XX.

Der Ehrenbezeigungen, welcher unser Tondichter während seiner irdischen Laufbahn theilhaftig geworden, wurde im Verlauf dieser Darstellung bereits gedacht. Abgesehen von Ernennungen zum Ehrenmitglied von Musikvereinen, von seiner Wahl in den Repräsentantenkörper des Musikvereins in Wien, von schmeichelhaften Anerkennungsschreiben über seine musikalische Befähigung und von ein Paar Dankschreiben1 für die Dedication von Liedern, hat sich Franz keiner hervorragenden Auszeichnung zu erfreuen gehabt2. Er trug übrigens auch kein Verlangen darnach, und hätte sich dafür gerne mit einem bescheidenen, aber »sicher laufenden« Jahreseinkommen abgefunden.

Geraume Zeit nach seinem Tode wurde das Andenken an ihn durch Akademieen gefeiert, so beispielsweise im J. 1835 durch eine von Ernst von Feuchtersleben veranstaltete, in welcher ein Gedicht Franz von Schober's declamirt wurde.[583]

Größere Ehren wurden dem Heimgegangenen von jener Zeit an zu Theil, als man es nicht mehr bei schönen Worten bewenden ließ, sondern sich daran machte, das Gedächtniß an den Tondichter in seinen Werken zu erneuern und den Kreis der bereits bekannt gewordenen stetig zu erweitern.

Der eben erst im Aufblühen begriffene Wiener Männergesangverein war es zuerst, welcher unter dem tiefen Eindruck, den die aus dem Dunkel hervorgezogenen Chorlieder auf ihn gemacht hatten, seinen Gefühlen für den Meister durch eine im Jahre 1847 in dem Versammlungsort seiner Mitglieder abgehaltene Feier begeisterte Worte lieh und am 19. November 1850 das Andenken an Schubert's Tod ebenfalls in feierlicher Weise beging3.

Im Jahre 1851 wurde am 28. Februar in dem von Herrn Spina errichteten Schubert-Salon (auf der Seilerstätte in dem Hause Nr. 807) eine Schubert-Feier abgehalten, welche ein Prolog von Bauernfeld, gesprochen von Dawison, eröffnete.

Eine gleiche Feier hatte ebendaselbst am 25. Nov. 1853 zum 25jährigen Gedächtniß an den 19. November 1828 (Schubert's Sterbetag) statt, wobei das Gedicht: »Ein Musenkind« von Steinhauser als Declamationsstück figurirte4.[584]

Anläßlich eines Umbaues, welcher mit dem Geburtshause Schubert's vorgenommen werden sollte, machte der Redacteur Anton Langer in dem Augustheft 1858 seiner Volkszeitung darauf aufmerksam, daß es wohl an der Zeit sein dürfte, die Geburtsstätte des berühmten Landsmannes durch Errichtung einer Gedenktafel auszuzeichnen und auf diese Weise Einheimischen und Fremden erkennbar zu machen.

Es wurde die Sammlung von Geldbeiträgen in Anregung gebracht und der Wiener Männergesangverein eingeladen, ebenfalls sein Schärflein beizutragen. Dieser aber erklärte, die Sache selbst in die Hand nehmen zu wollen; die bereits von anderer Seite eingelaufenen Beträge wurden zurückgestellt und der Steinmetzmeister Wasserburger in Wien mit der Anfertigung der Gedenktafel betraut. Am 7. October 1858 um 4 Uhr Nachmittags fand die feierliche Enthüllung derselben in Gegenwart des Gesangvereines und mehrerer hierzu geladener Gäste, unter denen sich sämmtliche Familienangehörige des Tondichters befanden, nach vorausgegangener Festrede und Absingung mehrerer Chöre und des Quartetts: »Lob[585] der Einsamkeit« statt; der musikalische Theil der Feier erhielt an demselben Tage Abends in einer Festliedertafel, deren Programm ausschließlich aus Schubert'schen Compositionen bestand, begeisterten Ausdruck.

In neuerer und neuester Zeit (im Jänner und März 1861 und im März 1863) wurde das Andenken an den Meister durch die Aufführung der Operette »Die Verschwornen« und der Ostercantate »Lazarus« (in drei Concerten) auf das wirksamste wiederbelebt5.

Endlich hat vor kurzem abermals der Wiener Männergesangverein die Initiative zu einem Unternehmen ergriffen, welches, wenn glücklich ausgeführt, alle bisherigen Kundgebungen überragen und gewissermassen den Schlußstein derselben bilden wird. Die besagte Körperschaft sprach nämlich in ihrer Versammlung (am 6. Juni 1862) den einmüthigen Wunsch aus, das Andenken an den vaterländischen Tondichter in monumentaler Weise bewahrt und verherrlicht zu sehen. Die Einleitungen zur Herbeischaffung der dazu nöthigen Mittel wurden sogleich getroffen und es liegen bereits Resultate vor und sind deren noch zu gewärtigen, welche der Hoffnung Raum geben, daß in nicht ferner Zeit an schöner Stelle in freier Natur das Standbild Franz Schubert's sich erheben werde als stolzer Schmuck seiner Vaterstadt und als ein Wahrzeichen der Dankbarkeit und Verehrung aller derjenigen, welche zur Errichtung desselben mit Rath und That mitgeholfen haben6.[586]

Was aber auch von begeisterten Verehrern für Schubert's Ruhm unternommen sein mag, er selbst hat diesen – aere perennius – in seinen Werken fest und unerschütterlich begründet.

Losgelöst von jenen formalen Banden, die früher oder später bei wechselndem Geschmack so manche Tonwerke selbst der größten Meister veralten machen, Kinder einer freien blühenden Fantasie und unerschöpflichen Erfindung, voll von wahrer tiefer Empfindung, zählen Schubert's Tondichtungen ihrer Mehrzahl nach zu jenen Erscheinungen auf musikalischem Gebiete, welche, abgesehen von ihrem künstlerischen Werth an sich, in Folge jener Eigenthümlichkeit noch viele kommende Zeiten in jugendlicher Frische überdauern werden. Und dieß sei nicht blos von seinen Liedern gesagt, sondern auch von einem großen Theil seiner Compositionen anderer Gattung, deren freier Flug und fesselloser Schwung sie vor frühzeitigem Alter schützen und ihnen in dieser Beziehung das glückliche Los der Meisterwerke Beethovens angedeihen lassen wird.

Was an Schubert's Tondichtungen hauptsächlich fesselt und erquickt, ist ihre Ursprünglichkeit. Eine überschwengliche Fülle von Erfindung quillt aus allem hervor, was er geschaffen: allenthalben glüht und blüht es! Er stellt in seinen[587] Producten keine Räthsel hin, und läßt über sein Denken und Fühlen keine Deutelei aufkommen, er macht seine Kunst nicht zum ostensiblen Tummelplatz der Conflicte seines inneren und äußeren Lebens, und wenn es einen, in des Wortes höchster Bedeutung naiven Tonsetzer je gegeben hat, so war dieß Franz Schubert. Alles reflektirte Wesen war dem in ihm waltenden Schaffensdrang so fremd, daß vielleicht nur darin der Grund zu finden ist, weßhalb er so mancher seiner Schöpfungen jene zusammengefaßte Kraft und gefeilte Schönheit nicht angedeihen ließ, die wir an anderen Meistern bewundern, und die er unbeschadet seiner Eigenthümlichkeit auch den seinen hätte verleihen können. Hierbei kann es sich gleichwohl nur um unnöthige Längen und Breiten oder ungerechtfertigte Wiederholungen handeln, welche sich hie und da in seinen Instrumentalwerken vorfinden und einen abschwächenden Eindruck hervorbringen, wogegen die Lieder, durch den Text mehr eingeschränkt, sich beinahe durchgehends von diesem Vorwurf frei erhalten.

Daß er an seinen Werken nur in den allerseltensten Fällen noch gefeilt hat7, ist eine verbürgte Thatsache und die Handschriften selbst bezeugen es in unwiderlegbarer Weise. Die kurze Spanne Lebenszeit, von der er gleichsam eine Ahnung haben mochte, gestattete ihm nicht, bei seinen Schöpfungen lange zu verweilen, wenn er den Geheißen seines Genius[588] nach immer neuen Thaten gerecht werden, und innerhalb der achtzehn Jahre alles, was in ihm von Musik leibte und lebte, los werden wollte. Sein künstlerisches Vermögen war so staunenswerth, daß er sich zu erschöpfen nicht bange zu sein brauchte, wenn er, anstatt auf eine fertig gewordene Arbeit glättend und verbessernd zurückzukommen, es vorzog, dieser eine neue folgen zu lassen.

So war denn Franz Schubert auch in dieser Beziehung eine der eigenthümlichsten Erscheinungen, die je Musikschaffend gewirkt hat, und wenn diejenigen, die seine Productionskraft auf einen Zustand von Hellseherei zurückführen wollten, einer dunkeln und irrigen Anschauung folgen, so bleibt der Umstand immerhin charakteristisch, daß eben Männer8, welche um Schubert viel beschäftigt waren, und hie und da die Gelegenheit wahrnahmen, ihn beim Schaffen zu belauschen, es versuchten, sich den ihnen unbegreiflichen inneren Proceß, der sich in dem Tondichter vollzog, geradezu auf übernatürlichem Weg zu erklären.

Mehr als dreißig Jahre sind entschwunden seit dem Tag, an welchem der Tondichter sein kurzes Erdenwallen beendet hat. Einem Meteor gleich zog seine Erscheinung an dem musikalischen Himmel vorüber; aber so flüchtig auch dieses Dahinschweben war, so dauernde Wirkungen hat es zurückgelassen. Ja, es gab eine Zeit der Verflachung und Charakterlosigkeit in der Musik, in welcher vor Allem sein liedbeschwingter Genius die dem Erlöschen zuneigende Flamme heiliger Kunst zu neuem Leben anfachte, und das entzündete Feuer fortan lodernd erhielt.[589]

Im großen Ganzen läßt sich von Franz Schubert sagen: Was er in Tönen ausgesprochen, ist voll von wahrer, tiefer Empfindung, voll Gluth und dramatischen Lebens. Er hat durch seine Vielseitigkeit und Originalität die musikalische Anschauung wesentlich gefördert und erweitert, und auch ihm war es, als einer echt schöpferischen Natur, beschieden, dasjenige, was aus seinem Geist neugeboren war, dem kommenden Geschlecht als den fruchtbringenden Keim neuen Lebens darzubringen.

1

Zu den Dankschreiben zählt auch eine Dankadresse mehrerer Frauen in Lemberg an Sch. für die Zusendung eines Frauenchores.

2

In neuester Zeit wiederfuhr Schubert auch die Ehre, als solcher auf die Bühne gebracht zu werden. Die Unverwüstlichkeit der von Herrn Suppé benützten Schubert'schen Melodien sicherte dem Stück des Herrn Hans Max im Carltheater in Wien einige mit Beifall aufgenommene Vorstellungen.

3

Die Feier im Jahre 1847 veranstaltete der damalige Chormeister Gustav Barth und die VereinsmitgliederDr. Flögel und Weiß. Barth hielt die Festrede.

4

Das Programm der zuersterwähnten Schubertfeier bestand aus folgenden Musikstücken: Streichquartett in D-Moll, gespielt von Josef Hellmesberger, Durst, Heißler und Schlesinger; Lob der Thränen, gesungen von Ander; Fantasie zu vier Händen, gespielt von Pacher und Egghardt; der zürnende Barde, und Augenlied, gesungen von Staudigl; Fantasie (op. 159), gespielt von Josef Hellmesberger und Egghardt; Vocal-Quartett (des Tages Weihe) gesungen von den Frls. Schmidl und Bury und den Herren Schmidbauer und Staudigl; jenes der zuletzt erwähnten Feier aus folgen den Schubert'schen Compositionen: Quartett in A-Moll (von den oben erwähnten Herren gespielt); auf der Donau, der Schiffer, der Doppelgänger, der Wanderer und Gruppe aus dem Tartarus, von Staudigl gesungen; Variationen über ein Originalthema, gespielt von den Herren Dachs und Fischhof; Impromptu (op. 142), gespielt von Dachs, und dem Vocal-Quartett: die Nachtigall, gesungen von Kloß, Muk, Legat und Petzelberger. In beiden Concerten begleitete Herr Randhartinger am Clavier.

5

Auch in Weimar und in Bremen fand im Jahre 1861 eine Schubertfeier statt.

6

Im September 1864 betrug der Schubert-Monumentfond 18, 600 fl. in Werthpapieren und 1170 fl. 33 kr. in Barem. Schon das erste »Festconcert«, welches in Wien im August 1862 stattfand, warf einen reichlichen Ertrag ab. Mittlerweile sind Einladungen an sämmtliche deutsche Gesangvereine ergangen, nach Kräften beizutragen, und sind von einigen derselben bereits Spenden eingesendet worden. Am 19. October 1864 erschien in den öffentlichen Blättern Wiens ein Aufruf des Wiener Männergesangvereines, in welchem alle Verehrer Schubert's zu Beiträgen für den Schubert-Monumentfond eingeladen werden. – Auch der etwas verwahrlosten Grabstätte Schubert's (und Beethovens) hat man nicht vergessen.

7

Damit hängt auch die unläugbare Thatsache zusammen, daß in manchen seiner Instrumentalwerke die Schlußsätze sich nicht auf gleicher Höhe mit den vorausgegangenen behaupten. Beispiele davon liefern einige Clavier-Sonaten, das Streichquintett inC, der Schlußchor in der Operette »die Verschwornen«, der sich wie ein »Kehrtaus« beim Tanz ausnimmt u.s.w.

8

Vogl und Schönstein, selbst Schober.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865, S. 582-590.
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