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[49] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Preßburg, am 29. Juli 1809.


Mein lieber Karl!


Es sind nun fünf Tage, daß mein Schreiben an Dich über Wien abgegangen ist, worinnen Du die Antwort auf Deinen Brief vom 29. Mai erhalten wirst. Darin wirst sehen, daß wir, Gott sey es gedanckt, gesund und wohlauf sind und was wir bis jetzt alles standhaft ausgehalten haben. Es thut mir in der That leid, daß ich noch nicht zurück in Wien bin, um den Mann, der mir Deinen Brief überbringen soll, selbst persönlich sprechen zu können. Doch hoffe ich so glücklich zu seyn, ihn noch da zu treffen, wenn es sich bestättiget, wie die Sage ist, daß wir Frieden bekommen, und mein lieber Mann deswegen auch schon unser Logis in Preßburg aufgesagt hat, weil wir alsdann gleich nach Wien zurückkehren. Gott gebe, daß es nur bald geschehen kann! Von Deinem Bruder habe ich, wie ich Dir in meinem vorigen Brief sagte, noch keine andere Nachricht als diese vom 30. April.

Wie bist Du zu einer so quälenten Kranckheit ge kommen? Ich bedauere Dich deswegen von Herzen und wünsche Dir helfen zu können. Exsammenire Dich selbst darüber, was wohl daran schuld seyn kann, ob Deine Lebensart oder sonst etwas schuld ist, und spreche mit einem vernünftigen Doktor darüber, und bade auch fleißig, weil die Jahreszeit noch gut ist. Hier will ich Dir das versprochene Lied von Deinem Bruder herschreiben.1 Es ist nicht übel. Wenn Du ihm schreibst, so ermahne ihn immer zu Fleiß. Seit er in Pohlen ist, hat er erst drei Sonaten für die Flöte und das Clavir gemacht, und damit bin ich nicht zufrieden. Das ist alles zu wenig für einen jungen Menschen, der sich üben muß, sich und seinem Vater Ehre machen soll. Dies Lied muß ihm gar wohl gefallen, weil er mirs schickt und nun lebe[50] wohl! Mache, daß Deine Gesundheit wiederhergestellt wird und liebe diejenige, die unverändert ist und stets seyn wird Deine Mutter

C.N.


Von Deinem Vater [Nissen] viele herzliche Grüße!


Diesen Brief schrieb ich, wie Du oben ersehen kannst, noch in Preßburg und schickte ihn an Herrn von Pilgeram2, der, indessen wir abwesend waren, Nißens Geschäfte übernahm und uns alle Briefe überschickte. Allein dieser Mann, an den Du den Brief an mich mitgegeben hast, kam nicht mehr weder zu ihm noch zu mir, so viele Mühe sich auch mein guter Nißen seinetwegen gegeben hat, um ihn ausfindig zu machen. Ich hätte ihn gerne gesehen und gesprochen, und hoffte es umsomehr, da er es Pilgerame so gewiß versprochen hat. Nun ist es aber zu lang, und ich gebe die Hoffnung auf. Seit dem 13. August sind wir wieder in Wien, logiren aber der unruhigen Zeiten wegen nicht mehr in der Vorstadt, sondern in der Stadt, und da wir nicht wißen können, wie lange wir noch hier bleiben, so habe ich alle meine Musique in einen Verschlag zusammengepackt und sie unter Deiner Adrehse an unsern Freund Bridi gegeben, der Dir sie bey erster Gelegenheit überschicken will. Du wirst Dich bey Empfang dessen sehr freuen, denn es ist ein wahrer Schatz, von dem ich mich hart trennte, und ich es schwerlich gethan haben würde, wenn mir mein Mann nicht versprach, mir alles wieder in Kopenhagen zu schaffen. Ich legte Dir auch alle Bachischen und Händelische Fugen3 bey. Daraus kannst du noch Vieles lernen. Und nun lebe wohl! Laße mir bald hören, daß es mit Deiner Gesundheit beßer gehet. Folge meinem Rathe, nemlich: daß du an Deinen Vater einen herzlichen Brief schreibst.

Neues kann und darf ich Dir nicht schreiben. Du weißt warum. Nur dies kann ich Dir sagen, daß es jetzt so theuer hier ist, daß es unbeschreiblich ist. Wo ich sonst einen Gulden brauchte, brauche ich jetzt fünf und sechs. Du kannst schon daraus abnehmen: das Klafter Holz, nicht von schönstem, kostet jetzt 80, auch 90 Gulden; die Butter 2 fl. 36 kr.; das Schmalz 3 fl.; Inschlichkerzen sonst 16 Kreuzer, jetzt 1 fl. 15 kr.; ein Pfund[51] Wachs 4 fl. 30 kr.; schlechtes Fleisch 27 kr.; das Kalbfleisch 1 fl.; eine schlechte Gans 6 fl.; ein paar Händel 3 fl.; ein Laib Brod wie sonst für 3 kr. jetzt 12 Kreizer. Semmel giebt es gar nicht mehr; die zu 3 ist ein Druck und Schluck; 1 Ey 6 kr.; Fisch sonst 10 kr. jetzt 1 fl. 24 kr. und noch mehr. Caffe 7 fl. 30 kr.; Zucker 5, auch 6 fl. So haben sich die Zeiten geändert; es ist gar nicht mehr zu leben, und ich muß gestehen, daß ich noch nie so sehr gewünscht habe, von hier wegzukommen, als jetzt. Wie haben vier Zimmer unter den Tuchlauben im zweyten Stock und müßen monatlich 200 Gulden dafür bezahlen. Es ist über alle Begriffe, wie man jetzt loben muß. Ich gehe mit Sorgen ins Bette und stehe ebenso auf, indem ich nie weiß, was ich zum Essen anschaffen soll. Seit wir von Ungarn hier sind, haben wir nichts als Suppe, Fleisch und Zuspeiß; an Braden ist gar nicht zu dencken.

Von Deinem Bruder habe ich noch keine Nachricht. Ich schrieb ihm heute, indem mir Herr von Ott (russischer Staatsrath, an den Du Dich noch erinnern wirst) versprach, den Brief durch Courir zu besorgen, und in welchem Brief Nißen ihm meine Adrehse überschicken wird, wodurch er mir mit Umweg schreiben kann, und so hoffe ich einen Brief von ihm zu bekomen. Und nun lebe wohl! Liebe deine Mutter!


Wien, am 21. September 1809.


Daß Albrechtsberger und [Joseph] Haydn tot sind, wirst Du wohl wißen, aber daß die gute Nanette Meiller vor vier Wochen begraben worden, wustest Du nicht. Ja, die Arme hinterläßt eine trostlose Mutter und Schwester.

In der Kiste oder im Verschlag, den ich Dir überschicke, wirst Du noch verschiedenes finden, was Dich freuen wird, unter anderem Deines Vaters Stammbuch4 und ich glaube das meinige auch. Ich habe Dir wohl nie geschrieben, daß ich noch immer das Glas, was Du mir bei deiner Abreiße geschenckt hast, habe und ich es täglich brauche und zwahr zweimahl des Tages; einmahl des abends, wenn ich zu Bette gehe, wird es mit Waßer auf meinen Nachttisch gestellt und des Morgens zu meinem Munde außzuwaschen. Dann wird es sogleich geputzt und wieder aufgehoben, welches ich fast[52] immer selbst thue. Sonst, kannst Du Dir leicht denken, daß, wenn ich es Dienstbothen oft anvertraut hätte, es schon längst hin wäre. So ist es aber noch, wie es war, und es freut mich immer mehr.

Es ist nur Schade, daß ich es auf meine große Reiße nicht werde mitnehmen können, und ich hätte es Dir gerne auch in die Kiste gepackt, indem ich es niemandem gönne; allein ich fürchte, daß es in der Kiste möchte Schaden leiden, und da war es mir doch zu leid. Wenn es möglich ist, so nehme ich es doch mit; allein es wird schwer seyn, indem wir uns vorgenohmen haben, so leicht wie möglich zu reißen, und wir einsehen haben gelernt, wie lästig es ist, viel bey sich zu haben, weil man Gefahr läuft, bestohlen zu werden.

Adieu!

Fußnoten

1 Es ist ein Lied: An die Bäche (Text vom Professor Harm in Lemberg); abgedruckt in den Mozarteums-Mitteilungen I, 4, S. 13.


2 Legationsrat an der Dänischen Gesandtschaft in Wien.


3 Vermutlich aus W.A. Mozarts Nachlaß.


4 Heute im Mozart-Museum zu Salzburg.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 53.
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