V.
(1817.)

Die poetisch-musikalische Trias zu vervollständigen, welche in Schubert's Leben allenthalben in den Vordergrund tritt, und auf die Entwicklung des Tondichters in mannigfacher Beziehung veredelnd einwirkte, ist hier vor Allem abermals einer Persönlichkeit zu gedenken, mit welcher Franz bald nach Schober's Begegnung auf seiner Lebensbahn bekannt wurde, und zu der er ebenfalls in ein nahes, vom künstlerischen Standpunkt aus folgenreiches Verhältniß trat. Der junge Tonsetzer durfte in seinen Freunden Mayrhofer und Schober die Dichter vieler seiner schönsten Lieder begrüßen; es war ihm aber auch beschieden, in früher Zeit den ausgezeichnetsten musikalischen Verdolmetscher derselben fast ohne alles Zuthun für seine Zwecke zu gewinnen, und dauernd an sich zu fesseln.

Dieser enthusiastische Freund der Schubert'schen Muse war der bekannte Sänger Vogl, der, beinahe um zwanzig Jahre älter als Schubert, damals im kräftigsten Mannesalter stehend, durch seine Leistungen auf der Bühne schon seit Jahren sich der vollsten Simpathie des jungen Tondichters erfreute.[112]

Die erste Zusammenkunft beider scheint Schober vermittelt zu haben; wenigstens war er es, der in Schubert's Gesellschaft bei dem spröden, den sogenannten Genie's gegenüber mißtrauisch gestimmten Sänger mehrere Male anklopfte, bis dieser sich entschloß, die beiden Freunde in ihrer gemeinschaftlichen Wohnung (damals in der Spiegelgasse im »Göttweiherhof«) in Person aufzusuchen1.

[113] Johann Michael Vogl, geboren am 10. August 1768 in Stadt Steyr, war der Sohn eines Schiffmeisters2. Frühzeitig eine Waise geworden, erhielt er seine Erziehung im Hause seines Oheims, und erregte als fünfjähriger Knabe durch seine helle Stimme und richtige Intonation die Aufmerksamkeit desregens chori der dortigen Pfarrkirche. Dieser ertheilte ihm sofort gründlichen Musikunterricht, und schon in seinem achten Jahre wurde Vogl besoldeter Sopransänger. Dabei ward seine Schulbildung nicht vernachlässigt. Der Trieb zum Lernen, der Vogl sein ganzes Leben hindurch begleitete, erwachte frühzeitig in ihm. Hinlänglich vorbereitet, trat er in die Lehranstalt des Stiftes Kremsmünster, wo er das Gymnasium und die filosofischen Studien mit Auszeichnung absolvirte. In dem genannten Kloster fand er zuerst Gelegenheit, Proben seines Darstellungstalentes abzulegen. Bei den kleinen Schau- und Singspielen, die daselbst zur Aufführung kamen, waren eben Vogl und sein Landsmann Franz Süßmayer3 (der nachherige Famulus[114] Mozart's) unter den thätigst Mitwirkenden, die sich denn auch des Beifalles der zu diesen Productionen herbeiströmenden Bewohner der Umgebung in vollem Maße erfreuten.

Es währte nicht lange, so kamen die beiden Jünglinge überein, zusammen der Kaiserstadt zuzuwandern. In Wien absolvirte Vogl die juridischen Studien und trat sodann in die ämtliche Praxis ein. Bald aber sollte er seinen eigentlichen Beruf kennen lernen. Süßmayer wurde Kapellmeister am Hofoperntheater, und auf seinen Antrieb erhielt der junge Beamte einen Ruf dahin, dem er ohne Zaudern folgte. Am 1. Mai 1794 trat er in den Künstlerkreis der deutschen Oper, welchem er durch 28 Jahre angehören sollte. Es war damals eine schöne Zeit deutscher Gesangskunst, und die Namen Weinmüller, Saal, Sebast. Mayer, Baumann und Baucher, Anna Milder und Buchwieser, Wild und Forti bezeichnen jene mit vorzüglichen Gesangskräften gesegnete Kunstepoche. Vogl's Eintritt in diesen Kreis war von den günstigsten Folgen begleitet. Der gebildete Mann brachte nämlich in der vom rein-musikalischen Standpunkt aus vortrefflichen Gesellschaft den Geist zum Durchbruch. An seinem Geberdenspiel fand man zwar so manches auszusetzen, dagegen galten eine imposante Persönlichkeit, ausdrucksvolle Miene, edler Anstand und eine wohlthuende Baritonstimme als seine unbestrittenen Vorzüge. Im Gesang verfolgte er mit bewußter Consequenz den Weg dramatischer Gesangskunst. In der Darstellung des Charakteristischen, in der künstlerischen Verbindung der Wahrheit mit der Schönheit lag seine Stärke. Er besaß ein seines Gefühl für den Rhythmus der Verse, war des recitirenden Vortrages vollkommen mächtig, und in Folge gründlicher theoretischer Studien[115] auch mit den Gesetzen der Harmonie hinlänglich vertraut. Trotzdem wurde ihm von mancher Seite dasjenige, was man Gesangsmethode im strengsten Sinn des Wortes nennt, nicht zuerkannt; man warf ihm insbesondere vor, daß er den gebundenen Gesang der Arie zu sehr vernachlässige, und stellte ihm in dieser Beziehung den Sänger Wild entgegen, während man Vogl's geistige Ueberlegenheit ohne weiters zugab. Als seine bedeutendsten Bühnenleistungen galten Orest (in »Ifigenie«), Graf Almaviva (in »Figaro's Hochzeit«), Cheron (in Cherubini's »Medea«) und Jakob (in der »Schweizerfamilie«4 und in »Josef und seine Brüder«), von welchen namentlich die erste und die beiden zuletzt genannten auf den Knaben Schubert großen Eindruck machten. Seine letzte Rolle war angeblich der Castellan in Gretry's »Blaubart«, der im Jahre 1821 neu in Scene gesetzt wurde. In diesem Jahr ging das Operntheater in Barbaja's Pacht über, und zu Ende des nächsten trat der Opernsänger Vogl in Pension, um als Liedersänger die bereits angetretene zweite Künstlerlaufbahn mit ebenso großem Erfolg durch eine Reihe von Jahren fortzusetzen. Noch im Jahr 1821 bahnte sein Vortrag des »Erlkönig« dem jungen Schubert die Wege unvergänglichen Ruhmes, und vier Jahre später finden wir beide auf einer gemeinschaftlichen, durch die Kunst belebten und verschönten Reise in Oberösterreich und dem Salzburger-Ländchen begriffen. Im Herbst des darauffolgenden Jahres[116] begab sich der von Gichtleiden gequälte, schon alternde Sänger nach Italien, wo er bis zum nächsten Frühjahr verweilte; nach seiner Rückkehr aber zeigte der Hagestolz den erstaunten Freunden seine bevorstehende Vermählung mit Kunegunde Rosas5 an, einem fast außer allem Zusammenhang mit der Welt erzogenen weiblichen Wesen, zu welchem er schon seit Jahren in einer Art ethisch-pädagogischem Verhältniß gestanden hatte. In seinem 58. Jahr vollzog der Sänger diese Verbindung, welche ihn noch im Herbst seiner Tage mit einem Töchterlein beglückte.

Vogl war keine gewöhnliche Erscheinung, und erfreute sich einer, größtentheils selbst erworbenen, Bildung, wie sie bei Theatersängern selten vorzukommen pflegt. Die klösterliche Erziehung aber, welche er in seiner Jugend genossen hatte, war auf seinen Charakter nicht ohne Einfluß geblieben, und hatte dazu gedient, in ihm eine gewisse Beschaulichkeit zu nähren, die mit seinem Stand und seinen Verhältnissen in sonderbarstem Contrast stand. Der Grundton seines Innern war eine moralische Skepsis, ein grübelndes Zergliedern seiner selbst, so wie der Welt; der Trieb, täglich besser zu werden, verfolgte ihn durch sein ganzes Leben, und wenn ihn, wie alle kräftigen reizbaren Naturen, die Leidenschaft zu gefährlichen Schritten hinriß, so ward er nicht müde, sich darüber selbst anzuklagen, zu zweifeln, ja fast zu verzweifeln. Ein neuer Fehltritt – neue Vorwürfe und Zerknirschung. Lectüre und Studium standen mit dieser Lebensrichtung in innigem Zusammenhang.[117]

Das alte und neue Testament, die Evangelien der Stoiker, Marc-Aurel's Betrachtungen, Epiktet's »Enchiridion« und Thomas a Kempis »Taulerus« waren die steten Begleiter und Rathgeber seines Lebens6. Der im Kloster ansponnene religiöse Faden zog sich sein ganzes Leben hindurch. Auch die Lehren der »Stoa« sagten seiner Denkweise zu; er wußte sie übrigens recht gut mit dem Gefühl für das Schöne zu vereinigen, wie er denn überhaupt einen, für Kunstwerke jeder Art höchst empfänglichen Sinn hatte. Sein Lieblingsschriftsteller war Goethe, der auch auf seine Denk- und Anschauungsweise, sowie auf seinen Styl entschieden einwirkte7.

Die Aufzeichnungen in seinen Tagebüchern, – und er führte solche schon von früher Zeit her – zeigen am anschaulichsten, auf welchen Grundlagen sein inneres Leben beruhte. Unter diesen Tagebuchsnotizen befindet sich auch eine, welche, da sie auf Schubert's Lieder Bezug hat, hier anzuführen kommt: »Nichts hat« – so lautet die Stelle – »den Mangel einer brauchbaren Singschule so offen gezeigt, als Schubert's Lieder. Was müßten sonst diese wahrhaft göttlichen Eingebungen, diese Hervorbringungen einer musikalischen clairvoyance in aller Welt, die der deutschen Sprache mächtig ist, für allgemein ungeheure Wirkung machen. Wie viele hätten vielleicht zum ersten Mal begriffen, was[118] es sagen will: Sprache, Dichtung in Tönen, Worte in Harmonien, in Musik gekleidete Gedanken. Sie hätten gelernt, wie das schönste Wortgedicht unserer größten Dichter übersetzt in solche Musiksprache noch erhöht, ja überboten werden könne. Beispiele ohne Zahl liegen vor. Erlkönig, Gretchen am Spinnrad, Schwager Kronos. Mignon's und Harfner's Lieder, Schiller's Sehnsucht, der Pilgrim, die Bürgschaft.«

Zu dem Ausdruck clairvoyance8 fand sich Vogl durch folgende Thatsache veranlaßt: Schubert brachte ihm eines Morgens mehrere Lieder zur Durchsicht. Der Sänger, eben beschäftigt, beschied den Tondichter auf eine andere Zeit und legte die Lieder bei Seite. Später sah er dieselben allein durch, und fand eines darunter, das ihm besonders zusagte. Da aber die Tonart, in welcher es gesetzt war, für seine Stimme zu hoch lag, ließ er es transponiren und die Uebertragung copiren. Nach etwa vierzehn Tagen musizirten die beiden Kunstgenossen gemeinschaftlich, bei welcher Gelegenheit einiges Neue, darunter auch das besagte Lied, vorgenommen wurde, welches Vogl, ohne ein Wort darüber zu sagen, in der Handschrift des Uebersetzers auf das Clavier[119] gelegt hatte. Als Schubert die nur in der Tonart umgeänderte Composition angehört, rief er erfreut im Wiener Dialect aus: »Schaut's, das Lied is nit uneb'n, von wem ist denn das?« – Er hat also in diesem Fall nach Verlauf von ein paar Wochen sich seiner eigenen Arbeit nicht mehr erinnert9.

Vogl befaßte sich auch mit Schriftstellerei. Er verfaßte eine Singschule, und sammelte die Erfahrungen, die er als Opernsänger und später als Gesangslehrer gemacht, zu einem Werk zusammen, welches aber unvollendet blieb.

Wie bereits erwähnt, traten der Tondichter und der ausübende Künstler um das Jahr 1817 zu einander in ein näheres Verhältniß. Vogl erkannte alsbald den hohen Werth der Schubert'schen Gesänge, und dieser sah über alle Erwartung erfüllt, was ihm als unausgesprochener Wunsch in der Seele gelegen hatte. Der ernste, gebildete, in Jahren schon vorgerückte Sänger konnte auf Schubert's musikalische Entwicklung einen im Ganzen nur vortheilhaften Einfluß ausüben. Er leitete seine Wahl auf gewisse Gedichte, nachdem er sie ihm vorher mit hinreißendem Ausdruck vordeclamirt hatte, und seine eigenthümliche Auffassung der Schubert'schen Gesänge mußte auf diesen ebenfalls wieder anregend und bildend einwirken.

Schubert kam gewöhnlich in den Vormittagsstunden zu Vogl (der damals in der »Plankengasse« wohnte10), um daselbst[120] zu componiren oder neue Lieder durchzuprobiren. Er hielt viel auf des Sängers Urtheil, legte ihm die meisten seiner Gesangscompositionen zur Durchsicht vor und nahm von ihm ausnahmsweise – auch sogenannten guten Rath an11. Vogl führte ihn durch seinen trefflichen Liedervortrag zuerst in die Kunstwelt ein, vermittelte sein Bekanntwerden mit musikliebenden Personen und Familien, und daß Schubert auf Wahrheit des Ausdruckes, richtige Accentuirung und makellose Declamation vorzugsweise bedacht war, darf wenigstens zum Theil als Vogl's Verdienst bezeichnet werden. Im Leben war er ihm ein verständiger Führer, ein väterlicher Rathgeber, und wo ihm die Möglichkeit gegeben war, auch für Schubert's äußeres Wohlergehen thätig.

Ungeachtet dieses geistigen Bundes und eines mehrjährigen Verkehres blieb doch das Verhältniß der beiden Musensöhne zu einander ein befremdend – eigenthümliches. Vogl gefiel sich nämlich darin, dem jüngeren, in mancher Beziehung[121] wenig herangereiften Schubert gegenüber die Protectorsrolle zu spielen, und dieser, ein Freund der Ungebundenheit, konnte sich einer gewissen Scheu und Zurückhaltung vor dem rigoros-wunderlichen Manne nicht entschlagen. Von einem Freundschaftsverhältniß im eigentlichen Sinne des Wortes war bei diesem Gegensatz der Naturen nicht die Spur; und selbst die reinmusikalische Seite ins Auge gefaßt, läßt sich nicht in Abrede stellen, daß, so herrliche Früchte auch die gegenseitige Einwirkung des produzirenden und ausübenden Künstlers auf einander getragen hat, dieses im Künstlerleben vielleicht einzig dastehende Verhältniß auch seine Kehrseite hatte. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, daß Schubert unter des Sängers Einfluß viele Lieder für eine Stimmlage schrieb, die sich eben selten vorfindet, während Vogl, dessen Organ sie angepaßt waren, gerade dadurch, daß er mit einem tonlos gesprochenen Wort, einem Aufschrei oder Falsetton von dem natürlichen und künstlerisch allein zu rechtfertigendem Gesang abwich, die gewaltigsten Effecte zu erzielen wußte. Als eine weitere nicht eben erwünschte Folge darf auch die Thatsache bezeichnet werden, daß Schubert dem Sänger zu Gefallen sich mit der Production von Liedern überhaupt, und insbesondere von solchen kleinerer Art angelegentlicher beschäftigt hat, als dies sonst der Fall gewesen sein würde.

Nach Schubert's Tod sang der bereits in das 60. Lebensjahr eingetretene Mann die Lieder, denen er so großen Ruhm verdankte, in Privatzirkeln wacker fort; ja den »Erlkönig« trug er noch im Jahre 1834 in einem öffentlichen Concert in Wien vor. Allerdings sah er sich da genöthigt, seine Routine und die noch vorhandenen Stimmreste in vollem Maße aufzubieten, um Effecte zu erzielen, und er[122] gab sich dabei einer gewissen Selbstgefälligkeit und einer Affectirtheit des Vortrages hin, die sich im Verhältniß der Abnahme seiner Stimmmittel naturgemäß noch steigerten und den Sänger geradezu lächerlich erscheinen ließen. Die letzten Lebensjahre wurden ihm durch eine Krankheit verbittert, welche bei seinem hohen Alter große Leiden zur Folge hatte, und ihn fortan an das Zimmer fesselte. Geduld war keine seiner Tugenden. Zurückgezogen von der Außenwelt fand er nur noch Trost und Linderung in der altgewohnten geistigen Beschäftigung. Seine innere Welt mußte ihn für längst aufgegebene Genüsse und die Verwirrung schadlos halten, die ihm von außen allenthalben hereinzubrechen schien. Die übelste Laune und unbehaglichste Stimmung bemächtigte sich des greisen Mannes, und die krankhafte Ansicht, daß die Welt ihrem Untergange nahe sei, erfüllte ihn in Stunden körperlicher Pein, wogegen er in schmerzfreien Augenblicken wieder meinte, daß ihm jetzt erst der Inhalt des Lebens aufgegangen sei, und er sich von seligen Empfindungen durchströmt fühlte.

Seine Gattin harrte in Liebe und Ergebenheit bis zu dem letzten Athemzug des Scheidenden aus.

Vogl starb am 19. Nov. 1840 – an demselben Tage, nur zwölf Jahre später als Schubert – im 73. Lebensjahre. Kurz vor seinem Ableben hatten ihm seine und zugleich Schubert's Freunde einen Ehrenbecher, mit des Letzteren Bildniß darauf, als Zeichen der Erinnerung an jenen Geistesbund überreicht.

Vogl's Name bleibt mit Franz Schubert's Lied immerdar auf das innigste verwoben. Seine eigenthümliche Auffassung und die Art des Vortrages gewisser Lieder wird[123] von allen jenen, die noch Zeugen der Blütezeit dieses Künstlers waren, als unübertroffen und für alle Zeiten mustergültig hingestellt. Daß Schubert selbst diese Ansicht, wenigstens nach einer Seite hin, theilte, läßt sich aus einer Briefstelle entnehmen, welche im weiteren Verlauf dieser Darstellung sammt dem übrigen Inhalt des Schreibens mitgetheilt werden wird12.

Nebst Vogl sind hier noch mehrere musikalische Personen zu erwähnen, deren Bekanntschaft mit Schubert in diese Zeit fällt und sich alsbald zu einem freundschaftlichen Verhältniß gestaltete. Es sind dies die Brüder Anselm und Josef Hüttenbrenner13, ersterer selbst Componist, letzterer Musikdilettant, und Josef Gahy (Staatsbeamter), ein fertiger Clavierspieler. Mit Anselm Hüttenbrenner war Franz schon[124] im Jahre 1815 bei Salieri zusammengetroffen; im Sommer 1817 lernte er seinen Bruder Josef kennen, der – zu jener Zeit Verwalter der väterlichen Herrschaft Rothenthurm, bei Judenburg in der Steiermark – auf Besuch nach Wien gekommen war und zwei Jahre später mit Schubert und Mayrhofer ein und dasselbe Haus (Wipplingerstraße) bewohnte. Schon früher hatte der Tondichter dem ihm persönlich noch Unbekannten einige Lieder (»Minona«, »Rastlose Liebe«) übersendet; im Jahre 1818 übermittelte er ihm durch Anselm das in der Nacht des 21. Februar componirte Lied »Die Forelle« unter Anschluß folgender Zeilen14:

»Theuerster Freund! Es freut mich außerordentlich, daß Ihnen meine Lieder gefallen. Als einen Beweis meiner innigsten Freundschaft sende ich Ihnen hier ein anderes (›Die Forelle‹), das ich so eben Nachts 12 Uhr bei Anselm schrieb. Aber welch' Unheil! Statt der Streusandbüchse nehme ich das Tintenfaß. Ich hoffe, bei einem Glase Punsch nähere Bekanntschaft mit Ihnen in Wien zu schließen. Vale Schubert.«

Franz stand mit diesem Brüderpaar – wenn auch aus verschiedenen Motiven – fortan auf freundschaftlichem Fuß. Zu Anselm hegte er eine wahre und aufrichtige Zuneigung, welcher sich noch der Antheil beigesellte, den er den musikalischen Bestrebungen des Freundes angedeihen ließ. Josef aber gerirte sich im weiteren Verlauf seiner Bekanntschaft mit dem Tondichter als ein so enthusiastischer Bewunderer Schubert's und zeigte sich um diesen so eifrig beschäftigt, daß[125] Franz ihn vielmehr von sich abzuwehren, als an sich zu ziehen bestrebt war, und seine Lobhudeleien ironisch mit den Worten zurückwies: »Dem da gefällt doch Alles von mir«15. Die Dienstbeflissenheit dieses Hüttenbrenner aber, insofern sie sich auf die Besorgung des Stiches Schubert'scher Compositionen, auf das Arrangiren seiner Sinfonien für Clavier, auf die Correspondenz mit auswärtigen Verlegern und andere kleinere Dienstleistungen bezog, ließ sich der behagliche Schubert gerne gefallen, und daß er wenigstens nach Außen hin zu Josef in gutem Einvernehmen stand, bezeugen verschiedene in Händen des Herrn Hüttenbrenner befindliche Briefchen Schubert's, in welchen dieser den bereitwilligen Freund mit allerlei Aufträgen musikalischer Art beehrt16.[126] Wie sehr sich Josef Hüttenbrenner in der Folgezeit – doch vergeblich – bemüht hat, der Schubert'schen Muse Anerkennung und Absatz im In- und Auslande zu verschaffen, ein Verdienst, das ihm kaum abgestritten werden dürfte, wird noch wiederholt zur Sprache kommen. Daß eben diesem Schubertfreund drei Acte von Opern seines bewunderten Meisters auf die erwähnte jämmerliche Art abhanden gekommen sind, darf wohl als eine bittere Ironie des Schicksals bezeichnet werden.

Josef Gahy17, in der musikalischen Kunst theoretisch bewandert, außerdem vortrefflicher Clavierspieler, ward von Schubert auserkoren, mit ihm seine eigenen und auch andere vierhändige Compositionen, insbesondere die Sinfonien Beethoven's, auf dem Pianoforte durchzunehmen, wobei Franz die Oberstimme spielte. Da Gahy rein und ausdrucksvoll vortrug, und (worauf sein Partner viel hielt) fertig vom Blatte las, so vereinigten sich die beiden Freunde, besonders in den spätern Jahren, und da oft mehrere Male in der Woche, in der Wohnung des einen oder anderen Bekannten18[127] zu diesem gemeinschaftlichen Vergnügen. Schubert war kein Virtuose im modernen Sinn des Wortes, aber abgesehen davon, daß er seine Lieder vortrefflich begleitete, wobei er, beiläufig bemerkt, sich strenge im Tact hielt, bewältigte er mit seinen kleinen dicken Fingern die schwierigsten seiner Sonaten19 und trug sie mit schönem Ausdruck vor. Gahy versichert, daß die Stunden, die er mit Schubert im Zusammenspiel verlebt, zu den genußreichsten seines Lebens gehören, und daß er jener Zeit nicht gedenken könne, ohne auf das tiefste ergriffen zu sein. Nicht nur, daß er bei solchen Gelegenheiten viel Neues kennen lernte, so gewährte ihm das reine geläufige Spiel, die freie Auffassung, der bald zarte bald feurig energische Vortrag seines kleinen, dicken Partners große Freude20, welche dadurch noch erhöht wurde, daß sich gerade bei diesen Anlässen Schubert's Gemüthlichkeit in ihrem vollen Glanz entfaltete, und er die verschiedenen Compositionen durch launige Einfälle, mitunter auch durch sarkastische aber immer treffende Bemerkungen zu[128] charakterisiren pflegte. Gahy's freundschaftliches Verhältniß zu Schubert (mit dem er auf Bruderfuß stand) währte ungetrübt bis zu des Letzteren Scheiden fort.

Was die Compositionen Schubert's aus dieser Zeitperiode anbelangt, so finden wir die Orchestermusik mit den zwei sogenannten »Ouverturen im italienischen Styl« vertreten. Die Opern von Rossini mit ihren süßen Cantilenen und dem sinnlich leidenschaftlichen Ausdrucke erfreuten sich bekanntlich zu jener Zeit auch in Wien einer überschwänglich beifälligen Aufnahme. Schubert besuchte öfters das Theater, und es darf nicht Wunder nehmen, daß der liederreiche Tondichter sich von dem Melodienstrom Rossinischer Musik angeregt fühlte, wobei freilich Niemand weniger als er die schwachen Seiten des genialen Maestro übersehen konnte. Als er nun eines Abends mit mehreren Bekannten (darunter auch Herr Doppler, der Gewährsmann dieses Geschichtchens) aus der Oper »Tancred« nach Hause wanderte, ergingen sich diese derart in Lobeserhebungen über Rossini's Musik und insbesondere über seine Opernouverturen, daß Schubert, dem des Lobes zu viel sein mochte, zum Widerspruch gereizt, erklärte, es würde ihm ein Leichtes sein, derlei Ouverturen, in ähnlichem Styl gehalten, binnen kürzester Zeit niederzuschreiben. Seine Begleiter nahmen ihn beim Wort, und versprachen ihrerseits die That durch ein Glas guten Weins zu belohnen. Schubert machte sich sogleich an die Arbeit und componirte eine Ouverture für Orchester, welcher später noch eine zweite folgte, und die unter dem Namen: »Ouverturen im italienischen Styl« bekannt,[129] bei seinen Lebzeiten in Concerten mit Beifall aufgeführt wurden21.

Unter den Liedern22 dieses Jahres ragen die zu Gedichten von Mayrhofer und Schober componirten durch inneren Werth hervor. Die Wahl derselben deutet auf Vogl's Einfluß hin, der einige davon zu seinen besten Vortragsstücken zählte.

Von mehrstimmigen Gesängen ist die erste Bearbeitung23[130] des Goethe'schen Gedichtes: »Gesang der Geister über den Wassern« für vier Männerstimmen zu erwähnen, die den Keim der späteren großartigen Conception schon in sich trägt.

Eine höchst beachtenswerthe Erscheinung sind die um diese Zeit entstandenen Claviersonaten.

Wenige ahnten wohl damals, daß Schubert, während er dem Sänger seiner Weisen Lied auf Lied entgegenbrachte, mit gleicher Rührigkeit sich der Composition von Claviermusik hingab. Dieselbe Wahrnehmung, die sich früher bei der massenhaften Production von Liedern und Theatermusik, später hinsichtlich seiner Arbeiten in der »Kammermusik« aufdringt, daß nämlich Schubert, sobald er eine bestimmte Musikgattung zum Gegenstand seines Studiums und Schaffens wählte, mit voller Energie und rastlosem Fleiß die Sache anfaßte, nicht eher ruhend, als bis er durch bedeutende Tonwerke den Geheißen seines Genius Genüge geleistet hatte – diese Wahrnehmung tritt auch hier zu Tage, wo er plötzlich und in freiem Anlauf die Claviermusik in den Bereich seiner Thätigkeit zog, und in dem Zeitraum eines einzigen Jahres nicht weniger als fünf große Sonaten24 schrieb, nach deren Vollendung wieder eine mehrjährige Pause auf diesem Felde musikalischer Production eintrat.[131]

Nicht ohne eine Anwandlung von Rührung und Bewunderung blickt man auf diese reizenden Früchte einer stillen bienenartigen Emsigkeit, von welchen ein großer Theil erst geraume Zeit nach Schubert's Tod geistiges Eigenthum der musikalischen Welt geworden ist.

1

In den Aufzeichnungen des Freih. Josef v. Spaun findet sich dagegen hinsichtlich Sch's. ersten Zusammentreffens mit Vogl folgende Stelle: »Schubert, der bis dahin seine Lieder meist selbst gesungen hatte, richtete sein Augenmerk ganz vorzüglich auf den von ihm vielbewunderten Hofopernsänger Vogl, von dem es jedoch bekannt war, daß er schwer zugänglich sei.« Es galt vor allem, ihm die Gelegenheit zu verschaffen, Schubert's Compositionen kennen zu lernen: das weitere, dachten die Freunde, würde sich dann finden. Schon öfter hatte ihm Schober mit Begeisterung von dem jungen Compositeur gesprochen, und ihn aufgefordert einer Art Probe beizuwohnen; an dem Widerwillen des von Musik schon lange gesättigten, und bei dem Worte »Genie« durch vielfache Erfahrungen mißtrauisch gewordenen Sängers, prallten vorerst alle Versuche ab. Endlich aber konnte er den wiederholten Bitten von Schubert's Freunden nicht länger widerstehen; der Besuch wurde zugesagt, und um die verabredete Stunde trat Vogl eines Adends nicht ohne Gravität in Schubert's Zimmer, der sich ihm mit einigen linkischen Kratzfüßen und unzusammenhängend herausgestammelten Worten vorstellte. Vogl rümpfte gleichgiltig die Nase, nahm das ihm zunächst liegende Stück Notenpapier, das Lied »Augenlied« enthaltend, summte es herunter, fand es zwar hübsch und melodiös, aber nicht bedeutend, sang dann noch mehrere andere Lieder mit halber Stimme, die ihn, namentlich »Ganymed« und »Des Schäfers Klage«, freundlicher stimmten, und klopfte Schubert beim Fortgehen mit den Worten auf die Achsel: »Es steckt etwas in Ihnen, aber Sie sind zu wenig Comödiant, zu wenig Charlatan; Sie verschwenden Ihre schönen Gedanken, ohne sie breit zu schlagen.« Er ging dann fort, ohne Zusage, wiederzukommen. Günstiger sprach er sich über Schubert gegen dritte Personen aus, ja er erging sich in Ausdrücken der Bewunderung über die Reise und Geistesfrische des jungen Mannes. Nach und nach wurde der Eindruck von Schubert's Liedern auf ihn ein überwältigender; er kam oft unaufgefordert und studirte mit Schubert bei sich zu Hause dessen Compositionen, an denen er nun sich selbst, und jene, die ihm zuhörten, begeisterte.

2

Die hier folgende Schilderung Vogl's ist zum Theil einem im Jahre 1841 im Druck erschienen Aufsatz Bauernfeld's, zum Theil Mittheilungen der Herren von Schober und Dr. L. v. Sonnleithner entnommen.

3

FrauXaver Süßmayer, geboren 1766 in Stadt Steyr, gestorben 1803 in Wien. Die Singspiele und Cantaten, die damals in Kremsmünster aufgeführt wurden, waren zum großen Theil von S. in Musik gesetzt.

4

Diese Oper wurde im März 1809 zum ersten Mal in Wien aufgeführt. Auch Graf Dunois in »Agnes Sorel«, der Oberst im »Augenarzt« (von Gyrowetz) und Telasko in der »Vestalin« waren berühmte Rollen Vogl's.

5

Tochter des ehemaligen Gallerie-Directors am Belvedere in Wien-Vogl's Witwe lebt derzeit in Stadt Steyr.

6

Er liebte überhaupt die Griechen, und copirte ein Werk Epiktets in vier Sprachen. In der Theatergarderobe blätterte er in müßigen Augenblicken griechische Classiker durch, und sein Wissen und strenges Auftreten flößte den Theaterleuten nicht wenig Respect ein.

7

So bemerkt Bauernfeld.

8

In einem Brief, datirt vom 15. November 1831, schreibt Vogl an A. Stadler: »Wenn aber vom Fabriciren, Erzeugen, Schöpfen die Rede ist, mache ich mich aus dem Spiel, besonders seitdem ich durch Schubert erkennen gelernt, daß es zweierlei Arten Composition gibt, eine, die wie eben bei Schubert, in einem Zustand von clairvoyance oder sonnambulisme zur Welt kommt, ohne alle Willkühr des Tonsetzers, wie er muß, durch höhere Gewalt und Eingebung. Ein solches Werk läßt sich wohl anstaunen, mit Entzücken genießen, aber ja nicht – beurtheilen, eine andere – die reflectirte u.s.w.« (Das Schreiben besitzt Herr A. Stadler in Wien.)

9

Freiherr von Schönstein theilte mir obiges Factum mit, welches ganz geeignet war, auch seine Lieblingsansicht, Schubert sei ein musikalischer Hellseher gewesen, ihm als die richtige erscheinen zu lassen. An den Namen des Liedes konnte er sich nicht mehr erinnern.

10

In späterer Zeit wohnte Vogl auf der Wieden »Alleegasse«.

11

Aber auch Transponirungen und allerlei ungerechtfertigte Aenderungen in den Liedern ließ sich Schubert von Vogl gefallen, der aus Rechthaberei, oder um Effecte zu erzielen, derlei »Verbesserungen« ungescheut vornahm. Von diesen sind auch welche in den Stich übergegangen, und die Herstellung der Original-Leseart aller bekannten Schubert'schen Lieder würde eine mit Dank begrüßte Aufgabe sein, zumal die neueren Auflagen nicht durchweg mit den ersten Ausgaben übereinstimmen. – Dr. Standharthner und Herr Spina besitzen (geschriebene) Schubert'sche Lieder mit Vogl'schen Verballhornirungen, die, auf den Theatersänger hinweisend, dem Original entschiedenen Abbruch thun. Die »Verbesserungen« in den »Müllerliedern« zählen allein nach Einem Dutzend. In dem Lied: »Der Einsame«, in der »Altschottischen Ballade« finden sich ganz abscheuliche Abänderungen, und dasselbe mag noch bei andern Liedern der Fall sein.

12

»Die Art und Weise, wie Vogl singt« – schreibt Franz (1825) an seinen Bruder Ferdinand – »und ich accompagnire, wie wir in einem solchen Augenblick Eins zu sein scheinen, ist diesen Leuten etwas ganz Neues, Unerhörtes.«

13

Anselm H., 1794 in Graz geboren, studirte in Wien, und kehrte wieder zu bleibendem Aufenthalt in die Steiermark zurück, wo er ein Gut besitzt. Der Musik lebend hat er bis jetzt eine ungeheure Masse von Compositionen jeder Art geschrieben, von welchen aber nur wenige, darunter das »Requiem«, bekannt geworden sind. Zum Vorstand des steirischen Musikvereins gewählt, übernahm er um das Jahr 1834 die Redaction des musik. Heller-Magazins. Anselm lebt derzeit zurückgezogen in Graz, im Sommer auf seinem Gute Rothenthurm bei Judenburg. Josef H. befindet sich als pensionirter Registraturs-Beamter des Ministeriums des Innern in Wien; mit dem dritten Bruder Heinrich, Dr. der Rechte, scheint Schubert weniger vertrauten Umgang gepflogen zu haben. Heinrich H. befaßte sich auch mit der Dichtkunst, und Schubert componirte ein Paar seiner Lieder.

14

Das Original des Schreibens besitzt Herr Josef Hüttenbrenner, dem ich auch die übrigen ihn und Anselm betreffenden Mittheilungen verdanke.

15

Diese Zurückweisung seiner übertriebenen Lobpreisungen pflegt Herr Josef H. selbst mit Vorliebe als Thatsache zu bezeichnen. – Ein mit Schubert und Hüttenbrenner wohlbekannter Mann schilderte mir (vielleicht etwas übertreibend) beider Verhältniß zu einander in einer Art, daß man zu glauben versucht ist, die Freundschaft habe nur so lange gedauert, als sich beide nicht näher gekannt haben. Da heißt es: »Josef H., der sich mit einer unabweislichen Verehrung und Dienstfertigkeit zu ihm (Schubert) hielt, war ihm fast zuwider, er wies ihn häufig rauh ab, und behandelte ihn so hart und schonungslos, daß derselbe in unserem Kreise immer nur ironisch ›Der Tyrann‹ genannt wurde.«

16

So schreibt Schubert (im Jahre 1819) auf einem Zettel: »Lieber Hüttenbrenner! Ich bin und bleibe der Ihrige. Mich freut es außerordentlich, daß Sie mit der Sinfonie fertig sind. Kommen Sie heute Abends damit zu mir und zwar um 5 Uhr. Ich wohne in der Wipplingerstraße bei Mayrhofer.« Ein ander Mal schickt er den Unermüdlichen zu Diabelli, auf daß er seine Tanzmusik zum Stich übergebe, und »dringend benöthigtes Geld« in Empfang nehme u.s.w. Die früher erwähnte Sinfonie war jene Schubert's in D (1813), von der ein vierhändiger Clavierauszug verfaßt wurde, welchen Schubert und Hüttenbrenner auf einem abgenützten Milpitz'schen Clavier zusammen durchspielten. – Auch zu Groß (Hofkammerbeamter), der ebenfalls in der Wipplingerstraße wohnte, kam Schubert öfter, um allein oder zu vier Händen (mit Groß, Szalay) Clavier zu spielen.

17

J. Gahy, zuletzt k.k. Sectionsrath in Pension in Wien, gest. im März 1864.

18

Bei Schober, Lascny, Vogl (welch letzterer in den Jahren 1827 und 1828 in der »Alleegasse« wohnte) und bei Pinterics, von welchem noch die Rede sein wird.

19

Nur der Fantasie (op. 15) konnte er selbst nicht vollständig Herr werden. Als er sie einmal im Freundeskreis spielte, und im letzten Satz stecken blieb, sprang er von seinem Sitz mit den Worten auf: »Das Zeug soll der Teufel spielen!« (Kupelwieser, Spaun und Gahy waren Zeugen dieser Production.)

20

Als Sch. einmal dem (im Jahre 1861 in Hitzing verstorbenen) Pianisten und Compositeur Johann Horzalka eine seiner Sonaten vorspielte, rief dieser entzückt aus: »Schubert, ich bewundere Ihr Clavierspiel mehr als Ihre Compositionen!« ein Ausspruch, der später zu Mißdeutungen Veranlassung gab. – In Concerten begleitete Sch. mitunter seine Lieder; so z.B. in Jansa's und Frl. Salomon's Concert (1827), »Normans Gesang« und den »Einsamen«, welche Tieze vortrug.

21

Das Original der Ouverture in D (componirt im Mai) und in C (componirt im November 1817) besitzt Herr Spina. Schubert arrangirte die beiden Ouverturen für Clavier zu vier Händen. – Eine derselben wurde am 1. März 1818 in des Violinspielers Jaell Concert im Saal »zum römischen Kaiser« in Wien aufgeführt. In der Wiener Theater-Zeitung vom 14. März ist darüber zu lesen: »Die zweite Abtheilung begann mit einer wunderlieblichen Ouverture von einem jungen Compositeur Franz Schubert. Dieser, ein Schüler des hochberühmten Salieri, weiß schon jetzt alle Herzen zu rühren und zu erschüttern. Obwohl das Thema bedeutend einfach war, entwickelte sich aus demselben eine Fülle der überraschendsten und angenehmsten Gedanken mit Kraft und Gewandtheit ausgeführt u.s.w.«

22

Von unveröffentlichten Liedern kommen zu erwähnen: »La pastorella al prato«, eine italienische Canzonette, leicht und anmuthig gehalten; ein Lied für Sopran mit Begleitung von Streich- und Blasinstrumenten, und die Lieder: »Einsiedelei«, »Fischerlied« und »Geist der Liebe,« später als Vocalquartette componirt. – Eine italienische Arie mit Recitativ von respectabler Ausdehnung, ist im Styl der Mozartschen Concertarien gehalten.

23

Den »Gesang der Geister« hat Schubert dreimal componirt, und zwar im J. 1817 als Vocalquartett, im J. 1820 als Männerchor mit Clavierbegleitung, und bald darauf als achtstimmigen Männerchor mit Instrumentalbegleitung. Den ersten Entwurf besitzt Herr Josef Hüttenbrenner, die zweite Bearbeitung blieb Fragment, die letzte besitzt die k. Bibliothek in Berlin.

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Es sind dies die Sonaten in Es- und As-Dur, in A-, F- und H-Moll, und wahrscheinlich auch das Fragment, op. 145 des them. Cataloges. – Eine eingehendere Würdigung von Schubert's Claviermusik folgt in der »Ueberschau« seiner Gesammtwerke.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865, S. 111-132.
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