179. Mozarteum.

[333] Wien 5. Dez. 1781.

Heute habe ich keinen Brief von Ihnen, ich will Ihnen also von Neuigkeiten schreiben was ich weiß. Er gibt deren zwar wenige und die wenigen sind meistens erlogen – und das ist eben die Ursache warum ich Ihnen keine schreibe, weil ich fürchten muß, ich werde dabei zu Schanden; wie zum Beispiel der General Laudon schon wirklich todt war und nun aber (Glück dem Haus Oesterreich) wieder auferstanden ist. – Der Großfürst bleibt bis Neujahr hier, und dem Kaiser ist es nun bange geworden wie er ihn diese lange Zeit durch unterhalten könne. Damit er aber nicht viel Kopfzerbrechens hat, so – unterhält er ihn gar nicht. Es ist ja genug, wenn er seine Frau unterhält, und dazu – ist er allein genug. Auf dem Schönbrunner Ball war eine grausame Confusion. Weil vermög der trefflichen Anstalten solches ohne Hexerei vorzusehen war, so ging auch der Herr Ego nicht darauf, weil er kein Liebhaber von Gedränge, Rückenstoßen und Prügel ist, und sollten es auch kaiserliche sein! – Der Kammerfourier Strobel hatte die Billete auszutheilen; auf 3000 Personen war der Antrag. Es wurde öffentlich kundgemacht, daß Jedermann sich bei dem obgedachten Strobel könne aufschreiben lassen. Da ist nun alles hingelaufen, und der Strobel – aufgeschrieben; und da durfte man dann nichts als um die Billete schicken. Einigen die zu bekannt sind, wurden sie ins Haus geschickt. Und solche Commission gab man dem nächstbesten Buben. Da geschah es, daß ein Bub auf der Treppe einen Vorbeigehenden fragte, ob er nicht so und so hieße. Dieser sagte aus Spaß Ja, und er – gab ihm ein Billet. Ich weiß zwei Häuser welche dieser Unordnungen wegen kein Billet bekommen haben. Sie waren aufgeschrieben, schickten hin, – der Strobel ließ ihnen sagen, er hätte ihnen ja die Billete längst geschickt. Auf diese Art war der Ball voll Friseurs und Stubenmädchens. – Nun kommt aber das Schönste, worüber sich die Noblesse sehr aufgehalten hat. Der Kaiser führte immer die Großfürstin am Arm, es waren zwei Partien Contredanse von der Noblesse, Römer und – Tartaren. Bei einem von diesen geschah es, daß der ohnehin schon unartige[334] Wiener Pöbel sich so zudrängte, daß sie die Großfürstin dem Kaiser vom Arm weg – mitten in die Tanzenden hineinstoßen. Der Kaiser fing an mit den Füßen zu stampfen, sacramentirte wie ein Lazzarone, stieß einen ganzen Haufen Volk zurück und holte links und rechts aus. Einige von der ungarischen Garde wollten allzeit mitgehen um Platz zu machen, allein er schickte sie weg. Auf diese Art geschieht ihm Recht; denn das geht nicht, Pöbel bleibt doch immer Pöbel.

Diesen Augenblick erhalte ihr Schreiben vom 27. November. Das ist gewiß daß der Kaiser dem Herzog von Würtemberg entgegen gefahren ist, und zwar der Prinzessin zu Liebe. Aus diesem macht kein Mensch hier einiges Geheimniß; nur weiß man nicht, ob das ein Brocken für ihn selbst oder für einen toscanischen Prinzen sei. Glaublicher ist das Letzte; allein der Kaiser ist gar zu zärtlich mit ihr, er küßt ihr unaufhörlich die Hände, eine nach der andern, und öfters beide zugleich. Nur das wundert mich, weil sie so zu sagen noch ein Kind ist. Wenn aber das wahr ist und geschieht was man sagt, so glaube ich nun selbst wieder daß ihm das Hemd näher ist als der Rock; denn sie soll zwei Jahre hier in einem Kloster bleiben, und vermuthlich – wenns keine Hexen gibt, wird sie meine Scolarin auf dem Clavier sein.

Den Fagottist, den man dem Erzbischof anhängen will, kenne ich schon, er secondirt ja mit dem Ritter bei der Oper. Sie schreiben ich soll Sie nicht vergessen! – Daß Sie Freude haben daß ich Sie nicht vergesse, macht mir gewiß das größte Vergnügen. Wenn Sie aber glauben können, ich könnte Sie vergessen – das würde mich recht sehr schmerzen. Ich soll denken daß ich eine unsterbliche Seele habe! – Nicht allein denke ich das, sondern ich glaube es. Worin bestände denn sonst der Unterschied zwischen Menschen und Vieh! – Eben weil ich das nur zu gewiß weiß und glaube, so habe ich nicht alle Ihre Wünsche so, wie Sie gedacht haben, erfüllen können. – Nun leben Sie wohl.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 333-335.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mozarts Briefe
Mozarts Briefe