172. Nissen.

[322] Wien 26. Sept. 1781.

Die Oper hatte mit meinem Monolog angefangen, und da bat ich Hrn. Stephanie eine kleine Ariette daraus zu machen, – und daß anstatt nach dem Liedchen des Osmin die Zwei zusammen schwatzen, ein Duett daraus würde. – Da wir die Rolle des Osmin Hrn. Fischer zugedacht haben, welcher gewiß eine vortreffliche Baßstimme hat, obwohl der Erzbischof zu mir gesagt, er singe zu tief für einen Bassisten, und ich ihm aber betheuerte, er würde nächstens höher singen, so muß man so einen benutzen, besonders da er das hiesige[322] Publikum ganz für sich hat. – Dieser Osmin hat aber im Original-Büchel das einzige Liedchen zu singen und sonst nichts, außer in dem Terzett und Finale. Dieser hat also im ersten Acte eine Arie bekommen und wird auch im zweiten Acte noch eine haben. Die Arie habe ich dem Hrn. Stephanie ganz angegeben – und die Hauptsache der Musik davon war schon ganz fertig, ehe Stephanie ein Wort davon wußte. – Sie haben nur den Anfang davon, und das Ende, welches von guter Wirkung sein muß; – der Zorn des Osmin wird dadurch in das Komische gebracht, weil die türkische Musik dabei angebracht ist. – In der Ausführung der Arie habe ich seine schönen tiefen Töne schimmern lassen. – Das »D'rum beim Barte des Propheten« ist zwar im nemlichen Tempo, aber mit geschwinden Noten, – und da sein Zorn immer wächst, so muß – da man glaubt, die Arie sei schon zu Ende – das Allegro assai ganz in einem andern Zeitmaße und andern Tone eben den besten Effect machen; denn ein Mensch, der sich in einem so heftigen Zorne befindet, überschreitet ja alle Ordnung, Maß und Ziel, er kennt sich nicht – und so muß sich auch die Musik nicht mehr kennen. – Weil aber die Leidenschaften, heftig oder nicht, niemals bis zum Ekel ausgedrückt sein müssen, und die Musik, auch in der schaudervollsten Lage, das Ohr niemals beleidigen, sondern doch dabei vergnügen, folglich allzeit Musik bleiben muß, so habe ich keinen fremden Ton zum F (zum Ton der Arie), sondern einen befreundeten, aber nicht den nächsten, D minore, sondern den weitern, A minore, dazu gewählt. – Nun die Arie von Belmonte in A-dur: »O wie ängstlich, o wie feurig« wissen Sie wie es ausgedrückt ist, – auch ist das klopfende Herz schon angezeigt – die Violinen in Octaven. – Dieß ist die Favorit-Arie von Allen, die sie gehört haben – auch von mir – und ist ganz für die Stimme des Adamberger geschrieben. Man sieht das Zittern, Wanken, man sieht wie sich die schwellende Brust hebt, welches durch ein Crescendo exprimirt ist; man hört das Lispeln und Seufzen, welches durch die ersten Violinen mit Sordinen und einer Flöte mit im Unisono ausgedrückt ist. – Der Janitscharen-Chor ist als solcher Alles was man[323] verlangen kann, kurz und lustig und ganz für die Wiener geschrieben. – Die Arie von der Constanze habe ich ein wenig der geläufigen Gurgel der Mademoiselle Cavalieri aufgeopfert. – »Trennung war mein banges Loos, und nun schwimmt mein Aug' in Thränen« – habe ich, so viel es eine wälsche Bravour-Arie zuläßt, auszudrücken gesucht. – Das »Hui« habe ich in »schnell« verändert, also: »Doch wie schnell schwand meine Freude« etc. Ich weiß nicht, was sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater nicht verstehen, was die Opern anbelangt, so sollen sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen, als wenn Schweine vor ihnen stünden.

Nun das Terzett, nämlich der Schluß vom ersten Acte. Pedrillo hat seinen Herrn für einen Baumeister ausgegeben, damit er Gelegenheit habe, mit seiner Constanze im Garten zusammen zu kommen. Der Bassa hat ihn in seine Dienste genommen; Osmin, als Aufseher und der davon nichts weiß, ist, als ein grober Flegel und Erzfeind von allen Fremden, impertinent, und will sie nicht in den Garten lassen. Das Erste, was ich angezeigt, ist sehr kurz, und weil der Text dazu Anlaß gegeben, so habe ich es so ziemlich gut dreistimmig geschrieben; dann fängt aber gleich das Major pianissimo an, welches sehr geschwind gehen muß, und der Schluß wird recht viel Lärmen machen, und das ist ja alles was zu einem Schlusse von einem Acte gehört: je mehr Lärmen, je besser, – je kürzer, je besser, – damit die Leute zum Klatschen nicht kalt werden. – Die Ouvertüre ist ganz kurz, wechselt immer mit Forte und Piano ab, wo beim Forte allzeit die türkische Musik einfällt, – modulirt so durch die Töne fort, und ich glaube, man wird dabei nicht schlafen können, und sollte man eine ganze Nacht hindurch nicht geschlafen haben. –

Nun sitze ich wie der Hase im Pfeffer. – Ueber drei Wochen ist schon der erste Act fertig, und eine Arie im zweiten Acte, und das Sauf-Duett, welches in Nichts als in meinem türkischen Zapfenstreiche besteht; mehr kann ich aber nicht davon machen, weil jetzt die ganze Geschichte umgestürzt wird, und zwar auf mein Verlangen. Im Anfange des dritten[324] Actes ist ein charmantes Quintett oder vielmehr Finale, dieses möchte ich aber lieber zum Schlusse des zweiten Actes haben. Um dies bewerkstelligen zu können, muß eine große Veränderung, ja eine ganz neue Intrigue vorgenommen werden, und Stephanie hat über Hals und Kopf Arbeit.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 322-325.
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