiten sie zu tragen pflegen. Die Kardinäle, so Mönche vorher gewesen, trugen die Farbe und Kleidung ihres Ordens, allein von dünnem Zeuge. Der Pabst kam in einem Bischofshabite von Drap d'or, so vorne sich gänzlich schloß, die Bischofsmütze war mit Golde gestickt, und auf jeder Seite des Stuhls, der etliche Stufen erhöhet unter einem Himmel stund, war ein großer aufgesteckter Fächel von weißen Pfauenfedern zu sehen4. Rand rechts: Fächel aus Pfauenfedern. Die Kardinäle saßen zwo Stufen hoch, und vor ihnen eine Stufe niedriger als sie, ihre Caudatarii oder Prälaten, so ihnen die langen Schleppen nachtrugen und in Ordnung legten. Sobald der Pabst Platz genommen,[427] kamen die Kardinäle in ihrer Ordnung mit auf der Erde schleppenden Talaren, und erwiesen dem Pabste die gewöhnliche Ehrerbiethung5. Nach ihnen ward Salviati hinein gerufen. Er war schon gekleidet wie die andern, küssete erstlich des Pabstes Fuß, hernach die rechte Hand, und ward endlich von ihm umarmet. Als dieses geschehen, gieng er herum und küssete alle Kardinäle. Indessen wurde in einer lateinischen Rede ein Antrag von einer noch vorzunehmenden Canonisation gethan, von welcher man aber wenig verstund, und auf welche auch niemand Acht hatte6. Bald darauf wurde der neue Kardinal wieder vor den päbstlichen Stuhl geführet, allwo ihm Se. Heiligkeit unter Ablesung einiger Gebethe den rothen Hut aufsetzte, welcher ihm aber gleich wieder abgenommen wurde.

Wenn man dem Pabste ein Memorial oder eine Supplik übergiebt, und es kömmt solche mit dem darauf geschriebenen Worte Lectum zurück, so ist es ein schlechtes Anzeigen, weil dadurch angedeutet wird, daß der Inhalt zwar gelesen sey, aber wenigstens für dieses mal nicht eingewilliget werden könne. Rand links: Stilus Curiæ ben abschlägigen Antworten. Diese Art einer abschlägigen Antwort ist wenigstens höflich, und hat eine Gleichheit mit des Königs in Frankreich Heinrichs des vierten Redensart: Nous verrons.

Der päbstliche Kriegesstaat ist im schlechten Staude, man mag ihn zu Wasser oder zu Lande betrachten. Rand links: Vom päbstlichen Kriegsstaate. Es sind auch keine päbstliche Soldaten zu sehen, als in der Engelsburg, zu Civita Vecchia, Urbino, Ferrara und in etlichen kleinen Gränzcastellen. Die Schweizergarde des Pabstes wird wohl unterhalten, und dienet, den eindringenden Zulauf des Volkes bey öffentlichen Solennitäten abzuhalten. Rand links: Schweizerwache. Ich kann nicht anders sagen, als daß alle hier sich befindende Fremde sie bey allen Gelegenheiten höflich gefunden, absonderlich wenn man mit ihnen Deutsch spricht, und sie Landsleute nennet; da im Gegentheile zu Versailles man nicht allezeit sich ihrer guten Manieren zu rühmen hat: und ich mich erinnere, daß ein sicherer vornehmer österreichischer Herr bey einem großen Gedränge für die höfliche Erinnerung der Landsmannschaft die plumpe und brutale Antwort erhielt: Ja! heute will jeder Bärenheuter mein Landsmann seyn.

Zu Verhütung aller Unordnung in der Stadt Rom dienen dreyhundert Sbirren oder Häscher, deren Oberhaupt Barigello genennt wird. Rand links: Sbirren. Barigello. Er unterscheidet sich von andern durch eine goldene Kette, woran eine Medaille aus gleichem Metalle hängt. Wo er nicht unerkannt seyn will, trägt er besagte Kette am Halse, und seine Bedienung war ehemals in gutem Ansehen. Anitzt aber ist sie in Haß und Verachtung gerathen, aus welcher sie der Pabst Clemens der eilfte vergeblich wieder zu erheben suchte, da er Leute von gutem Geschlechte zu ihrer Annehmung bereden wollte. Man antwortete ihm: das beste Mittel, solcher Bedienung ein Ansehen wiederum zu geben, sey dieses, daß ein päbstlicher Nepote damit bekleidet würde, weil nach solchem Exempel niemand mehr sich derselben schämen würde. Allein dieses war des Pabstes und seiner Verwandten Absicht nicht, und also blieb die Sache in ihrem alten Stande. Der itzige Barigello war ehedem Hauptmann von regulirten Truppen,[428] ein Mann von gutem Verstande, der in allen vornehmen Gesellschaften wohl gelitten war. Die Abnahme seines Vermögens brachte ihn zum Entschlusse, seine itzige Bedienung anzunehmen, durch welche er aber alle Freundschaft und den Umgang mit seinen ehemaligen guten Freunden verlohren hat.

Der Staat, welchen die Kardinäle führen, ist nicht sonderlich für Leute, welche sich gleichen Ranges mit gekrönten Häuptern anmaßen. Rand rechts: Der Kardinäle Staat und Würde. Der Namen der Kardinäle ist alt genug, aber nicht in dem Verstande, worinnen dieses Wort heut zu Tage genommen wird. In alten Zeiten wählte die sämmtliche Geistlichkeit zu Rom nebst dem Volke ihre Bischöfe, diese wurden durch die Kaiser bekräftigt, und von eben diesen auch bisweilen wieder abgesetzet, wenn sie unruhige Händel anfingen. Das große Ansehen der Kardinäle nahm erst unter dem Pabste Nikolas dem zweyten seinen Anfang. Innocentius der vierte gab ihnen auf dem Concilio zu Lyon 1243 den rothen Hut, wie solches NicolausdeCVRBIO in dem Leben dieses Pabstes, cap. XXI, p. 376 bemerket; von Paul dem zweyten haben sie die rothe Kleidung, und von Urban dem achten den Titel Eminentissimus, da sie vorher, wie andere Bischöfe und Prälaten, Illustrissimi genennt wurden. Rand rechts: Ursprung ihrer rothen Kleidung. Daß sie vorzeiten nur wollene und leinene Kappen getragen, sieht man aus des PETRIDiaconiChronic. Casinens. wenn er lib. IV, c. 2, p. 428 schreibt: Cappam laneam exuentes purpuram induunt & in Pontificali solio ponunt. Der rothe Hut soll das Zeichen seyn, daß sie bereit sind für die Religion ihr Blut zu vergießen: man hat aber noch wenige Kardinäle unter der Zahl der Märtyrer gefunden. Gewiß ist es, daß diese ganze rothe Tracht sehr wohl steht, und man solche Farbe auch bey den Todten nicht vergißt, um sie schöner zu machen, als sie sind. Den 24 März wurde das Leichbegängniß des Kardinals Pamfili gehalten, und war der Leichnam in der Kirche von S. Agnes à la piazza Navona, mit einem schön roth geschminkten Gesichte öffentlich zu sehen. Rand rechts: Schminke eines todten Kardinals.

Bey Beförderung auswärtiger Prälaten zur Kardinalswürde richtet sich der Pabst nach der Nomination der gekrönten Häupter katholischer Religion: und hat sich auch der König von Sardinien in den Besitz dieses Rechts gesetzt durch die dabey gebrauchte List, daß er dem Pabste Benedict dem dreyzehnten in dem Ferreri, einem Bruder des Marquis d'Ormea eine Person vorschlug, welche der Pabst ohnedem gern mit dem Purpur gezieret: sehen wollte. Rand rechts: Nomination der gekrönten Häupter; des Königes von Sardinien. Ich könnte meinem Herrn auch einen Kardinal nennen, welcher seine Erhebung einem Beschützer des protestantischen Glaubens, nämlich Georgen dem ersten, Könige von Großbritannien zu danken hat, indem ihm dieser die Nomination des Königs in Polen zuwege brachte; Sie werden aber den eigentlichen Zusammenhang dieser Sache am besten von dem itzigen Bischofe zu Namur, dem ehemaligen Abbé Strickland erfahren. Rand rechts: Ob ein protestantischer König etwas hiebey contribuiren könne? Die Conclavia sind der Schauplatz, auf welchem die Kardinäle ihren Witz und Verstand vornehmlich anzubringen suchen7, und laufen dabey viele Dinge vor, welche ihnen schwerlich vom heil. Geiste werden eingegeben seyn. Rand rechts: Unordnungen in dem Conclavi im Jahre 1721. Es ist bekannt, wie in währender päbstlichen Wahl im Jahre[429] 1721 der Eifer der Parteyen so weit gegangen, daß es darüber zum Handgemenge, Stoßen mit Füßen und Werfung des Dintenfasses gekommen. Davia, Albani, Pamfili und A – – – sind in alle diese Händel vermischt gewesen, und ist kein Wunder, daß unter den Bedienten des Conclave allezeit einer oder zween Chirurgi er nennet werden. Davia, ein Bologneser und Vetter des berühmten Generals Caprara, war aus einer Familie, so dem Hause Oesterreich stets zugethan gewesen. Er hatte vor sich wenig Mittel, weswegen er um ein Beneficium in dem mayländischen Staate anhielt, aber wegen einer erhaltenen abschlägigen Antwort die kaiserliche Partey verließ, und für Paolucci sich erklärte. Dieser wäre beynahe schon am ersten Tage auf den höchsten Gipfel der geistlichen Würden erhoben worden. Acht und zwanzig Kardinäle giengen ins Conclave, und die geheimen Abreden waren, daß man einen Pabst wählen wollte, ehe die auswärtigen und abwesenden Kardinäle dazu kommen könnten. Bey dem Scrutinio, welches man des Morgens vorgenommen hatte, fanden sich neun Stimmen für Paolucci, und des Abends erklärten sich noch sieben für seine Partey. Wenn man nur zwey Drittel von den gegenwärtigen Stimmen auf seiner Seite hat, so ist die Sache richtig. Dem Paolucci fehlten solchem nach nur drey Stimmen, die er vielleicht noch in selbiger Nacht durch Unterhandlungen sich würde verschafft haben, wenn nicht der kaiserliche Minister, Kardinal Althan, die sicherste Resolution genommen hätte, ihm die formale Exclusion im Namen seines Principals zu geben. Rand links: Bewandniß mit der Exklusion. Denn bey jeder Wahl hat der Kaiser, die Krone Frankreich und der König in Spanien das Recht, eine zur päbstlichen Würde vorgeschlagene Person auszunehmen und auszuschließen; es muß aber solches geschehen, ehe wirklich schon die zur Wahl dieser Person gehörige Stimmen vollkommen kund gemacht sind. Daher geht die Gxclusion noch an, wenn wirklich schon nach dem Scrutinio die Stimmen oder Zettel gezählet werden, und die Protestation geschieht, ehe zum Exempel noch das letzte Billet, so die erfoderte Zahl ausmachen würde, geöffnet und abgelesen wird. So lange man noch mit Künsten und Unterhandlungen eine Wahl zu hintertreiben vermögend ist, schreitet man nicht gern zur Exclusion. Der Kardinal Salerno, ein Neapolitaner, dem der kaiserliche Hof vorher viel Gutes erwiesen hatte, war der vornehmste Beförderer der Unterhandlungen für Paolucci, weil er als ein Jesuite gern einen Pabst haben wollte, der die Constitution Unigenitus eifrig vertheidigte. Rand links: Intriguen im Conclave. Nachdem ihm sein Anschlag mislungen war, gieng er aus dem Conclave unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit.

Es kömmt nicht von Protestanten, sondern selbst aus der Katholiken Zeugnisse, was sich nach dem Tode Alexanders des siebenten zugetragen haben soll, nämlich, daß der Kardinal Sforza am letzten Tage, ehe man in das Conclave gieng, einem andern Kardinale, welcher[430] sein guter Freund war, begegnet, und diesen im Vertrauen um seine Gedanken und Muthmaßungen wegen der instehenden Wahl befraget, da er dann die treuherzige Antwort erhalten: Signor Cardinale, wenn die Franzosen den Pabst machen, so wird es der Kardinal Farnese; machen ihn die Spanier, so wird es der Kardinal Rospigliosi; macht ihn das römische Volk, so wird es der Kardinal Barberni; macht ihn der heil. Geist, so wird es der Kardinal Odscalchi; macht ihn aber der Teufel, so wird es entweder Eure Eminenz oder ich. Sforza antwortete mit lachendem Munde: Auf diese Art wird es Rospigliosi (welches auch in Clemens dem neunten eingetroffen ist), und brachte damit die Unterredung auf eine andere Materie.

Im Jahre 1724 nach dem Tode Innocentius des dreyzehnten, machte man unter den Competenten der päbstlichen Krone folgende Eintheilung:


Il Cielo vuol Orsini

Il Popolo Corsini

Le Donne Ottoboni

Il Diavolo Alberoni.


Orsini kam zu dieser Würde 1724, unter dem Namen Benedict des dreyzehnten8.

So lange das Conclave dauert, fehlet es nicht an Pasquinaden, und gehen täglich Leute damit in den Coffeehäusern, um die Abschriften davon an Fremde im Vertrauen, wie sie vorgeben, zu verkaufen. Rand rechts: Critik über die Kardinäle nach Clemens des neunten Tode. Ich habe dießmal wenige sinnreiche Einfälle darunter bemerket, und trage ich Bedenken, meinem Herrn mit einem Anschlusse vieler solcher geringen Arbeit beschwerlich zu fallen. Es ist mir aber folgende noch ungedruckte Schrift unter die Hände gekommen, welche die Prätendenten zum päbstlichen Stuhle nach Clemens des neunten Tode mit vielem Verstande beurtheilet, und wohl verdienet aufgehoben zu werden,


Clemens occubuit, Petri vacat inclyta sedes,

Cui modo conveniat, die, age Musa, virum.

Barberinus9 amat Romana in sede locari;

Sed Romanus apex vulnera novit apis.

PapaGinettuserit? gaude Synagoga, videbis

Tandem Messiam mox properare tuum10.

Antoni11 valde sanctus te Spiritus effert,

Sed non est prima ad culmina sanctus eques.

Brancacci12 quondam censura punit Iberos,

Hinc a te patriæ census Iberus abest.[431]

Si regere exiguam nescivit Episcopus Urbem

Carpenius13 mundum quomodo Papa reget?

In Satanam sociosque Poli pro sede superbos

Est visus Michaël vincere, nonGabriel14.

Faccbinettuseget passun chlisteribus, ergo

Romanum Papam non Cacodæmon aget15.

Undique olere cupit veluti rosa primaRosettus,

Non bene semper olet, qui bene semper olet16.

Gallicus, Vrsine, & Lusitanus es atque Polonus;

Unum quis posset credere Pontificem17.

Grimaldus18 profugos Romæ salvavit amicos,

Quis tamen hunc salvet? ducitur a Patria.

Non aquilaEstensis, quanquam Regina volucrum,

Non Regem Regum denotat atque vehit19.

Nun ego concedo, quod fiat Sfortia Pastor,

Non custodit oves, sed vorat ore Leo20.

Imperialisamor pro lucro labilis auri

In turpe emporium verteret imperium21.

Si sacrosancta Petri pietatem agmina quærunt,

QuiPiusest vere non reor esse pium22

Abstemius dum lacte dies velletque butyro

Jejnnare nimis mungeretAlbitus23.[432]

Nunc pro Papissa Christinam Roma recusat;

ErgoAzzolinussurgere Papa nequit24.

QuisqueOdescalcumcelebrat, sed in urbe statura

Non tamen ille statu maximus esse potest25

Ottobonus26 avet Papatus munere fungi,

Hoc illi officium nunc Dataria negat.

Diminutiva sonat non adjectiva27

Illi non ingens adjicietur honor.

Tu Petrum superare studes, nonSpadareferre,

Petro non gladius binus at unus erat28.

Landgraviusvellet fidei documenta jubere,

In Petri Cathedra non sedet hæreticus29.

Ne raperes Petri gazas & muneraRaggi30,

Anne tuas premeret sæva chiragra manus?

Si te, Gualteri, sors Christo oriente creavit,

Presbyterum, haud Papam Christo oriente creat31

Retziusinfidus Gallis non dicet: Habemus32

Fratres – – – quamvis frater is extiterit.

In cruce decubuit, sed vivit in æthere Petrus,

Et nequit insanctarursus obirecruce 33.

Ut veniam culpis donetLudoviusextet

Major, sed nunquam maximus emineat[433]

Borromænsavet Caroli superare Thiaram34,

Obstat Rex Carolus, ne superare queat.

Primus aquam vivam potuit producere Clemens,

Nunc post Clementem nonAquavivavenit.

AnMaildachinusconsurget Papa, sed ejus

Nomen componit Syllaba prima maï35.

Ultimus huic navi nonBarbarinusadhæret,

Lippus inexperta diriget arte ratem36.

Lintea plena feris Petrus dum conspicit, inquit:

Communes nunquam complacuerecibi37.

Ecce Dei non extat homo pro culmine Petri,

NamqueHomodænshomo est. non tamen ille Dei est38.

En baculum gestatRasponius, ergo carebit

Papatu baculo Papa carere solet.

Cum tibi ParthenopeCaracciole39 donat honorem,

Nil Vaticano in vertice partis habes.

Cor sedesVidonetuum, divina columba

Respuit in turri nidisicare tua40.

Petrus amat, dein Papa fuit, sic siet amanti

Celso. sed prohibet luxuriosus amor41.

Nobilis e Venetis estBarbarims, at urbem

Ut Cretam Turcis traderet, ergo procul.

Nemo assentiturCaraffæsidere, namque

Virtutem vitri non adamantis habet42.

Bicchusen frater tumet Oratoris Etrusci,

Hæc Patrem Patrum patria non pariet.

Pontificalis honor merito teSpinolalinquit,[434]

Hanc spinam Petri piscis habere fugit.

Piccolominnæumfas est non crescere, nolit

Romula Senensem rursus amare lupam43.

HeuBoncampaniusnostra non regnet in urbe,

Nam corregnaret binus in urbe Draco.

NonAragonaPetri cœlestia munia sumet,

Quantumvis fratrem jactitet ille Petrum44.

Corsinomagis arridet Faselina polenta45,

Quam tuus in placida, Petre faselus aqua.

A Camera egressus CamerinamFranzo46 petivit,

Regia nunc talem dedecet aula virum.

Palluzzigentile tuum Palazzius esset47,

Nomen adjuta daret si tibi Roma Thronum.

SortemLitttatuam plores, non Papa tumebis,

Hispani his pœnis te cruciasse volunt48.

Ad Vaticanum properant vestigia montem49

Moncadæac in eo sors male monte cadet.

Hoc certe gemet infelix Ecclesia Seclo,

Dum perMancinum50 cuncta sinistra fluunt.

QuiqueVice-Comitemgentili in nomine sperat

Pontificem, a colubro fallitur instar Adam51.

Væ tibi, Cymba Petri, si teDelphinusadibit52,

Is tempestatum nuntius esse solet.

Exigit imperium vires, moderamina Romæ

Quisque tibi imbelli, belleSabelle, negat,

Si fortuna valet solio decorareRobertum53,

Rubbartum posthac dicere conveniet,[435]

Bonvsiexitium sibi certe Ecclesia credet,

Si tuus in Petri puppe Cometa præest54.

Tu Comis55 es proles Christinæ Virginis olim,

Virgine non satus est de Genitrice Petrus.

NinusPræfectus domus exstitit, anne resurget

In Dominum domus? nascitur illicitum56.

Chsipro merita tandem ratione quiescas,

Tu non Papa quidem nec Vice-Papa daris.

Si Medices Petri potietur honoribus, ecce!

QuiLeopolduserat, mox Leopardus erit57.

AnneSigismundosedes donabitur? absit!

Nam Papæ puppo pappa coquenda foret58.

Mox Romam advenietPortus Carrera, sed isto

In portu fieret naufraga cymba Petri.

Hoc argumentum DoctorTurrenneresolve59,

Gallus es, ergo quidem Papa sedere nequis.

Pro Baldachino cum Etrusco principe certans

Nerliusamisit Pontificum solium.

Sunt mala, si vere sunt, astra errantia, sed si

Sunt fixa, Ateriusnon eat ulterius60.

Pontificem cerni quidPallavicinelaboras?

Non dote hic gradus, at dotibus expetitur.

Cerrusnon triplo circumdatus orbe micabit,[436]

Nam sat eum longo sustulit orbe Rota.

Nos hic esse bonum est, in Tabor Petre canebas,

In Vaticano nonBonacolle canet.

Non sacros Petri capitAccioliushonores,

Nam Publicani silius iste fuit.

Non male te refugitBonacursihoc grande bravæum,

Namque malum cursum non bona meta fovet.

Rospiglisa61 domus tibi debita sceptra videntur,

Sed quamvis habilis, labilis heu nimis es.

Ergone nullus erit Clementi nobilis hæres

Papatum teneat qui sine sorde nitens?


* * *


Es ist Schade, daß man noch kein Mittel erfunden hat, die Langwierigkeit der Conclaven einzuschränken, welche sonderlich bey heißer Sommerzeit denen so enge beysammen wohnenden Vätern, die aller Bequemlichkeit in ihren Pallästen gewohnet sind, zur größten Last gereichen muß. Rand rechts: Länge der Conclaven. In England giebt man den Jurys weder Essen und Trinken noch Licht, und hält sie also eingesperret, bis sie sich wegen eines Ausspruchs in peinlichen Sachen vereinigt haben. Wie weit dergleichen Anstalten bey Gelegenheit der Conclaven könnten nachgeahmet werden, überlasse ich andern zu urtheilen. Rand rechts: Unbillige Freyheiten der Conclavisten. Wenigstens würden viele Intriguen wegfallen, und man nicht nöthig haben, den Conclavisten so viele besondere Freyheiten zu gestatten, als Leuten, die man zu menagiren hat, weil man sie zu weit in die Karten hat sehen lassen62. Auf ihre Geschicklichkeit kömmt gar vieles an, und zeigen die Historien der[437] päbstlichen Wahlen, daß ihre Aufführung oftmals ihren Herren die höchste Würde zuwege, oder sie darum gebracht habe. In dem Conclave, welches nach Pauli des zweyten Tode gehalten wurde, wies der Conclaviste des Kardinals Bessarions, Nikolas Perotti, aus überflüßiger Sorgfalt seinen Herrn in seinen Meditationen nicht zu stören, drey von den vornehmsten Kardinälen ab, welche ihm die Wahl zur päbstlichen Würde hinterbringen wollten, worüber diese im Zornehinweg gegangen und gemacht haben, daß Sixtus der vierte er wählet worden. Seit zehn Jahren haben die Reisenden dreymal Gelegenheit gehabt, sedem vacantem zu sehen. Clemens der eilfte starb 1721, und ihm folgte Michel Angelo aus dem Hause Conti, unter dem Namen Innocentius des dreyzehnten. Rand links: Innocentius des dreyzehnten Lebensart Seine Minister, der Kardinal von St. Agnes und Monsignore di Riviera, waren geschickte Leute, unter welchen der päbstliche Staat nicht übel stund. Der Pabst selbst aß und trank gern was gutes, und weil man solches wußte, so suchte man die niedlichsten Eßwaaren auf, um sich dadurch bey ihm beliebt zu machen. Er rauchte gern eine Pfeife Toback, und brachte viele Zeit auf dem Nachtstuhle zu. Rand links: und Tod. Endlich hatte er einsmals von Fischen mehr, als dienlich war, gespeiset, weswegen man ihm eine abführende Arzney geben mußte. Der Medicus nahm nicht in Acht, daß der Pabst einen Bruch hatte, der um diese Zeit ausgetreten war, also kriegte der Pabst an demselben den kalten Brand, an welchem er den 7 März 1724 sterben mußte. Sein Nachfolger behielt zwar den Medicum in Diensten, nahm aber keine Arzeney von ihm. Franciscus Vincentius Maria aus dem berühmten Hause Orsini63, wurde den 29 May 1724 zum Oberhaupte der römischen Kirche erwählet. Rand links: Benedictus des dreyzehnten Lebensart. Er war von Jugend auf dem Mönchleben ergeben, und in solchem Verstande der Welt dergestalt abgestorben, daß ihn der General seines, nämlich des Dominicanerordens, durch Vorhaltung desvoti obedientlæ zwingen mußte, den Kardinalshut anzunehmen. Als er zum Pabste ernennt wurde, bezeugte er nicht die geringste Freude, sondern verwies es vielmehr den Kardinälen, daß sie ihm nicht einen tüchtigern Mann vorgezogen; denn was die geistlichen Verrichtungen und functiones anlangte, so getraue er sich zwar denselben vorzustehen; allein von der Staats- und Regierungskunst wisse er gar nichts. Nun fehlte es zwar nicht an Leuten, welche ihre Schultern gern hergeliehen hätten, um ihm solche Bürde ertragen zu helfen; allein er hatte die Einsicht nicht, die Geschicklichkeit und Treue der Minister zu unterscheiden, und geriethen zu großem Unglücke des Landes alle Regierungssachen in die Hände des Kardinals Coscia. Der Pabst besuchte indessen fleißig die Kirchen, weihete neue Altäre, machte wegen der Parücken, Bärte[438] und dergleichen Kleinigkeiten einige Reforme unter der Geistlichkeit, und gab gern an ar me Leute Gehör. Rand rechts: Einfalt in politischen Dingen. Um weltliche Sachen bekümmerte er sich so wenig, daß er kaum die Münzen kannte: und weil er eines freygebigen und barmherzigen Gemüthes war, so ließ man ihn in den letzten Jahren seiner Regierung nicht gern allein mit Leuten, von welchen man muthmaßete, daß sie um etwas bitten wollten. Die Gelegenheit zu solcher Vorsorge gab ein Pilgrim, der in einer besondern Audienz dem Pabste seine Armuth und den kränklichen Zustand seiner zahlreichen Familie so beweglich vorstellte, daß ihm der Pabst dreyhundert Scudi, seiner Frau dreyhundert, und den Kindern zusammen auch vierhundert Scudi zusagte. Der Schatzmeister that zwar einige Vorstellungen, als ihm der Pabst befahl, des folgenden Morgens das Geld zu bringen; Mein der Pabst bestund auf seinem Vorsatze, wie er sich denn nicht gern auch in andern Dingen einreden ließ, sondern gemeiniglich auf seinem Sinne blieb, mit der verdrießlichen Abfertigung: Jo io voglio cosi. Der Schatzmeister kam indessen auf den Anschlag, daß er von Kupfermünzen die größten Stücke sammlete, dergestalt daß die tausend Scudi zehn große Geldsäcke anfülleten. Diese ließ er des folgenden Tages paarweise in des heiligen Vaters Kammer bringen, welcher mit Verwunderung fragte: zu was eine solche Menge Geldes gebraucht werden sollte? Auf die Antwort, daß dieses die tausend Scudi waren, welche gestrigen Tages an den fremden Bettler geschenkt worden, stutzte der Pabst, sagte: er habe nicht geglaubt, daß es so viel betrage; und nachdem er den Pilgrim rufen lassen, gab er ihm nur einen Sack mit dem Bedeuten, daß solches genug sey. Auf diese Weise sparete der Rentmeister seinem Herrn neunhundert Scudi, ich weis aber nicht, ob sie deswegen besser seyn angewendet worden. Rand rechts: Strenge Lebensart. Zu seiner ordentlichen Wohnung hatte sich der Pabst in dem Vatican eine Kammer fast unter dem Dache ausgemacht. Es waren darinnen weder Tapeten noch anders Geräthe, außer einem schlechten Tische und zweenen hölzernen Stühlen. Er lebte bis an seinen Tod in der größten Strenge und Casteyung seines Leibes. Als er gegen das Ende seines Lebens sehr matt und schwach wurde, gab man ihm ohne sein Wissen unter dem Chocolat etwas Fleischbrühe, um ihn zu stärken, wenn er aber solches merkte, gab er alsbald die Tasse zurück, mit Bedeuten, daß der Chocolat gar zu gut gemacht sey. Rand rechts: Starker Gebrauch des Schnupftobacks. Des Schnupftobacks bediente er sich gar sehr, weswegen er auch die Excommunication aufhob, welche unter Innocentius dem zwölften wider diejenigen, so in der St. Peterskirche Toback nehmen würden, war verordnet worden64. Ich habe schon erwähnt, daß ein kleiner Eigensinn sein Fehler war. Rand rechts: Ehemaliges Verboth des Er sprach einsmals mit dem[439] Kardinal C. wegen Einführung derBullæ Unigenitus in die römischkatholischen deutschen Länder, und als ihn der Kardinal davon abzuführen suchte mit Vorstellung der vielen Schwierigkeiten, die sich bey diesem Werke finden würden, fuhr der Pabst im Eifer heraus: die Deutschen wären nur dumme Bestien65. Rand links: Schnupftobacks in St. Peterskirche. Des Pabstes Eigensinn: dadurch zugezogene hitzige Antwort. Medaillen, so auf ihn geschlagen worden; Er bekam aber zur Antwort: die Deutschen würden alsdann erst diese Benennung verdienen, wenn sie den Pabst in allen seinen Anschlägen und Reden für infallibel hielten.

Sein Bildniß ist auf allen Münzen wohl getroffen; und wird insbesondere dasjenige Schaustück sehr gesucht, welches der schwedische Medailleur Hedlinger, da er neulich in Rom war, verfertiget hat. Die eine Seite desselben stellt des Pabstes Benedict des dreyzehnten Brustbild vor, und die andere die Kirche oder das auf dem päbstlichen Stuhle sitzende Oberhaupt derselben, welchem ein Engel, der bey dem orsinischen Wapen steht, Rosen darreichet, mit der Umschrift: Fulcite me floribus. Untenher ist das Jahr MDCCXXVI. ausgedrückt.

Bey Hamerani ist unter der im höchsten Grade blühenden Gewalt des Kardinals Coscia eine Medaille zum Vorscheine gekommen, über deren Ueberschrift man sich desto mehr verwunderte, weil jedermann wußte, daß seine und des Pabstes Feinde die große Liebe des Pabstes gegen diesen Kardinal dahin ausdeuten wollten, als hätte Coscia in Benedict dem dreyzehnten seinen geistlichen und leiblichen Vater zu verehren. Rand links: it. auf den Kardinal Coscia. Wer des Pabstes Neigungen und von Jugend auf geführte Lebensart erwäget, wird dieses Gerüchte leicht für eine offenbare Verleumdung ansehen; allein sie hatte doch einen freyen Lauf, und hätte Coscia nicht nöthig gehabt, durch eine zwar von C. Hamerani wohl gearbeitetes aber schlecht ausgesonnenes Schaustück seinen Widersachern Gelegenheit zu spöttischen Anmerkungen zu geben. Auf der einen Seite sieht man das Brustbild des Kardinals mit der Umschrift:


NICOLAVS S. R. E. P R. CARD. COSCIA ARCH. BEN. COAD.


Auf der andern Seite spricht Gott der Vater aus den Wolken zu einer ihn anflehenden Person, an welche er von ferne einen Tempel zeiget, und die Umschrift ist:


Filius tuus ipse ædificabit domum nomini meo.


In der Exergue liest man:


Eccl. Colleg. Petræ. fus. MDCCXXVIII.
[440]

Für das Erzbißthum Benevent behielt Benedictus der dreyzehnte stets eine besondere Liebe, ließ sich auch nicht bewegen, solches abzutreten, wie nach den Kirchenrechten billig hätte geschehen sollen. Rand rechts: Wunderbare Erhaltung Benedict des dreyzehnten in einem Als er im Jahre 1688 daselbst noch Erzbischof und Kardinal war, erängele sich den 5 Junius ein entsetzliches Erdbeben, welches in dem Königreiche Neapolis großen Schaden verursachte. Rand rechts: Erdbeben. Der Pallast, worinnen er sich damals aufhielt, stürzte bey diesem Unfalle gleichfalls übern Haufen; es fügte sich aber durch eine sonderbare Vorsehung Gottes, daß eine Partey Holzes rings um ihn dergestalt zu fallen kam, daß die übrigen und nachfolgenden Steine und Stücke Holzes abgehalten wurden, ihn zu zerschmettern. Bey solchen Umständen lag er dazwischen als unter einem holen Gewölbe sicher, bis man ihm nach überstandener Gefahr und geendigtem Erdbeben zu Hülfe kommen konnte. Itzterzählte wunderbare Erhaltung schrieb er allezeit dem Schutze des heil. Philippi de Neri zu, gegen welchen er auch nach solcher Zeit eine sonderbare Hochachtung und Verehrung behielt. Die Kleidung, welche Benedictus der dreyzehnte damals getragen und die Splitter Holzes sehr beschädiget haben, hängt unter andern Gelübden in der Theatinerkirche di S. Gaëtano zu Neapolis. Nach des Dominicanermönchs Labat Berichte hat Benedictus der dreyzehnte dem heil. Neri zu Ehren in Benevent eine kostbare Kirche bauen lassen.

Der Pabst Benedictus der dreyzehnte starb den 21 Febr. Man sprach schon Nachmittags von der Gewißheit seines Todes; indessen aber ließ man doch noch Abends die Opern anfangen, um diejenigen, so die Unkosten dazu hergeschossen hatten, nicht um den Vortheil dieses letzten Tages vom Karnaval zu bringen. Rand rechts: Tod Benedict des dreyzehnten. Rand rechts: Wie solcher in der Oper aufgenommen worden. Im Theatro Aliberti sang der berühmte Castrat Caristini eben eine Arie, in welcher die Worte, Lasciate mi, oftmals wiederholet wurden, als etliche Sbirren kamen, und riefen, der Pabst sey todt. Man gab dem Sänger ein Zeichen, man zog ihn beym Rocke, und unterließ nichts, um ihn zu bedeuten, daß er aufhören sollte; er war aber in solcher eifrigen Entzückung, daß er zu großem Gelächter der Zuhörer immer fortfuhr zu singen: Lasciate mi. Endlich da die Zeitung völlig ruchtbar war und die Oper abgebrochen werden mußte, hörte man von der ganzen Versammlung, anstatt einer Klage über des heiligen Vaters Tod nichts anders als ein Händeklatschen und wiederholtes Rufen: Viva Caristini!

Acht Stunden vor seinem Ende wollte der Pabst noch Consistorium halten; man brachte[441] ihn aber davon ab unter dem Vorwande, daß man an diesem letzten Tage wenige Kardinäle zu Hause finden würde. Rand links: Des Pabstes letztes Vorhaben. Pasquill wider den Prälaten St. Maria. Darüber wurde er hingehalten, bis ihn abermals eine Schlafsucht überfiel, aus welcher er nicht wieder erwachet ist. Die Absicht war, seinen Liebling den Prälaten St. Maria, eines Barigello Sohn aus Benevent, noch vor seinem Ende zum Kardinal zu erklären; dieses wußte man wohl, und suchte es auf alle Art und Weise zu hintertreiben. Der Pabst war kaum eine halbe Stunde verschieden, so fand man schon auf der Straße etliche Zettel mit des St. Maria Namen und der Unterschrift:


Avero robbato assai e non mi pento,

Cardinal non saro, ritorno a far lo Sbirro a Benevento.


Gleich nach des Pabstes Tode kam der Kardinal Camerlengo mit denen Prälaten, so die Aufwartung hatten, und einem Notario, um den todten Körper zu besichtigen und den Annulum Piscatorium ihm abzunehmen, welcher in der ersten Versammlung des heiligen Collegii der Kardinäle in ihrer aller Gegenwart zerbrochen wurde. Rand links: Was nach des Pabstes Tode vorgegangen.

Den 22 Februar, Vormittags, lag der Leichnam des Pabstes noch auf seinem Bette, und wurden die Leute, so einiges Ansehen hatten, eingelassen, um den einen aufgedeckten Fuß zu küssen. Der Pabst hatte ein schlechtes wollenes Hemde an, und der obere Theil des Leibes war mit einem Tuche zugedeckt. Abends wurde er in die Kapelle Sixti des vierten im Vatican gebracht, allwo man ihn des folgenden Tages bis 10 Uhr Vormittags auf einem roth. sammeten Paradebette sah mit einer goldenen Bischofsmütze, einem weißen Unterkleide, rothem Talare, kleinen rothen Stiefeln und rothen Handschuhen, über welchen etliche Ringe an Fingern gesteckt waren. Eine Menge Leute kamen und küsseten ihm den Fuß, etliche rieben auch den Kopf daran. Auf beyden Seiten der Leiche brannten zehn Wachsfackeln; in Gegenwart von achtzehn Kardinälen wurden einige Psalmen gesungen, und endlich der Körper in Proceßion nach der St. Peterskirche in die Capella dei Sacramento gebracht, allwo er drey Tage blieb und jedermann die Freyheit hatte, den einen durch das eiserne Gitter ein wenig herausgesteckten Fuß zu küssen und die Rosenkränze oder Schnupftücher daran zu reiben. Rand links: Begräbniß.

Indessen daß man im Monte Vaticano seiner Person alle Ehrerbiethung erwies, so brach an andern Orten allenthalben der Haß gegen sein Andenken und seine Anhänger hervor. Rand links: Des Volkes Haß gegen seine Bedienten. Den 22sten kam der Kutscher des verstorbenen Pabstes dem gemeinen Volke in die Hände, welche ihn gräulich prügelten, ob er gleich immer schriee: er sey kein Beneventaner, sondern aus Siena gebürtig. Den 23sten da es anfing dunkel zu werden, stürmte der Pöbel etliche Häuser, worinnen des Pabstes Lieblinge wohnten, oder worinnen man den Kardinal Coscia vermuthete. Etliche reisende Deutsche, so mit Fackeln durch diese Straße giengen, und nicht gleich auf das erste Zurufen die Fackeln auslöscheten, wurden auf eine gar unfreundliche Weise nach Hause geleuchtet. Man hätte dem Unheile eher abhelfen können, wenn nicht der Kardinal Camerlengo dem Volke durch die Finger sehen, und gleich Anfangs dem Coscia für die vielen empfangenen Beleidigungen wiederum die verdiente Rache hätte wollen empfinden lassen. Der Pabst war den Römern niemals günstig gewesen, und hatte sie allezeit für Spitzbuben gehalten; dieses brachten die Römer anitzt den Beneventanern redlich ein. Den 25 Febr. nach der Sonnen Untergang, wurde des Pabstes Leichbegängniß gehalten in Gegenwart der von ihm gemachten Kardinäle, welche einige goldene und silberne Münzen in den innersten Sarg warfen. Rand links: Päbstlicher Sarg. Denn eigentlich wurde der Leichnam in drey Behältnisse eingeschlossen. Das erste, von Cypressenholze, wurde zugenagelt und in ein anderes bleyernes gesetzet. Auf dem Deckel dieses bleyernen Sarges war in erhabener Arbeit gegossen des[442] Pabstes Wapen, Nanen, die Zeit seiner Regierung und unter diesen allen ein Todtenkopf: Gedachter Sarg wurde mit vielem Lärmen zusammen geschlagen und genau verlöthet, hernach aber in einen dritten von Kastanienholze, der auch zugenagelt wurde, gestellet; dieses alles geschah in der St. Peterskirche, und zwar in der großen Capella del Coro, woraus die Leiche hernach auf einem kleinen Wagen etwan zwanzig Schritte weit rechter Hand in der Kirche geführet, über dem Eingange des Thurms in die Höhe gezogen und in einem daselbst bequemen Platze, den man mit Backsteinen vermauerte, beygesetzt wurde. Hier hält er ein Jahr lang gleichsam seine Residenz, bis nach dem Verlaufe solcher Zeit seine Anverwandte an einem andern Orte für sein Begräbniß gesorget haben.

Indessen machte man alle Anstalten zu dem Castro doloris: täglichhielten die Kardinäle ihre Congregationen, worinnen sie den Gesandten auswärtiger Potentaten Gehör gaben, die zu Erhaltung der bürgerlichen Ruhe nöthigen Bedienungen besetzten, und alle zum Conclave gehörige Anstalten machten; unter welchen sogar die Aufsicht über die Nachtstühle nicht außer Acht gelassen wurde. Rand rechts: Anstalten zum Conclave.

Den 2 März sah man in St. Peterskirche das Castrum doloris oder Catafalco wohl illuminiret, und die Kardinäle lasen auf selbigem an diesem und folgenden zweenen Tagen Seelmessen für den Pabst. Rand rechts: Castrum doloris. Es war solches von Grunde an bis zur Spitze der mittelsten großen Pyramide sechs und vierzig Fuß hoch, und giengen eilf Tritte bis an den Platz, worauf die Kardinäle Messe lasen. An jedem der vier Ecken war ein gekünstelter Thurm oder eine kleinere Pyramide, die sich in der Figur einer Tulipane endigte. Alles war von Holze und Leinwand, auf welchen des Pabstes Brustbild, Wapen und viele zu seinem Lobe gereichende Vorstellungen gemalt waren. Die Farbe dieses Gestelles war röthlich, und an dem ganzen Werke nichts schwarzes zu bemerken. Ein Gemälde stellte den Pabst vor, wie er Kirchen und Altäre weihete, welches auch dergestalt seine meiste Verrichtung gewesen ist, daß er in seinem Leben in allen zusammen dreyhundert und achtzig Kirchen, tausend sechshundert und zwey und dreyßig feststehende Altäre und sechshundert und dreyßig Altari portatili geweihet hat. Die Ueberschrift war:


Templa dedicavit, heu! prohibuimus,

ne corda nostra dedicaret.


In einem andern Gemälde hielt der Pabst das Concilium Romanum, mit der Inscription:


Primævas purioris exigendæ vitæ leges revocavit servavitque.


Das dritte stellte vor die Canonisation der zehn Heiligen, womit dieser Pabst die Zahl der himmlischen Schutzherren und Patronen vermehret hat, mit den Worten:


Frigescenti Charitati novissima opposuit Sanctioris vitæ exempla.


Das vierte Gemälde zeigte die Hospitäler von St. Maria und St. Gallicano, welches letzte von Benedict dem dreyzehnten erbauet worden. Die Umschrift lautet:


Despectioribus ægrotantibus solamen paratum.


Ferner las man folgende acht Inscriptionen:

I. Quæ Virtutum exempla in Benedicto XIII. erepta! Mundum despexit. Deo Soli servivit. Facem hanc in ipso Romanæ Ecclesiæ vertice radiantem miratæ sunt Gentes extinctum apud nos Dei Spiritum antea criminatæ. Heu! sublata est.

II. Blaudientem Paternæ domus illecebris Mundum prudens VRSINVS vitaverat. Et largioribus in sinum opibus ab Ecclesia refusis, constanti vitæ asperitate abstinuit. Majora nimirum exspectabat.[443]

III. Paupertatis in summa rerum copia servantissimus, pauperes effusa charitate complexus. Nihil sibi retinuit, a quo omnia egenus vel egestatem obtendens impetravit.

IV. Cardualem, Episcopum, Pontificem mazimum adactus egit, qui Monachum ultro egerat. Libenter Servus Servorum Dei, Pontificiam Maj. statem ad Nosocomia & humiles Casas demisit.

V. Intellgenti VRSINO primas Apostolici viri partes esse, supplicem se Deo sistere, solenne fuit, in ejus se laudes perpetuo effundere. Æteruum peragat, quod hic occœpit.

VI. Desidem Christi militem nunquam oppressisses. Labores attennarunt, non dejecerunt. Vel effœtis viribus præfidentem zelus fecit. Stanti haud ingrata mors successisset.

VII. Ecclesia procellis divexata, mala Pontifex deprecatus tranquillitati reddendæ allaboravit, quam consecutus ejusdem voluntatis hæredi fructum uberem non præripuit

VIII. Decorem Domus Domini, ædificiis restauratis aut excitatis, sacraque supellectili adjuncta vel nitori pristino restituta, curavit; Majestatem numinis quod sentiret.

An der mittlern Pyramide war ein Adler vorgestellt, der sich durch die Wolken gegen die Sonne schwung, mit der Umschrift: Ut luce fruar.

Zur Illumination dieses Catafalco gehörten tausend Wachslichter, deren jedes ein Pfund wog, und vier und zwanzig vierpfündige Wachsfackeln. Es geschah diese Erleuchtung drey Tage hintereinander, währender welcher Zeit auch dem Volke täglich hundert Pfunde gelbes Wachses ausgetheilt wurden.

Ich vermuthete unter den Inscriptionen einige Deutung auf die vorgegebene Prophezeihung des Bischofs Malachiä, in welcher Benedictus Miles in Bello genennt wird. Rand links: Prophezeihung Malachiä. Allein der Unterschied und Irrthum ist gar zu groß, als daß man sich hätte getrauen dürfen, eine weitläuftige Vergleichung desfalls anzustellen. Eine in Nürnberg geprägte Medaille setzt zwar um dieses Pabstes Wapen, in welchem auch eine Rose erscheint, die Worte:


Est Rosa flos mediis miles Benedictus in armis

Gratus odor, spinis non nisi tacta nocet.


Allein diese poetische Ausdrückung und Allegorie ist gar weit gesuchet.

Es kann indessen gar wohl seyn, daß die sechste Inscription, in welcher Benedictus der dreyzehnte non deses Christi miles genennt wird, dahin abziele. Der Prinz – – – so einsmals bey dem Catafalco stund, und die Verdolmetschung der lateinischen Umschriften von mir verlangte, sagte, als ich diese gemeldte Prophezeihung berührte, er habe noch in der gestrigen Nacht den ganzen Propheten Malachias durchgelesen, könne aber nichts von dieser Folge der Päbste darinnen finden; und als ich ihm seinen Irrthum bedeutete, konnte er seinen Unwillen auf den Grafen – – – nicht bergen, welcher ihm (wie er sagte) die Sache nicht deutlich erkläret, und also nur vergebene Mühe verursachet hätte. Es ist kein Wunder, daß die Ketzer über solche dem irrländischen Bischofe zu Down fälschlich zugeschriebene Prophezeihung lachen, weil es auch nicht an römischkatholischen Scribenten mangelt, welche darüber gespottet haben.

St. Bernhard, der das Leben St. Malachiä geschrieben, seine Leichrede gehalten, und eine Grabschrift auf ihn verfertiget hat, gedenket nichts davon, und ist Arnold Wion, ein Benedictiner aus Douay, der erste, so in seinem itzt raren Buche, Lignum Vitæ genannt, etwas davon gemeldet. Es mag aber diese Hirngeburt ausgebrütet haben, wer da wolle; so hätte der Autor derer dabey verfertigten Erklärungen doch leicht bey den schon vorgefallenen[444] päbstlichen Wahlen die Zeitrechnungen besser in Acht nehmen, die falschen Päbste nicht einmischen, und die Wahrheit besser beobachten sollen. Denn die meisten Wapen, so er den Familien, woraus die Päbste genommen worden, zuschreibt, sind falsch, wie solches sonderlich an Nikolas dem dritten, Urban dem dritten und Alexander dem dritten zu sehen, deren der letzte angedeutet wird durch Rosa composita, der mittlere durch Sus in cribro, und der erste durch ex ansere custode. Die Rechnung geht von Cölestinus dem zweyten an bis ans Ende der Welt: man gebe mir aber eine jede andere Zeitrechnung oder eine Regierung der Päbste; welche man will, von welcher die erste Prophezeihung anheben soll; so getraue mir mit leichter Mühe die dunklen Kennzeichen der Päbste in derselben wirklich erfolgten Ordnung so deutlich und schön zu zeigen, als man bishervon Cölestinus an gethan. Ja es sollte nicht schwer fallen, die Erfüllung der itztgedachten Prophezeihung auch in der Historie und Folge der Dogen von Venedig und Genua zu finden.

Ehe die Kardinäle ins Conclave gehen, hat man alle Freyheit im Vatican herum zu gehen; es geschieht aber solches nicht ohne Unbequemlichkeit wegen der Menge von Leuten und wegen des vielen Tragens der Baumaterialien, wozu noch kömmt, daß in den ersten dreyen Tagen die Erben des Pabstes und alle diejenigen, so im Vatican bey ihm gewohnet haben, die Freyheit haben, dasjenige, so ihnen zusteht, heraus zu holen, womit sie, wie leicht zu erachten, nicht säumig sind. Rand rechts: Eintheilung des Conclavis.

Man kann sich kaum einbilden, wie compendieux jeder Kardinal nach seinem Kopfe und Einfall den kleinen Platz, der ihm zu seiner Zelle im Conclave durchs Loos zufällt, einzurichten und abzutheilen weis. Dieser Raum ist meistentheils nur achtzehn bis zwanzig Fuß lang und etwan eben so breit. Daraus wird ein Eßzimmer, eine Schlafkammer und Plätze für den Kammerdiener und Conclavisten zubereitet. Etliche machen zwey niedrige Stockwerke aus ihrem Platze, in welchen eine enge Treppe ihnen dienen muß. Die Zellen haben keine andern Wände, als wollenes Zeug, so davor aufgespannt wird, und wie die Sala Ducalis oder ein anderes großes Zimmer in viele Zellen vertheilet wird, so kann man in allen diesen Zellen vernehmen, was in einer andern dieses Zimmers laut gesprochen wird.

Hieraus ist nun leicht zu erachten, mit was für einer Unverschämtheit der Autor des Buchs, La Guerre d'Italie, ou Memoires du Comte D – – edit. de Cologne 1707, p. 61, s. erzählet, wie sich die jungen Kardinäle im Conclave mit ihren Maitressen erlustigen, kleine Concerte geben, wobey sie selbst als junge Bursche singen, und endlich unter einer Musik ihrer Bedienten mit ihren Curtisanen tapfer herum springen und tanzen. Der itztgedachte Verfasser will seinen Lesern weiß machen, er habe solchen Ergötzungen selbst beygewohnet; allein diese Erzählung ist so wenig wahr, als sehr viele andere Umstände und Pralereyen, womit er sein Buch angefüllet hat.

Ich habe schon erwähnet, daß in keines Kardinals Willen stehe, sich seine Zelle zu bauen, wo er will, sondern daß das Loos jedem seinen Platz anweise. Wenn man auch gleich versichert ist, daß einige Kardinäle nicht nach Rom kommen werden, so bleiben ihnen jedoch ihre Zellen frey und unbesetzt.

Die Creaturen des letztverstorbenen Pabstes haben die Behänge und das Geräthe ihrer Zellenvon dunkel-violetter Farbe, die andern aber grün. Jene gehen auch in währendem Conclave violet gekleidet.

Die Kapelle Sixtus des vierten wird zum Scrutinio und der künftigen Adoration zurecht gemacht, auch mit einem eisernen Ofen versehen, um darinnen die gesammleten Suffragia oder Vota zu verbrennen,[445] Jedes Conclave kostet der päbstlichen Kammer bey zweymal hundert tausend Scudi; die auswärtigen großen Höfe haben gleichfalls nicht Ursache, viele Conclavia zu wünschen: und weil der Kaiser allezeit einen außerordentlichen Ambassadeur dahin absendet, auch den nach Rom gehenden deutschen Kardinälen die Reisekosten zahlet; so ist ihm jedes von den letzten zweyen Conclaven über zweymal hundert tausend rheinische Gulden zu stehen gekommen. Rand links: Unkosten des Conclave.

Den 5 März, als am eilften Tage nach des Pabstes Tode, las der Kardinal Barberini die Messe dello Spirito Santo, in der Kapelle della Pietà von der St. Peterskirche; Rand links: Missa Spiritus Sancti. nach derselben Endigung hielt Monsignore Lanfredini eine gewöhnliche Rede an die Kardinäle, worinnen sie der Pflichten, die bey der Wahl eines würdigen Pabstes zu beobachten sind, erinnert wurden, und hierauf giengen die Kardinäle in den Pallast des Vatican, woselbst die obern Galerien und die daran stoßenden Zimmer zum Conclave zubereitet waren. Rand links: Einzug in das Conclave. Der Proceßion wurde von einem der Maestri di Ceremonie ein goldenes Kreuz vorgetragen. Diesem folgten die Musici der päbstlichen Kapelle, so den Hymnum: Veni Creator Spiritus. anstimmten. Hierauf kamen die Kardinäle paarweise, jedoch also, daß hinter jedem Paare ihre Bedienten und etliche Schweizer mit halben Kürassen giengen. Die gegenwärtigen Kardinäle waren diesesmal: Barberini, Ottoboni, Zondadarli, Corradini, Origo, Polignac, Belluga, Conti, Giov. Battista Altieri, Petra, Marefoschi, Querini, Lercari, Finy, Gotti, Porzia, Caraffa, Cibo, Borghese, Ferreri, Salviati, Lorenzo Altieri, Collicola, Banchieri.

Nachdem in der Sixtinischen Kapelle die päbstlichen Bullen, so die Wahl eines neuen Pabstes betreffen, und in deren einer die Kardinäle infallibiles æternæ sapientiæ Consultores genennt werden, gelesen und beschworen worden, giengen etliche Kardinäle wieder heraus in ihre Wohnungen bis gegen Abend, da sie sich wieder einfinden mußten, und die Thüren verschlossen wurden. Was es für eine Beschaffenheit mit der Wahl per Scrutinium, Accessionem & Inspirationem habe, kann man aus gedruckten Büchern genugsam ersehen. Imperiali, der wegen seines Verstandes und andern guten Gaben sehr beliebt ist, wäre diesesmal unfehlbar auf den päbstlichen Stuhl gekommen, wenn ihm Bentivoglio im Namen der Krone Spanien (welche es hernach gut hieß. weil Imperiali für allzugut kaiserlich gehalten wurde) die Exclusion nicht gegeben hätte. Rand links: Warum Imperiali nicht Pabst worden. Imperiali fassete sich mit großer Gelassenheit in diesem Verdrusse und Unglücke, welches ihm nur zu desto mehrerm Lobe gereichte. Denn es ist bekannt, daß Bentivoglio keine andere Ursache seiner Privatrache gegen Imperiali hat, als daß dieser, da er noch Legat zu Ferrara gewesen, ohne Ansehen der Person und mit gehöriger Gerechtigkeit, gegen einen nahen Verwandten des Bentivoglio verfahren hatte. Dieses ist schon das dritte Conclave, worinnen Imperiali sehr nahe an der höchsten Würde gewesen, ohne sie jedoch zu erhalten.

In währendem Conclave pflegen in der Stadt und sonderlich auf dem Lande viele Unordnungen vorzugehen; und obgleich Fremde, die ohne Privathändel mit andern leben, weniger zu befürchten haben, so thun sie doch wohl, wenn sie sich, so bald es dunkel wird, zu Hause halten. Rand links: Unordnung int Lande währenden Conclave. Es ist nichts ungewöhnliches, daß währenden eines Conclave zwanzig bis dreyßig Leute in Rom ermordet werden.

Daß die Speisen den Kardinälen ins Conclave gebracht werden, ist meinem Herrn bekannt; die Visitation aber, welche man dabey vornimmt, ist so schlecht, daß ich mir getrauete, ein kleines Kind, im Fall es nicht schrye, ungehindert mit hinein zu bringen. Rand links: Visitation der Speisen. Der Gouverneur des Conclave steht zwar dabey, wenn seine Bedienten die Körbe und Kisten[446] aufmachen; allein es geschieht weiter nichts, als daß man nur dasjenige, so oben an liegt, anschauet, und den Deckel mit einer Reverenz wieder zumachet. Die Maschinen, wodurch die Körbe hinein gedrehet werden, sind mit Bleche beschlagen, und sehen nicht anders aus, als an etlichen Waisen- und Armenhäusern die Maschine, worein die unglücklichen Jungfern ihre Kinder legen, und solche hernach gegen die innere Kammer des Hospitals herumdrehen können.

Es ist nicht verbothen mit einem Kardinale oder einer andern im Conclave eingeschlossenen Person zu sprechen, wenn solches nur beyderseits mit lauter Stimme, in italienischer oder lateinischer Sprache, und in Gegenwart der Wache des Conclave geschieht.

Von dem Einzuge eines Kardinals lasse sich mein Herr nur die großen Gedanken vergehen. Rand rechts: Einzüge der Kardinäle. Ihre Livereyen sind gar erbar, und an denen zehn bis zwölf Kutschen, womit sie begleitet werden, ist wenig rares zu sehen. Bey ihrem Eintritte in das Conclave werden diejenigen, so ihnen bis in die ersten Zimmer gefolget, mit gefrornen Wassern, Limonade und andern Erfrischungen bedienet. Der Gouverneur des Conclave giebt auch täglich sowohl an Fremde als Einheimische, die ihm ihre Aufwartung machen, prächtig zu essen, und belaufen sich seine Unkosten leicht auf zwanzig bis dreyßigtausend Scudi; dafür entstehen ihm aber selten so gute Beneficia, daß er sich dabey seines Schadens nicht wieder erholen könnte. Rand rechts: Gouverneur des Conclave.

Ehe ich von der Beschreibung des päbstlichen Hofes abgehe, so muß ich noch hinzuthun, daß die Protestanten zur päbstlichen Audienz nicht gelassen werden, wenn sie Bedenken tragen, des heiligen Vaters Fuß zu küssen. Rand rechts: Päbstliche Audienzen. Clemens der eilfte nahm es damit nicht so genau; jawann sie weggiengen, gab er ihnen noch den Segen auf den Weg, mit dem Zusatze: Rand rechts: Clemens des eilften Bezeigen gegen Protestanten.


Ad minimum non nocebit.


Vorzeiten ließen sich auch weltliche Potentaten die Füße küssen, und findet man beym GODEFRIDO Coloniensiad ann. 1175, p. 246, und beym Acerbo MORENAin Histor. Laudensi, p. 837, wie die Mayländer und andere Longobarden dem Kaiser Friedrich dem ersten diese Ehre erwiesen haben. Rand rechts: Ob Protestanten dem Pabste mit gute Gewissen die Füße küssen können? Die Könige von England lassen sich noch heut zu Tage bey öffentlichen Gelegenheiten auf den Knieen bedienen: und viele wissen sich dieses Einwurfes meisterlich zu gebrauchen, wenn sie behaupten wollen, es könne ein Protestant mit gutem Gewissen den Pabst auf gleiche Art, wie die Katholiken thun, verehren. Allein so guten Grund dieses haben würde, wenn das Fußküssen, welches der Pabst verlanget, eine bloße äußerliche und zwar politische Ceremonie wäre, so schlechte Kraft hat obangeführter Beweis, wenn man in Erwägung zieht, daß die Päbste solche Ehrerbiethung nicht als weltliche große Herren verlangen, sondern in Ansehung ihrer höchsten Gewalt in geistlichen Dingen, und als Statthalter Christi, oder als das Haupt der sichtbaren allein wahren Kirche. Denn in dieser itztgemeldten Absicht fodern sie das Fußküssen als eine Schuldigkeit von den mächtigsten weltlichen Potentaten, denen sie übrigens in Vergleichung der Länder und politischen Macht, keinesweges gleich kommen. Auf andere Art verstehen es die katholischen Prinzen selbst nicht: und der Pabst würde sich niemals entschließen, weder selbst noch durch Gesandte, dergleichen Ehre dem mächtigsten Monarchen zu erweisen; welches jedoch geschehen könnte, wenn diese Ceremonie nur als ein politisches Compliment anzusehen wäre.

Als die Gesandten des Königs von England Heinrichs des achten, beym Pabste einsmals Audienz hatten, kam ihnen ein Hund im Fußküssen zuvor, und richtete des Pabstes Fuß mit seinem Speichel so übel zu, daß die Abgeordneten Bedenken trugen, ihm in der Reihe zu folgen, und daher die Ceremonie auf einen andern Tag verschoben werden mußte66. Rand rechts: Wie einsmals das Fußküssen durch einen Hund verhindert worden.[447]

Zu dem Pabste wird niemand mit einem Degen oder Stocke gelassen; es darf auch niemand in seiner Gegenwart Handschuhe anhaben. Rand links: Man wird zum Pabste nicht anders gelassen, als ohne Degen, Stock und Handschuhe. Wenn dannenher die Schweizer vor dem Pabste hergehen und dergleichen an Fremden bemerken, rufen sie alsbald, daß man solche abziehen soll. Die Ablegung des Stockes wurde auch bey der Versammlung der Kardinäle in der Missa Spiritus Sancti beobachtet, und mußte man denselben einem der umstehenden Schweizer aufzuheben geben, wenn man in die Kapelle gelassen werden wollte.

Von denen geistlichen Handlungen, welche der Pabst an gewissen Tagen zu verrichten hat, von jährlichen Proceßionen und andern geistlichen Solennitäten hat man weitläuftige gedruckte Nachrichten, woraus ein neugieriger Reisender ersehen kann, was von ihm in solchen Stücken fast täglich zu bemerken sey. Rand links: Geistliche Ceremonien zu Rom. Einige Handlungen, die sonst in der Charwoche vorzufallen pflegen, unterblieben diesesmal, weil kein Pabst vorhanden, und die Kardinäle im Vatican eingeschlossen waren.

Am grünen Donnerstage kamen etliche geistliche Brüderschaften und eine volkreiche Proceßion von andern Leuten nach der St. Peterskirche. Rand links: Geißeln am grünen Donnerstage. Unter dieser Gesellschaft fanden sich zehn bis zwölf maskirte Personen, welche ihre entblößten Rücken mit vielen Riemen, an deren Enden eiserne Stifte waren, also zerschlugen, daß man es nicht ohne Ekel ansehen konnte, und die Stellen, wo sie sich etwas aufgehalten hatten, an dem Blute auf dem Fußboden der Kirche zu erkennen waren. Hinter einem jeden solchen eigenmächtigen Märtyrer, oder im Beichtstuhle dazu verurtheilten Missethäter, wurde eine brennende Fackel getragen und oftmals an den zerfleischten Rücken gehalten, damit das Blut nicht gerinnen sollte. Benedictus der dreyzehnte hat dergleichen Proceßionen niemals gestatten wollen, sondern als den Christen unanständig verbothen; diesesmal aber war kein König in Israel, und jeder that, was ihm gut dünkte. Wie sich die fanatischen Priester der Bellonæ, Isidis und Deæ Syriæ ihren Göttinnen zu Ehren gegeißelt, ist aus der alten Geschichte bekannt.

Von der Tribune, die über der Statua Veronicæ beym Altare Maggiore erbauet ist, wurde ein Stück Holzes vom Kreuze Christi, ein Stück Eisen von der Lanze, womit er durchstochen worden, und endlich das von Christo einem leinwandenen Tuche eingedruckte Bildniß seines blutigen Angesichtes gezeiget. Rand links: Zeigung etlicher Reliquien. Rand links: Fabel von Veronica. Es ist glaublich, daß aus der Erzählung von Vera icone Christi, der Namender heil. Veronica entstanden67; MABILLONin præf. Musæl Ital. muthmaßet, daß diese unächte Heiliginn ihre Benennung von einem gemalten Gesichte Christi und von φέρω und ἔκων bekommen.

Bey dieser Gelegenheit und dem Zulaufe des Volkes in der St. Peterskirche fand sich auch eine Besessene oder Spiritosa ein, welche durch vielerley Grimacen und Verdrehung der Glieder die Umstehenden zum Mitleiden zu bewegen suchte. Rand links: Begebenheit mit einem Besessenen. Allein ich konnte nicht merken, daß man sich viel an sie kehrte, ohne Zweifel weil die Römer an dergleichen Kriegslisten schon gewohnt sind. So ergieng es auch einer Mannsperson, die mit dergleichen Künsten auftrat. Daß aber alles nur auf ein reiches Almosen gemünzet und dieser letztgedachte Mann noch nicht recht zu seinem Handwerke abgerichtet war, kam dadurch ans Tageslicht,[448] daß da endlich sein Geleitsmann des vergeblichen Wartens überdrüßig wurde, und den Besessenen ermahnte, mit nach Hause zu kehren, dieser so deutlich, daß es die Umstehenden hören konnten, antwortete: non m'hanno dato ancora niente, man hätte ihm noch nichts gegeben. Eine Frau würde ihre Sache besser gemacht haben.

Am grünen Donnerstagsabend höret man in der Kirche des heil. Apollinaris das Miserere, wie es der berühmte Corelli für Singstimmen allein componiret hat, und nach diesem in S. Giacomo dei Spagnuoli die Tenebras unter einer Instrumentalmusik, wobey sich diesesmal Chichino, Menicucetto und Pasquilio, welche für die besten Sänger der päbstlichen Kapelle gehalten werden, hören ließen. Rand rechts: Musik. Von hieraus geht man in das Hospital von S. Spirito dei Pellegrini, wo viele vornehme Leute den Armen die Füße waschen, und ihnen hernach beym Essen aufwarten. Rand rechts: Fußwaschen. Zum Fußwaschen der Mannspersonen ist ein besonderes Gewölbe, worinnen auf erhabenen Stufen oder Bänken vierzig bis sechszig Personen zugleich sitzen. Diese Sitze sind also zugerichtet, daß unter jeder Person ein Hahn geöffnet werden kann, aus welchem das warme Wasser, so aus der Küche kömmt, in das darunter stehende hölzerne Gefäß fließt. Rand rechts: Unterschied der hiesigen Ceremonie, von dem Fußwaschen, welches der König in Frankreich verrichtet. Ich habe ehemals das Fußwaschen, wie es der König und die Königinn in Frankreich an jungen Kindern verrichten, gesehen; allein in Versailles rühren die königlichen Personen die Füße der Kinder kaum mit ihrer benetzten Hand an, und ein dabey stehender Bedienter trocknet sie mit einem Handtuche wieder ab, also daß die ganze Waschung der Füße an zwölf Kindern keine Zeit von drey Minuten erfodert; hier hingegen verfährt man damit, wie es sich gebühret; und weil es ein Zeichen der Demuth seyn soll, so ist billig, daß man wenigstens den Schein einer Erniedrigung nicht gar bey Seite setze. Wenn der Fuß gewaschen ist, so küsset ihn derjenige, so solches gute Werk verrichtet hat. Die Damen verrichteten diese Handlung an armen Weibspersonen in einem andern Saale, worein jedoch auch fremde Mannspersonen gelassen wurden.

Am Charfreytage kamen etliche unserer Gesellschaft unter dem Zulaufe von vielen Leuten mit in eine unterirdische Kapelle der Jesuiten, welche gleich hinter ihnen verschlossen wurde. Rand rechts: Geißelung am Charfreytage. Man theilte darauf einem jeden eine tüchtige Geißel aus, die sich in sieben bis acht Ende oft geknüpfter Reifschnüre vertheilte; ein Jesuite trat vor den Altar, und stellte vor, was unser Erlöser an diesem Tage für das menschliche Geschlecht erlitten habe; das wenigste, so man zur Vergeltung thun könne, sey, daß wir nach seinem Exempel auch unser Fleisch und Blut züchtigten, und vermahne er also alle und jede in diesem heiligen Werke des alten Adams nicht zu schonen etc. Als diese Rede geendigt war, wurden die Lichter ausgelöscht, die Litaney gesungen, und so lange solche dauerte, hörte man nicht auf mit Geißeln auf sich selbst zuzuschmeißen. Diese Vermahnung und Züchtigung geschah zu dreyen malen, und vermuthe ich, daß die Auslöschung der Lichter geschehen, um die Leute nicht über ihr Vermögen zur Schärfe anzustrengen, oder andere zu beschämen, welchedie Oberkleider auszogen, um sich desto kräftiger zu treffen. Den mit eingeschlichenen Protestanten kam indessen die Finsterniß wohl zu statten, weil sie weder Luft oder Hoffnung hatten, auf solche Art den Himmel zu verdienen, noch auch rathsam fanden, erkannt zu werden. Nach geendigter Andacht wurden die Geisseln wieder abgefodert, und die Thür geöffnet.[449]

In der griechischen Kirche war an diesem Tage das Grab Christi mit hölzernen Bildern vorgestellt; der Bischof hatte eine runde Tiare auf, und sang mit der übrigen Geistlichkeit ihre Antiphonias. Rand links: Ceremonien in der griechischen Kirche.

Am Ostersonnabend werden jährlich im Lateran Türken und Juden getauft, auch die Ordines an viele Geistliche ertheilet. Rand links: Ceremonien am Ostersonnabend.

Wer die Kirchen in Rom besehen will, thut wohl, daß er solches nicht bis in die letzten zwo oder drey Wochen der Fasten versparet, weil alsdann die meisten Gemälde der Altäre zugedeckt sind.

Es werden auch zu andern Zeiten von Rom Missionarien auf das Land und in die römischkatholischen Reiche geschickt, um die Leute zur Buße außerordentlich zu bewegen; absonderlich aber geschieht solches in der Fastenzeit. Rand links: Römische Bußprediger. Die Absicht ist vielleicht löblich; allein bey der Ausführung gefällt mir nicht, daß man gar wenig auf eine tüchtige Sittenlehre und den Grund des wahren Christenthums sieht, sondern das Hauptwerk darinnen suchet, daß man nur die Affecten und Thränen der Zuhörer bewege. Rand links: Misbräuche bey diesen Mißionen. Wer es hierinnen am weitesten bringt, wird als der beste Prediger gelobet, und dieses kützelt die meisten solcher Redner. Um ihren Endzweck desto eher zu erreichen, nehmen sie das Crucifix in die Hand, reden es mit besonders nachdrücklichen Worten an, fallen vor ihm nieder, schlagen sich erbärmlich auf die Brust, bringen oftmals auch einen Todtenkopf mit auf die Kanzel, der die Wehmuth der Umstehenden erwecken soll, ihre eigene Thränen stehen allezeit zu ihrem Geboth und Diensten. Sind sie dann so glücklich, daß nur erst eine alte Frau ihrem Exempel folget, so haben sie ein gewonnenes Spiel, und können sie gewiß auf das Vergnügen hoffen, die ganze Versammlung bald in Thränen zu sehen. Allein dieses sind nur palliative Mittel, die den Schaden nichtaus dem Grunde heben. Das menschliche Herz wird nicht so leicht und gleichsam durch eine hinterlistige Ueberrumpelung geändert. Der Pater Maillardo kam vor etlichen Jahren als Mißionarius an den fürstlichen Hof zu Hechingen, und predigte mit vielem Eifer wider den Haß und die Unversöhnlichkeit. Endlich sagte er: Da Christus auch seine Feinde geliebet hat, warum wollet ihr einander nicht vergeben ich weis, daß viele Uneinigkeiten in dieser Gemeine sind, was hinderts, daß nicht gleich in diesem Augenblicke ein jeder sich mit seinem Nächsten versöhne. Ist ein Vater hie zugegen, der mit seinem Sohne in Misverständniß lebt, der stehe um Gottes Willen auf laufe zu ihm, umhalse ihn etc. ist ein Mann, der mit seiner Frau nicht wohl lebet etc. ist ein Schwager etc. Durch dieses und dergleichen Zureden wurden die Zuhörer solchergestalt beweget, daß öffentlich die Leute in der Kirche aufstunden, und unter häufigen Thränen sich miteinander versöhneten. Der Prediger wurde nicht nur mit vielem Lobe, sondern auch mit reichen Beschenkungen überhäufet, und zog seinen Weg dahin, von wannen er gekommen war. Wie stund es aber mit der gleichsam neugebohrnen Gemeine? Nach wenig Tagen verwandelte sich diese fliegende Hitze in eine Kaltsinnigkeit, und diese wiederum in einen Haß, also daß innerhalb dreyen Wochen die Uneinigkeiten und Feindschaften in der Gemeine weiter als jemals vorher giengen.

Ich habe oben vergessen zu melden, daß am Donnerstage vor der Charwoche mit einer großen Proceßion die sieben Kirchen, so zu solchem Ende mit vielen Ablassen begabt sind, besuchet werden. Rand links: Besuchung der sieben Kirchen. Ihre Namen sind 1)S. Pietro in Vaticano. 2) S. Paolo fuori delle mura. 3) S. Sebastiano fuori delle mura. 4) S. Giov. Laterano. 5) S. Croce in Gierusalem. 6) S. Lorenzo fuori delle mura. 7) S. Maria Maggiore; und erstrecket sich der Weg von solcher Wallfahrt auf funfzehn italienische oder drey deutsche Meilen. Absonderlich sieht man[450] allezeit dabey die geistliche Brüderschaft von Philippo Neri. Es entziehen sich auch Kardinäle nicht solcher geistlichen Wanderschaft, gebrauchen sich aber dabey zu verschiedenen malen ihrer Kutschen. Vor fünf Jahren zählte man bey solcher Proceßion bey zwölftausend Menschen, in diesem Jahre aber nur fünftausend. Unterwegens werden ihnen Mittags in der Villa Mattei Wein, Brodt, Aepfel, Eyer etc. umsonst gereichet.

Fußnoten

1 Im Jahre 1716 eräugete sich zu Hannover eine Wette zwischen dem Lord Wharton und dem Comte Monceau, da jener behauptete, es belaufe sich die Anzahl der Einwohner in London auf funfzehnmal hundert tausend Seelen, welches dieser nicht zugeben wollte. Es wurde desfalls an den Lord Maire geschrieben und ihm die Entscheidung der Sache aufgetragen, welcher dem Lord Wharton unrecht gab, die Zahl aber der Einwohner wenigstens von eilfmal hundert tausend zu seyn erachtete.


2 Von des Pabstes Herrschaft über die Engel erinnere ich mich in der utrechtischen Stadtbibliothek im Manuscripto der Bullæ anni Jubilæi 1350, welche Clemens der sechste ausgehen lassen, gelesen zu haben:Mandamus Angelis Paradisi, quod animam illius a purgatorio penitus absolutam in Paradisi gloriam introducant.


3 Die Agnus Dei werden am grünen Donnerstage und Charfreytage in dem ersten Jahre einer jeden päbstlichen Regierung, und hernach von sieben zu sieben Jahren mit vielem Gepränge geweihet und getaufet. Rand links: Agnus Dei. Man nimmt dazu überbliebene Stücke von denen am Osterfeste gebrannten Wachslichtern; unter welche man für vier bis fünf tausend Thaler anderes Wachs mischet, um die große Menge der Agnus Dei, so jährlich den Pilgrims und andern, welche sie verlangen, umsonst mitgetheilet werden, heraus zu bringen. Ein solches Agnus Dei hat so viele Kraft als das Blut Christi, es hilft auch wider Feuersgefahr, Sturmwetter, Blitz, Wassersnoth und in schwerer Geburt, nach den Versen, welche Urbander fünfte mit drey Agnus Dei an den griechischen Kaiser gefandt hat und im Ceremoniali Romano zu lesen sind:


Fulgura desursum depellit & omne malignum;

Peccatum frangitut Christi sanguis & angit;

Prægnans servatur simul & partu liberatur;

Dona parat dignis, virtutem destruit ignis;

Portatus munde de fluctibus eripit undæ;

Parsque minor tantum valet integra quantum.


Sie haben meistentheils die Größe eines Speciesthalers, eine ganz runde oder ovale Figur, und dürfen nicht anders als aus weißem Wachse verfertiget werden. Die eine Seite stellt ein Lamm vor mit einer Fahne und den Worten: Ecce. Agnus Dei qui tollit peccata mundi; nebst der Jahrzahl und dem Namen des Pabstes, unter welchem sie getaufet worden, wie solche Redensart unter den Katholiken gewöhnlich ist. Die andere Seite zeigt das Bildniß bald dieses bald jenes Heiligen. Die Agnus Deii sind vielleicht in Rom die einzige Sache, so nichts kostet, weil durch ein Decret des päbstlichen Kardinal-Vicarii verbothen ist, sie zu verkaufen. Man hütet sich, sie mit bloßen Händen anzufassen.


4 Daß die Alten ihre flabella oder Eventails aus Pfauenfedern gemacht, sieht man aus einem Kupferstiche beym P. MONTFAVCONAntiqu. expl. Suppl. Tom. I, Tab. II. Rand rechts: Fächel der Alten. Gebrauch derselben beym Messelesen. Von gleicher Arbeit waren die Fächel, womit die Diaconi bey der Messe die Fliegen wegtreiben und verhindern mußten, daß sie nicht in die Kelche fielen. ANSELMVSlib. 3, Ep. 162. DVRANDVS lib. 4, c. 35, n. 8,9. und der Verfasser der Constitutionum Apostolicarun.) Noch heute zu Tage wird bey den Griechen einem Diaconus bey seiner Einsetzung ein solches Geräth in die Hand gegeben.


5 Den Fuß des Pabstes küssen die Kardinäle nur bey der Adoration nach seiner Wahl, und bey der Krönung.


6 Es geschah solches, damit unter währendem solchen Gepränge nur etwas gethan oder gehandelt würde. Rand links: Canonisation eines Heiligen. Denn zur rechten Canonisation eines neuen Heiligen werden vier Consistoria erfodert, deren die ersten zwey geheime, das dritte publicum und das vierte semipublicum ist weil Fremde in diesen bleiben können, bis man ruft:Extra omnes. In dergleichen ersten Consistorio wird das Leben des angeblichen Heiligen geprüfet; und damit der Teufel sich nicht beschweren möge, daß etwas sub- & obreptitie mider ihn aus den Gerichten erhalten worden sey: so wird ihm ein Fürsprecher gegeben, welcher auch Advocatus Diaboli genennet wird, und einige Einwürfe wider die Canonisation und den heiligen Wandel des Candidaten machet; ich weis aber nicht, wenn des Advocaten Principal, nämlich der Satan nöthig fände und Gelegenheit hatte, die Sache zu treiben, ob er nicht öfters und vor allen Dingen seinen Sachwalter eines parteyischen Unterschleifes oder einer Prævarication beschuldigen wurde. Heute zu Tage muß jede Canonisation mit hundert tausend Scudi Romami bezahlet werden, und giengen derselben noch im Jahre 1712 viere auf einmal vor.


7 Ein Kardinal sagte einsmals in der Sedis-Vacanz zu Marino, die Buchstaben S. P. Q. R. hießen Siamo Preti Qui Regnanti; Marino aber antwortete nach seiner angebohrnen Freyheit mit der Erklärung: Sorci Porci Qui Regnate.


8 Corsini ein Florentiner, wurde den 12 Jul. 1730, im acht und siebenzigsten Jahre seines Alters, unter dem Namen Clemens des zwölften erwählet.


9 Die Familie des Kardinals Franciscus Barberini führte Bienen im Wapen. Unter Urban dem achten, welcher aus diesem Geschlechte war, wußten sie dem Lande das Honig so wohl auszusaugen, daß man sagte: quod barbari non fecerunt, fecere Barberini. Nach Clemens des neunten Tode waren drey Barberini mit der Kardinalswürde bekleidet; Franciscus und Antonius, Bruder und Florentiner, und Carolus ein Römer. Uebrigens wird in dieser Poesie öfters auf die Familienwapen der Kardinale gezielet.


10 Der Kardinal Martius Ginetti, eines Kaufmanns Sohn aus Velletri, war grob und wegen seines Geizes dergestalt beschrieen, daß man ihn insgemein einen Juden nennete und beschuldigte, als triebe er heimlichen Handel mit den Juden. Eine Pasquinade sagte auch von ihm:


Ecco che nella giostra entra Ginetto

Grave d' età, nè sperarebbe in vano

Se il Consistorio si facesse al Ghetto.


Der Kardinal Franc. Barberini; dem er die Kardinalswürde zu danken hatte, konnte ihm nicht vergeben, daß, als er währender seiner Verfolgung unter dem Pabste Innocentius dem zehnten von Ginetti fünf und zwanzig tausend Scudi entlehnen wollen, dieser unter dem Vorwande, als habe er solche Summe nicht, ihm eine abschlägige Antwort gegeben.


11 Der Kardinal Antonius, ein Bruder des Kardinals Francesco Barberini, war unter der Regierung seines Vetters Urbans des achten Generalissimus in den Staaten von Bologna, Ferrara und Romagna wider die Republik Venedig, den Großherzogen von Florenz und die Herzoge von Parma und Modena; er wurde übrigens für freygebig und einen Liebhaber des Frauenzimmers gehalten.


12 Als der Kardinal Franciscus Maria Brancaccio Bischof zu Cappaccio im Neapolitanischen war, schickte der Vice-Roy einen Hauptmann dahin, der verschiedenes wider die Freyheiten der Kirchen unternahm. Diesem widersetzte sich Brancaccio, und der Hauptmann wurde auf seinen Befehl erschossen. So viele Verdrießlichkeiten ihm dieses in Spanien erweckte, so sehr recommendirte es ihn am päbstlichen Hofe, und Urban der achte machte ihn im Jahre 1633 zum Kardinale, daher man zum Spotte sagte: Chi uccide uno Spagnuolo è fatto Cardinale, e chi due Papa. Nach dem Tode Clemens des neunten wurde er im Jahre 1670 zum Pabste vorgeschlagen, von den Spaniern aber ausgeschlossen.


13 Hulderich Carpegna von Urbino hatte wenigen Verstand. Im vorhergegangenen Conclave sagte man von ihm:


Carpegna ch' à una debil complessione

Si tien spedito, perche questa volta

Li Medici non fanno ordinatione;


weil nämlich der Großherzog von Florenz, dem er ganz ergeben war, damals keinen Kardinal aus seinem Hause und nicht viel im Conclave zu sagen hatte.


14 Giulio Gabrielli war ein Römer.


15 Cesare Facchinetti aus Bolognabürtig, war ein kluger und beliebter Mann, dabey aber von schlechter Gesundheit.


16 Carlo Rosetti aus Ferrara, mischte sich allenthalben in Negotiationen und politische Händel, in welchen er jedoch niemals glücklich war.


17 Virginio Orsino aus einem der vornehmsten Häuser in Rom, wollte als Abbé den geistlichen Stand niederlegen und sich mit der Prinzeßinn Ludovisi vermählen; Urban der achte aber, dem die Vereinigung solcher zweyen angesehenen Häuser nicht anstund, und sie auf keine andere Art zu hintertreiben wußte, machte, so bald ihm dieser Anschlag zu Ohren kam, den Orsini unvermuthet zum Kardinale. Er hielt die französische Partey, war Kardinal. Protector von Portugall, und hatte dabey die polnischen Sachen unter Händen.


18 Girolamo Grimaldi ein Genueser, hatte viele Verdienste; sein Vaterland aber stund ihm zur höchsten Würde im Wege.


19 Rinaldo d'Este führte einen Adler im Wapen.


20 Federico Sforza ein Römer, von unruhigem Geiste, der sich besser zum Soldaten als zum Priester geschickt hatte, konnte sich insonderheit mit der französischen Partey und dem Kardinale Antonio nicht vertragen.


21 Lorenzo Imperiale war ein Genueser. Ueberhaupt werden die Genueser sur geizig gehalten.


22 Der Kardinal Carolus Pio war aus Ferrara bürtig.


23 Franc. Albici da Cesena, war ein witziger dabey aber auch hitziger und unruhiger Kopf. Das Haus Chigi war ihm nicht gewogen, weil er wider dasselbe mit seiner gewöhnlichen und satirischen Freyheit öfters gesprochen hatte.


24 Der Kardinal Decius Azzolinus lebte in vertrautem Vernehmen mit der Königinn Christina, wurde auch von ihrzum Erben eingesetzet.


25 Er wurde Pabst unter dem Namen Innocentius des eilften und war sehr langer Statur.


26 Ward Pabst unter dem Namen Alexanders des achten.


27 Bonelli, das ist, piccolo in bonrà. Carlo Bonelli hatte keinen großen Verstand; und weil er bey Gelegenheit seiner Nunciatur in Spanien viele Liebe für diese Nation bekommen, so waren ihm die andern Parteyen und insonderheit die französische sehr zuwider.


28 Dieses zielet auf des Kardinals Spada Wapen.


29 Friederich ein Prinz aus dem landgräflichen Hause Hessen-Darmstadt, trat im zwanzigsten Jahre seines Altersvon derevangelischenzu der römischkatholischen Religion; wurde Kardinal im Jahre 1652, Bischof zu Breßlau im Jahre 1673, und starb 1682.


30 Lorenz Raggi aus Genua, war ein Geizhals.


31 Carlo Gualtieri wurde im Jahre 1654 gegen die Osterzeit, nämlich den 2 März Kardinal. Nach Maldachino warerder schlechteste imganzen Collegio.


32 Giov. Franc. Gondi, Kardinal von Retz, ein Franzose, war mit Mazarin und dem französischen Hofe zerfallen. Gegen seine Nation aber behielt er noch allezeit viele Neigung, und ließ sich nicht durch die Spanier gewinnen. Von seinem unruhigen und ehrgeizigen Geiste giebt die französische Historie genugsame Zeugnisse an die Hand. Habetis fratres, sind die Worte, welche der Pabst sagt, wenn er die auf einem Zettel geschriebenen Namen der neuen Kardinäle hervorzieht und auf die Tafel leget, wonächst solcher vom Kardinalpatron, oder dem ältesten Kardinale verlesen wird. Vorzeiten hatte das Kardinalscollegium bey der Wahl seiner neuen Mitglieder ein mehreres zu sagen, welches dem heiligen Vater nicht allezeit bequem fiel.


33 Dieses geht auf den Kardinal Santa-Croce, einen Römer.


34 St. Carolus Borromäus war ehemals Erzbischof von Mayland, und der hiergenannte Kardinal Giberto Borromei hatte die spanische Partey oder Karln den zweyten wider sich. Uebrigens übertrifft diese Familie fast alle andern in dem Mayländischen an Menge der vornehmen geistlichen Personen, so aus ihr gekommen stud.


35 Mai heißt niemals. Francesco Maldachino war ein elender Stümper, welcher alles seiner Verwandtinn der Signora Donna Olympia zu danken hatte.


36 Carolus Barberinus war damals nur etliche und vierzig Jahre alt.


37 Dieses zielet auf den Kardinal Aldarano Cibo aus dem fürstlichen Hause Massa di Carrara.


38 Der Kardinal Ludovicus Homodei von Geburt ein Mayländer, war etwas hitzig in seinem Umgange. Er hat viele Unkosten an die mayländische Nationalkirche von St. Carolo Borromäo zu Rom gewendet, und ist auch darinnen begraben.


39 Innico Caraccioli war aus einer angesehenen Familie von Neapolis.


40 Der Kardinal Petrus Vidonus; ein Cremoneser, führte einen Thurm im Wapen.


41 Der Kardinal Chigi suchte den Celsi auf den päbstlichen Stuhl zu erheben, daher war die französische Partey, wie auch die Medicei und Barberini wider ihn, und seine allzufreye Lebensart gab seinen Feinden einen guten Vorwand. Ueber dieses wußte man, daß Ravizza, ein bey jedermann verhaßter Prälat, gar vieles bey Celsi galt und fast alles zu sagen hatte. Die Feindschaft zwischen dem Kardinal Barberino und Celsi gieng so weit, daß dieser letzte soll gesagt haben, er wolle lieber des Paradieses und noch vielmehr der päbstlichen Würde entbehren, als eines von beyden der Hülfe des Kardinals Barberino zu danken haben. (ilCadinalisimoP. III, l. 3, p.327.) Weil aus Celsus durch Versetzung der Buchstaben Scelus kömmt, so machte man folgende, wiewohl zweymal wider die Prosodie anstoßende Anmerkung:


Qui dixit Celsus, scelus indicarevidetur,

Nam scelus & Celsus nomine sonat idem.


42 Caraffa heißt eine gläserne Flasche.


43 Die fürstliche Familie der Piccolomini, so zween Päbste, Pius den zweyten und Pius den dritten gegeben hat. ist aus Siena, welche Stadt die den Romulus und Remus säugende Wölfinn im Wapen führet.


44 Pascale d'Aragona ein Spanier, hatte zum Bruder den spanischen Gesandten in Rom, Den Pietro d'Aragona, der nach dem Kardinale auch Vice-Roy in Neapolis wurde. Der Kardinal bekam endlich das Erzbißthum zu Toledo, und viele nennten ihn il Mazarino di Spagna.


45 Nerio Corsini ein Florentiner.


46 Jac. Franzoni ein Genueser, war erstlich päbstlicher Schatzmeister, hernach Bischof zu Porto und Camerino; wurde übrigens für einen ehrlichen und aufrichtigen Mann gehalten.


47 Wegen seiner Begierde zu bauen.


48 Alfonso Litta ein Maylander, hatte es mit seinem Vaterlande und den Spaniern verdorben, als er in seinem Erzbißthume zu Mayland die Kirchenfreyheit allzusehr erweitern wollen.


49 Lud. Moncada war ein Sicilianer.


50 Franciscus Maria Mancini ein Römer.


51 Die Visconti führen eine Schlange in ihrem Wapen.


52 Giovanni Delfini ein Venetianer.


53 Carlo Roberti war ein Römer. Rubbare oder Rohbare heißt rauben oder stehlen.


54 Girolamo Bonvisi von Lucca, eine Creatur Alexanders des siebenten, wurde für einen verständigen, geschickten und gerechten Mann gehalten, hatte aber wenigen Anhang wegen des hochmüthigen Geistes seines Nepoten Francesco Bonvisi; die Spanier liebten ihn nicht, weil einer seiner Pronepoten damals wirklich in französischen Diensten stund; der Großherzog von Florenz war ihm auch als einem Lucceser nicht gewogen. In dem letzten Conclave wurde er von der Partey der Chigi vorgeschlagen; allein Rospigliosi, welcher sich mit Franc. Bonvisi nicht vertragen konnte, gab ihm die Exclusion, und die Franzosen wollten aus Liebe zu Rospigliosi nichts für Bonvisi thun. Er hatte einen Kometen im Wapen.


55 Hier scheint auf den Kardinal Conti gezielet zu seyn.


56 Jac. Phil. Nini aus Siena bürtig, war unter Alexander dem siebenten Maggiordomo del Palazzo Apostolico gewesen.


57 Leopold war ein Bruder des Großherzogs von Florenz.


58 Der Kardinal Sigismundus Chigi war noch nicht neunzehn Jahre alt, als er von Clemens dem neunten zum Kardinale gemacht wurde, weil damals bey seiner Erhöhung kein anderer aus dem Hause Chigi zur Kardinalswürde geschickter war, und es eine alte Gewohnheit, die Restitutio genennet wird, ist, daß ein neuer Pabst aus Dankbarkeit seinen Kardinalshut an einen Verwandten desjenigen Pabstes. der ihn zum Kardinale gemacht (wie Clemens dem neunten von Alexandern dem siebenten aus dem Hause Chigi geschehen war) vergebe. Er nennete sich bloß Sigismund, wie unter den dreyen barberinischen Kardinälen nur einer den Namen der Familie führte, und die andern sich mit dem Taufnamen begnügten.


59 Emanuel Theodose de la Tour, Kardinal von Bouillon.


60 Der Kardinal Altieri, welchem endlich das Gluck so günstig war, daß er in diesem Conclave unter dem Namen Clemens des zehnten, auf den päbstlichen Stuhl erhoben ward, hatte sechs Sterne, welche diePlejades vorstellen, im Wapen. Dieses mitternächtige Gestirn heißt bey den Arabern Altiere; und weil man ihm starke Regen und Austretungen der Strömezuschreibt, so haben etliche Gelehrte Gelegenheit genommen, die Worte der fälschlich so benannten Prophezeihung Malachiä: De fluminemagno auf diesen Kardinal zu deuten. Vor seiner Wahl hatte jemand die satirischen Verse, welche mit dem obangeführten Lateinischen übereinkommen, gemachet:


Altieri, le tu e stelle sono fisse ò erranti?

Se sono erranti, non te diran il vero;

Se sono sisse, non anderanno avanti.


das ist:

Altieri, sind deine Sterne Fix- oder Irrsternet Sind sie Irrgestirne, so werden sie dir die Wahrheit nicht sagen; sind sie aber Fixsterne, so kommen sie nicht weiter.

Worauf ein anderer antwortete:


Sciocco, le mie stelle non sono erranti,

E me diran il vero; sono sisse

E col moto del Ciel andaranno avanti.


d.i.

Meine Sterne sind nicht aus der Zahl der Irrenden, und werden mir die Wahrheit sagen; sie sind Fixsterne, und werden durch die Bewegung des Himmels weiter kommen.

Das alte Wapen der Familie waren Hunde. (Hist. des Conclaves, T. II, p. 224.)


61 Giacomo Rospigliosi war ein päbstlicher Nepote und eben vorher Kardinalpatron gewesen. Er hatte eine große Verwandschaft und unter andern fünf Bruderssöhne in Pistoja, weswegen ihm niemand die päbstliche Würde wünschte.


62 Bey dem katholischen Scribenten Petro SuaviPOLANOin Historia Concilii Tridentini lib. VI, p. m. 622, sq. ist desfalls ein merkwürdiger Ort zu lesen:Solens est Cardinalibus, cum ingrediuntur Conclave, in quod includendi sunt ad electionem futuri Pontificis, ut singuli duos habeant ministros, unum tanquam Sacellanum, alterum veluti Cubicularium. Hos plurimum eligunt non tam ut personis Dominorum, quam utnegotiationibus inserviant, adeoque usuvenire solet, ut optimi censeantur in urbe Roma aulici, non minorem in negotiando ac suffragiis emendicaudis, quam ipsi Domini, partem obtinentes. Unde consuetudo inveteravit, ut egressi conclave in novi Pontisicis familiam adsciscantur, horumque singuli privilegiis loco ac conditionecujusque convenientibus, prout Sacerdotes sunt aut Seculares, ornentur. Jam inter Privilegia, quæ dari solebant Sacerdotibus, hæc erant, ut, quæ possidebant benesicla, in manus cujuscunque Ecclesiastici ad libitum resignare possent, qui Item ut Sacerdotia sua cum quocunquealtero benesicium tenente possent permutare, & ad voluntatem deligere eum, qui in utrumque benesicium conferret. Ab hac facultate adeo immani & extraordinaria nata est aperta benesiciorum nundinatio: adeo, ut Fpiscopis, quorum in Diœcesi talis aliquis Conclavista erat, necesse esset, Canonicatus, benesicla parochialia, aliaque magno Fcclesiæ scandalo ad ipsorum arbitrium permutanda permittere. De his Hispanorum erat que – – Es blieb aber bey dem alter.


63 Die vier vornehmsten Familien von Rom sind Orsini, Colonna, Conti und Savelli; nach ihnen folgen die Sforza, Gaetani, Cesarini, Cesi, Caffarelli, Salviati, Altems. Carpena, Rufpoli, Vaini, Muti, Lanti, Frangipani, Borghese, Chigi, Pichi, Ludovisi, Falconiere, Cibo, Elisei, Justiniani etc. Das Haupt der Familie von Orsini ist jederzeit Capo Barone e Principe del Soglio. Sie führet Rosen nebst einem Aale im Wapen, und soll das böhmische Geschlecht derer von Rosenberg von einer Linie der Orsini, als sie im Jahre 1010 durch die Gibellinen von Rom vertrieben worden, seinen Ursprung haben. Das Haupt der Familie von Colonna ist erblicher Grand-Conétable des Königreichs Neapolis. wie auch Capo Barone e Principe del Soglio Papale. Das Haupt der Savelli ist Marschall der heiligen Kirche und Erbhüter oderGardien des Conclavis. Das Haupt der Familie Conti, Herzog von Poli ist Prefetto della Cappella Papale. Das Haupt der Cesarinibekleidet allezeit das Amt des Gonfalionere des heiligen Stuhls. Dje Principi del Soglio stehen bey öffentlichen Solennitäten zur Rechten des päbstlichen Stuhls, und weichen darinnen niemanden als den Nepoten des regierenden Pabstes.


64 Aus dem Bullario Magno erhellet, daß schon Urban der achte diejenigen so Toback in der Kirche nehmen würden, in den Bann gethan habe, und gaben die Klagen des Capitels von der sevilischen Domkirche dazu Anlaß. Die spanische Geistlichen giengen so weit, daß sie auch vor dem Altare, währender Zeit sie Messe lasen, sich dieser üblen Gewohnheit nicht entbrachen, welche bey ihnen von desto größerer Wichtigkeit und mehrerem Nachtheile seyn konnte, weil nach der römischkatholischen Lehre, durch die Zerstreuung der Gedanken oder den Mangel der Intention des Priesters die Wirkung eines Sacramentes, und also allhier bey der Messe die Transsubstantiation nicht erhalten wird. Daß man aber den Zuhörern den Gebrauch des Tobacks untersagen wollen, kömmt vermuthlich daher, daß man solches anfänglich wider den Respect zu seyn erachtet hat.


65 Die stolzen Italiener haben von undenklichen Zeiten her schlechte Begriffe von dem Witze der Deutschen geäußert. Wie verächtlich redet nicht Joh. Anton. CAMPAN. epist. l. VI, ep. 6: nihil se vidisse in Germania, quod oculos, nihil quod manus, nihil quod sensum aliquem humanitatis delectare potuerit. Joh. Bodinus, ein Franzose, führet gleiche unartige Sprache ap. LANS. in Orat. adv. Gall. Germanos esse stupidos &rusticos, minimum rationis & plurimum roboris habentes, leves, suavitatem orationis ac veneres dicendi respuentes. Und Barclaius in satir. p. 374: stuporem naturalem Germanos a subtilitate ingeniorum prohibere. Es ist in Wahrheit ekelhaft, solche unanständige und niederträchtige Beschuldigungen zu widerlegen. Vernünftige Italiener urtheilen ganz anders. Wir wollen den Muretus reden lassen: Olim fortassis Germani asperi fuerunt & barbari: hoe quidem sæculo vereor, ne ad Italos barbaries, ad illos splendor vitæ & eruditio atque humanitas mutatis sedibus commigrarint. Auch Jovius läßt den Deutschen Gerechtigkeit wiederfahrenin elog. doctor. viror. p. 278: Offertur nobis lætissima seges ab ipsa mirabili Germanicicœli fertilitate. Occulta hercle! siderum commutatione evenisse arbitramur, ut illud cœlum molestis boreæ flatibus, frigore geluque damnatum horrida dudum torpentiaque ingenia mollierit & excitarit. Neque enim contenti veteri sua militlæ laude, qua Martium decus Romanis, gentium victoribus, ereptum stabili disciplina feliciter tuentur: ipsas etiam, pacis ornamenta, litteras optimasque artes decoquenti Græciæ ac Italiæ dormitanti, quod pudeat, abstulerunt. Selbst Bodinus scheint sich eines bessern zu besinnen method. hist. c. 5: Atquæ natio tam immanis ac barbara, quæ nacta duces ad humanitatem perducta non fuerit? aut quæ gens politissimis artibus imbuta, quæ humaniore cultu neglecto in barbariem ac feritatem non aliquando degenerarit? Atque ejus rei quum insinita sint exempla, nullum tamen illustrius est quam Germanorum, qui quum a feritate belluarum, ut ipsi confitentur, non procul abessent: quum in paludibus ac silvis ferarum morevagarentur, quum inveterato quodam odio semper a litteris abhorruissent: nunc tantum profecerunt, ut humanitate Asiaticis, militari disciplina Romanis, religione Fbræis, philosophia Græcis, geometria Aegyptiis, arithmetica Phœnicibus, astrologia Chaldæis, opificiorum varietate populis omnibus superiores esse videantur. Et quidem Machiavellus suæ ætatis Italos urbane increpuit, quod quum ingeniosi sibi admodum viderentur, attamen Germanos accirent ad metiendos fines agrorum. Quin etiam Leo Pontifex Maximus quum solis ac lunæ cursum emendare vellet, legatosin Germaniam, ut olim Cæsar in Aegyptum, misit.


66 Conf. Richard. BAKERRin Historia Angliæ.


67 Es ist dieses nicht das einzige Beyspiel, da die Unwissenheit dem Aberglauben Nahrung verschaffet hat. In der römischen Kirche wird das Fest der eilf tausend Jungfrauen mit der größesten Ehrerbiethigkeit gefeyret. Was ist aber gewissers, als daß dieses Fest einem Misverständnisse den Ursprung zu danken habe? Man las in einem alten Martyrologio:S. S. Vrsula & Vndecimilla V. M. das ist: Sanctæ Vrsula & Vndecimilla virgines martyres. Welch eine wichtige Entdeckung, da man aus dem einzigen Worte Vndecimilla eine so große Anzahl von verehrungswürdigen Märtyrern herausbringen konnte.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 451.
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