[38] Siebentes Schreiben.

Fernere Reise durch Tirol, und das Erzbißthum Salzburg, nebst der Beschreibung der bayerischen Salzwerke zu Reichenhall.

Mein Herr!


Hall, eine artige Stadt im Innthal, liegt anderthalb Stunden von Inspruck, und hat eine treffliche Münze, so durch Wasser mit solchem Vortheil getrieben wird, daß in einer Minute hundert und funfzig Speciesthaler gepräget werden können. Rand links: Hall in Tirol Münze. Das Werk besteht aus zween stählernen Cylindris oder Walzen, zwischen welchen die silbernen oder goldenen Bleche. so nach ihrer gehörigen Dicke zubereitet sind, hineingesteckt und durchgetrieben werden. Dieses ist eines einzigen Mannes Arbeit. In der einen Walze sind die Stämpel von der einen Seite vieler Münzen befestiget, und in der andern Walze die andern Seiten. Die feste Zusammenpressung dieser Walzen drücket nicht nur die Gepräge der beyden Seiten zu gleicher Zeit ab, sondern schneidet auch auf einmal das runde Stück[38] aus, daß es fertig herausfällt. Man zeigt hier auch den Winkel, woselbst in dem letzten Kriege die Tiroler den churbayerischen General Verita mit Hämmern todt geschlagen haben1. Rand rechts: Tod des General Verita. Zwo starke Stunden von der Stadt sind hohe Gebirge, aus welchen schon seit drey hundert Jahren das Salz, wie große Steine, aus unterirdischen Gängen, die man kaum in etlichen Stunden durchwandern kann, gegraben wird. Rand rechts: Salzberge. Diese Steine gleichen dem Alaun, sind aber von mancherley Farben. Sie haben zwar einen so scharfen Geschmack als das Salz selbst, weil sie aber noch viel grobes und unreines mit sich führen, so werden sie in Gruben, welche mit süßem Wasser angefüllet sind, erweichet, und solches Wasser von dannen in hölzernen Röhren nach Hall geleitet, allwo man es in großen eißernen Pfannen weiß kochet. Das zu solcher Arbeit benöthigte Holz wird durch die Gelegenheit des Innstroms zugeflößet. Bey tausend Menschen arbeiten täglich sowohl in den Bergen als Salzkothen, und dessen ungeachtet zieht die kaiserliche Kammer nach Abzug aller Unkosten noch jährlich bey zweymal hundert tausend Rthlr. Einkünfte aus diesem Werke. Willman Hall besehen, so ist am besten, eine besondere kleine Reise dahin zu thun, weil der Postwechsel nicht hier, sondern erst zu Volters ist, von welchem letztgedachten Orte noch zwo Meilen bis Schwaz gerechnet werden. Rand rechts: Schwaz. Silberbergwerk. Auf dem Wege kömmt man vor einem schönen Servitenkloster vorbey. Das kaiserliche Bergwerk liegt eine Vierthelstunde über Schwaz hinaus, und arbeiten darinnen neun hundert Hauer, in allen aber mit großen und kleinen bey zwey tausend Menschen. Das Erzt ist bey weitem nicht mehr so ergiebig, als es ehemals gewesen. Insgemein hält itzt der Zentner Stein nur sechs bis zehn Loth Silber, dabey aber auch Kupfer, desgleichen blaue und grüne Farben. In jedem Monate werden drey tausend Stärs oder kleine Zuber ausgegraben, und das von dem schlechten Stein abgeschlagene Erzt zu Wasser anderthalb Stunden besser hinunter gebracht, wo man wegen der Bequemlichkeit des Holzes die Schmelzhütten angeleget hat. Was mir in der Grube am besten gefallen, ist, daß man angefangen, nach und nach die Gänge, wenn das Holz, womit sie unterstützet sind, wegfaulet, mit festen Steinen auszumauern. In dem Erbstollen, der gar tief liegt, fährt man bequemlich auf kleinen Wägen in den ebenen Gängen herum, und kann man damit leicht etliche Stunden zubringen. Man ist itzt beschäfftiget, tief in dem Berge ein großes Rad anzulegen, und vermittelst desselben das Wasser aus einer Tiefe von hundert und funfzig Klaftern zu bringen, in der Hoffnung, alsdann auf einen alten reichen Schacht wieder zu kommen. Aus den alten Rechnungen sieht man, daß Schwaz, ohne der unsäglichen Menge Kupfers, vom 1525sten bis 1564sten Jahre, an purem Silber zweytausend mal tausend dreyhundert acht und zwanzig tausend und fünfhundert Mark gegeben habe. Rand rechts: Ehemaliger Reichthum desselben. Cuspinian rechnet den jährlichen Ertrag seiner Zeit auf drey Tonnen Goldes. Insbesondere bekam man im Jahre 1523, an seinem Silber fünf und funfzig tausend achthundert und fünf und funfzig Mark und ein Loth, im Jahre 1525 aber sieben und siebenzig tausend achthundert und fünf und siebenzig Mark und eilf Loth. Gleich nach des löblichen Kaiser Ferdinands des ersten Tode hat dieses Bergwerk dergestalt abgenommen, daß im Jahre 1564 nicht mehr als siebenzehntausend fünfhundert und achtzehn Mark und eilf Loth in die Münze gekommen, und in nachfolgenden Zeiten hat es in keinem Jahre zwanzigtausend Mark überstiegen. Die Menge des hier gemachten Kupfers überschreitet jede Mark Silbers wenigstens mit vierzig Pfunden. Liebhaber von natürlichen Raritäten unterlassen nicht, von hier die flores ferri[39] und lunæ mitzunehmen. Die letztern sind insbesondere schön und als große Flocken von Schnee auf einem grünen Grunde von Smaragden anzusehen.

Etliche Meilen von Schwaz in einer der gebirgichten Gegenden, woselbst im Sommer und Winter Eis zu finden ist, besitzen die Herren von Sternbach ein Bergwerk, dessen Kupfer zwar nach Gefallen gehärtet werden kann, von Natur aber so weich und geschmeidig ist, daß es zu lyonischen Treffen und Borden gebraucht wird. Rand links: Sternbachische Kupfergruben. Nahe bey der Stadt Schwaz ist eine gute Glashütte, in welcher vielerley Geschirre und eine große Menge Fensterscheiben verfertiget werden. Rand links: Glashütte.

Die Einwohner der Stadt nähren sich eines Theils mit Polirung, Fassung und Verhandlung verschiedener besonderer Steine, so in den benachbarten Gebirgen gefunden werden, und vornehmlich in Krystallen, Drachenblut-Malahit-Schrecken-Stern- und andern dergleichen Steinen bestehen.

Außer den Bergwerken und den Salzwesen hat das tiroler gemeine Volk nicht viel in seinem Vaterlande zu verdienen; und weil sie doch, wie in allen bergichten Ländern, wo man sich der gemeinsten und am wenigsten gekünstelten Nahrung bedienet, sehr fruchtbar sind: so finden sie sich gezwungen, außerhalb Landes durch Handlung oder Arbeit ihr Brodt zu suchen. Rand links: Colonien der Tiroler. Die Aeltern, welche ihre Kinder klein oder jung wegschicken, stechen ihnen mit einer Nadel oder mit einem spitzigen Messer viele Puncte, so eine Figur ausmachen, in den Arm, und reiben eine gewisse schwarze Dinte in die geritzte Wunde. Rand links: Zeichnung der Kinder. Dieses schwarze Kennzeichen bleibt ihnen lebenslang, und öfters beweiset oder erkennet man dadurch nach vielen Jahren seine Verwandschaft2.[40]

Zwischen Schwaz und Gundel, (welche Orte drey Meilen von einander entfernet sind) liegt die Festung Ratenberg an einem engen Wege, der durch den Felsen auf einer Höhe dicht am Innfluß gehauen ist. Rand rechts: Ratenberg.

Von Gundel bis Elmau sind gleichfalls anderthalb Posten. Rand rechts: Sonderbare Fische im hintensteiner See. In dieser Gegend bekömmt man ein besonderes Gericht Fische von ganz kleinen Neunaugen zu essen. Diese werden nur einen bis zween Finger lang, und kaum so dick, als ein halber Federkiel. Der Geschmack ist gut, und die hiesigen Aerzte erlauben sie bey allen Krankheiten. Man fängt sie in dem Hintensteiner-See, der unter das Amt Kuffstein gehöret, und habe ich sie sonst nirgend gefunden, als hier und zu Turin. Eine mir ehedem gleichfalls unbekannte Art von Fischen hatte ich zu Füssen an den Parven, so ein gar trockenes Fleisch haben, und zu Inspruck an den Aschen gefunden. In der Bergfestung Kuffstein lagen dießmal nur achtzig Soldaten zur Besatzung.

Zwischen Watring und Unken bey dem Passe Strubbe, endiget sich das tirolische Gebieth, und je naher man den salzburgischen Gränzen kömmt, je enger werden die Oeffnungen der Gebirge. Rand rechts: Pässe gegen Salzburg. Längst einem rauschenden Bache, der zur Linken des Weges fließt, sind rechter Hand hohe Berge mit Fichten bewachsen, und auf der andern Seite gleichfalls große Gebirge, auf welchen steile Felsen stehen ohne Spitzen, als wenn es hohe Mauern einer dahinter liegenden Stadt wären. Ist man über die salzburgische Postirung bey Strubbe, so geht an dem Saalfluß, der sich in die Salza ergießt, das Thal so enge zwischen den hohen Gebirgen zusammen, daß kaum Raum bleibt für den sonst guten Weg, welchen man auf einer Höhe des Berges steil über den Fluß nehmen muß. Gleiche Bewandniß[41] hat es mit dem Wege, zwischen Bischofshofen und Golling, wenn man rechter Hand über die Clausen in dem Lueg, gegen das Salzburgische reiset, mit dem einzigen Unterschiede, daß dort die Saale zur Rechten, hier aber der Fluß Salza zur Linken des Weges bleibt. Rand links: Clause in dem Lueg.

Die Wüsteneyen der Gebirge im Tirolischen gegen Trente und im Salzburgischen haben Gelegenheit gegeben, daß von alten Zeiten her die verfolgten Waldenser hie und da in solche abgelegene Thäler geflüchtet, und eine den Protestanten in vielen Dingen gleichkommende Glaubenslehre fortgepflanzet haben. Rand links: Waldenser in salzburgischen Gebirgen. Luthers Lehre bekam hernach öffentlichen Beyfall in diesen Landen, wurde aber sehr unterdrücket. Der Eifer des Bischofs von Brixen, unter dessen geistlicher Aufsicht ein solches tirolisches Thal gelegen war, machte, daß im Jahre 1681 mehr als zweytausend Einwohner desselben, von deren Religion man bisher nichts gewußt hatte, ihr Vaterland räumen, und den Wanderstab in andere deutsche protestantische Länder fortsetzen mußten3. Auf gleiche Art wurde im 1688sten Jahre das Teffereckerthal von seinen Einwohnern entblößet.

Zwischen Unken und Salzburg, so vier Meilen von einander liegen, besieht man die bayerische Salzsiedereyen zu Reichenhall. Rand links: Reichenhallisches Salzwerk. Der dasige Salzbrunnen, welcher den Nomen der Gnade Gottes führet, wird durch ein Rad, dessen Diameter von sechs und dreyßig Fuß ist, mit eisernen Ketten, und endlich einem kleinern Rade, (an dessen Rande lederne kleine Eimer, so das aufgenommene Wasser oben wieder ausschütten) auf ein hohes Haus gebracht und daselbst in zween gleiche Theile getheilet. Die eine Hälfte wird in bleyernen Röhren von der Dicke eines Heubaums drey Meilen weit über hohe Berge nach Traunstein geleitet, zu welchem Ende hin und wieder unterwegens auf den Gebirgen kleine Häuser und Preßwerke angelegt sind, welche durch die Gewalt der aus den Felsen abstürzenden Quellen das Salzwasser immer höher treiben, und endlich dahin bringen, wo man wegen größern Ueberflusses des Holzes mehr Salzals zu Reichenhall sieden, und nachmals auch bequemer verkaufen und verführen kann. In Reichenhall sind sechs Pfannen, von welchen täglich in etlichen wechselsweise Salz gesotten wird, und ist das ganze Werk in sechs Tagen verrichtet. Die Unkosten belaufen sich wöchentlich auf fünfhundert Gulden. Damit die Pfanne vom Salzwasser nicht allzugroßen Schaden leide, wird sie erst mit Kalk, unter welchem Heede und Stroh gemenget ist, belegt. Im Kochen setzt sich über diese Unterlage eine Art von schlechtem oder wildem Salzean, Schrecken genannt, welches man alle Viertheljahre oder eher, wo es uneben wird, aushauet, wieder zerlässet, und im frischen dazu geschütteten Salzwasser noch einmal zu seinem Salze kochet. Die reichenhaller Sole hat schon von Natur die gehörige Stärke des Salzes, um gekocht oder raffiniret zu werden, und[42] haben sie also hier eine Mütze weniger als zu Hall im Innthal, oder zu Halleyn bey Salzburg, wo das süße Wasser erst in den Berg und in die Gruben geleitet werden muß, um die Salzsteine zu schmelzen. Rand rechts: Gebrauch des Bluts beym Salzsieden. Zu Hall in Sachsen schüttet man Ochsenblut, Eyer und Breyhan in die Salzpfanne, um die Absonderung der salzigen Theile von dem noch vorhandenen wilden Wasser zu befördern: dieses aber geschieht weder hier, noch zu Hall in Schwaben, Nauheim oder Lüneburg, an welchem letzten Orte man den Eigennutz mit einem Religionsscrupel ehemals vereiniget, und in einer besondern Schrift zu behaupten gesuchet hat, daß das Verboth vom Blutessen die Christen noch heute zu Tage verbinde4, und daraus nothwendig folge, daß sowohl gewissenhafte Christen als auch alle Juden sich des sächsischhällischen Salzes enthalten, und nach Beschaffenheit der Lage ihren Salzvorrath lieber von den lüneburgischen Salzjunkern nehmen müßten. Vielleicht aber haben auch die Salzsieder zu Hall in Sachsen das Ochsenblut nicht nöthig, und könnten sie die alte Gewohnheit leicht, wenn es nöthig oder nützlich wäre, abschaffen; weil man ja auch zu dem feinsten Raffiniren des Zuckers, um das Fett oder andere Unreinigkeiten desto leichter in die Höhe zum Schaume zu bringen, und nebst selbigem wegzunehmen, nur etliche Duzend Eyer mit ihren Schalen, dem Eyerweiße und dem Dotter unter Kalkwasser mischet, beydes mit Ruthen wohl unter einander schlägt, und dann in die Pfanne, worinnen Syrup gesotten wird, schüttet.

Ob man gleich zu Reichenhall vieles Salzwasser verbrauchet, und eine gute Menge nach Traunstein ableitet: so ist doch die Quelle so stark, daß vieles übrig bleibt. Rand rechts: Schifffahrt unter der Erden. Es hat sich anbey noch ein stark fließendes süßes Wasser gefunden, dessen sie sich zu Treibung ihrer Räder und Preßwerke bedienen. Weil aber beyde Quellen mit Hügeln umgeben sind, und der Platz in Gefahr lief, mit solchem sich sammlenden Wasser angefüllt und überschwemmt zu werden: so hat man vor mehr als dreyhundert Jahren, mit unsäglichen Kosten, eine Wasserleitung unternommen und zu Stande gebracht, welche man nicht ohne Verwunderung ansehen kann. Sie geht zwölf Klafter tief unter der Stadt Reichenhall, und ferner unter den Gärten und Feldern eine gute halbe Stunde weg, da das Wasser als ein starker Bach wieder an das Tageslicht kömmt. Man fährt mit großer Geschwindigkeit, bey angezündeten Lichtern, in einem gemächlichen Kahne welchen man öfters von der allzugroßen Schnelle zurück halten muß, durch diesen Aquæductum in Zeit von einer Vierthelstunde. Das Wasser ist gemeiniglich drey bis vier Fuß tief, kann aber durch Regen so hoch anwachsen, daß in der Höhe des Gewölbes kein Platz mehr übrig bleibt, für das Schiffchen und diejenigen Personen, welche aufrecht darinnen sitzen wollen, wie man gemeiniglich zu thun pfleget. Die Breite dieses Canals ist von fünf Schuhen, und hat man nur alle acht oder zehn[43] Jahre zuzusehen, ob sich unten auf dem Grunde nicht Steine finden, welche theils durch den Regenguß und aus dem süßen Wasser hinein kommen können, theils auch durch die fünf Oeffnungen oder Luftlöcher, so als Thürme an die freye Luft geführet sind, und durch deren etliche man von den Wällen der Stadt mit denen in der Tiefe Vorbeyfahrenden sprechen kann. Das Gewölbe scheint in Ansehung seiner künftigen Daurung ein ewiges Werk zu seyn, weil es nicht nur von sehr harten Kieselquadraten aufgeführt, sondern auch an vielen Orten mit dem härtesten Bergharze als mit einem Firniß überzogen, und gleichsam in ein Stück verwandelt worden. Wenn man diese unterirdische Schifffahrt vornimmt, steigt man durch einen Thurm und Treppen tief hinunter, bis zur Quelle der Sole, deren überflüßiges Wasser etwan funfzig Schritte fließt, bis es sich in den Bach von süßem Wasser ergießt, ohne sich sobald mit diesem zu vermischen. So lange das Salzwasser allein rinnet, hält sich keine lebendige Creatur darinnen auf; so bald es aber durch den Zufluß des andern nur halb gesalzen wird, so finden sich die schönsten Forellen, Aschen und andere Fische längst diesem Canale.

Salzburg ist eine sehr schöne Stadt, deren Häuser meist fünf Stockwerke hoch, die Straßen aber enge und nach alter Art also gepflastert sind, daß der Lauf des Wassers und Unflaths in der Mitte ist, und daher die Rinnen von allen Häusern weit hervor ragen. Rand links: Salzburg. Die Dächer scheinen unten ganz platt, sind aber von vielen kleinen und niedrigen Giebeln, welche durch die vier erhöhete Hauptmauern der Häuser verdeckt werden, zusammen gesetzt. Ein Theil der Stadt liegt an einem steilen Felsen, und die schmalen Häuser längst dem Flusse Salza scheinen gleichsam als Schwalbennester daran geklebet zu seyn. Rand links: Schöne Fontaine. Vor der Residenz gegen die Seite des neuen Baues steht ein Springbrunnen, der für den größten und schönsten von Deutschland ausgegeben wird. Die daran befindlichen Bilder sind alle in Riesengröße aus weißem Marmor gehauen. Das unterste Wasserbehältniß hat im Umfange hundert und sieben und siebenzig Schuhe, ohne die auslaufende Staffeln. In demselben spritzen vier große Pferde das Wasser aus den Mäulern und Nasenlöchern, wiewohl nicht so dick als die oberen Statuen. Die Höhe des ganzen Werkes ist von mehr als funfzig Schuhen, über welche das Wasser, im Durchschnitt oder Diameter von etlichen Zollen, noch achtzehn Fuß hoch springt.

Das Residenzschloß ist prächtig, und darinnen schöne Gemälde, Tische von eingelegtem Marmor, und besondere Oefen von allerley Farben mit verschiedenen Zierrathen von Statuen zu sehen. Rand links: Residenz. Die Meublen sind nicht sonderlich, und die hautelices wegen des eingewirkten Goldes und Silbers zwar kostbar, sie haben aber durch das Alter ihre mehreste Schönheit verlohren. Ganz oben, wo man auf Brettern über den spitzigen kleinen Dächern des Gebäudes herum gehen kann, ist eine angenehme Aussicht. Rand links: Festung. Neuer Bau. Die Festung liegt gleich daran auf einem hohen Berge. Der neue Bau ist zwar nicht völlig nach den Regeln der Symmetrie ausgeführet, unterdessen aber eine große Zierde des Platzes, und sind alle Kanzleyen dahin verleget. Rand links: Marstall. Der erzbischöfliche Marstall in der Stadt ist in drey lange und hohe Gewölber eingetheilet: die Pferde, deren hundert und funfzig darinnen Platz finden, fressen aus weißen marmornen Krippen, und wöchentlich läßt man zweymal ein fließendes Wasser[44] unter den Pferdeständen auf beyden Seiten durchlaufen, wodurch alle Unreinigkeit, so dahin geflossen oder sich sonst gesammelt hat, weggespület wird. Der itzige Erzbischof unterhält in allen, theils in der Stadt, theils auf seinen Lustschlössern, zweyhundert und funfzig Pferde. Ueber dem Marstalle ist die Fechtschule, und vor demselben die Pferdeschwemme, welche drey und neunzig Schuhe lang ist. Das darinnen aufgerichtete und Wasser von sich spritzende Pferd ist sehr groß und aus einem einzigen Stücke Marmor gehauen.

Die Winterreitschule ist hoch gewölbt, und hat auf beyden Seiten in den Mauern zwischen den Fenstern kleine Kabinette für die vornehmen Zuschauer, also, daß dem Gesichte und der Freyheit des Reitens dadurch nichts abgeht. Rand rechts: Reitschule.

Die Sommerreitschule, in welcher man auch das Thierhätzen hält, ist unter freyem Himmel, hat dreyfache Galerien, und sind solche auf der einen Seite ganz in den Felsen gehauen. Sie liegt an einem Theile des Mönchberges, durch welchen der Bischof St. Arno den Albefluß unter Aufsicht und Anstalten des Chunonis von Guelrath, zweymal in die Stadt hat leiten lassen. Nächst über dieser Reitschule liegt die Edmundburg, sozu dem unten gelegenen Kloster St. Peter gehöret. In der St. Peterskirche ist St. Rupert begraben. Gleich gegen über ist in dem hohen steilen Felsen eine Einsiedeley mit etlichen Fenstern eingehauen, es wohnet aber itziger Zeit niemand darinnen.

In der Domkirche sind alle Altäre von verschiedenem schönen Marmor verfertiget. Rand rechts: Domkirche. Unter der Cupola sind deren vier, und über derselben eben so viele Orgeln. Die fünfte und schönste Orgel ist über dem Haupteingange, und besteht aus dreytausend zweyhundert und sechs und sechszig Pfeifen, davon die längste zwey und dreyßig Fuß hält. Diese Orgel hat vier Claviere und zwey und vierzig Register, unter welchen siebenzehn von Glockenspeise sind.

Das Dach dieser Kirche ist von dickem Kupfer, und die zwischen dem Dom und der Residenz angelegte Galerie von weißem Marmor. Das hiesige Glockenspiel ist vollständig und von hellem Klange.

Die neue Universitätskirche Immaculatæ Conceptionis Beatæ Virginis Mariæ, ist ein treffliches Gebäude, welches inwendig sehr schöne Gipsarbeit hat5. Rand rechts: Universitätskirche. Vor dem Cajetanerkloster steht eine Marmorseule, die aus einem Stücke und vier und zwanzig Schuhe hoch ist.

Auf dem Kirchhofe von St. Sebastian ist der berühmte Schweizer, Theophrast Bompast, zugenannt Paracelsus, begraben, einer der größten Windmacher, so jemals den Erdboden betreten haben, dessen prahlerische Grabschrift in folgenden Worten verfasset ist: Rand rechts: Theophrasti Paracelsi Grab.


Conditur hic Philippus Theophrastus, insignis Medicinæ Doctor, qui dira illa vulnera, Lepram, Podagram, Hydropisin, aliaque insanabilia corporis contagia mirifica arte sustulit, ac bona sua in pauperes distribuenda collocandaque honoravit. Anno MDXLI. die 24. Septembris vitam cum morte mutavit.


Man erzählet hier von den Umständen seines Todes die alberne Fabel, daß, als er gemerket, wie er von seinem Apotheker Gift empfangen, und es zu spät sey, dessen Wirkung zu hintertreiben, er dieses Apothekers Bildniß an die Wand gemalt, und mit magischer Kunst durch[45] einen Pistolenschuß es also getroffen habe, daß der abwesende Apotheker auch gleich auf der Stelle todt geblieben sey. Rand rechts: Fabel von seinem Tode.

Aus dem untern Theile der Stadt geht man über eine bedeckte Brücke, nach dem erzbischöflichen Schlosse Mirabella, dessen schöne Kapelle den mittelsten Theil der Hauptseite einnimmt. Rand links: Schloß Mirabella. Gegen über ist ein Parnassusberg angelegt, auf welchem der Pegasus von Metall steht, das Wasser aber durch Cascaden, wie in einer Wildniß, herab fällt. Im Schlosse ist die prächtige marmorne und schön gemalte Treppe, der hohe Saal, die kostbaren Tische, und viele gute Gemälde von Landschaften sehenswürdig. Die Fußboden sind, wie in der Residenz, mit rothem und weißem Marmor eingelegt, auch die Meublen und Tapeten meistentheils roth mit Golde oder Silber durchwirket. Rand links: Garten. Der Garten ist artig, und hat man ihn in einen Theil der Befestigungswerke bequemlich zu bringen gewußt. Die Salza fließt hart daran vorbey, und giebt denen auf dem hohen Walle des Gartens spazieren gehenden eine neue Annehmlichkeit von Aussichten. In dem Garten ist ein schönes großes Haus für allerhand Vögel, mit Springbrunnen und grünem Buschwerke angeleget. La Sala terrena, wo die Herrschaft bey heißen Sommertagen zu speisen pfleget, wie auch das mit Wasen ausgesetzte Theatrum zu Komödien, verdienen ihr Lob, sowohl als die vier großen marmornen Stücke oder Gruppi, welche vorstellen 1) den Raub der Proserpine, 2) die Entführung der Helene, 3) den Streit Herkuls mit dem Antäo, und 4) Aeneam, wie er seinen alten Vater aus Troja rettet. Rand links: Orangerie. Die Schönheit der Orangerie fällt nicht vollkommen in die Augen, weil sie in viele Platze zerstreuet ist. Von sehr großen und geraden Stammen haben sie itzt nur neun Stücke, die vor etlichen Jahren aus Italien gekommen sind, und eilfhundert Gulden gekostet haben. Die mittelmäßigen Bäume sind in großer Menge, und haben sie vor zwey Jahren über zwanzig tausend Orangenfrüchte hervor gebracht. Rand links: Truppen. Die Stadt Salzburg ist mit eilf Bastionen versehen, und die erzbischöflichen Soldaten belaufen sich auf tausend Mann, welche meistentheils weiß mit rothen Aufschlagen, theils aber auch nur schlecht braun gekleidet sind. Die Leibwache der Carabiniers und die übrigen Bedienten tragen schwarze Kleider und rothe Aufschläge, die mit Golde und Schnüren besetzet sind.

Das erzbischöfliche Schloß Kleßheim liegt drey Vierthelstunden von der Stadt. Rand links: Schloß Kleßheim. Man giebt solches insgemein für ein Gebäude aus, in welchem vier fürstliche Hofstäte und zwar so bequemlich sich aufhalten konnten, daß jeder Fürst nicht nöthig hatte, eher als vor seinem Zimmer aus der Kutsche zu steigen. Es fehlet aber noch vieles daran, sonderlich, nachdem der itzige Erzbischof einen Theil des schon gestandenen Gebäudes wieder abbrechen lassen, also daß er kaum Bequemlichkeit für sich und wenige Leute seines Hofstaats findet. Vom Garten ist noch gar nichts im Stande, und sollte man es dem ganzen Werke nimmermehr ansehen, daß schon drey Erzbischöfe viele Sorge und großes Geld daran verwendet haben. Der hohe Saal ist das beste im ganzen Gebäude. Der Erzbischof hat vier bis fünf Zimmer, und an der andern Seite des Saals, gegen Salzburg, wohnt sein Liebling und Schwestersohn, der Oberjägermeister, Graf von Arco, ein junger Herr von etwan fünf und zwanzig Jahren, mit seiner Gemahlinn, einer gebohrnen Gräfinn von Khüenburg. Alles, was sonst zum Hofe gehöret, halt sich in Salzburg auf, und würde der Landesherr selbst nicht so enge eingeschränkt leben, wo die Liebe zur Jagd diesem Schlosse nicht den Vorzug vor andern bequemern Wohnungen gäbe. Rand links: Itziger Erzbischof. Belvedere ist das Fasanenhaus, so nahe bey Kießheim liegt, es ist aber nichts sonderliches darinnen zu sehen. Der itzige Erzbischof ist Leopold Anton Freyherr von Firmian, ein Herr von gutem Ansehen, und von acht und vierzig bis funfzig Jahren: Er liebt wenige Gesellschaften, und speiset deswegen stets allein;[46] obgleich eine beständige Marschallstafel für sechszehn bis achtzehn Personen gehalten wird. Er ist nun zwey Jahre in der Regierung, und tilget nach und nach die Schulden, welche er gefunden; wie solches eine Bedingung gewesen, welche er bey seiner Wahl eingehen müssen. Seine nächsten zween Vorfahren waren von ungleichen Gemüthsneigungen. Der eine, ein gebohrner Graf von Thun, hinterließ vieles Geld im Schatze, ob er gleich große Summen in Gebäude gesteckt, und unter andern sieben Kirchen in Salzburg erbauet hatte. Der nächste Vorfahrer des itzigen, ein Graf von Harrach, lebte sehr prächtig, und war die Sparsamkeit seine geringste Sorge. Der große Staat, den er führte, und die vielen Lustbarkeiten, so er anstellete, zogen viele Fremden an den Hof, und alles gieng herrlich und in Freuden zu. Welcher unter diesen dreyen Herren der beste Regent seines Landes gewesen, getraue ich mich nicht zu entscheiden; welcher aber am meisten geliebet worden sey, wird mein Herr selbst leichtlich errathen können.

Der Erzbischof hat etliche Kammerherren, die übrigen vornehmsten Bedienten sind folgende: Rand rechts: Hofstaat.


  • 1) Graf Christoph von Khüenburg, vornehmster Minister, und Oberhofmarschall.

  • 2) Graf von Zeil, Oberstallmeister, so sehr gerühmt wird.

  • 3) Graf von Arco, Oberjägermeister.

  • 4) Baron von Fill, Maltheserritter, Oberstküchenmeister.

  • 5) Baron von Auer, Kammerdirector.

  • 6) Graf von Ladrone, Landmarschall.

  • 7) Graf von Khüenburg, Landschenke.

  • 8) Graf von Törring.


Alle salzburgische sowohl Civil- als Kriegsbediente, haben vor andern Ländern sich des Vorzuges zu erfreuen, daß die Hälfte von der gehabten Besoldung ihren Witwen auf Lebenszeit gelassen wird, es sey dann, daß diese zur andern Ehe schreiten.


Die itzigen Domherren des Erzstifts sind folgende:

  • 1) Carl Joseph, Graf von Khüenburg, Domprobst, Erzpriester und Weihbischof, auch Bishof und Fürst von Chimsee, hat einen eigenen Pallast in der Stadt Salzburg. Rand rechts: Domcapitel.

  • 2) Franz, Graf von Dietrichstein, Domdechant.

  • 3) Sigismund Felix, Graf von Schrattenbach.

  • 4) Joseph Dominicus, Graf von Lamberg, Bischof zu Passau.

  • 5) Andreas Jacob, Graf von Dietrichstein.

  • 6) Joseph Oswald, Graf von Altembs, Bischof von Lavant.

  • 7) Franz Heinrich, Graf von Künigl, Freyherr von Ehrenburg.

  • 8) Franz Aloisius, Graf von Lamberg.

  • 9) Jacob Ernst, Graf von Lichtenstein, Bischof zu Seccau.

  • 10) Philipp Ludwig, Graf von Sinzendorf, Cardinal, Bischof zu Raab.

  • 11) Joseph Felix, Graf von Thurn und Valsassina.

  • 12) Jacob Ernst, Graf von Harrach.

  • 13) Franz Karl Eusebius, des heil. römischen Reichs Erbtruchses, Graf von Friedberg und Trauchenberg.

  • 14) Johann Trautson, Graf von Falkenstein.

  • 15) Joseph Franz, Graf von Arco.

  • 16) Caspar Ignatius, Graf von Künigl, Freyherr zu Ehrenburg, Bischof zu Brixen.

  • [47] 17) Leopold, Graf von Stahrenberg.

  • 18) Johann Georg, Graf von Schrattenbach.

  • 19) Johann Reichard, Graf von Gallenberg.

  • 20) Leopold Ernst, Freyherr von Firmian.

  • 21) Vigil Maria, Freyherr von Firmian.

  • 22) Wolfgang Leopold, Graf von Wildenstein.


Alle diese Domherren sitzen und gehen in der Kirche und bey andern öffentlichen Handlungen nach der Ordnung, in welcher sie Domherren worden sind; so bald sie aber an den Ort kommen, wo das Weihwasser genommen wird, so gehen die Bischöfe, ob sie gleich jüngere Domherren sind, vor den andern. Der Erzbischof von Salzburg hat zu Suffraganeis die Bischöfe von Freisingen, Regenspurg, Passau, Brixen, Gurk, Chiemsee, Seccau, und Lavant. Die vier letzten nennet er Euer Freundschaft. Des Erzbischofs Einkünfte werden auf acht mal hundert tausend Thaler geschätzet.

Ein anders erzbischöfliches Landhaus, Hellbrunn genannt, liegt eine halbe Stunde von Salzburg. Rand links: Garten zu Hellbrunn. Die Gebäude sind nicht sonderlich, der Garten aber sehr angenehm, gleichsam in einer Wildniß angeleget; und weil hier eine Menge Quellen entspringen, so findet man allenthalben die schönsten Wasserwerke, Teiche und Bassins, in deren hellem Wasser die Forellen und Salblinge herum schwimmen, und mit Lebern von Kälbern, Ochsen etc. gefüttert werden. Rand links: Grotten. Diese Wasser treiben längst dem Garten allerley kleine Figuren von Mühlen, Scheerschleifern, Töpfern etc. und mag man bey den Grotten noch so wohl auf seiner Hut seyn, so wird man doch den Bexierwassern nicht entgehen. Unter andern schönen Grotten ist ein einfallendes altes Gewölbe von Backsteinen sehr künstlich vorgestellet. Ueber einer Quelle liegt die Statue eines Monstri, das einem wilden Manne nicht unähnlich sehen würde, wenn es nicht einen Hahnenkamm und Adlersfüße hätte. Rand links: Waldteufel. Unter diesem steinernen Bilde stehen die Worte:


Anno 1531. ist ein so gestaltes Monstrum, so man einen Forst-Teuffel nennet unter dem Cardinal und Ertz-Bischoff Matthæo Lang, im Hauensberg auf einer Jagd gefangen worden; es war gelb von Farbe, gantz wild, und wolte die Leute nicht ansehen, sondern verbarg sich in die Winckel, trug einen Hahnenkamm, hatte eines Menschen Gesicht mit einem Bart, Adler-Füsse, schier Löwen-Tatzen, und einen Hund-Schweiff, starb bald Hungers, man mogte ihn locken oder Gewalt anthun, daß er essen oder trincken thäte.


In der hiesigen Menagerie sieht man Kraniche, einen Nimmersatt, der nichts anders ist, als eine große Seegans, so am Schlunde einen großen Sackhat, worinenn sie viele Nahrung sammeln und behalten kann; Steinadler, Luchsen und zween Biber oder Kastore, so itzt ein Junges (deren sie selten über drey bringen) hatten. Rand links: Menagerie. Sie leben am Wasser, und werden mit Rinden der Bäume und mit schlechten Fischen gefüttert. Der Kaninchenberg ist mit einem tiefen Wassergraben umgeben, wodurch diese Thiere verhindert werden, über ihre Gränzen sich auszubreiten.

Die Salzwerke zu Halleyn sind zwo Stunden von der Stadt Salzburg, und kann man darinnen fast eine Stunde lang herum gehen. Rand links: Salzwerke zu Halleyn. Der Salzstein ist schön glänzend, gelb, roth, blau und weiß, daher bey angezündeten Fackeln die Gänge sehr artig aussehen; man geht übrigens mit solchem Steine um, wie zu Hall in Tirol.[48]

Zum Beschluß ist noch zu melden, daß ich auf dieser und andern Reisen im Salzburgischen des A. R. P. O. de G. Ordinis Sancti Benedicti Socii in Michael Beyers Karte vom Erzbißthum Salzburg, welche Joh. Bapt. Homann in Nürnberg herausgegeben hat, so gut und genau ausgearbeitet gefunden, daß sie als ein Muster in solcher Wissenschaft kann angesehen werden.


Ich bin – – –

Salzburg, den 13 Jun. 1729.

Fußnoten

1 Zu einer unnatürlichen Grausamkeit der tirolischen Bauren gab das närrische Vorurtheil Gelegenheit, als oh Verita die Kunst wüßte, sich fest zu machen.


2 Dergleichen Kennzeichen nennten die alten RömerStigmata, und verordnen die Kaiser ARCADIVS undHONORIVSin Cod. de Fabricens. l. 3: Stigmata, hoc est notæ publicæ, fabricensium brachiis ad imitationem Tironum infligantur, ut hoc saltem modo possint latitantes agnosci. Rand links: Stigmata bey den alten Völkern. Im lege 10. fin. Cod. de Aquæductu befiehlt der Kaiser ZENO: Aquarios singulis manibus nomine Pietatis nostræ impresso signari decernimus, ut hujusmodi adnotatione manifesti sint omnibus. Von solcher Bezeichnung der Tironum schreibt VEGETIVSlib. II, c. 5: Pi-Eturis in cute punctis milites scripti et matriculis inserti jurare solent, und aus seinem ersten Buche im achten Cap. sieht man, daß diese Zeichen eingebrennt wurden.AETIVSMedicus bezeuget, daß die Soldaten solches Kennzeichen in der Hand getragen: und daß es in dem Namen des Kaisers oder wenigstens in den Anfangsbuchstaben desselben bestanden, zeiget sowohl der ob angeführte Befehl ZENONIS, als daß es AVGVSTINVS, Epist. I, Regium Characterem nennet. Conf. CHRYSOST. Homil. III, in 2 ad Corinth. Paulus scheint auf solche Gewohnheit zu zielen, wenn er in dem letzten Capitel an die Galater v. 17 die Striemen und Narben, so er über der Bekenntniß des Evangelii Willen erlitten, und an seinem Leibe herum trug, Stigmata des Herrn Jesu Christi nennet. Außer der Absicht, die gezeichneten Soldaten desto gewisser vor andern zu unterscheiden und zu erkennen, mag den Römern zu ihrer Gewohnheit vielleicht der heidnische Gebrauch Gelegenheit gegeben haben, da man mit eingebrannten Zeichen nicht nur Personen, sondern auch besondere Theile des Leibes diesem oder jenem Götzen heiligte und weiheteA1, wie davon PRVDENTIVSHymn. I, mit folgenden Worten schreibt:


Quid, cum sacrandas accipit sphragitidas?

Acus minutas ingerunt fornacibus,

His membra pergunt urere; utque igniverint,

Quamcunque partem corporis fervens nota

Stigmarit, hanc sie consecratam prædicant..


conf LIPS. de Militia Rom. lib. I, Dial. IX, p. m. a. 32.

Diejenigen, welche das heilige Grab zu Jerusalem besehen, lassen sich daselbst zum Andenken ihrer gethanen Wallfahrt verschiedene Figuren mit einer Nadel in die Haut ritzen, und hernach Schießpulver darauf einreiben, welches beständige schwarze Puncte zurück läßt. Etliche Bilder sind schon mit spitzigen Nadeln in eine Form zusammen gesetzet, welche man auf einmal an einem beliebten fleischigen Orte aufdrücken kann. Auch Protestanten nehmen aus Kurzweil dergleichen Andenken von dannen mit zurück, und hatte dergleichen der königl. schwedische Reiseprediger und nachmaliger upsalische Professor Enemann, auf einem Arme aufzuweisen, welcher mich versicherte, wie er gesehen, daß ein eifriger Papiste sich die Figuren von denen zwölf Aposteln auf seinen Leib und darunter den Verräther Judas auf die posteriora zeichnen lassen; über welche vielfältige Zerritzungen seiner Haut er ein solches Fieber bekommen, daß er seine neugierige und hofmüssen. Eben diese Gefahr und der Verlust eines Kerls hat den General – – – von dem Vorhaben, alle Soldaten mit dem Namen seines Regiments auf solche Art auf der einen Hand und Arme zeichnen zu lassen, und dadurch die Desertion zu verhindern, zurück gebracht.


3 Wie wenig der Verfolgungsgeist in den neuern Zeiten geruhet, davon sind die betrübtesten Beyspiele vorhanden, welche bey der Nachwelt kaum Glauben finden werden. Von den mitleidenswürdigen Umständen unsrer bedrängten Glaubensbrüder in Oesterreich hat Raupach glaubwürdige Nachrichten gesammlet: und von der teffereckischen Verfolgung kann man folgende Schrift nicht ohne Wehmuth lesen: Ioh. Georg. SCHELHORN. comment. hist. eccl. de religionis evangelicae in provincia Salisburgensi ortu, progressu & fatis, Lips. 1732. So weitläuftig auch die alten Marterbücher sind, so würde doch ihr Glanz verdunkelt werden, wenn der Wunsch des Herrn Kanzlers Pfaff erfüllet werden sollte hist. eccles. P. III, p. 309: Operæ pretium esset, dare martyrologium protestantis Germaniæ, quod ingrederentur & martyria nostratium in bello tricennali subita. Ein Bischof der römischen Kirche Vergerius, hat nachgerechnet, daß allein zu Luthers Zeiten binnen dreyßig Jahren mehr als funfzehn tausend Christen, durch den strengen Ausspruch der unchristlichen Inquisition hingerichtet worden. Sollte man nicht hiebey an die Worte des AMMIANVS MARCELLINVS gedenken?hist. l. II. c. 5: Nullas infestas hominibus bestias, ut sunt sibi ferales plerique christianorum.


4 So wie hier der Eigennutz die Feder geführet hat: so giebt es andere, welche man bey ihrem allzuängstlichen Gewissen mit Sanftmuth tragen muß. Diese berufen sich auf die bekannte apostolische Verordnung von der Enthaltung des Blutessens. Die Kirchengeschichte belehren uns, daß diese Verordnung anfänglich und ursprünglich von besonderer, und hernachmals von allgemeinerer Verbindlichkeitgewesen sey. Sie hat in der abendländischen Kirche bis ins eilfte Jahrhundert, in der morgenländischen Kirche aber beständig ihre Kraft und Gültigkeit behalten. Man lese Arnolds Abbildung der ersten Christen B. 4. c. 3, und Baumgartens Kirchengeschichte Th. I, §. 63.


5 Der Verfasser hat ohnzweifel gegründete Ursachen gehabt, warum er der salzburgischen hohen Schule nicht weiter gedenket. Der Ursprung derselben kann sich keines hohen Alterthums rühmen. Der vier und funfzigste Erzbischof Markus Sittikus; ein gebohrner Graf von Hohenembs; legte im Jahr 1617 zuerst das Gymnasium an, und besetzte die Stellen der Lehrer mit Benedictinern. Sein Nachfolger Paris, Graf von Lodron, erhielt vom Kaiser Ferdinand dem zweyten und Pabst Urban dem achten im Jahr 1623, daß das Gymnasium zu einer hohen Schule erhoben wurde; welche aber denjenigen Glanz nicht erhalten hat, den sich andere hohe Schulen verschaffet haben.


A1 Daß die alten deutschen und nordischen Völker ihre gottesdienstliche Handlungen mit einem ähnlichen Aberglauben beflecket, bezeuget nicht nur Tertullian, de vel. virg. c. 10, wenn er an die stigmata der Celten gedenket; sondern es gehöret auch hieher die barbarische Gewohnheit der nordischen Heiden, welche sich mit dem Maalzeichen des Odins, Geirsodde, gebrandmarket haben. Odin selbst war mit seinem Beyspiele vorgegangen, und nichts war einem unnatürlichen Selbstmorde ähnlicher, als die bereitwillige Nachfolge seiner abergläubischen Verehrer. Man lese BARTHOLIN. antiq. Dan. l. II, c. 7. Die zärtlichste Liebe der ersten Christen zu ihrem Erlöser, ist vielleicht Schuld daran, daß sie sich die alte heidnische Gewohnheit zu Nutze machen wollen. PROCOP. Gaz. in Jes. c. 44, n. 5: Hoc aut manu quamplurimum solebant insculpere, vel in carpis vel in brachiis, seu crucis signum seu Christi nomen. Am klügsten scheinen diejenigen christlichen Kaiser gehandelt zu haben, welche das Zeichen des Kreuzes nicht auf die Glieder, sondern auf die Waffen ihrer Soldaten prägen lassen. EVSEB. hist. eccl. l. 4: Iam vero in armis ipsorum militum salutaris trophaei signum iussit exstare.


Agnoscas regina lubens mea signa necesse est,

In quibus effigies crucis aut gemmata refulget,

Aut longis solido ex auro præfertur in hastis.

PRVDENT. adv. Symmach.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 49.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Weiße, Christian Felix

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Brüder Atreus und Thyest töten ihren Halbbruder Chrysippos und lassen im Streit um den Thron von Mykene keine Intrige aus. Weißes Trauerspiel aus der griechischen Mythologie ist 1765 neben der Tragödie »Die Befreiung von Theben« das erste deutschsprachige Drama in fünfhebigen Jamben.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon