§. 12.

[32] Der Schüler muß sich sonderbar befleissen alles was er spielt in dem nämlichen Tempo zu enden, in welchem er es angefangen hat. Er beugt dadurch jenem gemeinen Fehler vor, den man bey vielen Musiken beobachtet, deren Ende viel geschwinder als der Anfang ist. Er muß sich also gleich anfangs in eine gewisse vernünftige Gelassenheit setzen; und besonders wenn er schwerere Stücke zur Hand nimmt, muß er dieselben nicht geschwinder anfangen, als er sich getrauet die darinn vorkommenden stärkern Passagen richtig wegzuspielen. Er muß die schweren Passagen öfters und besonders üben; bis er endlich eine Fertigkeit erhält das ganze Stück in einem rechten und gleichen Tempo hinauszubringen.

Fußnoten

1 Συστολὴ, Διαστολὴ.


2 Θέσις, Ἄρσις Giuseppe Zarlino Cap. 49. Es kommt unfehlbar von τίθημι, pono; und von αἴρω,tullo.


3 Dergleichen Unterhaltung findet man unter andern bey dem Glarean, L. 3. C. 5. 6. & 7. Man lese auch den Artusi, pag. 59, 67, & seq. und den Froschium C. 16.


4 Daß der gerade Tact hauptsächlich nur zweytheilig sey, muß ein guter Componist am besten wissen: denn wie schlecht lobt das Werk den Meister, wenn mancher in dem zweyten oder vierten Gliede seine Cadenze schließt. Nur in wenigen und besonders in Baurentänzen, oder andern ausschweifenden Melodien wird es entschuldiget.


5 Die Herren Kunstrichter werden sich ja nicht daran stossen, wenn ich die 4/82/89/89/1612/1612/24 12/4 Tacte weg lasse. In meinen Augen sind sie ein unnützes Zeug; man findet sie in den neuern Stücken wenig oder gar nicht; und man hat wirklich Tactsveränderungen genug alles auszudrücken, daß man dieser letztern nicht mehr benöthiget ist. Wer sie liebt, der mag sie mit Haut und Haare nehmen. Ja ich würde den ganzen Tripel auch noch großmüthig dazu schenken, wenn er mich nicht noch aus einigen alten Kirchenstücken trotzig anschauete.


6 Die Welschen nennen den geraden Tact: Tempo minore; den Allabreve aber: Tempo maggiore.


7 Tempus, Mensurs, Tactus. Lat. Battuta. Ital. La Mesure. Franc.


8 Man muß freylich zu Zeiten auf ganz besondere Mittel gedenken, wenn man Leuten, die keine natürliche Fähigkeit haben, etwas beybringen soll. Eben also mußte ich einsmals eine ganz besondere Notenerklärung erfinden. Ich stellte nämlich die ganzen Noten als sogenannte Batzen oder 4. Kreutzerstücke vor, die halben Noten durch halbe Batzen, die Viertheilnoten durch die Kreutzer, die einfachen Fusellen durch die halben Kreutzer oder Zweenpfenniger, die doppelten Fusellen als Pfennige, und endlich die dreyfachen Fussellen als Häller. Läßt dieß nicht recht lächerlich? Und so lächerlich und einfältig es immer klingt, so half es doch: Denn dieser Saamen hatte das richtigste Verhältniß mit der Erde, in die er geworfen ward.


Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 32.
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