180. Mozarteum.

[335] Wien 15. Dez. 1781.

Diesen Augenblick erhalte ich Ihr Schreiben vom 12. – Durch Hr. v. Daubrawaick werden Sie diesen Brief, die Uhr, die Münchner Opera, die 6 gestochenen Sonaten, die Sonate auf 2 Claviere und die Cadenzen erhalten. – Wegen der Prinzessin von Würtemberg und mit mir ist es schon vorbei, der Kaiser hat es mir verdorben, denn bei ihm ist nichts als Salieri! – Der Erzherzog Maximilian hat ihr mich angetragen; – sie hat ihm geantwortet, wenn es auf sie angekommen wäre, so hätte sie nie keinen andern genommen, aber der Kaiser hätte ihr den Salieri angetragen wegen dem Singen, – es wäre ihr recht leid. Wegen dem was Sie vom Würtembergischen Hause und Ihnen geschrieben haben, ist nicht unmöglich daß es mir vielleicht dienen könnte.

Liebster Vater! Sie fordern von mir die Erklärung der Worte die ich zu Ende meines letzten Briefes hingeschrieben habe! – O wie gerne hätte ich Ihnen nicht längst mein Herz eröffnet; aber der Vorwurf welchen Sie mir hätten machen können, auf so was zur Unzeit zu denken, hielt mich davon ab – obwohl Denken niemalen zur Unzeit sein kann. – Mein Bestreben ist unterdessen etwas wenig Gewisses hier zu haben – dann läßt es sich mit der Hülfe des Unsichern ganz gut hier leben – und dann – zu heirathen! – Sie erschrecken vor diesem Gedanken? – Ich bitte Sie aber, liebster, bester Vater, hören Sie mich an! – Ich habe Ihnen mein Anliegen entdecken müssen, nun erlauben Sie auch daß ich Ihnen meine Ursachen und zwar sehr gegründete Ursachen entdecke. Die Natur spricht in mir so laut, wie in jedem andern und vielleicht lauter als in manchem großen starken Lümmel. Ich kann unmöglich so leben wie die meisten dermaligen jungen Leute. – Erstens habe ich zu viel Religion, zweitens zu viel Liebe des Nächsten und zu ehrliche Gesinnungen als daß ich ein unschuldiges Mädchen anführen könnte [vgl. S. 181], und drittens zu viel Grauen und Eckel, Scheu und Furcht vor die Krankheiten und zu viel Liebe zu meiner Gesundheit als daß ich mich mit H– herumbalgen könnte. Dahero kann ich auch schwören daß ich noch mit keiner Frauensperson auf diese Art[336] etwas zu thun gehabt habe. Denn wenn es geschehen wäre, so würde ich es Ihnen auch nicht verhehlen; denn fehlen ist doch immer dem Menschen natürlich genug, und einmal zu fehlen wäre auch nur bloße Schwachheit, – obwohl ich mir nicht zu versprechen getraute, daß ich es bei einmal Fehlen bewenden lassen würde, wenn ich in diesem Punkte ein einziges Mal fehlte. – Darauf aber kann ich leben und sterben. Ich weiß wohl daß diese Ursache (so stark sie immer ist) doch nicht erheblich genug dazu ist; – mein Temperament aber, welches mehr zum ruhigen und häuslichen Leben als zum Lärmen geneigt ist, – ich der von Jugend auf niemals gewohnt war auf meine Sachen, was Wäsche, Kleidung und dgl. anbelangt, Acht zu haben, – kann mir nichts nöthiger denken als eine Frau. – Ich versichere Sie, was ich nicht Unnützes öfters ausgebe, weil ich auf nichts Acht habe. – Ich bin ganz überzeugt, daß ich mit einer Frau (mit dem nemlichen Einkommen, das ich allein habe) besser auskommen werde, als so, – und wie viele unnütze Ausgaben fallen nicht weg? – Man bekommt wieder andere dafür, das ist wahr, allein – man weiß sie, kann sich darauf richten und mit einem Worte, man führt ein ordentliches Leben. – Ein lediger Mensch lebt in meinen Augen nur halb, – ich hab halt solche Augen, ich kann nicht dafür – ich habe es genug überlegt und bedacht – ich muß doch immer so denken.

Nun aber wer ist der Gegenstand meiner Liebe? – Erschrecken Sie auch da nicht, ich bitte Sie. – Doch nicht eine Weberische? – Ja eine Weberische! – aber nicht Josepha – nicht Sophie – sondern Constanze, die mittelste. – Ich habe in keiner Familie solche Ungleichheit der Gemüther angetroffen wie in dieser. – Die Aelteste ist eine faule grobe falsche Person, die es dick hinter den Ohren hat. – Die Langin [Aloysia] ist eine falsche schlechtdenkende Person und eine Coquette. – Die Jüngste – ist noch zu jung um etwas sein zu können, – ist nichts als ein gutes, aber zu leichtsinniges Geschöpf! Gott möge sie vor Verführung bewahren. – Die Mittelste aber, nemlich meine gute liebe Constanze ist – die Marterin darunter, und eben deswegen vielleicht die gutherzigste geschickteste und mit einem Worte die beste[337] darunter; – die nimmt sich um Alles im Hause an – und kann doch nichts recht thun. O mein bester Vater, ich könnte ganze Bögen voll schreiben, wenn ich Ihnen alle die Auftritte beschreiben sollte, die mit uns beiden in diesem Hause vorgegangen sind; wenn Sie es aber verlangen, werde ich es im nächsten Briefe thun. – Bevor ich Sie von meinem Gewäsche frei mache, muß ich Ihnen doch noch näher mit dem Charakter meiner liebsten Constanze bekannt machen. – Sie ist nicht häßlich, aber auch nichts weniger als schön, – ihre ganze Schönheit besteht in zwei kleinen schwarzen Augen und in einem schönen Wachsthum. Sie hat keinen Witz aber gesunden Menschenverstand genug, um ihre Pflichten als eine Frau und Mutter erfüllen zu können. Sie ist nicht zum Aufwand geneigt, das ist grundfalsch – im Gegentheil ist sie gewohnt schlecht gekleidet zu sein – denn das wenige was die Mutter ihren Kindern hat thun können, hat sie den zwei andern gethan, ihr aber niemalen. – Das ist wahr daß sie gern nett und reinlich, aber nicht propre gekleidet wäre; – und das meiste was ein Frauenzimmer braucht, kann sie sich selbst machen; und sie frisirt sich auch alle Tage selbst – versteht die Hauswirthschaft, hat das beste Herz von der Welt – ich liebe sie und sie liebt mich von Herzen – sagen Sie mir ob ich mir eine bessere Frau wünschen könnte? –

Das muß ich Ihnen noch sagen, daß damals als ich quittirte die Liebe noch nicht war, – sondern erst durch ihre zärtliche Sorge und Bedienung (als ich im Hause wohnte) geboren wurde. – Ich wünsche also nichts mehr, als daß ich nur etwas weniges Sicheres bekomme (wozu ich auch Gottlob wirklich Hoffnung habe), so werde ich nicht nachlassen Sie zu bitten, daß ich diese Arme erretten – und mich zugleich mit ihr – und ich darf auch sagen, uns alle glücklich machen darf. – Sie sind es ja doch auch wenn ich es bin? – Und die Hälfte von dem Sichern was ich bekommen werde, sollen Sie genießen, mein liebster Vater! – Nun habe ich Ihnen mein Herz eröffnet und Ihnen meine Worte erkläret. – Nun bitte ich Sie mir auch die Ihrigen von Ihrem letzten Brief zu erklären: Du wirst nicht glauben, daß ich einen Antrag der dir gemacht worden, und darauf du, damals als[338] ichs erfuhr, nichts geantwortet, wissen könnte. – Da verstehe ich kein Wort davon, ich weiß von keinem Antrag. – Nun haben Sie Mitleiden mit Ihrem Sohne! Ich küsse Ihnen 1000 Mal die Hände und bin ewig dero gehorsamer Sohn.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 335-339.
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