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[55] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Wien, am 1. Dezember 1809.


Ich bin herzlich froh, daß die Kiste einmahl in Deinen Händen ist, weil ich überzeicht bin, daß Du, lieber Karl, viele Freuden dadurch hast und noch haben wirst. Und nun zur Beantwortung Deines Briefes!

Kein Brief, den Du [selbst] auf die Post giebst, wird uns verlohren gehen, wenn auch die Adrehse des Hauses nicht darauf ist; weil erstens Dein Vater sowohl als auch ich zu bekannt sind, und Dein Vater selbst die Briefe aufgiebt und auch alle, die kommen, selbst abholt, und er sich von jeher niemals in diesem Stücke auf Bediente oder auf gute Freunde verlaßen hat noch wird. Du kannst also ruhig deswegen und versichert sein, daß wir alle, so Du selbst auf die Post giebst, gewiß erhalten. Warum ich aber Deiner Briefe wegen seiden zufrieden bin, will ich Dir sagen. Erstens: weil Du so selden ausführliche Briefe schreibst; so zum Beispiel sagst Du mir in Deinem vorletzten Schreiben, daß Du (ich weiß nicht wie lange) in Rom1 warst, sagst mir aber nicht warum noch weswegen. Zweytens: beantwortest Du mir nie die Haubtsache meines Briefes. Dies mag wohl daher kommen, daß Du mein Schreiben nicht zur Hand nimmst, wenn Du mir antwortest. Dieses sind große Fehler, die dadurch, wie gesagt, entstehen, wenn man den Brief nicht noch einmahl bey der Beantwortung durchliest. Dadurch hast Du auch vergeßen, mir in betref des Portos der Kiste zu antworten, die mich fünf Gulden in Gold kostete, und die ich Dir bey den jetzigen theueren Zeiten nebst den anderen Geschencken nicht schencken kann.

Und nun frage ich Dich, ob Du den Brief von Preßburg, worin ich Dir die Beschreibung dieser Stadt und was wir dort alles ausgestanden haben, und einen zuvor nicht erhalten hast? Es sollte mir sehr leid thuen, wenn selbe sollten verloren gegangen seyn, denn diese noch einmahl zu beschreiben, würde mir unmöglich seyn.[56]

Es freud mich herzlich, daß Du eine gute Aussicht hast, angestellt zu werden, umsomehr daß Du dadurch in den Stand gesetz wirst, nebstbey ruhig und ohne Sorgen die Musique fortzustudiren. Du fragst mich, ob ich keine Aussicht habe, einmahl nach Idalien zu kommen? Leider Nein! Ja, wenn mein Sohn Karl so reich wäre, mir diese Reiße zu bezahlen (wenn auch nicht ganz), so könnte es wohl einmahl geschehen, daß ich mit Umwege, eh ich nach Dänemarck gehe, diese Reiße machte. Mehr Vergnügen könnte ich in dieser Welt nicht mehr genüßen, und es sollte mich wenig Mühe kosten, Deinen Vater dazu zu überreden, der ohnehin meinen Wünschen überall suchet vorzukommen. Allein es ist jetzt gar zu theuer zu reißen, und ich habe daher nicht den Muth, ihms vorzuschlagen.

Von Deinem Bruder haben wir Nachricht. Es gehet ihm gut, und er ist gesund. Freilich will ich, daß er einmahl nach Idalien gehe, und wäre es nach meinem Willen gegangen, so wäre er schon dort. Allein von was leben? Dieser Umstand machte mich nachgeben. Wo er ist, wird er nicht weiter in der Musique kommen. Allein üben und ein kleines Capital, wodurch er in den Stand gesetzt wird, reißen zu können, kann er sich sammeln, und da er noch so jung ist, so kommt es auf ein paar Jahre eben nicht an, wenn er nur fleißig ist.

Hat der Jagemann2 viel von uns erzählt? Hat er Dir nichts von der Mascarade, die auf Nißens Geburztage bey mir statthatte, erzählt? So wurde Nissen auch einmahl durch den Schauspieldirector Deines Vaters Mozart überrascht, wozu Dein Bruder eine Arie3 componirte, die wircklich ihren Entzweck nicht verfehlte und die ich noch für das Beste halte, was er gemacht hat.

Melle Heser hat eine schöne Stimme, allein bey ihrem Hierseyn war sie noch nicht genug gebildet. Ich hoffe aber, daß sie einmahl als eine große Sängerin wird zurückkommen, wenn sie nur das überflüssige Schreien in Idalien vergisst.[57]

Nissen und Dr. Lichtenthal werden Dir selbst antworten, und so glaube ich Deinen Brief ausführlich beantwortet zu haben.

Den [27. November] hatten wir Wiener wieder das große Glück, unsern vielgeliebten Monarchen, den guten Kayser, in unsern Mauern zu empfangen. Er wurde mit großen Freuden und mit dreitägigem Iluminiren der Stadt samt Vorstädten und Vivat-rufen empfangen. Auch in Preßburg wurde er sehr schön empfangen, wo man ihm zu Ehren die Clemenza di Tito [von Mozart] gab und auch die ganze Stadt beleichtet war. Gott gebe, daß er doch auch einmahl glücklich werde! Dies ist der Wunsch Deiner Mutter

Constance Nißen.


Lebe wohl und schreibe bald!

Noch eins. Jagemann hat N[issen] auch gemahlt, und man sagt daß es sehr ähnlich ist4; allein es ist nicht ausgemahlt, und ich würde mich freuen, von Dir zu hören, daß er bald zurückkömmt. Hat er Dir nichts davon gesagt?

Fußnoten

1 Vergl. hierzu den Brief seines Bruders W.X. Mozart vom 3. Februar 1810 im Anhange III dieses Buches.


2 Der Maler Ferdinand Jagemann (1780–1820) in Weimar. Jagemann ist allbekannt durch die vier Goethe-Bildnisse, die wir von ihm (aus den Jahren 1806, 1817 und 1818) besitzen.


3 Aria buffa mit Orchester (zur Einschaltung in W.A. Mozarts Schauspieldirektor): Ich bin der erste Buffo, ich sing von A bis A ... (Die Originalhandschrift heute im Archiv des Mozarteums.) Die Arie ist »dem lieben Stiefvater Nissen« gewidmet.


4 Nach diesem Ölbilde (heute im Mozarteum) ist der Stich gemacht, den wir in Nissens Mozart-Biographie (1828) haben. (Vergl. Ikonographie S. 100 unter Nr. 15.)


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 58.
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