§. 20.

[190] Zum Beschlusse dieses Hauptstückes muß ich noch eine nützliche Beobachtung einschalten, die ein Violinist bey Abspielung der Doppelgriffe machen kann: um mit gutem Tone, kräftig und rein zu spielen. Es ist unwidersprechlich, daß eine Seyte, wenn sie angeschlagen oder gestrichen wird, eine andere ihr gleichgestimmte Seyte auch in Bewegung setze2. Dieß ist aber nicht genug. Ich hab die Probe auf der Violin, daß beym Zusammenstreichen zweener Töne auch so gar bald die Terz, bald die Quint, bald die Octav u.s.f. von sich selbst auf eben dem nämlichen Instrumente dazu klinge. Dieses dienet nun zur untrüglichen Probe, womit sich jeder selbst prüfen kann, ob er die Töne rein und richtig zu spielen weiß. Denn wenn zweene Töne, wie ich sie unten anzeigen werde, gut genommen und recht aus der Violin, so zu reden, heraus gezogen werden; so wird man zu gleicher Zeit die Unterstimme in einem gewissen betäubten und schnarrenden Laut gar deutlich hören: sind die Töne hingegen nicht rein gegriffen, und einer oder der andere nur um ein bißchen zu hoch oder zu tief; so ist auch die Unterstimme falsch. Man versuche es mit Geduld: und wer sich gar nicht darein finden kann, der spiele anfangs auch die schwarze Grundnote, und nähere die Geige dem Gehör, so wird er bey dem Abspielen der zwo oberen Noten eben diese untere schwarze Note dazu schnarren hören. Je näher man die Violin an das Ohr hält, je mehr darf man den Strich mässigen. Vor allem aber muß die Violin gut bezogen und[190] rein gestimmet seyn. Hier sind einige Proben davon. Man sieht daraus wie gewaltig der harmonische Dreyklang (trias harmonica) ist. Z.E. Wenn die zwo Noten eine kleine Terze von einander abstehen; so hört man unten die grosse Terz oder Decime darzu: Es macht also einen wohl zusammenstimmenden Dreyklang.


20.

Wenn hingegen die zwo Noten ein grössere Terze betragen; so hört man die Octav zur untern Note.


20.

Stehen die 2. Töne eine natürliche Quart von einander; so höret man zur untern Note die Quint.


20.

Sind die zwo Noten um eine kleine Sechste von einander, so höret man die grössere Terz, oder Decime.


20.

Bey der grössern Sechste klinget unten die Quint.


20.

[191] Man höret es noch deutlicher, wenn man einige Doppelgriffe gleich nach einander nimmt: denn da fällt die Abänderung dieser schnarrenden Töne mehr in die Ohren. Z.E.


20.

Fußnoten

1 Es kömmt von dem Wort Harpfe (Arpa). Es heißt also Arpeggieren (von arpeggiare) auf Harpfenart spielen; das ist: die Töne nicht zugleich, sondern zergliedert vortragen.


2 Daß dieß eine den Alten schon bekannte Sache war, sagt uns Aristides Quintilianus Lib. 2. de Musica mit diesen Worten: Si quis enim in alteram ex duabue Chordis eundem Sonum edentibus parvam imponat ac levem stipulam; alteram autem longius inde tentam pulset, videbit Chordam stipula onustam evidentissime una moveri. Es läßt sich auch eine andere Probe machen. Man hänge ein Geiginstrument, dessen Seyten nicht etwa gar zu sehr angespannet sind, nahe zu einer Orgel; so wird man, wenn die Töne, welche die leeren Seyten des Geiginstruments haben, auf der Orgel berühret werden, zu gleicher Zeit die leeren Seyten auch, obwohl unberührt, mitklingen hören, oder wenigst eine starke Bewegung derselben bemerken. Oder man geige auf einer nicht zu stark bezogenen, und etwas tief gestimmten Geige das (g) mit dem dritten Finger auf der (D) Seyte; so wird sich die leere (G) Seyte gleich selbst bewegen.


Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 193.
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