15.

Die Zauberflöte.

[172] Die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, als Mozart den kommenden Morgen erwachte; er hatte ja die ganze Nacht hindurch gearbeitet und sich erst mit Tagesanbruch unausgekleidet auf sein Bett geworfen. Glücklicherweise war auch Frau Mozart heute länger wie gewöhnlich liegen geblieben; denn sonst wäre wohl Amadeus schwerlich einer Strafpredigt über diesen übertriebenen Fleiß und das kurze Ruhen in den Kleidern entgangen.

Es ist wahr, er fühlte sich in Folge des starken Weines und Punsches, den er gestern Abend in ziemlichem Maße getrunken, und der Arbeit, die er die Nacht vollendet, unbehaglich und matt. Die frühere Kraft und Elasticität des Körpers war eben nicht mehr vorhanden. Es fröstelte ihn, trotz der wundervoll behaglichen Wärme, die die Julisonne über die Erde breitete; sein Kopf schmerzte ihn, sein Geist war gedrückt und wie von Nebeln umhüllt. Aber das alles wäre leicht zu ertragen gewesen, wenn ihn nicht auch noch sein moralisches »Ich« gepeinigt hätte. Vierzehn Gulden hatte ihn der gestrige Abend im Wirthshaus – sieben Gulden die Bonbonnière gekostet, machte zusammen einundzwanzig Gulden – und – das war gerade der Rest seiner Kasse.

Es war nun zwar heute glücklicherweise der erste Juli, so daß er bei manchen seiner Schüler und Schülerinnen auf den Eingang des monatlichen Stundengeldes hoffen durfte: – aber er mußte auch darauf gefaßt sein, daß seine Frau ihm heute, als am ersten des Monats, Haushaltungsgeld abfordern werde, und dann – und das war das Schlimmste – sollte heute auch ein kleiner Wechsel von fünfzig Gulden eingelöst werden, – ein Wechsel, den er schon dreimal zurückgewiesen und für ganz bestimmt auf heute zu zahlen versprochen hatte.

Amadeus rieb sich die Stirne, die ihn ohnehin schmerzte, fast wund; – – vergeblich! – es wollte kein rettender Gedanke kommen. Er dachte daran, irgend etwas zu verpfänden oder zu versetzen; aber es war ja von den alten Kleinodien längst nichts mehr da. Er besann sich auf einen Freund, dem er eine kleine Summe entlehnen könne, bis ihm[173] wieder etwas eingegangen; – umsonst – er war den meisten schon verpflichtet und konnte diese Verpflichtungen nicht halten.

Und konnte nicht jeden Augenblick Constanze – jede Minute der Nachbar Krämer mit dem Wechsel kommen?

Wolfgang sprang mit einem unaussprechlichen Gefühle von Mißbehagen von dem Stuhle empor, auf den er sich eben niedergelassen. Was ihn genirte, war nur eine Kleinigkeit: aber gerade weil ihn solche elenden Kleinigkeiten genirten und geniren konnten, war er außer sich. Er vermochte nicht ruhig sitzen zu bleiben, – er mochte und konnte nicht frühstücken, – er war auch unfähig, irgend etwas anderes zu denken! Aber das Peinlichste und Bitterste für ihn war doch das Bewußtsein, daß seine Frau recht gehabt habe, wenn sie ihn diese Nacht ob seines entsetzlichen Leichtsinns und seiner Schwäche getadelt! Die einundzwanzig Gulden hätten immer als Abschlagszahlung dienen können und dann gewiß den Krämer beruhigt.

Was hatte er nun durch den heiteren Abend von gestern gewonnen? .... Unwohlsein, Mißvergnügen an sich selbst und – einen Haufen neuer Sorgen.

Wolfgang trat an das offene Fenster; – die Luft wehte ihn warm und balsamisch an, – der Himmel erglänzte im reinsten Blau, – die Schwalben schossen munter schreiend an ihm vorüber – – alles, alles rief ihn hinaus zu frohem, freudigen Leben – – im Herzen regte sich der Drang, melodisch mit einzugreifen in den Jubel des Weltalls ...... und er konnte nicht folgen! .... die Sorgen zerdrückten ihm fast das Herz, – nagten an seinem Gehirn – und dann – – in einer Stunde mußte er ja auch den Frohndienst des »Stundengebens« beginnen, – umsomehr beginnen, als ohne das Geld, was er heute einzunehmen hatte, der eigene Heerd nicht mehr rauchen konnte.

Wolfgang preßte bei diesem Gedanken beide Hände fest und krampfhaft auf die Brust. Er sprach nicht, aber er fühlte, wie in seinem Inneren der Genius mit Ingrimm die Flügel schlug, die dies erbärmliche Leben mit seinen jammervollen Verhältnissen fest gepackt hatte und in den Staub drückte. Er hätte zum Himmel aufschreien mögen, daß es alle Welt gehört: »Da schaut mich – Welten der Töne, der Harmonien in meiner Brust – das Bewußtsein im Herzen, das Größte leisten zu[174] können, und an die erbärmlichste Alltäglichkeit und ihre Trivialitäten geschmiedet, wie Prometheus an den Felsen!«

Plötzlich strömte es ihm siedend heiß nach dem Herzen, – dann nach der Brust und nach dem Halse – er mußte ausspeien – – – es war Blut, viel Blut!

Schwindelnd, bleich, erschöpft und kalten Schweiß auf der Stirne wankte Amadeus nach seinem Stuhle. Er war sichtlich sehr erschrocken und schwieg lange Zeit. Das Haupt sank aus die Brust und tiefe Trauer lagerte sich auf seinen Zügen.

»So hat meine Ahnung also doch recht!« – murmelte er endlich düster vor sich hin – »ich werde bald sterben,früh sterben – – sterben, ohne die großen, göttlichen Ideen verwirklicht zu haben, die in meinem Innern ruhen. Ja, ja! der Tod hat eben bei mir angeklopft, wie der steinerne Gast – – bald wird er zum zweiten und – – zum dritten Male klopfen – – und ich werde hingehen und ihm öffnen müssen!«

Und Wolfgang verstummte und verfiel in ein langes tiefes Schweigen; sein Geist aber gedachte seiner Gattin und seiner Kinder und heiße Thränen liefen über seine Wangen.

Da ließ sich ein Geräusch im Hause hören; – entsetzt fuhr er in die Höhe, trocknete den Schweiß auf seiner Stirne und sich mühsam erhebend und die Blutspuren tilgend, sagte er leise:

»Constanze – – – darf nichts davon wissen – – die Gute würde sich ängstigen.«

In demselben Augenblicke öffnete sich die Thür und – – Schikaneder trat ein.

»Guten Morgen, Mozart!« – rief dieser dem Maestro heiter entgegen und sein frisches, geröthetes Gesicht verrieth, daß er gut gefrühstückt habe. Seine Toilette war wie immer fein und untadelhaft, seine Manieren von vornehmer Nachlässigkeit. Da er übrigens bei Mozart wie zu Hause war – Schikaneder war überall zu Hause, wo es gut zu essen und zu trinken gab – warf er Hut, Reitpeitsche und Handschuhe auf den Tisch, ließ sich selbst in einen Sessel gleiten und schlug, während er sich nach Neuigkeiten erkundigte, die Beine gemächlich übereinander.

Aber jetzt erst fielen seine Blicke auf Mozarts bleiches Antlitz, und in der That mußte ihm der Meister sehr leidend erscheinen, denn Schikaneder erschrak und rief unwillkürlich:[175]

»Was ist Ihnen, Mozart? Sie sehen ja heute furchtbar schlecht aus?«

»Bah!« – entgegnete Mozart, sich zu einem matten Lächeln zwingend – »es ist nichts. Ich habe die Nacht hindurch gearbeitet.«

Schikaneder schüttelte den Kopf:

»Ich begreife Sie nicht!« – sagte er dann – »wie Sie selbst Ihre Gesundheit so muthwillig untergraben können. Ach schlafe zwar auch die Nächte wenig; aber ich amüsire mich. Das frischt auf, stärkt, giebt Körper und Geist Elasticität, und wenn man dann bis gegen Morgen ausgeruht hat, ist man wie neu geschaffen!«

»Sie haben gut reden!« – versetzte Mozart trübe – »wenn man, wie Sie, dem Glück in dem Schooße sitzt ....«

»Halt!« – rief hier Schikaneder. – »Es ist nicht alles Gold was glänzt.«

»Unsinn!« – fuhr Mozart fort – »man sagt, Sie seien im Begriff, auf eigene Rechnung ein neues Theater zu bauen, das an Geschmack, Glanz und Pracht alle übrigen Theater Wiens übertreffen soll.«

»Man sagt!« – wiederholte Schikaneder und strich sich etwas theatralisch über die sich jetzt plötzlich umwölkende Stirne – »man sagt in der Welt und im Leben gar viel, was nicht wahr ist! .... Aber wissen Sie, Mozart, was man bald von Schikaneder sagen wird?«

»Nun? er sei Millionär!«

»Nein!« – rief jener so laut, daß Amadeus erschrocken zusammenfuhr, und sprang mit wilder Geberde auf: – »man wird sagen, der arme Schikaneder ist wahnsinnig!«

Und der Director des Leopoldstädter Theaters ging mit wildem Ausdruck in den Zügen und gewaltigen Schritten im Zimmer auf und ab.

Wolfgang sah ihm überrascht nach. Er wußte nicht, sollte er dies sonderbare Wesen des Freundes für Scherz oder Ernst halten? Schikaneder war eben noch ganz heiter und leicht gewesen, wie immer, und jetzt ..... aber ehe Mozart noch ein Wort sagen konnte, blieb der Director vor ihm stehen und sagte mit stieren Augen und wirklich verzerrten Zügen:

»Mozart! ich scherze nicht ... ich bin dem Wahnsinn nahe ..... ich bin ...... wenn Sie mir nicht helfen, wenn Sie mich nicht retten, verlo ren ....«[176]

»Aber lieber ....«

»Sie glauben es noch nicht.«

»Lassen Sie die tollen Streiche. Ich weiß, daß Sie ein famoser Mime sind, – – man könnte, weiß Gott, an Ihren Wahnsinn glauben.«

»Nun denn, so glauben Sie immerhin daran, – denn – wenn ich es jetzt noch nicht bin, so kann ich es bis heute Abend sein.«

»Schikaneder

»Ein Wort wird Sie davon überzeugen.«

»Und dies Wort?«

»Ich bin – bankerott

Aber dies »bankerott« hatte Schikaneder mit einem so entsetzlichen Ausdrucke gesagt – mit einem Ausdrucke, in welchem eine solche Verzweiflung, eine solche tödtliche Vernichtung, ein solcher Schmerz lag, daß Mozart jetzt keinen Augenblick mehr an der vollen Wahrheit des Gesagten zweifeln konnte, und doch kam ihm diese Nachricht so ganz unvermuthet, daß er nur das »bankerott?!« leise und gedehnt wiederholen konnte.

»Ja!« – rief Schikaneder und schlug sich mit der Faust vor die Stirne – »bankerott – weil ein falscher Freund, – ein Freund, für den ich mein Leben gelassen hätte, – ein Freund, der mir an das Herz gewachsen war, – der mein zweites Ich gewesen, – den ich selbst zweimal gerettet – – – weil dieser Freund – – – mich um achtzigtausend Gulden, die ich ihm geliehen, betrogen hat.«

Und Schikaneder warf sich in den Sessel und hielt beide Hände vor das Gesicht.

Mozart stand sprachlos. Er war von dem, was er hörte und sah, noch immer so überrascht, daß er sich selbst kaum finden konnte. Schikaneder bankerott? Es klang ihm immer noch, als wenn ihm Jemand gesagt hätte: Der Stephansthurm steht draußen vor der Thüre! – Schikaneder bankerott? er, der bis jetzt für ungeheuer reich galt, – der ein fürstliches Haus machte, – der Freund und Genosse von Fürsten und Grafen, – der bewunderte Geschäftsmann – der Stolz der ganzen Wiener Welt!!

Und doch, wenn Amadeus den geknickten Mann da vor sich sah, der vor Schmerz und Verzweiflung jetzt vor ihm in dem Sessel lag, sprachlos – hülflos – in Todesangst sich[177] windend; – mit einem Male von der Höhe des Glücks herabgestürzt in den Staub – – vielleicht der Schmach und der Schande preisgegeben – – und zwar preisgegeben durch einen treulosen Freund! – – wenn er das bedachte, bebte sein edles Herz und das tiefste Mitleiden erfüllte ihn.

»Und ist denn Alles verloren?« – frug jetzt Mozart mit bewegter Stimme. – »Sollte es denn gar keine Rettung für Sie mehr geben? Sie haben ja so viele reiche und mächtige Freunde!«

»Ja!« – sagte Schikaneder leise, indem er die Hände von seinem Gesicht langsam hinabgleiten ließ – »es giebt noch ein Mittel der Rettung .... ich habe noch einen Freund, der mir helfen kann; aber auch nur einen einzigen auf Gottes weiter Welt.«

»Und dies Mittel und dieser Freund? ..... darf man sie kennen?«

»Dieser einzige Freund, der mich retten kann, auf den ich meine letzte Hoffnung gebaut habe .... sind Sie

»Ich?!« – rief Mozart überrascht.

»Sie!«

»Das wäre schlimm!« – seufzte Amadeus, der eigenen Verlegenheit flüchtig gedenkend. – »Lieber, guter Schikaneder – – – ich bin im Augenblick so arm wie eine Kirchenmaus.«

»Nein, Mozart, nein!« – versetzte aufspringend und beide Hände auf des Maestros Schultern legend der Director. – »Sie sind unermeßlich reich, und wenn Sie mir, Ihrem alten, treuen Freunde und Verehrer, helfen wollen, so können Sie es. Ziehen aber auch Sie sich feig zurück, wie alle Uebrigen, nun so werde ich morgen nach dem Schuldthurm abgeführt werden – – und diese Schmach überlebe ich nicht!«

Und Schikaneder sank abermals, seine Augen bedeckend, in den Sessel zurück.

Mozart war tief erschüttert, während ihn schon der Gedanke, Schikaneder könne glauben, er wolle sich im Unglück feig von ihm zurückziehen, ihn auf das Höchste peinigte.

»Aber Bester!« – sagte er daher mit milder Stimme, indem er sich auf einen Stuhl dicht neben Schikaneder setzte und – von der innigsten Theilnahme bewegt – dessen Hände ergriff – »auf welche Weise kann ich denn helfen?«

»Auf eine Weise,« – entgegnete dieser – »die Sie nichts kostet, die Ihnen Freude macht, Geld einbringt und unsterblichen Ruhm verschafft!«[178]

»Ich begreife Sie nicht!« – versetzte Mozart.

»So will ich es Ihnen sagen!« – rief Schikaneder.

– »Ich bin gerettet, wenn Sie mir eine Oper schreiben!«

»Eine Oper?«

»Ja! aber freilich, sie muß ganz im Geschmacke des heutigen Wiener Publikums sein. Sie können dabei den Kennern und Ihrem Ruhme immer das Ihrige geben; aber – wenn Sie mich – Ihren alten, treuen, Ihren besten Freund – dadurch retten wollen, so müssen Sie vorzüglich auch für die unteren Klassen, für die gewöhnlichen Menschen aller Stände sorgen.«

»Und das Libretto!«

»Ich will Ihnen für den Text sorgen, die Decorationen schaffen u.s.w., Alles, wie man es jetzt haben will!«

»Aber wie kann Sie eine Oper retten, die noch nicht geschrieben ist?«

»Sobald Sie zusagen, ist sie so gut als geschrieben, und für diesen Fall läßt mir mein Bankier das Kapital, das er sonst zurückfordert.«

»Gut!« – sagte jetzt Mozart in seiner edlen Weise, ohne sich weiter auch nur einen Augenblick zu bedenken, – »ich will's übernehmen!«

Schikaneders Züge strahlten; aber nur einen Moment, dann nahmen sie wieder einen gedrückten Ausdruck an, und mit beklommener Stimme frug er:

»Und was verlangen Sie zum Honorar?«

Mozart lächelte:

»Sie haben ja nichts!«

Schikaneder zuckte die Achseln.

»Nun,« – fuhr Mozart fort – »wir wollen die Sache so machen, damit Ihnen geholfen und mir doch auch nicht aller Nutzen entzogen werde. Ich gebe Ihnen einzig und allein meine Partitur; geben Sie mir dafür, was Sie wollen, aber unter der Bedingung, daß Sie mir dafür stehen, daß die Partitur nicht abgeschrieben werde. Macht die Oper Aufsehen, so verkaufe ich sie dann an andere Directionen, und das soll meine Bezahlung sein!«60[179]

»Mozart!« – rief hier Schikaneder entzückt, indem er dem Maestro um den Hals fiel und ihn zärtlich an sich zog: – »Sie sind der edelste, der beste, der nobelste Mensch, den die Erde trägt. Sie sind ein Bruder« – und hier küßte er ihn und drückte ihm auf Maurer-Weise die Hand – »wie ich noch keinen getroffen!«

»Lassen wir das« – sagte Mozart bescheiden abwehrend. – »Gebe nur Gott, daß Ihnen damit geholfen sei!«

»Es ist mir damit geholfen.«

»Und die Bedingungen?«

»Bei Ehr' und Seligkeit, ich halte sie treu. Verlassen Sie sich auf mich und die Betheurung unverbrüchlichen Einhaltens!«

»Aber« – sagte jetzt Mozart – »Sie haben mir ja noch nicht einmal den Titel der neuen Oper gesagt?«

»Ja!« – rief Schikaneder lachend und jetzt wieder ganz heiter, als ob nicht das Geringste vorgefallen sei – »ich denke, sie wird ›die Zauberflöte‹ heißen. Weiter weiß ich eigentlich noch nichts von ihr. Aber – – ich habe tolle Ideen im Kopf. Es soll so was ganz Neues, noch gar nicht Dagewesenes werden .... so recht für die Massen! Löwen kommen jedenfalls darin vor, auch Tiger, Affen, Schlangen, und dann – – unter uns gesagt – ich werde einiges aus der Freimaurerei dazu stehlen. Ein Gespräch mit Fürst Lichnowsky hat mich auf den Gedanken gebracht. Das wird, durch das Geheimnißvolle, ungeheuer ziehen. Bedenken Sie nur, die heiligen Hallen – Wasser- und Feuerprobe ....«

»Sie werden doch Ihren Schwur nicht brechen und etwas verrathen?«

»Bah« – rief Schikaneder lachend – »wir streifen nur so daran hin, um die Neugierde zu wecken. Priesterchöre, herrliche Priesterchöre giebt es auch – und Zauberei dabei – ich habe sogar eine verflucht pfiffige Idee ... ich werde einen Vogelmenschen hineinbringen.«

»Und die leitende Idee?«

»Ist mir noch unklar. Jedenfalls der Sieg treuer Liebe, unverzagter Tugend. Aber!« – rief jetzt Schikaneder, indem er Hut, Reitpeitsche und Handschuhe nahm, und sein Gesicht strahlte, seine Augen funkelten in der alten Lebenslust – »aber genug davon. In acht Tagen spätestens haben Sie[180] den Text. Und jetzt, Mozart, kommen Sie, wir müssen unsere Übereinkunft mit einem feinen Dejeûner besiegeln.«

»Ich kann nicht!« – sagte Mozart.

»Warum nicht?«

»Meine Unterrichtsstunden.«

»Zum Teufel mit der Schulmeisterei für einen so großen und berühmten Mann!« – rief Schikaneder. – »Lassen Sie die Laffen heute einmal warten. Sie sehen ohnedem gottserbärmlich aus. Kommen Sie, stärken Sie sich. – Mozart! Mozart! – eine neue Oper! – die Welt wird aufjauchzen, wenn sie hört: Mozart schreibt eine neue Oper und Schikaneder liefert das Libretto! –«

»Ich kann, ich darf nicht!«

»Wir müssen die Sache näher besprechen. Lassen Sie heute das dumme Stundengeben, wo es ein neues, großes Kunstwerk vorzubereiten gilt.«

»Ja!« – sagte Mozart jetzt, und seine Augen flammten begeistert auf – »ein Kunstwerk soll es geben. Ich setze mein Leben daran. – Ach es ist mir wie Himmelsbalsam und Erlösung aus langer trüber Nacht, wenn ich denke: wieder eine Oper schreiben zu können! .... Freund! ich lechze nach einer solchen Arbeit, wie der Hirsch nach einer Quelle. O lassen Sie mich nicht lange auf das Buch warten, denn jetzt höre und sehe ich nichts mehr, als die neue Oper!«

Und in Gedanken schon ganz bei dem neuen Werke, vergaß er alles Andere, warf rasch den Schlafrock ab, schlüpfte in seine Kleider und folgte Schikaneder.

Quelle:
Heribert Rau: Mozart. Ein Künstlerleben. Berlin 4[o.J.], S. 172-181.
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