166. Mozarteum.

[311] Wien 8. Aug. 1781.

Ich muß geschwind schreiben, weil ich den Augenblick mit dem Janitscharenchor fertig geworden und es nun schon 12 Uhr vorbei ist, und ich versprochen habe puncto 2 Uhr mit den Aurnhammerischen und der Cavalieri nach Mingendorf bei Laxenburg zu fahren, allwo nun das Lager ist. Der Adamberger, die Cavalieri und der Fischer sind mit ihren Arien ungemein zufrieden. Gestern habe ich bei der Gräfin Thun gespeist und morgen werde ich wieder bei ihr speisen; ich habe ihr, was fertig ist, hören lassen, sie sagte mir auf die Letzt, daß sie sich getraue mir mit ihrem Leben gut zu stehen, daß das, was ich bis dato geschrieben, gewiß gefallen wird. Ich gehe in diesem Punkt auf keines Menschen Lob oder Tadel, bevor so Leute nicht alles im Ganzen gehört und gesehen haben, sondern folge schlechterdings meinen eigenen Empfindungen. Sie mögen aber nur daraus sehen, wie sehr sie damit muß zufrieden gewesen sein, um so etwas zu sagen.

Weil ich eben nichts zu schreiben habe, was von Wichtigkeit wäre, so will ich Ihnen nur eine abscheuliche Geschichte mittheilen, vielleicht ist sie Ihnen schon bekannt, man heißt sie hier die Tyroler Geschichte; mich interessirt sie um so mehr, weil ich denjenigen, den sie unglücklicher Weise getroffen sehr gut von München aus kenne und er auch jetzt täglich zu uns kommt, das ist Herr von Wiedmer, ein Edelmann. Dieser, ich weiß nicht, aus Unglück oder natürlichem Trieb zum Theater hat vor etwelchen Monaten angefangen, eine Truppe zu errichten, mit welcher er nach Innsbruck ist. An einem Sonntag Mittags geht dieser gute Mann ganz ruhig auf der Straße und da gehen etwelche Cavaliers so hinter ihm; einer aber darunter mit Namen Baron Buffa, schimpft immer auf den Impresario, nemlich: Der Cujon soll seiner Tänzerin eher gehen lernen, bevor er sie auf das Theater gibt, und[311] mit allerhand Nachnamen. Hr. v. Wiedmer natürlicher Weise sieht sich, nachdem er lange Zeit zugehört, endlich um. Da fragt ihn der Buffa, was er ihn ansieht? Dieser antwortet ganz gut: »Ei, Sie sehen mich ja auch an; die Straße ist frei, man kann sich ja umsehen, wie man will«, und geht wieder seine Wege fort. Der Baron Buffa fährt aber immer fort zu schimpfen; endlich wird es dem ehrlichen Mann zu stark und fragt ihn, wem gilt denn das? »Dir Hundsfut« – mit einer tüchtigen Ohrfeige war die Antwort. Hr. v. Wiedmer gab sie ihm aber gleich zurück mit noch andern Annehmlichkeiten; keines hatte einen Degen bei sich, sonst würde er es ihm gewiß nicht mit gleichem erwiedert haben. Dieser geht ganz ruhig nach Hause, um sich seine Haare ein wenig in die Ordnung bringen zu lassen (denn Baron Buffa kriegte ihn auch beim Haare) und wollte die Sache beim Präsidenten (Graf Wolkenstein) vorbringen. Da war aber schon sein ganzes Haus voll Wache, und man brachte ihn auf die Hauptwache; er mochte sagen, was er wollte, es nützte nichts, er sollte seine 25 auf den Hintern haben. Endlich sagte er: »Ich bin ein Edelmann, ich lasse mich nicht unschuldiger Weise schlagen, ich will eher Soldat werden, um mich revangiren zu können.« Denn in Innsbruck muß der dumme Tyrolerbrauch sein, daß kein Mensch einen Cavalier schlagen darf, wenn er auch noch so viel Recht dazu hätte. Auf dieses brachte man ihn ins Zuchthaus, und dort mußte er nicht 25 sondern 50 aushalten. Ehe er sich auf die Bank legte, sagte er öffentlich: »Ich bin unschuldig und ich appellire jetzt öffentlich an den Kaiser.« Der Corporal aber antwortete ihm spöttisch: »Halte der Herr nur vorher seine 50 Prügel aus, hernach kann der Herr appelliren.« In 2 Stunden war die ganze Sache vorbei, nämlich um 2 Uhr. Auf den 5. Streich waren schon die Beinkleider entzwei; mich wundert es in der That, daß er es hat aushalten können, man hat ihn auch wirklich ohnmächtig weggebracht, er ist drei Wochen gelegen. Sobald er curirt war, so ist er schnurgerade nach Wien, wo er jetzt mit Sehnsucht die Ankunft des Kaisers erwartet, der von der ganzen Sache schon informirt ist, sowohl von hier aus, als von Innsbruck, von seiner Schwester, der Erzherzogin[312] Elisabeth. Wiedmer selbst hat einen Brief von ihr an den Kaiser. Den Tag vorher, ehe dieses geschehen, hat der Präsident Ordre bekommen, niemand, es sei wer und was wolle, zu strafen, ohne es vorher hierher zu berichten. Das macht die Sache noch schlimmer. Der Präsident muß doch ein recht dummer boshafter Ochs sein. Aber, wo kann man diesem Mann hinlängliche Satisfaction verschaffen? die Schläge hat er immer. Wenn ich Wiedmer wäre, ich würde vom Kaiser folgende Satisfaction verlangen: Er müßte auf dem nämlichen Platz 50 aushalten und ich müßte dabei sein, und dann müßte er mir erst noch 6000 Ducaten geben, und könnte ich diese Satisfaction nicht erlangen, so wollte ich gar keine, sondern stäche ihm bei der nächst besten Gelegenheit den Degen durch das Herz. NB. Man hat ihm schon 3000 Ducaten angeboten, wenn er nicht nach Wien geht und die Sache stille hält. Die Innsbrucker heißen den Hrn. v. Wiedmer: Der für uns gegeißelt ist worden, der wird uns auch erlösen. – Keine Seele mag ihn. Des Präsidenten Haus ist die ganze Zeit bewacht gewesen, es ist hier ein Evangelium über ihn heraus, es wird von nichts geredet, als von dieser Sache. Mich dauert der arme Mann recht sehr, denn er ist niemals recht gesund, er hat immerzu Kopfweh und klagt die Brust sehr.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 311-313.
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