137. [an Gattin und Sohn][206] 1

Salzb: den 6ten octber 1777


Euer schreiben vom 3ten dieses erhielt ich heute richtig um 3 Viertl auf 10 uhr noch im Bette, weil wir gestern bis halb 1 uhr auf dem Ball waren. Daß Du allein in München leben köntest, hat seine Richtigkeit: allein was würde Dir dieses für eine Ehre machen, wie würde der Erzb: darüber spotten. Das kannst Du aller ort, nicht nur in München. Man muß sich nicht so klein machen und nicht so hinwerfen. dazu ist ganz gewiß noch keine Noth. Die[206] Mamma soll getröst seyn, ich befinde mich viel besser, und heute nachmittag fange ich den Sago zu nehmen an, der schon gemacht ist. Ich bin auf den Ball gegangen um mich zu zerstreuen, und hatte viel, recht viel spass, da mich niemand kannte, und ich die Leute schrecklich seccierte. Ihr werdet nun mit der Hilfe gottes euere Reise fortsetzen und in Augsp: beym Lamb in der heil. Kreuzergasse einkehren, welches mir alle augsp: Kaufleute loben. das übrige habe ich Dir schon geschrieben. fällt Dir noch was ein, das ich Dir schicken sollte, so kann bis Augsp: solches noch geschehen, da es nicht zu weit ist. Wegen dem Bischof in Chiemse muß ich dir sagen, daß er wie ich höre, morgen abends hier seyn wird, folglich wird er heut Montag abends von München abreisen, er soll in Werffen fürmen, und wer weis, ob er so bald wieder hinauf geht, denn der Erzb: sieht ihn nicht gern in München. am Samstage war ich in der Comödie, da nun auch ein franz: Nachspiel war; so muste der Brunetti dazwischen, wegen der Umkleidung, ein Concert spielen, und das war das Deinige mit dem Strassburger; er spielte es recht gut, nur in den beyden Allegro gieng es zu weilen falsch, und ein mahl hätte er sich bald in eine Cadenze verstiegen. Die Zwischen Musiken vom Haydn sind wirkl: schön, unter einem Ackt war ein arioso, mitVariationen, für Violonzell, Flaûte, oboe x: und ohngefehr, da es einer piano Variation vorausgieng, tratt ein Variation mit der Türk: Musik ein welches so gähe und unvermuthet kam, daß alle frauenzimmer erschracken, und ein gelächter entstand. Zwischen den 4ten zum 5ten Ackt war ein Cantabile, wo immer das Engl: Horn dazwischen ein Recitativ hatte, und dann das arioso wieder eintratt, welches sehr mit der vorhergehenden traurigen Scene der Zayre und dem folgenden Ackt über uns kam. Noch muß ich Dir sagen, daß das Orchester Dein Concert unverbesserlich produciert hat. Es soll nun noch ein Oboist als Secundarius von Italien kommen. vom Castraten ist aber alles still. Dem Meissner hat der Obersthofmeister müssen sagen, da er wegen eines Catharrs ein paar mahl nicht gesungen, daß er singen und auch die Kirchdienste fleisig verrichten möchte, sonst wollte er ihn wegjagen. Das ist die Belohnung des grossen Favoriten! Ich Küsse [207] euch beyde Million mahl, ich bin mit ganzem Herzen immer bey euch und euer alter Mann und Vatter

Mozart2


vom Missliwetcek gedenkest Du kein Wort: als wäre er nicht in München. Was werde ich ihm dann auf seinen Brief antworten? er wird vermuthlich erfahren haben, daß Du in München bist. An Mr Albert bitte meine von Herzen ergebenst aufrichtige Empfehlung, ich danke ihm für alles was er euch gutes erwiesen für seinen gütigen Beystand, vorsorge und Bemühung, ich empfehle ihm fernerhin auf das angelegentlichste sich für dein bestes freundschaftlichst anzunehmen. basta! er ist der ehrlichste Mann, und der Menschenfreund, für den ich ihn alleit gehalten, und Hochgeschätzet habe. Was mich zu zeiten betrübt macht, ist, daß ich Dich nicht mehr Clavier, noch violinspielen höre, und so oft ich nach Hause gehe, wandelt mir eine kleine Melankoty zu, dann, wann ich mich unserm Hause nähereglaube ich immer ich müsse dich Violin spielen hörn.

Der Magd der Tresel thut es verflucht kommisch vorkommen, daß die Nannerl in der Küche immer nachsieht, und sie über die unsauberkeit alle Tage ganz erschröcklich herunterbutzt. Sie laßt ihr nicht das mindeste hingehen. und wenn sie eine Lüge sagt. so sagt ihr die Nannerl den Augenblick, daß sie eine Unwahrheit gesagt habe. kurz! die Tresel macht erstaunlich grosße Augen, denn es wird ihr rund alles in bart hinein gesagt; und doch ist sie gleich darauf wieder ganz gelassen.

addio, lebts gesund! nur sorget für euere gesundheit, das wäre sonst das schlimmste, was euch begegnen könnte, und sparet, so gut Ihr könnet, dann reisen kostet geld.3

hl: Lotter wird den Brief überbracht haben? – –

Brunetti empfehlt sich Dir.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom (2. und) 3. Oktober.


2 Folgen Briefzeilen von Salzburger Bekannten.


3 Folgt eine Nachschrift der Tochter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 208.
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