Liebstes, bestes Weibchen

[71] [71] Freytag um halb 11 Uhr Nachts.


Liebstes, bestes Weibchen!


Eben komme ich von der Oper die Zauberflöte – sie war eben so voll wie allezeit – das Duetto Mann und Weib und das Glöckchenspiel im ersten Act wurde wie gewöhnlich wiederholt – auch im 2ten Act das Knaben-Terzett. – Was mich aber am meisten freuet ist der stille Beifall! – man sieht recht wie sehr und immer mehr diese Oper steigt.

Nun meinen Lebenslauf; – gleich nach Deiner Abseglung spielte ich mit Herrn von Mozart (der die Oper beym Schikaneder geschrieben hat) 2 Parthien Billard – dann1 verkaufte ich um 14 Ducaten meinen Klepper – dann ließ ich mir durch Joseph den Primus rufen und schwarzen Koffee holen, wobey ich eine herrliche Pfeiffe Toback schmauchte; dann instrumentirte ich fast das ganze Rondo von [für] Stadtler2; – in dieser Zwischenzeit kam ein Brief von Prag von Stadtler. – Die Duscheckischen sind alle wohl, – mir scheint es, sie muß gar keinen Brief von Dir erhalten haben – und doch kann ich fast nicht glauben! – genug – sie wissen schon alle die herrliche Aufnahme meiner deutschen Oper. – Das Sonderbarste dabei ist, daß den Abend,[72] als meine neue Oper mit so vielem Beyfall zum erstenmale aufgeführt wurde,3 am nehmlichen Abend in Prag der Tito zum letztenmal auch mit außerordentlichem Beyfall aufgeführet worden, alle Stücke sind applaudirt worden, der Bedini sang besser als allezeit – das Duettclien ex A von den 2 Mädchens wurde wiederholet – und gerne, hätte man nicht die Marchetti geschont, hätte man auch dasRondo repetirt4? – Dem Stodla5 wurde (o böhmisches Wunder!) – schreibt er – aus dem Parterre und sogar aus dem Orchester bravo zugeruffen; ich hab mich aber auch recht angesetzt, schreibt er; auch schrieb er (der Stodla) daß ihn N.N. – – und nun einsehe, daß er ein Esel ist – N.N. versteht sich, nicht der Stodla, – der ist nur ein Bissel ein Esel, nicht viel, aber der N.N. – ja der, der ist ein rechter Esel. Um halb 6 Uhr gieng ich beim Stubenthor hinaus – und machte meinen Favorit-Spaziergang über die Glacis ins Theater – was sehe ich? – was rieche ich? – – der Primus ist es mit den Carbonadeln! – gusto! – ietzt esse ich Deine Gesundheit – eben schlägt es 11 Uhr – vielleicht schläfst Du schon? – – – st! st! st! – ich will Dich nicht aufwecken!


Samstags den 8ten.


Du hättest mich gestern beim Nachtessen sehen sollen! – das alte Tischgeräthe habe ich nicht gefunden, folglich habe ich ein Schnee-blümelweißes hergegeben und den doppelten[73] Leuchter mit Wachs vor meiner! – vermög des Briefes vom N.N. sollen die N.N. schon hier durch seyn – auch hat die Duscheck sicher einen Brief von Dir erhalten, denn er schreibt: die Affection war sehr mit des Mathias Nachschrift zufrieden, sie sagte: der E.S.E.L. – oder E S E L gefällt mir so wie er ist. – treibe den N.N. an, daß er fürN.N. schreibt, denn er hat mich sehr darum gebeten. – Nun wirst Du wohl im besten Schlummer seyn, da ich dieses schreibe. – Der Friseur ist accurat um 6 Uhr gekommen – und Primus hat schon um halb 6 Uhr eingefeuert und mich 3/4 geweckt. – Warum muß es ietzt eben regnen? – ich hoffte daß Du ein schönes Wetter haben solltest! – Halte Dich nur hübsch warm, damit Du Dich nicht erkältest; ich hoffe daß Dir das Bad einen guten Winter machen wird, – denn nur dieser Wunsch, daß Du gesund bleiben mögest, hieß mich Dich antreiben nach Baaden zu gehen – mir wird ietzt schon die Zeit lang um Dich – das sah ich alles vorher; – hätte ich nichts zu thun, so würde ich gleich auf die 8 Tage mit Dir hinaus gegangen seyn; – ich habe aber daraus gar keine Bequemlichkeit zum arbeiten; und ich möchte gerne, so viel möglich, aller Verlegenheit ausweichen; nichts angenehmers als wenn man etwas ruhig leben kann, deswegen muß man fleißig seyn und ich bin es gerne. –

Dem N.N. gieb in meinem Namen ein paar tüchtige Ohrfeigen, auch lasse ich die A. (welche ich 1000 mal küsse) bitten, ihm ein paar zu geben – laßt ihm nur um Gotteswillen keinen Mangel leiden! – ich möchte um alles in der Welt heut oder morgen von ihm den Vorwurf nicht haben, als hättet Ihr ihn nicht gehörig bedienet und verpfleget – gebt ihm lieber mehr Schläge als zu wenig – gut wäre es, wenn Ihr ihm einen Krebsen an die Nase[74] zwicktet, ein Aug ausschlüget oder sonst eine sichtbare Wunde verursachtet, damit der Kerl nicht einmal das, was er von Euch empfangen, abhängen kann; – adjeu liebes Weibchen! – der Wagen will abfahren, – ich hoffe heute gewis etwas von Dir zu lesen, und in dieser süßen Hoffnung küsse ich Dich 1000 mal und bin

ewig Dein

Dich liebender Mann

W.A. Mozart.

Fußnoten

1 Die Vorlage hat hier noch das eingeklammerte Wort: vertauschte.


2 Das Rondo des für Alb. Stadler i.J. 1791 geschriebenen Clarinett-Concertes. Vgl. Köchel's Verz. Nr. 622; O. Jahn's Biogr., 2. Ausg. II. 27. Aus den Daten, welche sich an den Brief knüpfen, ergiebt sich, daß das Concert nicht, wie Köchel irrthümlich angiebt, am 28. September, sondern später und frühestens am 7. October 1791 fertig wurde. In Mozart's eignem thematischen Verzeichniß ist es zwischen dem 28. September und 15. November 1791 eingetragen.


3 Die erste Aufführung der Zauberflöte fand in Wien am 30. September 1791 Statt.


4 Bedini sang den Annio, Sgra. Marchetti die Vitellia. Vgl. Jahn's Mozart, 1. Ausg. IV. 576, 2. Ausg. II. 470.


5 Stadler. Aus dem Folgenden wird die Vermuthung O. Jahn's (Mozart, 2. Ausg. II. 478), daß Stadler bei den Aufführungen des Titus in Prag als Solospieler mitwirkte, bestätigt.


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 75.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Philotas. Ein Trauerspiel

Philotas. Ein Trauerspiel

Der junge Königssohn Philotas gerät während seines ersten militärischen Einsatzes in Gefangenschaft und befürchtet, dass er als Geisel seinen Vater erpressbar machen wird und der Krieg damit verloren wäre. Als er erfährt, dass umgekehrt auch Polytimet, der Sohn des feindlichen Königs Aridäus, gefangen genommen wurde, nimmt Philotas sich das Leben, um einen Austausch zu verhindern und seinem Vater den Kriegsgewinn zu ermöglichen. Lessing veröffentlichte das Trauerspiel um den unreifen Helden 1759 anonym.

32 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon