167. Mozarteum.

[313] Wien 22. Aug. 1781.

Wegen der Adresse meiner neuen Wohnung kann ich Ihnen ja noch nichts schreiben, weil ich noch keine habe; doch bin ich mit zweierlei im Preiszank, wovon eines ganz gewiß genommen wird, weil ich künftigen Monat nicht mehr hier wohnen könnte, folglich ausziehen muß. Es scheint, Hr. v. Aurnhammer hätte Ihnen geschrieben, daß ich schon wirklich eine Wohnung habe! Ich habe auch wirklich schon eine gehabt, aber, was für eine! für Ratzen und Mäuse, aber nicht für Menschen. Die Stiege mußte man Mittags um 12 Uhr mit der Laterne suchen; das Zimmer könnte man eine kleine Kammer nennen, durch die Küche kam man in[313] mein Zimmer und da war an meiner Kammerthüre ein Fensterchen; man versicherte mich zwar, man würde einen Vorhang vormachen, dach bat man mich zugleich, daß, sobald ich angezogen wäre, ich es wieder aufmachen sollte, denn sonst sähen sie nichts sowohl in der Küche als in dem anstoßenden andern Zimmer. Die Frau selbst nannte das Haus das Rattennest, mit Einem Wort es war fürchterlich anzusehen. Das wäre mir eine noble Wohnung gewesen, wo doch unterschiedliche Leute von Ansehen zu mir kommen. Der gute Mann hat halt auf sonst nichts als auf sich selbst und seine Tochter gedacht, welche die größte Seccatrice ist, die ich kenne. Weil ich in Ihrem letzten Schreiben eine Graf Daunische Eloge von diesem Haus gelesen, so muß ich Ihnen doch auch etwas davon schreiben. Ich hätte dieß alles, was Sie lesen werden, mit Stillschweigen übergangen und als etwas, das nicht kalt und nicht warm macht, weil es nur eine Privat-Seccatur für mich allein ist, betrachtet; da ich aber aus Ihrem Schreiben ein Vertrauen auf dieses Haus entdecke, so sehe ich mich gezwungen, Ihnen sowohl das Gute als das Ueble davon aufrichtig zu sagen. – Er ist der beste Mann von der Welt, – nur gar zu gut, denn seine Frau, die dümmste und närrischste Schwätzerin von der Welt, hat die Hosen, so daß wenn sie spricht, er sich kein Wort zu sagen trauet; er hat mich, da wir öfters zusammen spazieren gegangen, gebeten, ich möchte in seiner Frauen Gegenwart nichts sagen, daß wir einen Fiacre genommen oder Bier getrunken haben. Nun, zu so einem Mann kann ich unmöglich Vertrauen haben, er ist mir in Betracht seiner Haushaltung zu unbedeutend. Er ist ganz brav und ein guter Freund von mir, ich könnte öfters bei ihm zu Mittag speisen, ich pflege mir aber meine Gefälligkeiten niemals bezahlen zu lassen; sie wären freilich mit einer Mittagssuppe nicht bezahlt. Doch glauben solche Leute Wunder was sie damit thun. Ich bin nicht wegen meinem Nutzen in ihrem Haus, sondern wegen dem ihrigen, ich sehe dabei gar keinen Nutzen für mich, und habe noch keine einzige Person dort angetroffen, die so viel werth wäre, daß ich sie auf dieses Papier hersetzte. Uebrigens gute Leute, sonst weiter nichts, – Leute die Vernunft genug haben,[314] einzusehen wie nützlich ihnen meine Bekanntschaft für ihre Tochter ist, welche, wie alle Leute, die sie vorher gehört haben, sagen, seit der Zeit, da ich zu ihr gehe, sich ganz verändert hat. Von der Mutter will ich gar keine Beschreibung machen, genug daß man über Tisch genug zu thun hat, um das Lachen zu halten, basta. Sie kennen die Frau Adlgasserin [vgl. oben S. 97] und dieses Meuble ist noch ärger, denn sie ist dabei medisante, also dumm und boshaft. Von ihrer Tochter also: Wenn ein Maler den Teufel recht natürlich malen wollte, so müßte er zu ihrem Gesicht Zuflucht nehmen. Sie ist dick wie eine Bauerndirne, schwitzt also, daß man speien möchte und geht so bloß, daß man ordentlich lesen kann: Ich bitte euch, schauet hierher. Das ist wahr, zu sehen ist genug, daß man blind werden möchte, aber man ist auf den ganzen Tag gestraft genug, wenn sich unglücklicherweise die Augen darauf wenden, – da braucht man Weinstein! so abscheulich, schmutzig und grauslich! – Pfui Teufel! Nun, ich habe Ihnen geschrieben, wie sie Clavier spielt, ich habe Ihnen geschrieben, warum sie mich gebeten ihr beizustehen. Mit vielem Vergnügen thue ich Leuten Gefälligkeiten, aber nur nicht seckiren. Sie ist nicht zufrieden, wenn ich 2 Stunden alle Tage mit ihr zubringe, ich soll den ganzen Tag dort sitzen, und da will sie die artige machen! Aber wohl noch mehr, sie ist serieusement in mich verliebt. Ich hielt es für Spaß, aber nun weiß ich es gewiß. Als ich es merkte, denn sie nahm sich Freiheiten heraus, z.B. mir zärtliche Vorwürfe zu machen, wenn ich etwas später kam als gewöhnlich, oder mich nicht lange aufhalten konnte und dergleichen Sachen mehr – ich sah mich also gezwungen um sie nicht zum Narren zu haben ihr mit Höflichkeit die Wahrheit zu sagen. Das half aber nichts, sie wurde noch immer verliebter. Endlich begegnete ich ihr allzeit sehr höflich, ausgenommen, sie kam mit ihren Possen, dann wurde ich grob; da nahm sie mich aber bei der Hand und sagte: »Lieber Mozart, seien Sie doch nicht so böse. Sie mögen sagen was Sie wollen, ich habe Sie halt doch gern.« In der ganzen Stadt sagt man, daß wir uns heirathen, und man verwundert sich nur über mich, daß ich so ein Gesicht nehmen mag. –[315] Sie sagte mir, daß, wenn so etwas zu ihr gesagt würde, sie allzeit dazu gelacht habe. Ich weiß aber von einer gewissen Person daß sie es bejaht habe, mit dem Zusatz, daß wir alsdann zusammen reisen werden. Das hat mich aufgebracht. Ich sagte ihr also letzthin die Meinung wacker und sie möchte meine Güte nicht mißbrauchen. Und nun komme ich nicht mehr alle Tage, sondern nur alle andern Tage zu ihr, und so wird es nach und nach abnehmen. Sie ist nichts als eine verliebte Närrin, denn bevor sie mich gekannt, hat sie im Theater, als sie mich gehört, gesagt: »Morgen kommt er zu mir, und da werde ich ihm seine Variationen mit dem nämlichen Gusto vorspielen.« Aus dieser Ursache bin ich nicht hingegangen, weil das eine stolze Rede war und weil sie gelogen hat; denn ich wußte kein Wort, daß ich den andern Tag hingehen sollte. Nun Adieu, das Papier ist voll. Der 1. Act von der Oper ist nun fertig. –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 313-316.
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