6

[6] Original (von fremder Hand verfaßt, geschrieben und unterzeichnet): im Mozarteum zu Salzburg


Bittgesuch an den Kaiser Leopold II. in Wien


Eure Majestät!


Unterzeichnete hatte das Unglück, den unersetzlichen Verlust ihres Gatten erleben zu müssen und von demselben mit zwey unmündigen Söhnen in Umständen zurückgelassen zu werden, die sehr nahe an Dürftigkeit und Mangel gränzen.

Sie weiß zu ihrem noch grössern Betrübnisse, daß sie bey noch nicht vollendeten 10 Dienstjahren1 ihres seeligen Mannes nach dem bestehenden Pensions-Normal nicht den mindesten Anspruch auf irgendeinen Gnadengehalt habe und ihr daher nichts übrig bleibe als ganz in Euer Majestät Gnade und der bekannten liebevollen Vorsorge für Dürftige jeder Art zu beruhen.

Um aber der Allerhöchsten Milde nicht vielleicht unwürdig zu scheinen, wagt es dieselbe, eine schwache Schilderung ihrer höchst mißlichen Lage und deren Urquelle allerunterthänigst vorzulegen:

1tens hatte ihr seel[iger] Gatte nie das Glück, hier in Wien eine günstige Gelegenheit abzuwarten, wel che ihm erlaubt hätte, seine Talente zu[r] Begründung besserer Aussichten der Welt auffallend genug zu machen, und ebendaher war er außer Stande, einiges Vermögen zu hinterlassen.

Zwar wäre es demselben

2tens sehr leicht gewesen, im Auslande2 sein Glück zu finden und seine Familie in einen glänzenden Zustand zu versetzen, wenn er den so häufig[7] gemachten Anträgen Gehör gegeben und nicht in der Gnade, dem hiesigen Allerhöchsten Hofe zu dienen, seinen größten Ruhm gesucht hätte.

3tens gestatteten seine noch blühenden Jahre und die sehr wahrscheinliche Aussicht, den Wohlstand seiner Angehörigen durch das seltenste Talent noch immer früh genug dauerhaft gründen zu können, auch dem entferntesten Gedanken von der Möglichkeit der gegenwärtigen Lage in seinem Gedächtnisse keinen Raum.

Daher geschah es auch, daß er nicht einmal daran dachte, durch Einverleibung in die Musikalische Witwen- und Waisen-Gesellschaft seinen Nachkommen diese obgleich geringe Versorgung zu sichern.

4tens endlich wird dieses Gemälde umso rührender, als er der Welt gerade in demjenigen Augenblicke geraubt wurde, wo seine Aussichten für die Zukunft ringsumher heiterer zu werden begannen. Denn nebst der vor Kurzem erhaltenen Anwartschaft3 auf die Ka pellmeister-Stelle am Dom zu St. Stephan langte noch wenige Tage vor seinem Tode von einem Theile des ungarischen Adels die Versicherung einer Subskription4 von jährlichen 1000 Gulden, und von Amsterdam die Anweisung5 eines noch höheren jährlichen Betrages an, wofür er nur wenige Stücke ausschlisslich für die Subskribenten komponieren sollte.

Bittstellerin wagt es noch einmal, sich in die Allerhöchste Gnade und bekannte väterliche Vorsorge besonders gegen Dürftige dieser Art umsomehr gänzlich zu ergeben als dieselbe in ihrem jammervollen Zustande nur die Zuversicht: Eure Majestät werden sie mit ihren zwey unmündigen Söhnen von der Allerhöchsten Mildthätigkeit nicht ausschliessen: noch einigermassen aufrecht zu erhalten, fähig ist6.

Wien, den 11ten Dezember 1791.


Konstantia Mozart geborne Weber

hinterlassene Wittwe des

seel. Wolfgang Amadeus Mozart

k.k. Kammer-Kompositor.

Fußnoten

1 W.A. Mozart war seit 1787 k.k. Kammer-Kompositor mit 800 Gulden Jahresgehalt. (Das Dekret, vom 7. Dezember 1787, bei Abert II, S. 909.)


2 Konstanze läßt hier auf eine in Wirklichkeit ganz vage Aussicht anspielen, die sich vielleicht in London durch die Vermittlung von Joseph Haydn (damals in England) erfüllt hätte. Erwähnt sei, daß O. Reilly, der damalige Direktor der Italienischen Oper in London, Mozart in einem Briefe vom 26. Oktober 1790 (wiederabgedruckt bei Abert II, S. 693) aufforderte, vom Dezember 1790 bis zum Juni 1791 nach London zu kommen, um zwei Opern zu schreiben. Mozart lehnte vermutlich aus Gesundheitsrücksichten ab.


3 Vgl. dazu das Dekret des Magistrats zu Wien vom 9. Mai 1791, wiederabgedruckt bei Abert II, S.911


4 Hierüber ist Bestimmtes nicht bekannt.


5 Hierüber ist Bestimmtes nicht bekannt.


6 Der Kaiser bewilligte der Witwe am 13. März 1792 eine jährliche Pension von 266 Gulden 40 Kreuzer (das war ein Drittel des Gehalts), zahlbar ab 1. Januar 1792.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 8.
Lizenz:
Kategorien: