[451] Acht und vierzigstes Schreiben.

Von der Luft und Lebensart zu Rom. Von des Prätendenten Person uno Hofstaate etc.

Mein Herr!


Die Stadt Rom hat von den alten Galliern, Vandalen, Herulern, Ost- und Westgothen, wie auch von den deutschen Truppen, sonderlich im Jahre 1527 unter Karln von Bourbon, so vieles erlitten, daß man sieben Hauptverstörungen derselben rechnet. Rand rechts: Sieben Zerstörungen der Stadt. Dahin zielet der Verfasser der satirischen Grabschrift Benedicts des dreyzehnten:


Riposa in questo Avello

L' Ossa d'un fraticelio,

Più ch' amatore di Santi

Protettore de Furfanti

Per opera di sua mano

L'ottavo sacco fù Beneventano.


Andere rechnen zwölf Verwüstungen der Stadt. Dieses ist gewiß, daß dadurch ihre Lage und Boden sich sehr verändern müssen. Rand rechts: Veränderung des Bodens. Man hat itzt Mühe, die sieben alten Berge von Rom recht zu unterscheiden, weil durch die rudera vieler Häuser und Straßen die niedrigen Plätze hie und da ausgefüllet sind, und man bisweilen kaum merket, daß man ehemalige Hohen zu steigen habe. Man weis aus dem Alterthume, daß von der Straße dreyzehn Stufen hinauf zu steigen waren, wenn man in die Rotonda gehen wollte; heut zu Tage ist der ganze Platz von einerley Höhe mit dem Fußboden der Kirche. Die Columna Trajani liegt mit ihren Inscriptionen und Fußgesimsen viel niedriger als der angränzende Platz, daher man den Graben herum mit einer Mauer einfassen müssen, damit das unterste der Seule nicht gänzlich verschüttet werde. Man gräbt noch öfters tief unter den itztstehenden Häusern überbliebene Seulen, Statuen und Fundamente von alten Gebäuden aus, ja an etlichen Orten kömmt man nicht eher, als nach einer Tiefe von etlichen und zwanzig bis dreyßig Fuß, auf das Pflaster der alten Stadt. Daß dieses eine große Veränderung guch in der gefunden Luft des Ortes verursachet habe, ist leicht zu erachten. Rand rechts: Veränderung der gesunden Luft.

Die kostbaren Cloake und Kanäle, wodurch die Unreinigkeiten der Stadt vorzeiten in die Cloacam maximam geleitet wurden, haben zwar noch häufige Oeffnungen, wodurch diese Unreinigkeiten und das Wasser einlaufen kann; allein die meisten Ausgänge sind verstopfet, ja selbst die Cloaca maxima in schlechtem Stande. Rand rechts: Warum das heutige Rom ungesund. Hiedurch muß nothwendig[451] eine Fäulung entstehen, welche sich deutlich äußert, wenn in die Tiefe gearbeitet wird, und ein solches verschüttet gewesenes Loch eine Oeffnung bekömmt; denn da hat man viele Exempel, daß die Arbeitsleute, so sich nicht wohl in Acht genommen, von solchen giftigen Ausdünstungen ihr Leben verlohren haben1. Gleiche Veränderungen haben sich auf dem Lande eräuget. Verschiedene Gegenden nach der See waren vor alten Zeiten nicht nur mit schönen Städten und Pallästen besetzet, sondern man nahm auch seine Zuflucht dahin als in die allergesundeste Orte, wenn man von andern Plätzen durch die Furcht der Pest vertrieben wurde. Heut zu Tage ist alles umgekehrt, und der meiste Theil der Seeküste ist ein stinkendes morastiges Land, in welchem viele Klöster in währenden heißen Sommertagen ledig stehen, weil sich die Mönche wegen der ungesunden Luft auf einige Zeit anders wohin zu begeben pflegen. Selbst in der Nähe von Rom ist die Erde und das Feld schlecht bebauet, die Irrlichter und feurigen Dünste sieht man häufig des Nachts in derselben, welches vorzeiten nicht gewesen seyn muß, weil man sonst ein mehrers davon im Livius unter seinen Wunderzeichen und Vorbedeutungen, wie auch in der römischen Mythologie und unter den Versöhnungsopfern finden würde. Die Minera Sulphuris wird an vielen Orten in der Nachbarschaft der Stadt Rom als weiße Erde ausgegraben, und der Schwefel per sublimationem davon abgezogen. Vitriol wird häufig verfertiget, und heißt insbesondere der grüne, welcher aus den Kupfergruben kömmt, Vitriolum Romanum. Alume di Rocca wird gleichfalls nicht weit von Rom zubereitet und gesotten; und am Arsenico mangelt es auch nicht. Aus allen diesen Werken und Hütten kommen viele ungesunde Ausdünstungen, von welchen Alt-Rom befreyet war, weil diese Erzte und Minen damals entweder unbekannt oder noch nicht reif waren.

Ich weis nicht, ob diese Umstände alle zusammen genommen, nicht denjenigen Unterschied der Witterung hervorgebracht haben, welchen einige in Ansehung der gelinden Winter in diesem Lande beobachtet haben. Rand links: Veränderung der Witterung. Aus etlichen Stellen des HORATII sieht man, daß damals des Winters die Straßen in Rom voll Schnee und Eis gewesen; und die sechste SatiraIVVENALIS beweist, daß es eine gewöhnliche Sache gewesen, die Tyber zu solcher Zeit gefroren zu sehen. Heute zu Tage muß es ein harter Winter seyn, wenn der Schnee zweene Tage in Rom liegen soll, und die Tyber gefrieret niemals.

Dieser Fluß hat von dem veränderten Erdreiche, durch welches er fließt, auch schlechten Vortheil gehabt. Rand links: Von dem Wasser der Tyber. Seine Ausflüsse in das Meer haben sich sehr versandet und verschleimet, sein Alveus oder Grundbett ist durch so viele Verschüttungen von daran gelegenen Häusern erhöhet, und entstehen daher sonderlich bey anhaltendem Südwinde oftmalige Austretungen desselben, wodurch sich vieles Wasser in die Stadt Rom und die benachbarte Gegend ergießt, welches mit der Zeit faulet. Die päbstliche Kammer hat zwar durch einen Holländer, Namens Cornelius Meyer, etliche gute Werke, um den Fluß in seinen Schranken zu erhalten, anlegen, auch denselben an etlichen Orten reinigen lassen; allein es läßt sich nicht alles auf einmal zwingen. Viele bilden sich ein, man würde große Schätze und viele kostbare Alterthümer, die in Kriegsnöthen und bey den Zerstörungen der Stadt in die Tyber wären geworfen oder versenket worden, finden, wenn man den Fluß auf eine Zeitlang ableiten und seinen itzigen Grund und Boden untersuchen könnte. Sein Wasser ist meistentheils[452] so trüb, daß man es auch nicht einmal zum Pferdetränken gebrauchet, und wird es erst, nachdem eszweene oder drey Tage gestanden, zum Trinken gesund und brauchbar.

Die Römer fürchten sich, in Ansehung der ungesunden Luft, vor den Hundstagen und der darauf folgenden Zeit. Rand rechts: Gesundheitsregeln im Sommer. Es ist kaum zu sagen, wie viele Vorsicht man ihrer Meynung nach in der heißen Sommerzeit zu Erhaltung seiner Gesundheit zu brauchen habe. Eine vernünftige und gute Regel haben sie in den Versen:


Giugno, Luglio e Agosto

Donne mie non vi cognosco.


Dabey bleibt es aber nicht (und wird sie vielleicht am wenigsten beobachtet), sondern man behauptet auch, daß einer, der in Rom zu leben gewohnt ist, nicht innerhalb funfzehn bis zwanzig italienische Meilen außer der Stadt schlafen dürfte. Reiset man nach Rom, so nimmt man in Acht, daß man das letzte Nachtlager nicht innerhalb solcher Weite außerhalb der Stadt halte. In Rom selbst wechselt man zu solcher Zeit nicht gern mit dem Schlafzimmer, wenn das neue gleich in eben demselben Hause ist. An das Umziehen in ein ander Haus denket man so wenig zwischen St. Petri und Allerheiligen Tag, daß man auch einen in der Bezahlung saumseligen Miethmann nicht zwingen kann, in solcher Zeit auszuziehen. Wie man sonst seinen Freunden ein Neujahr wünschet, also machet man hier einander auch Complimente beym Eintritte des Augustmonats. In solcher Jahreszeit geht man des Tages über wenig aus dem Hause, des Abends aber nach der Sonnen Untergange erlustiget man sichmit Spazierengehen oder Fahren, und suchet jedermann sonderlich den ersten Augusti mit delicaten Essen und kleinen Gastereyen sich und seinen Freunden etwas zu gute zu thun, welches man Far Agosto oder Ferragosto nennet, entweder nach der Redensart, da man far gozzovigile und faire bombance spricht, oder von den Feriis und feriatione Augusti. Rand rechts: Far Agosto. Die Vinalia der alten Römer singen etwas später an, nämlich gegen das Ende des Augusts oder den XIV. Kalend. Septembris (PLIN. l. 18, c. 29), und hatten ihren Namen nicht von der Weinlese, weil in diesem Monate der Wein noch nicht reif ist, sondern von dem Gelübde des Aeneas oder Ascanius, da er in der Schlacht wider den Mezentius dem Jupiter allen Wein, welcher in selbigem Jahre wachsen würde, geheiliget und zugesaget hatte. Zum Andenken dieser Geschichte wurden diese Feste dem Jupiter jährlich im August gefeyret, und mit der Benennung Vinalia rustica von den andern Vinalibus, welche im April der Venus gefeyret wurden, unterschieden. (PLVTARCHProblem. c. 43.) Beyde scheinen einerley Ursprung zu haben, und ist vermuthlich im April das Gelübde ausgesprochen, im August aber der Anfang zu dessen Erfüllung gemacht worden.

In England geschehen die meisten Selbstmorde zu Anfange oder Ende des Winters, weil zu solcher Zeit der Nordostwind regieret, welchen die Engländer weder für Menschen noch Vieh gut halten; in Rom aber werden die meisten Uebelthaten in den zween Monaten der großen Hitze ausgeübet, welches man dem allzusehr erhitzten Geblüte zuschreibt. Ich halte indessen dafür, daß wenn die Gerechtigkeit besser gehandhabet, und die Freystäte der Kirchen abgeschaffet würden, so sollte sich diese vorgewandte Hitze leicht mindern.

Daß in London bey anhaltendem Nordostwinde die Fieber und Flüsse mehr als zu anderer Zeit regieren, kömmt von den faulen und schädlichen Ausdünstungen, welche besagter Wind aus den Morästen von Norfolk, Suffolk und Essex mit sich bringet. Rand rechts: Warum die Südwinde in Rom Krankheiten verursachen? Das Gegentheil war im gelobten Lande, woselbst (nach Luc. 12, v. 54) die Ostwinde, weil sie über einen sehr langen trocknen Strich Landes kamen, auch trocknes und helles Wetter mit sich brachten; gleichwie hingegen der Abendwind die aus dem Meere aufsteigenden Wolken und[453] Regenwetter zuvor andeutete. In Rom verursachen die Südost- und Mittagswinde absonderlich der von den Italienern aus dem arabischen Worte Xaloque benannte Scirocco (in der griechischen Sprache Eurus, und im Latein Vulturnus) vielerley Krankheiten, weil sie sowohl aus den sumpfichten und öfters überschwemmeten Ufern von Africa, als auch von denen nahe an die römische Gegend gränzenden Morästen, viele ungesunde Ausdünstungen mit sich führen, welche heute zu Tage desto ungehinderter nach Rom gelangen, je einen größern Fehler Gregorius der dreyzehnte damit begangen hat, daß er aus eigennützigen Absichten einen großen gegen Mittag gelegenen Wald, welcher den größten Theil dieser schlimmen Dünste auffing und abhielt, ausrotten lassen, und dadurch zwar einen fruchtbaren Boden zu Feldern gewonnen, dabey aber der Gegend von Rom eine ungesunde Luft zuwege gebracht hat2. Die Südostwinde würden der Stadt wegen der pontinischen Sümpfe, über welche ihr Strich geht, noch gefährlicher seyn, wo nicht die albanischen und tusculanischen Bergemit ihren Wäldern die Ursache des Uebels meistentheils abhielten.

Ueberhaupt aber machen die Römer aus ihrer gefährlichen Sommerhitze mehr, als in der That daran ist. Rand links: Allzugroße Furcht der Römer. Die Fremden kehren sich nicht so genau daran, und leben deswegen doch so gesund als die Inländer. Wie viele Kardinäle kommen aus fremden Landen nach Rom, wenn die Conclaven in diese heiße Sommerzeit einfallen, ohne so viele furchtsame Sorgfalt zu brauchen, oder hernach ihre Nachläßigkeit mit einer Krankheit zu bezahlen. Wer sollte aber den Kardinälen allein desfalls einen Freybrief ertheilet haben? Zu Cicerons Zeiten muß man gleichfalls von dergleichen Gefahr nichts gewußt haben, weil man aus seinen Briefen ersieht, wie er öfters in Sommermonaten sich zu Rom aufgehalten habe, und bald abbald zugereifet sey. Wenn man hiervon mit den Römern spricht, so verweisen sie einen gleich auf das Exempel des Grafen von Gallas, welcher aller Warnung ungeachtet, in der größten Hitze seine Reise von Rom nach Neapolis fortgesetzet, seiner Frau dabey ehelich beygewohnet, und des Nachts in der Kutsche geschlafen habe. Rand links: Anmerkung über den Tod des Grafen von Gallas. Allein es stehen viele in den Gedanken, daß dieser Vice-Roy, vor dessen Schärfe sich die Neapolitaner fürchteten, zu Fondi mit einem gewissen Wasser Acquetta genannt (dessen Wirkung man auf einen, zweene, drey Monate einrichten kann) sey vergiftet worden. Was die sieben oder acht Bedienten des Grafen anlanget, welche gleichfalls bey ihrer Ankunft in Neapolis ihr Grab gefunden haben: so ist gar natürlich, daß Leute, welche auf der Reise, bey anhaltender Hitze, sich mit starkem Weine und hernach mit vielem bey Eise gestandenen Wasser überladen, ihrer Natur den Rest geben.

Dieses ist nicht zu leugnen, daß wenn nach einem lange anhaltenden Nordwinde alsbald der Südwind zu wehen anfängt, oder auch sonst dieser mit einer starken Gewalt und bey trübem oder neblichtem Wetter sich erhebt, alsdann die menschliche Gesundheit leide; allein dieses ist ein Uebel, so die Stadt Rom nicht allein betrifft, sondern durch ganz Italien empfunden wird. Sonst thut der Sirocco nicht mehr Schaden, als jeder anderer Wind, und Rom hat den Vortheil, daß in der meisten Zeit vom Frühlings-æquinoctio bis in den September die Luft helle und klar ist. Rand links: Wie die Luft in Rom gesunder gemacht werden könne. Der Grund und Boden ist gut, die Berge angenehm, welche mit ihrer subtilen Luft die gröbere Luft der Thäler mäßigen; das reine Brunnenwasser, welches aus reichen und hochspringenden Fontainen sich ergießt, und die Luft stets erfrischet, ist so häufig in Rom, als in keiner andern Stadt; und da man den Austretungen der Tyber immer mehr und mehr begegnet, so zweifele ich nicht, man werde endlich von der allzugroßen[454] Furcht vor der römischen Sommerluft ein wenig abkommen, zumal wenn man fortfährt, nach dem Beyspiele Leo des zehnten, und Urbans des achten mehrere Cloaken repariren zu lassen, und mit guten Gesetzen auf die Reinlichkeit der Stadt und der umliegenden Gegend bedacht zu seyn. Der Pabst Clemens der eilfte hat desfalls ein gutes Exempel gegeben, indem er verbothen, das Kraut Kali, so die Italiener Riscoli nennen, ferner, wie sonst zu geschehen pflegte, auf dem Felde zu verbrennen. Die Asche dieses Krautes dienet zum Glasmachen, durch seine Verbrennung aber kamen so viele scharfe und corrosive Theilchen und Ausdünstungen in die Luft, welche durch den Mittagswind in mehrere Action gebracht wurden, daß sie hernach in der Lunge allerley Geschwüre verursachten. Wenigstens war dieses die Meynung des berühmten päbstlichen Leibarztes Johann Maria Lancisi, welcher überhaupt wider die schädliche Ausdünstungen der sumpfichten Gegenden in diesen warmen Ländern den Rath giebt: Rand rechts: Gesundheitsregeln in warmen Ländern. 1) daß man seine Schlafkammer nicht auf der Seite nach Süden wähle; 2) des Nachts weder Thür noch Fensterossen lasse; 3) daß man fleißig mit harzigem oder Geruch-gebendem Holze und Schwefel räuchere; 4) wenig, aber etwas gutes, esse und trinke; 5) Citronen, Granaten und Eßig an die Brühen thue; 6) mit nüchternem Magen nicht in die Luft gehe; 7) daß man sich des kalten Getränkes bediene; 8) die Nacht- und Morgenluft ehe die Sonne aufgegangen; wie auch 9) die starke Leibesbewegung meide; 10) den Speichel nicht hinunterschlucke; 11) einen mit Spiritu vini und einem theriacalischen Eßig gefüllten Schwamm bey sich führe, um öfters daran zu riechen; und endlich, daß man 12) seine Gemüthsbewegungen in Ruhe zu halten suche. Bis anitzt hält man die Gegend um den Quirinal und das Quartier della Trinità del Monte für die gesundesten in Rom. Das letzte erwählen die Fremden gemeiniglich auch deswegen zu ihrer Wohnung, weil um diePiazza di Spagna die meisten Coffe- und Wirthshäuser anzutreffen sind.

Daß die Stadt Rom an und vor sich selbst nicht ungesund sey, kann man aus dem hohen Alter, wozu es nicht wenige Leute darinnen bringen, abnehmen; und darf man nur nachrechnen, wie viele Kardinäle das achtzigste Jahr bey einem nicht allzuvielen Schwachheiten unterworfenen Alter überschreiten. Rand rechts: Hohes Alter der meisten Kardinäle. Dieser glücklichen Greifen Anzahl erstrecket sich nach etlicher Meynung auf den dritten Theil des Kardinalscollegii, und müssen die alten Römer nicht so mäßig als ihre Nachkommen gelebet haben, weil man in den alten Scribenten nicht liest, daß viele in Rom ein so hohes Alter erreichet haben.

Uebrigens ist die Lebensart in Rom itzt viel angenehmer, als sie ehemals gewesen, indem man fast täglich in Gesellschaften vornehmer Leute von beyderley Geschlechte gehen kann; das unverheirathete Frauenzimmer aber kömmt dabey nicht so zum Vorscheine, wie in andern Ländern, weil sie durch ganz Italien so lange in Klöstern stecken, bis sie entweder alt oder verheirathet sind. Rand rechts: Lebensart zu Rom.

Die Carnavals-Lustbarkeit ist in Rom für Leute, die nicht bloß allein auf Ueppigkeiten sehen, viel angenehmer als zu Venedig, da man die ganze Zeit in schlechten unansehnlichen Larven herum läuft, und die Curtisanen meistentheils nur Weibsstücke sind, die in den österreichischen und kaiserlichen Landen gebrandmarkt, oder des Landes verwiesen worden. Rand rechts: Carnaval. In Rom darf keine als für ehrlich gehaltene Weibesperson auf den Corso kommen, wenn sie sich nicht in Gefahr eines Schimpfes, im Fall sie erkannt würde, setzen will. Noch in diesem letzten Carnaval nahm Mylord – – – etlichemal die Maitresse, welche er in seinem Hause mit großen Unkosten unterhält, in seinem Wagen mit auf die Carna vals-Spazierfahrt; es wurde ihm aber angedeutet, daß man außer Schuld seyn wollte, wenn beyden darüber etwas misfälliges wiederfahren sollte; nach welcher Warnung er sie auch zu Hause ließ. Diese[455] Lustbarkeit währet nur die letzten acht Tage vor dem Anfange der Fasten, und zwar nicht die ganzen Tage, sondern nur von 3 bis 6 Uhr Nachmittags; daher die Römer sagen, ihr Carnaval daure eigentlich nur vier und zwanzig Stunden. Rand links: Il Corso. Der Sammelplatz ist il Corso, eine schöne Straße, welche in gerader Linie von der Porta del Popolo eilf hundert geometrische Schritte, deren jeder zu fünf Fußen gerechnet wird, oder in allen etwan zwey tausend sieben hundert und zwanzig gemeine Schritte betragen, fortläuft. Man hat alle Freyheit, mit oder ohne Maske, zu Fuße oder im Wagen zu erscheinen. Die Kutschen gehen in zwoen Reihen, und folget eine der andern. Die vornehmsten vom römischen Adel erscheinen mit prächtigen Triumphwägen, so der Lustbarkeit ein großes Ansehen machen. Hie und da sind Sbirren gestellt, um allen Unordnungen vorzubauen; der Barigello reitet mit entblößtem Haupte auf und ab, und setzet seinen Hut nicht eher auf, bis ergegen Abend Befehl zum Wettlaufen der Pferde erhalten. Rand links: Wettlauf der Pferde. Dieses ist eine Luft, die man nirgends als in Italien zu sehen bekömmt3. Die vornehmsten Herren suchen hier, wie in England, eine Ehre darinnen, daß sie Pferde unterhalten, welche an dere in Geschwindigkeit übertreffen. In Italien nimmt man meistentheils Pferde aus der Barbarey dazu; die Engländer aber haben nicht Ursache, außer Landes zum Wettlauf geschickte Pferde zu suchen. Rand links: Parallele mit den englischen Pferderennen. Darinnen besteht auch ein großer Unterschied zwischen dieser Lustbarkeit der zwoen Nationen, daß in England auf jedem Pferde ein Reuter sitzt, der mit vieler und genauer Aufsicht den andern Reutern am Gewichte gleich gemacht wird; in Italien aber laufen die Pferde ganz allein, wozu sie besonders abgerichtet werden müssen. An den Seiten und auf den Rücken haben sie unter ledernen Riemen, die mit schwarzem Peche fest gemacht und angeklebet sind, runde Kugeln von Eisen, aus welchen starke spitzige Stacheln gehen, die das Pferd stechen und gleichsam anspornen, sobald es sich beweget. Dergleichen Stachel ist ihnen auch unter den Schwanz gemachet. Sie stehen auf der Piazza del Popolo, fünf bis acht in einer Reihe, und erwarten mit großer Ungeduld das Zeichen, so ihnen gegeben wird, und die Niederlassung des Seiles, das vor ihnen über den Weg gespannet ist. Sobald dieses erfolgt, läßt man sie los, und sie laufen als ein Pfeil durch die ganze Straße del Corso zwischen den auf beyden Seiten haltenden Kutschen, und einer unglaublichen Menge Volkes, ohne scheu zu werden. Der Preis für den Herrn des siegenden Pferdes wird gemeiniglich den Stallbedienten zu Theile, und besteht in einem Stück Brocad von siebenzig bis achtzig Scudi. Dieses geschieht täglich, so lange das Carnaval dauret.[456]

Des Pabstes Clemens des eilften Carnavals-Lustbarkeit bestund darinnen, daß er etliche lustigePatres in einen Wortstreit und Vexiren zusammenhetzen und hernach volltrinken ließ. Rand rechts: Clemens des eilften Carnavalslust. Dieses ist ohne Zweifel etwas menschliches, so dem Vice-Deo, wie Paulus der fünfte sich von einem Schmeichler nennen ließ4, wiederfahren, und hätte man nicht nöthig, am Aschermittwochen den heiligen Pabst so sehr zu verzärteln, daß der Kardinal, der ihm die Asche giebt, die gewöhnlichen Worte: Memento homo, quod pulvis es, auslassen muß.

Des Sommers ist es verdrüßlich in Rom zu seyn, weil jedermann den ganzen Tag zu Hause sich eingeschlossen und Mittagsruhe hält. Rand rechts: Hitze im Sommer. Die Römer sagen auch, wer um solche Zeit auf der Straße herumschweifte, müsse entweder ein Hund, oder ein Narr, oder ein Franzose seyn. Eine angenehme Erquickung hat man an dem kühlen und klaren Brunnenwasser, und an dem gefrornen Getränke, bey welchem der an Bergen gesammelte und in Eisgruben aufbehaltene Schnee gute Dienste thut. Rand rechts: Trinkwasser. Man bedienet sich in Rom viererley Wasser zum trinken, darunter das Flußwasser am wenigsten und nur in etlichen Klöstern gebraucht wird. Das andere ist das Regenwasser, welches in Cisternen gesammelt wird, einige Mühe zu sammeln und rein zu halten kostet, übrigens aber für gar gesund gehalten wird. Die dritte Art wird durch Schöpf- und Ziehbrunnen unmittelbar aus ihren Quellen genommen, und die vierte durch kostbare Wasserleitungen von fernen Orten in die Stadt gebracht. Gleichwie ich keine Stadt gesehen habe, welche nach Proportion ihrer Größe so schlecht mit gutem Trinkwasser versehen ist, als Paris5, also glaube ich auch, daß keine Stadt an Menge der klaren und wasserreichen Springbrunnen Rom übertreffen werde.

Schon unter den heidnischen Römern machten sich Appius Claudius, Manlius Curius, Lucius Papirius, Cajus Servilius Cepion, Lucius Longinus Crassus, Quintus Martius6, Marcus Agrippas7, Augustus und andere um die Stadt verdient durch die kostbarenAquæductus, wodurch sie das frische Wasser zwanzig, dreyßig und mehr Meilen her in die Stadt brachten. Rand rechts: Aquæductus. Tiberius, Claudius, Caligula8 und Caracalla, so schlechte Helden sie auch übrigens waren, schafften doch der Stadt hierinnen gute Vortheile, und Frontin, welcher von den Wasserleitungen der alten Stadt Rom ein gelehrtes Werk geschrieben hat, rechnet nach, daß diese allezusammen der Stadt täglich acht hundert tausend Tonnen Wassers geliefert haben. Heute zu Tage sind drey Hauptwasserleitungen im Staude, nämlich die von Aqua Virgine oder Trevi, die von Aqua Felice, und diePaulina. Rand rechts: Aqua Virgine. Aqua Felice Die erste wurde vom Pabste Paulus dem vierten wieder in guten Stand gebracht. Die andere kömmt von zwey und zwanzig Meilen her aus der Gegend Palästrina, und ist ein Werk, das der glorwürdigen[457] Regierung des Pabstes Sixtus des fünften Ehre macht. Er wendete daran über eine Million Scudi und von dem Namen, welchen er als Mönch geführet hatte, ehe er den päbstlichen Thron bestieg, wird sie Il Condotto dell'Aqua Felice genennet. Sie ergießt sich in Rom durch die Fontana di Termine, welches ansehnliche Werk Sixtus der fünfte durch den Cavaliere Domenico Fontana aufführen lassen. Es besteht solches aus dreyen Arkaden, die auf vier korinthischen Seulen ruhen, und durch drey große Oeffnungen das Wasser ausschütten. Ueber der mittelsten steht die schöne Statue Mosis, wie er den Felsen mit seinem Stabe schlägt; in einem bas-relief der andern Abtheilung führt Aaron das Volk zum Brunnen, der in der Wüste wunderbarer Weise entsprungen war; und in der dritten ist die Geschichte, wie Gideon beym Wasser seine Soldaten aussuchet, vorgestellt. Unten herum stehen vier Löwen, davon die zween weiße marmorne durch Flaminius Vacca verfertigt, die zween andere aber von orientalischem Granite aus dem damals entdeckten Tempel Serapidis hieher gebracht worden sind. Alle vier Löwen speyen Wasser von sich. Am Frontispicio liest man folgende Ueberschrift:


Sixtus Quintus Pontifex Max. Picenus

Aquam ex agro Columnæ via Prænestina

Sinistrorsum multar. collectione

Venarum ductu sinuoso a receptaculo

Mill. XX. a Capite XXII. adduxit,

Felicemque de nomine ante Pont.

Dixit. Cœpit Pont. An. I. absolvit III.

MDLXXXVIII.


Der Namen der Fontana di Termine kömmt von dem nahe gelegenen alten Mauerwerke der Bäder oder Thermarum Diocletiani.

Aqua Paulina, so den Namen ihrem Erneurer undRestauratori dem Pabste Paulus dem fünften zu danken hat, theilt sich in zweene Hauptcanäle, davon der eine auf den Berg Janiculus, der andere nach St. Peter im Vatican und das übrige daselbst liegende Quartier geht. Rand links: Aqua Paulina. Sie kömmt von dreyßig Meilen her, und ergießt sich hauptsächlich durch die Fontaine hinter der Kirche von St. Pietro Montorio, wo der Berg Janiculus am höchsten ist9. Das kostbare Portal haben Fontana und Maderno angegeben. Unter den fünf Oeffnungen sind drey so wasserreich, daß sie als Bäche anzusehen, und im Stande sind, drey Mühlen zu treiben. Die Ueberschrift ist:


Paulus Quintus Pontifex Max.

Aquam in Agro Bracelanensi

Saluberrimis e Fontibus collectam

Veterioribus Aquæ Alsietinæ ductibus

Restitutis novisque additis

XXX. ab milliario duxit A. D. MDCXII.

Pont, sui Septimo.


Der Pabst Alexander der achte hat im Jahre 1690 diesen Brunnen und den umliegenden Platz mit neuen Zierrathen versehen, und verdienet solcher betrachtet zu werden,[458] sollte es auch nur wegen der schönen Aussicht seyn, welcher man von hier über die Stadt genießt.

Aus diesen großen Wasserkünsten werden viele andere mit Wasser versorget, mit deren Beschreibung ich mich nicht aufzuhalten gedenke.

Unter die gesundesten Quellen von Rom wird diejenige gerechnet, welche unten am Berge Quirinali hervorkömmt und von Grillo den Namen führet. Rand rechts: Fonte Grillo. Es ist aber Schade, daß sie nicht gar vieles Wasser giebt.

Außer den öffentlichen Brunnen sind fast in allen guten Häusern und Gärten der Stadt Springbrunnen und zur Luft angelegte Wasserspiele.

Zu besserer Aufsicht über die öffentlichen Fontainen und Straßen ist eine besondere Congregation von Kardinälen und Prälaten angeordnet, deren Haupt allezeit der Kardinal Camerlengo ist. Rand rechts: Aufsicht über die Fontainen. Wegen der Reinlichkeit, und damit weder Ungeziefer noch Staub hinein fallen könne, sind die Wasserleitungen (so mit ihren hohen Bögen und Gewölben ein gutes Ansehen machen) alle mit Steinen bedecket und verwahret, also, daß man darauf viele Meilen weit gehen kann. Ich füge hier nur noch etliche artige Inscriptionen bey, welche auf dem Brunnen des Klosters S. Pietro in Vincoli gemacht sind. Rand rechts: Artige Inscription eines Brunnen. Diesen hatte der Kardinal Barberini auf seine Kosten führen lassen; und weil das Haus Barberini die Bienen im Wapen führet, so zielet der Verfertiger dieser Ueberschriften etlichemal darauf:


Disce hospes aquæ hujus perennitatem

e scatebra inexhausta;

Ea est Cardinalis Barberini Liberalitas.

Disce Suavitatem;

Eam Apes profundunt.

Sapor in aquis cæteris vitium,

In hac mel & nectar est.

Nulla melior influat in hortos aqua.

dum apes propinant.

Melleam flores usuram bibunt.

D. Thomas Mentius Abbas Generalis

Gratlæ referendæ sistens F.

A. D. MDCXLII.


Auf der andern Seite:


Siste adhuc paulisper, & disce hujus aquæ metamorphosin.

Vivo Antonio Card. erat mellea

Barberinis manans ex apibus,

Mortuo evasit amara

nostris permista fletibus.

Nec amisit suavitatem

Suaves enim sunt amoris lacrymæ

Quæ cum perpetuo fluere non possunt ex oculis,

Cum hujus aquæ perennitate funduntur.

Etiam nunc rigat flores

Cum Purpuratos irrigat cineres,

Qui cum nominis æternitate compositi

Vel in sepulchro redolent immortalitatem.[459]

Can. Reg. S. Salvatoris

Suo per triginta & octo annos benesico Protectori

Grati animi monumentum posuere

Sub R. P. D. Jo. Andrea Gallia Veneto Generali tertio

A. D. M. DCLXXI.


Ich kann hier die mineralischen Wasser, welche in Rom des Sommers häufig getrunken werden, nicht mit Stillschweigen vorbey gehen. Rand links: Aqua acetosa. Das vornehmste davon ist aqua acetosa, nicht weit von der Stadt vor der Porta del Popolo, welches der Pabst Alexander der siebente durch den Cavaliere Boromino in der Form eines Theaters von Quadersteinen hat fassen lassen, wie die Inscription zeigt:


Alexander VII. Pont. Max.


Ut Acidulæ aquæ salubritatem nitidius hauriendi copia & loci amœnitas commen daret repurgato fonte. additis ampliore ædisicatione salientibus, umbraque arborum inducta publicæ utilitati consuluit. An. Sal. MDCLXI.


Pabst Clemens der eilfte hat bey diesem Brunnen auch Ehre einlegen wollen, wie folgende daran befindliche Worte bezeugen:


Clemens XI. Pontifex Maximus

Coercito flumine, corrivatis venis, Purgatis ductibus, instaurato fonte Acidulæ Salubritati & conservationi

Prospexit.

Anno Salutis M. DCC. XII.


Vor beyden hatte schon Paulus der fünfte das Werk ein wenig in Stand gebracht nach der Inscription:


Paulus V. Pont. Max.

Ann. Salutis MDCXIII. Pontisicatus sui IX.

Renibus & stomacho, spleni, jecorique medetur,

Mille malis prodest ista salubris aqua.


Vor der andern Seite der Stadt, außerhalb der Porta di S. Giovanni Laterano, ist ein anderer Sauerbrunnen, den man auch zum Baden gebraucht und Aqua Santa nennet. Rand links: Aqua Santa.

Von diesem Sauerwasser trinken viele Leute durch das ganze Jahr Wohlgeschmacks halber unter dem Weine.

Im Herbste erlustigt sich jedermann mit der Weinlese, und giebt sich sonderlich das gemeine Volk so viele Freyheiten, daß davon die Früchte im Monate May und Junius hervor zu kommen pflegen, und man aus den Registern der Hospitäler, sonderlich von St. Spirito will bemerket haben, daß in diesen zween Monaten mehr neugebohrne Kinder in die Maschinen, die man zu Abwendung der Kindermorde eingeführet hat, gelegt werden, als in den übrigen zehn zusammen gerechnet. Rand links: Herbstlustbarkeiten.

Zur Winterszeit findet man einen angenehmen Zeitvertreib an den Komödien und Opern. Rand links: Opern. Letztere wurden währenden Carnavals auf drey Theatern, nämlich Aliberti, Capranica und al Theatro nuovo gespielet. Das erstgemeldte, so den Namen von seinem Erbauer, dem Comte Aliberti führet, hat ein so großes Amphitheater oder Parterre, daß bey neun hundert Personen bequemlich darinnen sitzen können. Rings herum stehen sieben Galerien übereinander, deren jede fünf und dreyßig Eintheilungen oder Kammern hat, dergestalt,[460] daß in allen zwey hundert und fünf und vierzig Logen gezählet werden. Ich erinnere mich nicht dergleichen geräumigen Platz für die Zuseher anderwärts gesehen zu haben.

Der Kardinal Ottoboni ließ auch etlichemal in der Woche auf dem in seinem Pallaste erbaueten Schauplatze durch besonders dazu verschriebene Sänger Opern vorstellen, und kommte man leicht hinein kommen; wobey ich erwähnen muß, wie die Heiligkeit der Stadt nicht zulasse, daß allhier Sängerinnen auf einem Schauplatze erscheinen, sondern verkleidete Castraten ihre Stelle vertreten müssen, wie denn auch die Tänzerinnen verkleidete Mannspersonen sind. Rand rechts: In Rom wird keine Sängerinn aufs Theater gelassen.

Was die übrige Lebensart anlanget, so hat zwar jeder Reisender in allen fremden Landen auf seine Reden wohl Acht zu haben, und lieber zu wenig, als zu viel zu sprechen: Rand rechts: Ungezwungene Lebensart zu Rom. Und fehlt es auch in Rom nicht, selbst unter den Miethlackeyen, an vielen heimlichen Kundschaftern, welche dem Gubernatore alles zutragen, was in der Stadt geredet und gethan wird, und dieses mit desto besserm Gewissen, weil es dieser Profession der Spionen nicht einmal an einem Protector, welches der heilige Alexis ist, fehlet; allein gegen die Fremden nimmt man es so genau nicht, weil sie Geld ins Land bringen. Rand rechts: Man zwingt die Protestanten nicht zum Niederknieen. Insbesondere sind die Protestanten von allen verdrüßlichen Begebenheiten, so ihnen in andern Orten bey der Elevation der Hostie in der Messe, oder bey Begegnung des Venerabilis, aus dem blinden Verfolgungsgeiste des gemeinen Volkes zustoßen könnten, befreyet. Knieet man in der Kirche nicht, so begnügen sich die Italiener mit dem Urtheile, daß es Ketzer oder keine Christen seyn, die solches unterließen, übrigens aber kehren sie sich weiter an nichts. Selbst in der Missa Spiritus Sancti und in Gegenwart vieler Kardinäle knieen viele Protestanten bey der Elevation nicht nieder, ohne daß die herum stehende Wache der katholischen Schweizer ihnen das geringste unfreundliche Wort sagte, oder vermittelst des in Händen habenden brachii secularis sie zum Niederknieen zwang, wie in der königlichen Kapelle zu Versailles zu geschehen pfleget.

Währender Fastenzeit finden die Protestanten in allen Wirthshäusern Fleisch zu essen, ohne daß sie desfalls einige Erlaubniß für den Wirth auszuwirken haben. Rand rechts: Freyheit in Ansehung des Fleischessens zur Fastenzeit.

Die Römischkatholischen selbst binden sich an keinem Orte so wenig an die Fasten, als in Rom, und gebrauchen sie sich öfters des Mittels, am Sonnabend mit Fleischgerichten die Abendmahlzeit zu halten, indem sie warten, bis die Uhr Mitternacht schlägt. Rand rechts: Die Katholiken selbst sind hier nicht allzustrenge. Auf die Art wird das Abendessen für ein sonntägliches Frühstück angesehen, welches den Verordnungen von den Fastenspeisen nicht unterworfen ist. Die Römer heißen solches far Sabbatine, und vielleicht haben die Engländer von ihnen gelernet, wenn etliche des Sonntags Abends die Spieltische und Karten zurecht legen, und gerade erst mit dem Schlage von zwölf Uhr in der Nacht anfangen zu spielen, um dem scharfen Gesetze von der Feyerung des Sabbaths, welches unter Cromwel gemacht worden, nicht zunahe zu treten.

Ich habe mich oftmals verwundert, wie einige Römischkatholische über der Tafel in öffentlichen Wirthshäusern gar frey wider die Jesuiten und des Pabstes gewaltsame Eingriffe in die weltliche Gewalt sowohl aller Potentaten überhaupt, als insbesondere in des Kaisers und des römischen Reiches Rechten über Rom gesprochen haben. Rand rechts: Freye Discurse. N. versicherte einsmals, daß er niemals vor dem Hause des Geschlechtes der Crescentier vorbey gienge, ohne den Hut abzuziehen, aus Hochachtung für den Mann, der ehemals das Herz gehabt hätte, den unruhigen Pabst von Rom zu jagen, dafür man ihm doch schlecht gedankt habe. Wie eben derselbe die deutschen Kaiser genennet, welche den Pabst so groß und mächtig zu Rom werden lassen, verlange ich nicht nachzusagen.[461]

Während dem Conclave wurden eine Menge geschriebener Pasquinaden wider den vorigen Pabst und die Kardinäle ohne Scheu in den Coffehäusern den Fremden verkaufet, das Blatt für einen halben Paolo oder zween gute Groschen. Der Ursprung des Namens solcher satirischen Schriften von der gestümmelten Statue, bey welcher ein lustiger und nasenweiser Schneider, oder wie andere wollen, ein Schuster, Pasquino genannt, wohnete, ist bekannt.

Heut zu Tage werden auch die obrigkeitlichen Befehle an dieser Statue angeklebet. Man sieht nicht weniger daselbst anderthalb Mann hoch von der Erde ein Zeichen und eine Inscription, welche andeuten, wie hoch das Wasser von einer Ueberschwemmung der Tyber unter dem Pabste Clemens dem siebenten gestanden sey.

Was die in öffentlicher Lüderlichkeit lebende Frauenspersonen anlangt, so zweifele ich, ob alles wahr sey, was man von den Einkünften der päbstlichen Kammer aus der also genannten Milchzinse zu schreiben pfleget. Rand links: Duldung der öffentlich lüderlichen Weibespersonen. Diejenigen, so ihre Zahl auf zwanzig tausend rechnen, bedenken nicht, daß kaum funfzig tausend Frauenspersonen, alt und jung zusammen gerechnet, in Rom sind. Was für Weibspersonen sich bey dem Barigello angeben, und ihren Namen, Alter, Vaterland, Familie und Wohnung in das dazu verordnete Buch einschreiben lassen, sind gemeiniglich häßliche schlechte Leute und eine solche Waare, welche in Neapolis und andern Orten keinen Abgang mehr gehabt hat. Der Profit, so davon zu machen seyn möchte, wird vermuthlich in den Händen des Barigello und der Sbirren klebend bleiben, welche Achtung geben, daß die Mönche und Pfaffen nicht diese verbothene Wege gehen, und weder in der Osterwoche, Advent- und Fastenzeit, noch an Fast- und Festtagen Einspruch bey diesen victimis oder cloacis publicis geschehe. Man versichert, daß ihre Anzahl sich nicht über achthundert belaufe. Rand links: Anzahl derselben. In dem heidnischen Rom waren sie in verschiedenen Gegenden zusammen logiret, und die Oerter, wo sie des Abends sich versammlet finden ließen, nennet TERTVLLIANVSad Uxorem, lib. II, cap. 6, Consistoria10 libidinum publicarum, mit welcher Ausdrückung die Institoria matronarum beym SVETONIOin Nerone cap. 27 überein kommen. Rand links: Bewandniß damit in dem heidnischen Rom. Rand links: Consistoria libidinum. Fornices Tituli. Ueber ihren Gewölbern oderfornicibus (von welchen die Benennung fornicatio herstammet) war einer jeden Inwohnerinn Namen nebst dem Preise zu lesen, und zielet Juvenal darauf, wenn er von der Messalina schreibt:


– –– tunc nuda papillis

Constitit auratis, titulum mentita Lyciscæ.


In der HistoriaAPOLLONIITyrII liest man eine dergleichen wunderliche Ueberschrift mit folgenden Worten:


Quicunque Tarsiam defloraverit

Mediam Libram dabit;

Postea populo patebit

Ad singulos solidos11.
[462]

Vor der Abendzeit oder der neunten Stunde des Tages war es vor Alters nicht erlaubet, oder wenigstens nicht gewöhnlich, daß diese lüderlichen Personen sich öffentlich darstelleten, und scheint solches die Ursache zu seyn, warum Persius ein solches Mensch Nonariam nennet. Rand rechts: Nonaria. Lichter vor den Gewölbern. Ihren Aufenthalt erkennete man an den brennenden Lampen oder Lichtern, so an ihren Thüren bemerket wurden, und worauf TERTVLLIANVS zielet, wenn er ad uxorem lib. II, c. 6 setzt: Moratur Dei ancilla in laribus alienis, & intér illos omnibus honoribus dæmonum, omnibus solemnibus regum, incipiente mense nidore thuris agitabitur:& procedit de janua laureata & lucernata, ut de novo constorio libiduum publicarum. In einem Apologetico schreibt er gleichfalls: Cur die læto non laureis postes adumbramus? nec lucernis diem infringimus? honestares est solemnitate publica exigente inducere domui tuæ habitum alicujus novi lupanaris.

Beym HORATIO kömmt vor:


– – sub clara nuda lucerna.


und beym IVVENALI:


Obscurisque genis turpis fumoque lucernæ.


Sowohl dieser Misbrauch der Lampen, als die gesunde Vernunft scheinen Ursache gegeben zu haben, daß die ersten Christen nicht wenig widerdie bey hellem Tage in den Tempeln der Heiden angezündete Kerzen geeifert; und LACTANTIVSlib. VI schreibt:Accendunt lumina velut in tenebris agent Deo12.

Es ist aber auch noch heut zu Tage in Rom gewöhnlich, daß auf der Straße vor den Gewölbern oder Kammern, in welchen öffentlich lüderliche Frauenspersonen sich aufhalten, Lampen brennen, welche so lange weggenommen werden, als die Wirthinn einen Besuch empfängt. In Spanien erkennet man aus dem Degen, welchen derjenige, der eine solche häßliche Visite giebt, vor der Thüre stehen läßt, daß der Platz besetzet sey. Uebrigens getraue ich mir nicht zu entscheiden, ob auf obgedachten Gebrauch der Lichter gezielet worden, wenn nach Aussage des alten römischen Kalenders, welchen Lambecius aus einem Manuscripte der kaiserlichen Bibliothek herausgegeben hat, der Monat April, welcher der Venus geheiliget war, vorgestelletist unter einem vorder Statue der Venus lustig hüpfenden Manne, wobey vor besagter Statue ein Leuchter mit einem brennenden Wachslichte steht. Daß man in dessen Flamme Weihrauch geworfen, bezeuget Ausonii Tetrastichon auf den Monat April mit folgenden Worten:


Contectam Myrto Venerem veneratur Aprilis.

Lumen thuris habet, quo nitet alma Ceres.

Cereus a dextra flammas diffundit odoras,

Balsama non desunt, queis redolet Paphie.


Pius der fünfte war ein abgesagter Feind der öffentlichen Huren; Rand rechts: Pius des fünften Verordnungen und ob er gleich seine Absicht nicht erreichte, sie gänzlich aus der Stadt zu schaffen, so verordnete er doch, daß[463] sie nicht in allen Straßen vertheilet leben sollten, sondern an einem Orte der Stadt beysammen bleiben mußten, allwo man sie sowohl als diejenigen, die sie besuchen wollten, mehr beobachten konnte. Rand links: wider die öffentlichen Curtisanen Anbey befahl er, daß keine von solchen Frauenspersonen, wenn sie in ihrem schändlichen Handwerke stürbe, anders als im Mist begraben werden sollte.

Der Rath der Stadt, so durch die heimlich dahinter steckende Geistlichkeit angefrischet war, stellte zwar vor, es würde hiedurch die alte Freyheit der Stadt genommen, die Keuschheit der ehelichen Frauen in größere Gefahr gesetzet, mehrere Gelegenheit zu einem Laster, welches schon der Apostel Paulus den Römern vorgeworfen, gegeben, und insbesondere büße die Bürgerschaft dabey ein, indem sie aus der Vermiethung ihrer Häuser nicht so vieles inskünftige, als bisher, würdeziehen können; allein der Pabst blieb bey seinem Entschlusse, und drohete eher aus Rom zu gehen und anderswo seine Residenz zu nehmen, als hierinnen nachzugeben, daher man endlich für rathsam gefunden, sich nicht ferner zu widersetzen. Auf diese Aufführung des Pabstes zielen etliche Stellen seines Epitaphii, welches in folgenden Worten verfasset ist:


Pius V. Pontifex

Religionis ac Pudicitiæ Vindex. Recti & Justi assertor,

Morum ac disciplinæ restitutor, Christianæ rei defensor,

Salutaribus editis legibus,

Gallia conservata,

Principibus fœdere junctis,

Parta de Turcis victoria,

Ingentibus ausis & factis,

Pacis bellique gloria

Maximus

PIVSfelix, Opt. Princeps.


Es ist ein falscher Wahn, wenn man glaubt, die öffentlichen lüderlichen Häuser müßten in theils Republiken geduldet werden, damit nicht andere und gröbere Laster daraus entstünden. Rand links: Ob öffentliche lüderliche Häuser in großen Städten nöthig seyn? Die Erfahrung lehret, daß alle andere Laster an solchen Orten, wo man öffentlich den Hurenhäusern durch die Finger sieht, eben so im Schwange gehen, als anderwärts. Die Stadt London hat ihres gleichen an der Größe nicht, und ist immer mit Bootsknechten angefüllt, welches Volk wegen seiner Erziehung und öfters lange anhaltenden Verbleibens auf den Schiffen ganz unbändig zu seyn scheint, wenn es wieder aufs Land und zum andern Geschlechte kömmt; unterdessen hat man noch allezeit so gute Ordnung in der Stadt gehalten,[464] daß man nicht nöthig erachtet, privilegirte häßliche Häuser zu gestatten. Was sonst in Amsterdam geduldet worden, ist wegen der funfzehn bis zwanzigtausend holländischen Gulden geschehen, welche der Schout davon jährlich zog. Nachdem aber der letztere vor etlichen Jahren seinen Sohn darüber eingebüßet, so hat die gerechte väterliche Liebe und Rache den Eigennutz überwogen, die ärgerliche Freyheit ist abgestellt, und der Staat oder das Wohlseyn der Stadt besteht nicht weniger als vorher. Was für schreckliche Bosheit vor etlichen Jahren ausgebrochen, ist ein Feuer, das schon lange unter der Asche verborgen gewesen, auch nicht sowohl in Amsterdam als in andern Orten und Provinzen im Schwange gegangen, und zwar unter Leuten, welche durch gemeine öffentliche lüderliche Häuser nicht würden davon abgehalten worden seyn. Allein dieses gehöret nicht hieher, und ist zu wünschen, daß die Nachwelt diesen Schandflecken unsers Jahrhunderts nicht glauben möge, bey dessen Bestrafung man vielleicht auch besser gethan hätte, wenn man weniger kund hätte werden lassen, wie weit der verkehrte Sinn des Menschen von dem Tugendwege abweichen könne.

Die canonischen Rechte sind zwar nicht allzuscharf wider die Hurerey und den Ehe bruch, und die Glossa sagt an einem Orte: hoc est leve peccatum & quod Galli vocant bonam fortunam; allein in der Praxi geht es doch in Rom nicht schlimmer zu, als in andern großen Städten. Rand rechts: Anstalten zu Rom wider die lüderliche Lebensart der Curtisanen. Man hat viele gute Stiftungen, deren Absicht ist, die lüderlichen Frauenspersonen aus ihrer unglücklichen Lebensart zu ziehen: man läßt sie nicht zur Communion, so lange sie öffentlich noch bey ihrem Handwerke verharren, und wenn sie darinnen sterben, so wird ihnen die ehrliche Begräbniß, wie ich schon gemeldet habe, versagt13. Aa theils Orten von Italien sind sie verbunden, etlichemal im Jahre sich in einer bestimmten Kirche einzustellen und eine Predigt anzuhören, wodurch sie nachdrücklich von ihrem sündlichen Leben abgemahnet werden. Diejenigen, so sich durch solche Vorstellungen bewegen lassen, und zum Zeichen ihrer Reue ein Crucifix, welches herum gelangt wird, küssen, werden in dazu gewidmete Klöster aufgenommen. Dieses geschieht gemeiniglich am grünen Donnerstage; die meisten aber warten bis das zunehmende Alter und die abnehmenden Kundschaften ihnen rathen, für ihr Brodt auf eine andere Art, als sie gewohnt waren, zu sorgen. Rand rechts: Bekehrung der Juden. Bey diesen Predigten erinnere ich mich auch, daß die jüdische Nation zu Rom nach der Verordnung Gregorius des dreyzehnten alle Sonnabend hundert Juden und funfzig Jüdinnen in das Oratorium della SS. Trinità, das nicht weit von ihrem angewiesenen Wohnplatze oder Ghetto liegt, schicken müssen, um daselbst einen Vortrag von der christlichen Lehre anzuhören. In dieser itzigen Fasten wurde ihnen außer dem Tode Christi und seiner Menschwerdung, auch von der Vereinigung der beyden Naturen in einer Person, und von der heiligen Dreyfaltigkeit mit so vieler Kunst und metaphysischer Subtilität gepredigt, daß ich wohl hätte wünschen mögen, daß man entweder eine andere Materie oder eine leichtere[465] und begreiflichere Lehrart erwählet hätte. Rand links: Ihre Anzahl. Die Anzahl der Juden erstreckt sich auf neuntausend Seelen, und müssen nach des Pabstes Paulus des vierten Verordnung die Mannspersonen einen rothen Lappen auf dem Hute und die Weiber dergleichen auf dem Kopfe tragen, um sich von den Christen zu unterscheiden. Rand links: Tracht.

Es ist zu verwundern, daß man die den Kardinälen so beliebte und fast eigene Farbe zu diesen Zeichen genommen. Vorzeiten lebten sie zerstreuet in der Stadt; besagter Pabst aber, der gar kein guter Freund von ihnen war, hat sie in ein enges Quartier nicht weit von der Tyber verwiesen, woselbst sie sich sehr armselig und unsauber behelfen.

Was das Essen anlangt, so ist es in Rom besser als in vielen andern Orten Italiens, hingegen ist unter dem in hiesigen Landen gewöhnlichen Preis von Mahlzeiten der Wein allhier nicht begriffen, sondern ein jeder versorget sich selbst damit nach seinem Geschmacke, welches ohne große Kosten geschehen kann. Rand links: Tractamenten in Rom. Durch ganz Italien sind die Tauben sehr gut, groß und fett. Das Kalbfleisch ist wohlschmeckend, sonderlich von denen so genanntenVitelle mongane, die kein Gras zu fressen bekommen, sondern nur mit Milch und Eyerdottern aufgefuttert werden14. Das Schweinenfleisch wird auch für besser als in Frankreich oder Deutschland gehalten, weil diese Thiere durch den ganzen Winter mit Weinbeerhülfen gefüttert werden, und sonst viele Morgeln, Trüffel und Kastanien zu fressen bekommen. Küchen- und Kräuterwaaren sind das ganze Jahr hindurch zu haben. Die Früchte sind trefflich, und zieht man insbesondere die Melonen von Perugia und ihre Art allen andern vor. Diejenigen, so gern frühzeitig im Jahre Obst haben wollen, lassen solches von Neapolis bringen, woher auch die reisen, obgleich mit Kunst gezwungenen Kirschen kommen, welche alle grüne Donnerstage den Kardinälen, wenn sie beym Pabste gewöhnlicher maßen speisen, vorgesetzt werden. Ueberhaupt reisen die neapolitanischen Baumfrüchte zwar früher, hingegen aber werden die römischen von besserm Geschmacke gehalten. Die Italiener bitten die Fremden selten zu Gaste; in Rom aber kann man leicht mit etlichen Kardinälen Bekanntschaft machen, an deren Tisch man bisweilen geladen wird. Bey solchen Gastessen wird nichts ersparet, weil man die Mahlzeit an die Bedienten der Kardinäle reichlich bezahlen muß. Die Betteley dieser Leute geht so weit, daß sie gleich des folgenden Tages kommen und um eine Verehrung oder bona mano anhalten, sobald man nur den Fuß in ihres Herrn Haus gesetzt hat, wenn man auch gleich nicht vor ihn gekommen ist. Dergleichen Anspruch hat man auch, wenn man in andern Häusern bey einer Musik oder einem Spiel gewesen, oder auf andere Art die geringste Höflichkeit genossen hat.

Ein Fremder kann in Rom eines Wagens nicht entbehren. Rand links: Miethkutschen. Währender Carnavalslust muß man solchen täglich mit vierzehn und mehr Paoli bezahlen, des Sommers aber hat man solchen für neun und weniger. Die Portechaises sind sehr rar allhier, und zu einzelnen Gängen gar nicht zu haben. Rand links: Keine Leuchten. Außer dieser Unbequemlichkeit finde ich auch diese, daß des Nachts keine Leuchten auf den Straßen angesteckt werden: und weil ich einmal bey dem, was mir in Rom misfällt, mich aufgehalten, so will ich ferner nicht bergen, daß mir die Art,[466] wie sie ihre Wäsche trocknen, überaus schlecht angestanden. Es geschieht solches in der Stadt nicht nur vor den Fenstern, sondern auch auf Stricken, welche von einer Seite der Straße nach der andern queer über gezogen sind, also, daß man sie herab lassen und wieder hinauf ziehen kann. Rand rechts: Unanständiges Trocknen der Wäsche. Es ist leicht zu erachten, wie schlechte Aussichten dieses einer sonst schönen Stadt gebe etc.

Endlich muß ich auch meines Herrn Frage, betreffend die Lebensart, welche der englische Kronprätendent hier führet, beantworten. Rand rechts: Lebensart des Prätendenten. Es ist solche auf alle Art und Weise gar schlecht. Der päbstliche Hof hat zwar einen allgemeinen Befehl an seine Unterthanen ergehen lassen, daß man ihn König von England nennen soll; allein es ist dieses ein leerer Titel, dessen selbst viele Italiener spotten. Wenn diese mit Fremden, welche sie für des Prätendenten Freunde nicht ansehen, sprechen, so nennen sie bisweilen aus Höflichkeit und Scherz den Prätendenten nur Il Ré di Qui, den hiesigen König, oder Regem in Partibus15, und den rechtmäßigen Besitzer hingegen Il Ré di Quà.

Der so genannte Chevalierde S. George bekömmt des Jahrs von der päbstlichen Kammer zwölftausend Scudi; und obgleich der Beytrag, den ihm sein Anhang jährlich heimlich zufließen läßt, vielleicht noch einmal so hoch steigt, so langet doch dieses alles nicht weit für einen, der als König angesehen seyn will16. Rand rechts: Sein Unterhalt. Rand rechts: Heirath. Er vermeynte durch die Heirath mit der Prinzeßinn Sobiesky vieles Geld zu bekommen, weil ihr Vater der Prinz Jakob seiner ältesten Tochter Maria Charlotta viermal hundert tausend Gulden zum Brautschatz versprochen hatte, als man im Jahre 1718 auf eine Heirath zwischen ihr und dem jüngern Prinzen von Modena Johann Friedrich (der im Jahre 1727 gestorben ist) bedacht war. Allein die Heirath kam zu eben dieser Zeit, da sich der Prätendent um die andere Tochter bewarb, ins stecken17, weil der Prinz Jakob das Geld nicht schaffen konnte; und ob er gleich zu Beförderung beyder Heirathen einen Agenten nach Paris sandte, um einige Anweisungen, die er auf die französischen Posten und auf die Salzeinkünfte oder Gabelle hatte, zu verkaufen: so hatte doch der Herzog Regent so viele Achtung für Georg den ersten, König von Großbritannien, daß aus allen desfalls gemachten Anschlägen nichts wurde. Auf diese Art kam es, daß das Heirathsgut der andern Tochter, wie man saget, auf die sobieskyschen Güter angewiesen worden, welche aber sehr verschuldet sind. Der römische Hof hat diese Heirath allein gemacht, und wenn vielleicht die verwittbete Kaiserinn Eleonora dazu geholfen hat, so ist doch solches ohne Wissen des Kaisers geschehen. Rand rechts: Arrest der sobieskyschen Prinzeßinn. Der Prinzeßinn Clementina Verwandten hatten aus dieser Ehe ein so großes Werk gemacht, und die Sache mit so wenig Geheimniß abgehandelt, daß der englische Minister in Wien Zeit hatte, an dem kaiserlichen Hofe es dahin zu bringen, daß die Prinzeßinn in Tirol, da sie aufder Reise nach ihrem Bräutigam begriffen war, gefänglich angehalten wurde; wie sie aber entkommen sey, ist meinem Herrn bekannt. Der Prätendent hat zum Andenken dieses Handels eine Schaumünze bey dem päbstlichen Medailleur Hamerani18 prägen lassen, welche auf der einen Seite das Brustbild seiner Verlobten vorstellt mit der Umschrift: Clementina M. Britan. Fr. & Hib. Regina. Rand rechts: Medaille auf ihre Flucht. Auf[467] der andern Seite sitzet diese Prinzeßinn auf einem Wagen und regieret die zwey davor gespanneten und in vollem Laufe begriffenen Pferde, mit der Umschrift:


Fortunam Causamque sequor.


Untenher steht:


Deceptis Custodibus MDCCXI X.


Auf diese Flucht verfertigte jemand folgende Zeilen:


Sobieska ex Tyrolis custodia effugiens.

Me Pater alterius sponsam vult esse Jacobi,

Meque Jacobitam Carolus esse vetat.

Sed Tu, qui Psychen Zephyris transferre dedisti

Me quoque ab Alpina Rupe, Cupido trahis.

Sit licet in terris suprema utrique potestas,

Fortior armato es Cæsare, inermis amor.

Ad eandem:

Provida Te pietas Alpina incluserat arce,

Noxia cum surdus vincla pararet Hymen.

Triste jugum fabricabat Hymen, Tibi carcer asylum

Fidaque tranquillæ meta quietis erat

Hinc fugis & tranans Alpes, ut Clelia fluctus,

Credis ad Augustum Te volitare torum.

Infelix Virgo, sponsa incousulta pigebit

Aspera Te profugi fata subisse Viri.

Sed Tibi vana placent, & amas Regina vocari,

Heu nimium caro fictile nomen emis.


Der Prätendent liebet sein Bildniß auf Medaillen zu sehen: und es ist kein Zweifel, wenn Königreiche mit wehmüthigen Thränen (dergleichen er im Jahre 1708 nach seinem verunglückten Anschlage auf Schottland häufig vergossen) könnten erobert werden, so würde er sich noch einmal im Stande finden, den Stempelschneidern etwas rechtes zu verdienen zu geben. Rand links: Medaille auf den ältesten Sohn des Prätendenten. Ohne der auf ihn schon geprägten Schaustücke zu erwähnen, so führe ich nur dieses an, welches anitzo in der Mache ist, und zum Zeichen dienen kann, daß bey ihm wenige königliche und große Thaten auf einander folgen, weil man auf viele Jahre zurück gehen müssen, um in der Geburt seines ältesten Sohnes die Gelegenheit einer Medaille zu finden. Es stellet solche vor das Brustbild des Prätendenten und seiner Gemahlinn, mit der Umschrift:


Jacob. III. R. Clementina R.


Auf der andern Seite erscheint eine Dame, die ein Kind im linken Arme trägt. Mit diesem stützet sie sich auf eine Seule, ohne Zweifel, um die Beständigkeit dadurch abzubilden, mit der rechten aber deutet sie auf eine Weltkugel, auf welcher sich England, Schottland und Irrland zeigen. Die Umschrift ist:


Providentia obstetrix.
[468]

Untenher liest man:


Carolo Princ.

Valllæ Nat. die ultima

A. MDCCXX.


Er fährt gemeiniglich mit drey Kutschen aus, und mag sein ganzer Hofstaat ohngefähr in vierzig Personen bestehen. Rand rechts: Des Prätendenten schlechtes Ansehen zu Rom. Neulich nahm er sich in der Opera einige Gewalt heraus, indem er rief, es sollte eine Arie, die ihm und andern wohlgefiel, noch einmal gesungen werden. Man besann sich zwar anfänglich ein wenig, lebte ihm aber doch endlich zu Gefallen. Dieses ist das einzige mal, daß er ein Zeichen einiger Autorität allhier von sich gegeben, und ist diese Gewalt noch dazu von solcher Art, daß ein halb Duzend Zuhörer mit ihrem Händeklatschen sich auf gleiche Weise gehorchen machen können. Wenn er in eine Assemblee kömmt, steht kein protestantischer Engländervor ihm auf, und selbst die römisch-katholischen machen schlechte Complimente mit ihm. Niemand hat einige Hochachtung für ihn wegen seines niederträchtigen Gemüthes und der unordentlichen Lebensart mit Frauenspersonen, denen er sehr ergeben ist.

Die Gemahlinn ist nicht schön, sondern blaß und mager; ihre vielen unglücklichen Wochenbette haben sie sehr kränklich gemacht, und kömmt sie wenig aus ihrem Hause, wo sie nicht etwan ihrer Andacht willen in Klöster zu fahren hat. Rand rechts: Charakter seiner Gemahlinn. Ihren Bedienten giebt sie weder Silber noch Gold auf die Liberey, und dieses alles aus so genannter Frömmigkeit, auf welche sie theils wegen ihres kränklichen Zustandes19, theils wegen des wunderlichen Kopfes, Eifersucht, Untreue und anderer übeln Aufführung ihres Mannes gegen sie gerathen ist. Die aus dieser letzten Quelle entsprungene Eifersucht machte, daß sie auf eine Zeitlang ins Kloster gieng20. Er, um nach seiner Neigung desto freyer zu leben, wandte sich nach Bologna. Der päbstlichen Kammer aber stund diese doppelte Haushaltung nicht an, daher sie ihn durch Zurückhaltung seiner Pension zwang, endlich nach Rom wieder zu kehren, und sich mit der Gemahlinn auszusöhnen. Rand rechts: Besorgung der Affairen, so den englischen Hofbetreffen. Dieses ist jedoch nur ein Scheinfriede, weil er bey seiner schlechten Lebensart bleibt, und sie ihn allzuwohl kennet, um daß sie eine aufrichtige Freundschaft wiederum gegen ihn fassen könnte. Herr v. S. der als ein Antiquarius mit dem Titel eines polnischen Raths hier lebet, führt schon lange Zeit her die Correspondenz mit den königlich englischen Ministern, hat auf die Aufführung des Prätendenten und seiner Anhänger, ein wachsames Auge, wesfalls er, wie leicht zu erachten, von ihnen aufs äußerste gehasset wird. Rand rechts: Aufführung des Hrn. von S. So lange der Prätendent in Bologna sich aufhielt, hatte er wenig zu berichten: und weil man seiner auf diese Art entrathen konnte, so fing die englische Besoldung an auszubleiben, bis die Zurückkunft des Prätendenten ihm Gelegenheit gab, diesen Zufluß der zeitlichen Nahrung wieder zu verdienen. Weil nun auch der Eigennutz und die Noth den Prätendenten bewog nach Rom zurück zu kehren, so nahm jemand daher Gelegenheit zu sagen, man könne sich keine genauere Freundschaft einbilden, als die zwischen dem v. S. und dem Prätendenten sey, weil keiner ohne den andern leben könne. Der König von England ist in Rom sehr gefürchtet, und weis man, daß er vermittelst seiner mächtigen Flotten lange Arme habe. S. stellt eine ansehnliche Person vor, und hat sich auch dadurch fürchten gemacht,[469] daß er Gelegenheit giebt zu glauben, er sey ein Atheist und von einem so hitzigen Kopfe, daß er alles zu wagen und zu unternehmen fähig sey. Er drohet gleich, den Saint Liore Sterling anzurufen, und sich selbst Recht zu schaffen, wenn man ihm solches nicht alsbald wiederfahren lassen will. Vor etlichen Jahren stieß bey nächtlichem Fahren sein Wagen gegen einen andern, in welchem eine unter großem Schutze sich befindende Dame fuhr. Der Diener derselben sprang ab vom Wagen, und gab dem Kutscher des S. etliche Stockschläge, S. aber verhinderte, daß seine Leute sich nicht selbst rächeten. Des andern Tages klagte er und foderte Satissacrion, widrigenfalls er selbst den Thäter ausforschen und sich rächen wollte. Der damalige Gouverneur der Stadt, Falconieri, that mancherley Vorschläge, die Sache beyzulegen, aber vergeblich, weil S. auf der öffentlichen Geißelung des Thäters bestund. Falconieri sagte einsmals in der Hitze zu S., warum er nicht den Thäter auf der Stelle erstochen hätte, die Welt würde dadurch nichts eingebüßet haben, als daß ein nichtswürdiger Kerl weniger geworden, ihm aber, dem Falconieri, würde solches viele Mühe und Verdruß ersparet haben. Die Untersuchung kostete dem Pabstebey dreyhundert Scudi, weil man anfänglich keine genaue Nachricht von dem Thäter hatte, endlich aber mußte dieser doch auf fünf Jahre nach den Galeeren wandern, welches eine Strafe ist für Leute, die sich an den Bedienten der auswärtigen Gesandten vergriffen haben.

Der Pabst hat als ein mächtiger weltlicher Fürst vielen Einfluß in die italienischen Händel, mitwelchen die Ruhe Europens verknüpfet ist. Rand links: Affairen zwischen dem englischen Ministerio und dem päbstlichen Stuhle. Es mangelt also nicht an Gelegenheiten, da durch die dritte Hand etwas mit dem englischen Hofe abzuhandeln ist, und man des englischen Ministerii nöthig hat. Was sonst desfalls vorgekommen, ist durch den Kardinal, der die kaiserlichen Geschäffte in Rom unter Händen hatte, besorget worden, und geschieht nun, seitdem einiges Misvergnügen zwischen dem großbritannischen und kaiserlichen-Hofe eingeschlichen ist, durch den Kardinal-Protector der Krone Frankreich. Rand links: Die Engländer sind zu Rom gefürchtet. Noch wenig Tage vor des Pabstes Benedicts des dreyzehnten Tode habe ich einen eigenhändigen Brief des Kardinals von Polignac gesehen, worinnen er den S. inständig bittet, eine gewisse Sache nicht zu Thätlichkeiten kommen zu lassen, sondern dem Collegio der Kardinäle nur Zeit zu gönnen, welches vollkommen geneigt sey, den Herren Engländern Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Der Handel betraf Hrn. Stanhope, einen Bruder des Grafen von Chesterfield, welcher sich in der Person seines Bedienten beleidigt fand. Bey dem Ausgehen aus der Opera rief der Lackey eines Kardinals, sein Herr käme und man sollte Platz machen. Nun erfodert sowohl die Höflichkeit als das Recht, daß man bey solcher Gelegenheit weiche; allein diesesmal war des Kardinals ledige Kutsche noch weit hinter andern zurück, hingegen des Stanhope Wagen schon vor der Pforte, und er im Begriffe einzusteigen. Sein Diener zeigte dieses dem Officier, so die Leute zurück treiben wollte, und verlangte, man sollte vorerst seinen Herrn, dessen Namen er doch nicht nennte, wegfahren lassen. Der Officier aber nahm so wenig die geschehene Vorstellung an, daß er vielmehr den Diener mit dem Stocke über den Kopf schlug. Die Engländer foderten zur Satisfaction, daß der Officier seiner Bedienung entsetzet werden sollte, welches sehr schwer würde zugegangen seyn, weil er ein Verwandter des Kardinals Coscia war; indessen ließen sie ihn wohl beobachten, und getrauete er sich so wenig aus dem Hause, daß er eine Krankheit vorwandte, oder vielleicht aus Furcht wirklich darein verfiel. Die darauf erfolgte Vacanz des päbstlichen Stuhls bringt den Officier ohnedem um seine Bedienung, und seinen Beschützer um alles Ansehen; daher kann es wohl seyn, daß die Sache dabey beruhet. Das gemeine Volk hält es in solchen Fällen mit den Fremden, und würden sie sehr ungern sehen, daß man eine Nation, welche[470] ihnen vieles Geld zubringet, vor den Kopf stieße. Ich glaube wohl, daß v. S. bisweilen Dinge unternimmt und treibt, zu welchen er keinen Befehl hat, indessen waget ers und es gelingt. Vor etlichen Jahren brachte der Kardinal Alberoni in Vorschlag, daß zu Ersparung der Unkosten der Prätendent in einem der päbstlichen Kammer zugehörenden Pallaste alla Lunghara wohnen sollte. Dieses Haus liegt gleichsam in der Vorstadt und an einem entlegenen Orte, es ist ein großer Garten dabey, und ein Ausgang davon durch die Stadtmauern, also daß des Prätendenten Anhänger viel leichter und ohnbemerkt bey ihm sich hätten einfinden, und er selbst aus der Stadt kommen und lange wegseyn können, ehe man was davon innen worden wäre. S. erfuhr diesen Vorschlag bald, und ohne Befehl von seinem Hofe zu erwarten, gab er bey dem päbstlichen Ministerio eine Schrift ein, worinnen er vorsteilete: wie der König in England diese vorseyende Aenderung nicht gern sehen, sondern vielleicht hernach darauf dringen würde, daß der Prätendent gar aus dem Kirchenstaate weichen sollte, da man bisher gleichsam durch die Finger gesehen hätte, weil man geglaubet, der Prätendent sey an einem Orte, da man ihn allenfalls wohl observiren und auf sein Thun Acht haben könnte. Der päbstliche erste Minister antwortete dem S. mündlich: es käme ihm fremd vor, daß man dem Pabste in seinem Lande Gesetze vorschreiben wolle; daß ein Fremder, der nicht einmal einen Charakter hätte, den päbstlichen Stuhl braviren wolle, und endlich (setzte er mit lächelndem Munde hinzu) daß man verlange, der Prätendent sollte in Rom als in einem honetten Gefängnisse gehalten werden, da man doch nicht den geringsten Hüterlohn bezahlte: wodurch er auf englische Subsidien zielte, die freylich so angenehm sind, daß man nicht darauf achtet, wenn sie gleich von Ketzern kommen. S. antwortete: er verlange so wenig zu braviren als Gesetze vorzuschreiben; sondern sage nur aus guter Absicht seine Meynung, weil er doch glaube, des Pabstes Vortheil und Wille sey, mit dem Könige von England in gutem Vernehmen zu leben, und sich keine verdrüßlichen Händel auf den Hals zu ziehen, wo der Pabst der protestantischen Regierung in England Schaden zufügen könne, es geschehe solches öffentlich oder heimlich, so thue er solches gewiß, und das wisse man; wie weit aber England gehen könne, wenn es sich vornehme, öffentlich Böses mit Bösemzu vergelten, sey noch unbekannt, und wäre vielleicht dem päbstlichen Stuhle am besten, solches nimmermehr zu erfahren. Die Wirkung aller dieser Unterhandlungen war, daß aus dem Umziehen des Prätendenten in einen andern Pallast nichts wurde. Alberoni selbst mußte zu seinem größten Verdrusse, dem Prätendenten die geänderte päbstliche Entschließung hinterbringen, die in dem Pallaste alla Lunghara schon angefangene Anstalten wurden eingestellt; und weil der so genannte Ritter von St. George als eine Bewegursache seiner desfalls nöthigen Veränderung vorgestellt hatte, daß er in seiner alten Wohnung bey dem Zu- und Anwachs seiner Kinder, wegen welcher er mehrere Leute halten müßte, nicht Raum genug hätte, so wurde zu Abhelfung solcher Schwierigkeit ein neuer Flügel angebauet. S. hat darinnen dem englischen Hofe gute Dienste gethan, daß er auf die Aufführung mancher reisenden Eng- und Schottländer ein wachsames Auge gehabt, und dadurch gemacht hat, daß sie mit mehrerer Behutsamkeit verfahren müssen. Er hat von seinen Wissenschaften in griechisch- und lateinischen Alterthümern schöne Proben abgelegt, und sich dadurch in Rom einen solchen Ruhm erworben, daß sein Ausspruch über die dahin gehörigen Dinge, und wenn eine Münze oder ein altes Sigillum beurtheilet werden soll, nicht leicht vorbeygegangen wird. Er findet auch seinen Vortheil dabey, indem er Gelegenheit hat, dergleichen Alterthümer viel höher, als sie ihm anfänglich zu stehen kommen, wieder an Käufer zu bringen. Wegen seiner blöden Augen bedient er sich eines Fernglases, so mit einem dünnen[471] Kettchen am Rocke befestiget ist. Die Haut um sein Auge ist also gewöhnet, daß sie sich fest um dieses Glas schließt, und er nicht nöthig hat, solches mit den Händen daran zu halten. In seinem Zimmer sieht es nicht gar zu ordentlich aus. Noch vor kurzer Zeit hatte er zur Gesellschaft ein junges wildes Schwein, welches nun aber an einen Engländer verschenkt worden. Anitzt fliegen etliche Eulen darinnen herum, welche wenig zur Reinlichkeit beytragen. Ich fragte ihn einsmals: warum er so häßliche Thiere um sich litte? und bekam zur Antwort: Er sey öfters von verdrüßlichem und zum malo hypochondriaco geneigtem Gemüthe, alsdann aber erfreue und ermuntere ihn in etwas wieder, wenn er einen solchen Vogel vor sich sehe, der noch phlegmatischer als sein Herr wäre. Man hat mich versichert, daß eine Medaille von der Größe eines halben Gulden auf ihn geschlagen worden, deren eine Seite sein Brustbild vorstellet, die andere aberden Diogenes im Fasse. Vor ihm steht ein Hund, und hinter ihm ist auf einem Baume ein Rabe oder eine Eule zu sehen. In einem groben Pasquille, das vor etlichen Tagen wider ihn ausgestreuet worden, werden die Eulen die einzigen Gottheiten, welche er habe, genannt; er macht aber so wenig Wesen aus dergleichen Beschuldigungen, daß er selbst diese Schrift nach England gesandt hat, die ihm darinnen Ehre macht, daß man daraus sehen kann, wie er in Rom gefürchtet, und als die Ursache aller Hindernisse, die dem Prätendenten hier im Wege stehen, angesehen werde. Die Italiener sind ohnedem in solchen Dingen gar furchtsam, und urtheilen aus ihrem Gemüthe von andern Leuten. Es ist meinem Herrn noch bekannt, was für argwöhnische Gedanken der lange Aufenthalt des Grafen von Peterborough in Italien verursachet, und wie fest sie sich endlich eingebildet, man habe einen Anschlag gehabt, um den Prätendenten zu entführen. Rand links: Von Mylord Peterborough. Indessen war gewißlich des Peterborough Aufführung nicht also beschaffen, daß man ihm große Unternehmungen in den letzten Zeiten würde anvertrauet haben. Er hatte damals das Patent eines Legati ad omnes gentes, so ihm täglich zehn Pfund Sterling eintrug, und wenigstens zu einem guten Passeport diente21. Rand links: Legatus ad omnes gentes. Die Absicht des englischen Ministerii war, ihn inzwischen nur außerhalb Landes zu halten. Er war übrigens eines unruhigen Geistes, der alle Tage neue Anschläge machte. Im Jahre 1711 war er zu Frankfurt am Mayn: und als einsmals über dem Essen die Rede auf die Materie von dem höchsten Glücke, so ein Mensch sich wünschen könnte, kam, rechnete Peterborough dahin das Vergnügen, den Degen wider seinen Souverain zu ziehen, mit dem Beysatze, er sey, um dieses Glück zu haben, im Jahre 1689 aus America nach England gereiset. Er sagte auch einsmals zu dem im 1715ten Jahre verstorbenen Prinzen von Piemont: wenn es um und um käme, so würde endlich einmal der Prinz König von England werden. Der kleine Prinz antwortete nach seinem wenigen Begriffe: er möchte nicht König in England werden; und als Peterborough nach der Ursache sich erkundigte, setzte der Prinz hinzu: weil die Engländer ihren Königen die Köpfe herab schlügen. Die gegenwärtige Großmutter des Prinzen fragte den Grafen: ob er wohl verstanden habe, was der Prinz sagte? Er wußte sich aber mit der Antwort schlecht zu behelfen.

Fußnoten

1 SENECA bezeuget Nat. Quæst. lib. III, c. 19, daß der Genuß solcher Fische, welche sich in unterirdischen, faulen und stinkichten Wassern aufgehalten haben, oftmals schädlich und tödtlich gewesen sey.


2 Conf. Joh. MariæLANCISIIDiss. de nativis deque adventitiis Romani cœli qualitatibus, p. 19, sq.


3 Diese Luft scheint den neuern Römern von ihren Vätern angeerbt zu seyn. SIL. Ital.Pun. l. 16:


cursus proponit equorum,

Fluctuat æquoreo fremitu rabieque faventum

Carceribus nondum reserati mobile vulgus,

Atque fores oculis & limina servat equorum,

Iamque ubi prolato sonuere repagula signo,

Et toto prima emicuit vix ungula cornu,

Tollitur in cœlum furiali turbine clamor,

Pronique ac similes hortantibus ore sequuntur

Quisque suos, magnaque volantibus idem

Voce loquuntur equis.


4 In Inscriptione libriBenedictideBENE DICTIS anno 1608 Bononlæ executi, woselbst er auch genennet wird, Pontificlæ Omnipotentiæ conservator acerrimus. Uebrigens kann als ein argumentum ad hominem angesehen werden, daß in den Worten Pa VLo V. VICe-Deo, die Zahl 666. von welcher Offenb. 13, v. 18 handelt, ausgedrücket wird.


5 In Paris sind nur zwey und funfzig öffentliche Brunnen, so ihr Wasser von Rongis, Belleville und du pré saint Gervais bekommen. Die zwo Pumpen von derSamaritaine und vom Pont de Notre Dame bringen zwar einen guten Theil Wasser in die Höhe; allein es ist nur aus dem Flusse, der schon über die Hälfte der Stadt durchstrichen und viele Unreinigkeiten zu sich genommen hat; viele abgelegene Quartiere werden mit solchem Wasser durch die Porteurs d'eau, aber mit schlechter Bequemlichkeit, versorget.


6 Der eine Quelle von ein und sechszig tausend Schritten oder ein und sechszig Meilen herleiten ließ.


7 Unter andern von ihm theils ausgebesserten theils neu angelegten Wasserleitungen war aqua Virginea bekannt, und also genannt, weil ein junges Mägdchen auf dem Lande etlichen durstigen Soldaten diese Quelle gezeigt hatte. Sie lauft itzt noch theils aus derFontana alla Piazza di Spagna, so ein Schiff vorstellet, theils durch die Fontana di Trevi, welche ihren Namen von den daran zusammenlaufenden drey Strassen oder dem Trivio hat.


8 Etliche Quellen von aqua Claudia, deren Leitung C. Cäsar angefangen und Claudius vollendet hatte, kamen von vierzig italienischen Meilen her mit einer solchen Höhe ihres Canals, daß alle Berge der Stadt mit ihrem Wasser versehen werden konnten, wie solches P LI N. lib. XXXVI, c. 15 mit mehrerm anführet, nach dessen Berichte und des berühmten Budäus Ausrechnung die Unkosten dieses Werkes sich auf tausend drey hundert und fünf und achtzig tausend fünf hundert Kronen belaufen haben.


9 Janiculus wurde vorzeiten auch Aurelius genennet, entweder von der nahen Porta Aurelia, oder dem goldfarbigen Sande, welchen man darauf fand. Rand links: S. Pietro Montorio. Heute zu Tage hat man den Namen in Montorio verwandelt.


10 AMMIANVS MARCELLINVSlib. XVI scheint der erste zu seyn, welcher das Wort Consistorium für eine Versammlung von Räthen brauchet.


11 MARTIAL. lib. II: Intrasti quoties inscriptæ limina cella.SENECAControvers. II, p. m. 92: Deducta es in lupanar, accepisti locum, pretinium constitutum est, titulus inscriptus est. ibid. p. 95: Meretrix vocata es, in communi locostetisti, superpositus est cellæ tuæ titulus, venientes recepisti. Cætera, etiamsi in communi loco essm, tamen potius tacerem – –ibid. p. 96: stetisti cum mere tricibus – – nomen tuum pependit in fronte. PETRONIVSArbiter: cum ego negarem, me cognoscere domum, vido quos daminter titulosnudasque meretrices furtim spatiantes. TERTVLLIANVSde pudicitia gleich zu Anfange: in ipsis libidinum januis, sub ipsis libidinum titulis.


12 Eine abgeschmackte Ursache, warum man bey Tage keine Kerzen auf den christlichen Kirchhöfen anzünden soll, giebt das im Jahre 305 gehaltene Concilium Eliberitanum, wenn es c. 34 verordnet: Cereos per diem placuit in cæmiterio non incendi. Inquietandi enim Sanctorum Spiritus non sunt.


13 Die Unkeuschheit ist zwar bey allen gesitteten Völkern sträflich gewesen: Kein Volk aber hat dieselbe harter bestraft als die alten deutschen und nordischen Völker. TACCIT. Germ. c. 19: Paucissima in tam numerosa gente adulteria, quorum pœna præsens & maritis permissa. Accisis crinibus nudatam coram propinquis expellit domo maritus, ac per omnem vicum verbere agit. Publicatæ enim pudicitiæ nulla venia, non forma, non ætate, non opibus maritum invenerit. Nemo enim illic vitia ritur. Salvian beschämet mit diesem Beyspiele die fleischlichen Christen de gubern. Dei l. VII, p. 129: Inter pudicos barbaros impudici sumus. Plus adhuc dico: offenduntur barbari ipsi impuritàtibus nostris. Esse inter Gothos non licet scortatorem Gothum, soli inter eos præjudicio nationis & nominis permittuntur impuri esse Romani. Et quæ nobis rogo spes ante Dominum est? impudicitiam diligimus, Gothi execrantur: puritatem nos fugimus, illi amant: fornicatio apud illos crimen atque discrimen est, apud nos decus est. Et putamus nos ante Deum posse consistere? putamus nos posse salvos esse? quando omne impuritatis scelus, omnis impudicitiæ turpitudo a Romanis admittitur, & a barbaris vindicatur. Bonifacius hält seinen Brüdern eine gleiche Strafpredigt: In antiqua Saxonia, ubi nulla est Christi cognitio, si virgo in paterna domo stuprata, vel matrona fuerit adulterio poluta, strangulatam illam cremari & supra sepulcri foveam suspendi violatorem, aut cingulo tenus vestibus recisis flagellari, castis matronis oppidatim pungentibus, donec interimant. Der gothische König Theodorich gedenket bey dieser Strafe mit Recht des Schreckens ap. CASSIODOR. l. V, ep. 22: Matrimonium omne incertum relinquitur, siintanta reverentia sine aliquo terrere peccetur.


14 Den Namen Mongana führen etliche amungendis, tantummodo matrum uberibus her.


15 Wie man auch die Bischöfe, so von auswärtigen Bißthümern, die sie nimmermehr bekommen werden, den Namen führen, Fpiscopos in partibus infidelium nennet.


16 Alexander der siebente gab der Königinn Christina eine jährliche Pension von zwanzig tausend Scudi aus den Einkünften der Stiftung de propaganda fide.


17 Die Prinzeßinn Maria Charlotta vermählte sich nachmals mit Fried. Casimir Prinzen von Turenne, und nach dessen im Jahre 1723 erfolgtem Tode mit seinem noch itztlebenden Bruder


18 Gleich wie man in Rom das Glück der protestantischen Succession in England mit gar scheelen Augen überhaupt ansieht: also zeigt man solches auch bey manchen Gelegenheiten mit Medaillen, und kam mir beym Hamerani ein Stück unter die Hände, so im Jahre 1720 geschlagen war, als Holland noch einige Schwierigkeit machte, zur Quadruple-Alliance zu treten. Auf einem angespannten Wagen zeigen sich drey Personen, die den Kaiser, den König von England nebst dem Herzoge von Orleans vorstellen, und die Republik Holland einzuladen scheinen. Dem Wagen fehlt noch das vierte Rad, und auf dieses lehnet sich Holland. Die Umschrift ist: Sistit adhuc quarta deficiente rota. Auf der andern Seite sind die Worte zu lesen:


Fœdus Quadruplex

Imperfectum

Republica Batava

Fortiter prudenterque

Cunctante

MDCCXX.


Besagte Hoffnung und Freude der Römer währte nicht lange, wie hoffentlich mit allen solchen misgünstigen Wünschen auch in künftigen Zeiten geschehen wird.


19 Diese Prinzeßinn starb den 18ten Jan. 1735.


20 Die Madame Haye, bey deren Gelegenheit die Sache in öffentliche Uneinigkeit ausbrach, lebt itzt in Pisa.


21 Reisende haben höchstnöthig, sich mit guten Pässen und Recommendationen zu versehen; ich habe aber keine nachdrücklichere gesehen, als welche derDuc de Bedfort aus England auf seine Reise mit bekommen, und à tous les Alliés de la Couronne d' Angleterre gerichtet ist. Rand links: Besonderer Passeport.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 472.
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