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Salzburg den 25ten Sept: 1777


Meine beyde lieben!


Ich erhielt des lieben Wolfg: schreiben heute vormittag mit größtem Vergnügen; und nun eben laß es auch hl: Bullinger2, der sich empfehlt, und lachte von Herzen. Bin höchst vergnügt wenn ihr wohlauf seid: ich befinde mich, gott Lob, nun viel besser. Nachdem ihr abgereist, gieng ich sehr math über die Stiege, und warf mich auf einen Sessl nieder. Ich habe mir alle Mühe gegeben mich bey unserer Beuhrlaubung zurück zu halten, um unsern Abschied nicht schmerzlicher zu machen, und in diesem daummel vergaß ich meinem Sohn den vätterlichen Seegen zu geben. Ich lief zum fenster und gab ihn solchen euch beyden nach, sahe euch aber nicht beym Thor hinausfahren, und wir mußten glauben, ihr wäret schon vorbey, weil ich vorher lange da saß ohne auf etwas zu denken. Die Nannerl weinte ganz erstaunlich und ich mußte mir alle Mühe geben sie zu trösten. Sie klagte Kopfwehe und grausen im Magen, endlich kam ihr ein Erbrechen und sie spieb dapfer, band ihr den kopf ein, legte sich ins beth und ließ die fenster Läden zu machen, der betrübte Pimps lag zu ihr. Ich gieng in mein Zimmer, bath mein Morgengebeth, legte mich um halbe 9 uhr aufs beth, laß in einem Buch, beruhigte mich und schlummerte ein. Der Hund kam, ich war wache, er zeigte mir, daß ich mit ihm gehen sollte, aus diesem verstund ich, daß es nicht weit von 12 uhr sein müße und er hinab wollte. Ich stand auf, nahm meinen Belz, fand die Nannerl in tiefem schlaf und sahe auf der uhr, daß es halbe 1 uhr war. Da ich mit dem Hund zurückkam, weckte ich die Nannerl, und dann ließ ich das Essen bringen. Die Nannerl hatte gar keinen Appetit; sie ass nichts, legte sich nach Tische ins Bett, und ich bracht, nachdem hl Bullinger weg war, meine zeit mit bethen und lesen auch auf dem Bette zu. Den Abend war die Nannerl gefund [191] und hungerig, wir spielten Biquet, dann assen wir in meinem Zimmer, und machten nach dem Nachtessen noch ein paar spiel, dann giengen wir in gottes nahmen schlafen. So vergieng dieser traurige Tag, den ich in meinem Leben nicht zu erleben glaubte. Am Mittwoche gieng die Nannerl frühe in die Kirche. Nachmittag war schüssen. hl. Bullinger gewann das beste für die Sallerl, er schoß auch für die Mamma und für die Sallerl, die Mamma hat also 11 xr gewonnen, der Wolfg: hat aber 4 xr verloren. Der hl Bullinger und Catherl spielten mit uns bis 6 uhr, und hiemit endigte sich dieser Tag mit dem Rosenkranz den ich täglich für euch bethe. Heute frühe ließ ich hl Glatz von Augssp: zu mir kommen. und wir kamen über eins daß ihr in Augsp: beym Lamb in der heil: Kreuzergasse absteigen sollt, wo ihr Mittags die Person 30 xr bezahlt und schöne Zimmerl sind, auch die ansehnlichsten Leute, Engelländer, Franzosen etc einkehren. von da habt Ihr auch ganz nahe die Kirche zum hl: Kreuz, und mein Bruder Franz Aloisi ist auch in der Nähe, nämlich in der Jesuitengasse. Ihr därft also zu hl: Albert nichts sagen: dann bey den 3 Mohren ist es zu theuer, er fordert erstaunlich für die Zimmer, und iede Mahlzeit kommt die Person auf 45 und auch 48 xr. Solltet Ihr nun nach Augsp: kommen, so müßte der Wolfg: sich gleich zum hl Orgelmacher Stein3 führen lassen. hl Stein, der ihn seit seinem 7ten Jahr nicht mehr gesehen, würde ihn schwerlich mehr kennen. Er könnte ihm sagen er wäre aus Insprugg und hätte Commission Instrumente anzusehen. Mir sagt hl glatz daß Herr Stein, hl Bioley und hl Fingerl im Stande sind ein recht schönes Concert zu veranstalten. den hl: Christoph von Zabursnig, der die schöne deutsche Poesie in Salzb: über Dich gemacht, must Du auch besuchen, er ist ein Kaufmann, und ein gelehrter. In Augsp: kann was schönes und nachdrückliches durch diesen Herrn in die Zeitung kommen. hl: Kaufmann Gasser ist derjenige, der mir, ohne Kosten, meine Bücher nach Frankfort packet, und das gelöste geld mir zurück bringt, Du must ihn also besuchen und sich statt meiner bedanken, es ist eine gefälligkeit die er mir immer erweisen kann. Mein [192] Bruder oder seine Tochter werden Dich wohl zu ihro gnaden den hl Stattpfleger von Langenmantl führen, wo Du meine unterthanigste Empfehlung ablegen kannst. Die Mama weis schon, wie gut wir mit einander bekannt sind. wir sind miteinander nach Salzb: gereiset, wo des hl von Hefners vatter auch dabey war. An den Höfen must Du Dein Kreuz nicht tragen. aber in Augspurg must Du es alle Tage nehmen; da macht es Dir Ansehen und Respect, und so an allen orten, wo kein regierender Herr ist. Wenn Du willst die Kloster zum hl: Kreuz und St: Ulrich besuchen, das kannst da alles thun und ihre Orgeln probieren. hl: Stein wird dich wohl auf seiner Orgl nach den Baarsüssern führen. zu St: Ulrich ist des hl. Hilbers Sohn im kloster. NB in Augsp: hält sich ein gewisser Organist und Componist auf, aus dem sie vieles machen. ich habe den Nahmen vergesßen. die Hölzer wirst Du wohl allzeit, wenn Du wo bleibst, durch den Hausknecht in die Stifl stossen lassen? – –

Der Musikpack kann allzeit vorn im Magaziñ bleiben, nur solltet ihr noch eine grosse Waxleinwat kauffen, und ihn sammt der alten noch einmahl damit recht einschlagen, um ihn recht gut zu versichern.

Ich glaube, daß ich auch erinnern muß, daß die Salzb: halbbatz weiterhin, und auch schon in München nichts mehr nutz seyn werden. ihr werdet keine haben, sonst könnte es euch der Salzb: Conducteur auswechseln. ob die Batz gut sind, weis ich nicht, man muß sich wegen der kleinen Münz bey hl: Albert erkundigen

Ich gedachte heute schon um 9 uhr aus dem bethe zu gehen, allein hl: glatz erwischte mich noch und dann kahme auch der hl: Wachtmeister Cleßin, so daß ich erst um 11 uhr aufstehen konnte. Alle bewundern des Wolfg: Portrait. hl: Cleßin hat geglaubt Du kommst gleich wieder zurücke, und so glaubte es auch hl: von schiedenhofen, der gestern abends von 5 uhr bis 7 uhr bey uns war, auch alle Leute glauben es so. Wenn ihr von München abgehen solltet, ohne es mir benachrichten zu können, so müst ihr einen Zettl auf der Post in München lassen, wo darauf stehet: Wenn Briefe mit folgender adreße anlangen sollten. à Mr. Wolfgang Amadé Mozart [193] Maitre de Musique so ersuche solche nach Augspurg zum Lamb-wirth in der hl: Kr[euz]-gasse, lauffen zu lassen.

Nun ist die Hosen zum Hechtengrauen kleid zurück geblieben. sollte ich keine andere gelegenheit finden, so gieb ich sie nebst der Andrei terin-Musik, einigen Contradänzen, und dem Adagio und Rondeux, die dem Brunetti4 gemacht worden, und wenn mir sonst noch was in die Hände kommt, dem Bothen, der, wenn er euch nicht mehr antreffen sollte, denn er kommt erst glaublich am Montag Mittag an, solches an meinen Bruder nach Augsp: kann gehen lassen Gestern war ein Lermen zwischen dem Haydn5 und Capellmeister. Nach der vesper sollte abermahl das engl: Horn Concert probiert werden, das doch schon einmahl gemacht worden, und Ferlendi6 und Brunetti waren nicht da; Haydn wurde böse, und sagte die Probe wäre ohnhin ohnnöthig, und sie sollte auf die welschen Esel warten. der Rust7 sagte er hätte zu befehlen etc: – Das Ammt hat bis 3 viertl auf 11 uhr gedauert, und ist abermahl ein agnus Dei vom Haydn gemacht worden, weil Rust nicht fertig wurde. Die Sonate war von dem Wolfgang.

Vergesse nicht briefe in München zu suchen. NB. vom Fürst in Chiemsee auch. graf Sensheim könnte Dir nach Würzburg geben, der Bischof ist seines vatters bruder. Ich und die Nannerl empfehlen sich der Mamma und kissen Dich und sie Millionen Male.


addio

Mozart

Fußnoten

1 Dieser wie der folgende Brief sind die Antwort auf Wolfgangs Brief vom 23. September.


2 Der Geistliche Jos. Bullinger, ein intimer Hausfreund der Familie Mozart.


3 Der damals weltbekannte Orgel- und Klavierbauer J.A. Stein (1728–1792).


4 Ein Sologeiger der Salzburger Hofkapelle.


5 Michael Haydn.


6 Oboist der Salzburger Hofkapelle.


7 Der Salzburger Kapellmeister Jakob Ruft.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 194.
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