Den 14ten Octbr. 1791

[19] Liebstes bestes Weibchen! –1


Gestern Donnerstags den 13 ten ist Hofer mit mir hinaus zum Carl – wir speißten draußen, dann fuhren wir herein – um 6 Uhr holte ich Salieri und die Cavallieri mit dem Wagen ab und führte sie in die Loge – dann gieng ich geschwind die Mamma und den Carl abzuholen, welche unterdessen bei Hofer gelassen habe. Du kannst nicht glauben, wie artig beide waren – und wie sehr ihnen nicht nur meine Musik, sondern das Buch – und alles zusammen gefiel. Sie sagten beide, dies sey ein Operone, würdig bei der größten Festivität vor dem größten Monarchen aufzuführen – und sie würden sie gewis sehr oft sehen – denn[19] sie hätten noch kein schöneres und angenehmeres Spectakel gesehen.2 – Er hörte und sah mit aller Aufmerksamkeit – und von der Sinfonie bis zum letzten Chor war kein Stück, welches ihm nicht ein Bravo – oderBello ablockte – und sie konnten fast nicht fertig werden, sich für diese Gefälligkeit bei mir zu bedanken. Sie waren allezeit gesinnt gestern in die Oper zu gehen. Sie hätten aber um 4 Uhr schon hierin sitzen müssen – da sahen und hörten sie aber mit Ruhe. – Nach dem Theater ließ ich sie nach Hause führen, und ich soupirte mit Carln bei Hofer – dann fuhr ich mit ihm nach Hause und wir beide schliefen herrlich. Dem Carl habe ich keine geringe Freude gemacht, daß ich ihn in die Oper abgeholt habe. Er sieht herrlich aus, für die Gesundheit könnte er keinen bessern Ort haben – aber das Uebrige ist leider – Elend! einen guten Bauern mögen sie wohl der Welt erziehen! aber – genug. Ich habe, weil Montag erst die großen Studien (daß Gott erbarm) anfangen, den Carl bis Sonntag nach Tische ausgebeten, – habe gesagt, daß Du ihn gerne sehen möchtest. Morgen den Sonntag komme ich mit ihm hinaus zu Dir, dann kannst Du ihn behalten, oder ich führe ihn den Sonntag nach Tische wieder zum Hecker; – überlege es, – wegen einem Monathe kann er eben nicht verdorben werden, denke ich! – unterdessen kann die Geschichte wegen den Piaristen zu Stande kommen, woran wirklich gearbeitet wird, – übrigens ist er zwar nicht schlechter, aber auch um kein Haar besser als er immer war, er hat die nehmlichen Unförme3, plappert gerne wie sonst und lernt fast noch weniger gern, weil er nichts als – Vormittags 5 und Nachmittags 5 Stunden im Garten herum geht, wie er mir selbst gestanden hat, – mit einem Worte[20] die Kinder thun nichts – gar nichts als essen, trinken, schlafen und spazieren gehen.

Eben ist Leitgeb und Hofer bei mir; – ersterer bleibt bei mir beim Essen, ich habe meinen treuen Kammerdiener Primus eben um ein Essen ins Bürgerspital geschickt – mit dem Kerl bin ich recht zufrieden – ein einziges mal hat er mich angesetzt, daß ich gezwungen war bei Hofer zu schlafen, welches mich sehr seckirte, weil sie mir zu lange schlafen, ich bin am liebsten zu Hause, weil ich meine Ordnung schon gewohnt bin – dies einzige mal hat mich ordentlich übeln humors gemacht. – Gestern ist mit der Reise nach Bertelsdorf4 der ganze Tag darauf gegangen, darum konnte ich Dir nicht schreiben, – aber daß Du mir 2 Tage nicht geschrieben, ist unverzeihlich. Heute hoffe aber gewis Nachricht von Dir zu erhalten und Morgen selbst mit Dir zu sprechen und Dich von Herzen zu küssen. Lebe wohl – Ewig Dein

Mozart.


Den 14ten Octbr. 1791.


Die Sophie küsse ich 1000mal, und mit N.N. mach was Du willst. – Adjeu.

Fußnoten

1 Vgl. O. Jahn, 2. Ausg., II. 723.


2 »Die Zauberflöte« war die aufgeführte Oper.


3 Unförme (auch Unfürm), wienerisch statt Unarten.


4 Perchtholdsdorf, ein Ort unweit von Wien.


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 21.
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