140.

[215] Salzb: d 15 octb: 1777.


Mon trés cher Fils!


Mit dem Brief den ich an meinen bruder einschloß, ist dies der dritte Brief, den ihr von mir in Augsp: erhaltet. Ich sehe vor, daß Du vielleicht vor kommenden Sontag kein Concert wirst geben können; weil man es immer 8 täge vorher bekannt machen muß. Ich muß eine Anmerkung machen, davon du nach den Umständen Gebrauch machen kannst. Wenn Du siehest, daß Du grossen Beyfall hast, und man Dich Hochschätzet, so wünsche ich, daß nach der Hand, wenn Du von Augspurg weg bist, ein besonderer Artickel zu Deinem Lobe in den Augsp: zeitungen erscheinen möchte, welches mein Bruder dem h: Stein, oder h: Glatz ihm vortragen, und h: Stein veranstalten könnte. Du weist schon warum: das würde hier iemand vielle Galle machen. h: Stein und andere Evangelische würden sich eine freude daraus machen. NB. Du wirst wohl wissen, daß man die Lutheraner, Evangelische nennen muß, dann sie wollen nicht lutheraner genannt werden, so sagt man auch eine evangelische Kirche, und nicht lutherische Kirche. wie die Calvinisten Protestanten wollen genannt werden, und nicht Calvinisten. [215] Das fiel mir eben bey Dir zur Nachricht zu sagen, man könnte oft mit einem unruhigen Menschen wegen einem einzigen solchen Wort in Verdriesslichkeiten kommen; obwohl sich vernünftige nicht darüber aufhalten. Nun muß ich auf euere Reise kommen. Was Du wegen der opera in Neapl geschrieben, war eben auch mein Gedanken: nämlich, die Scrittura suchen zu erhalten. – ja ich bin willens abermahl den Michael del Agata anzugehen, wenn die Scrittura in Neapl nicht sollte zu stande komm: dann wenn man eine Scrittura bey Handen hat ist es allzeit gut. Ihr habt euch zu lange in München aufgehalt: und in Augsp: must Du doch ein oder 2Concert geben um doch etwas einzunehmen, es mag wenig oder viel seyn; die schönen Worte, Lobsprüche und Bravißimo zahlen weder Postmeister noch Wirthe, sobald man nichts mehr gewinnen kann, muß man also gleich weitertrachten. Den 4t Novemb: am Fest Sti Caroli ist gemeiniglich eine opera in Mannheim. Nun ist die frage, ob Du wilst antragen bis dahin in Mannheim zu seyn? – – Es ist fast ohnmöglich! Manchmal geht der Fürst Taxis, und der Fürst von Ötting Wallerstein auch nach Mannheim die opera zu sehen. zum glück sind diese beyden Fürsten nicht weit von Augsp: – – ihr müst euch also über die höchste Noth in Augsp: nicht auf halten; ausgenommen ihr seht euern klaren Nutzen; dann die opera die itzt in Mannheim gemacht wird, und zwar nur den Tag St: Caroli, wird als dann im fasching wieder aufgeführt. Wenn Du also beym Fürst Taxis wohl angesehen wärest, so dürftest Du dich eben dessentwegen nicht mit Gewalt losreissen, dann die opera siehest Du dann allezeit noch. Es würde auch nicht daran zu gedenken seyn itzt vorher von Wallerstein nach Würzburg zu gehen, wenn Du den 4 Novemb: in Mannheim seyn wolltest, sondern ihr müstet von Wallerstein schnurgerade nach Mannheim eylen, welches ein zimmlicher Weeg ist; es wird so etwa 20 Meil weegs seyn, das wäre also 2 tagreisen. Die Mamma wird es in der Post Carten finden; es kommt viel darauf an ob der Weeg gut ist, und ob er viele Umweege macht. Von Wallerstein werden nur 15 Meilen nach Würzburg seyn, und von Würzburg auch [216] 15 Meilen nach Mannheim. itzt sind die Täge schon Kurz; ihr müsßt allezeit trachten, morgens bey Zeiten abzureisen um nicht in die Nacht hineinreisen zu därfen. Dieses könnt ihr bey guten freunden umständlicher erfahren, sonderheitlich glaube bey h: Postverwalterwo meines bruders Tochter sehr wohl bekannt ist, und wo Du vielleicht an den Fürst Taxischen Hof briefe erhalten kannst. Gegen fremde, diein eurem Wirthshaus wohnen müst ihr wegen eurer Reise nicht zu aufrichtig seyn, denn es giebt viele Avanturieurs und spitzbuben. Vergesse ja nicht den Fürst Taxis und Fürst Ötting Wallerstein um Empfehlungsschreiben nach Mannheim zu bitten. Ich konnte bey eurer Abreise 1000 nothwendige Sachen nicht mit Dir reden, weil ich krank, verwirrt, verdrüsslich, niedergeschlagen, und sehr betrübt war; weil mir überdas das Reden auf der brust sehr wehe that, und ich wegen dem Einpacken, und in der frühe wegen dem Aufpacken vieles zu denken und anzuordnen hatte. Ich würde Dir sonst gesagt haben, daß Du gleich bey Deiner Ankunft in München um einen Copisten schauen solltest, und so an allen orten, wo Du eine Zeit lang Dich aufhaltest. Dann Du must trachten auch mit der Composition etwas zu machen, und das geschieht, wenn man einige Sinfonien und Divertimenti abcopirter in bereitschaft hat, solche einem Fürsten, oder andern Liebhaber präsentiren zu können. Die Copiatur muß also veranstaltet werden, daß der Copist wenigst das violino primo oder eine andere Hauptstimme im Hauß bey dir schreibt; das übrige kann man ihm alsdann nach hause geben. Nun solltest Du absolute für den Fürst Taxis etwas bereit haben. Du kannst also geschwind die oboe, Horn, und die Viola stimmen von 6 guten Sinfonien einem oder (damit es geschwinder gehet) mehrern Copisten zum schreiben geben: so kannst Du dann die Sinf: von der Hofschrift dem Fürsten überreichen, und es bleiben Dir noch von der Hofschrift die duplierten Violin und Baß zu einer andern solchen Gelegenheitetwa nach Würzburg, und därfen nur die oboe, Corni und viola dazu kommen. Die Divertimenti sind geschwind Copiert: zwar die Deinigen haben viel stimmen, und sind lang. Basta! Du [217] must Dir aller Ort geschwind um einen Copisten schauen, sonst verlierst Du viel! was nützt Dich sonst alle die Musik die Du mit Dir hast? – – Du kannst nicht abwarten, bis sie ein Liebhaber Copieren läsßt: und dann bedankt er sich dafür, das ist Alles. allzeit aus der Spartitur abschreiben lassen ist zu mühesam und werden 1000 fehler einschleichen, dann müste man den Copisten immer im Hause haben. zur abschreibung der Hauptstimme kann er ein paar vormittag kommen, wo ihr ohnedas zu Hause seyd, und das übrig zu Hause schreiben. Das ist einmal nothwendig. zum Beyspiele, könntest Du dem h: v Obladen in Augsp: gleich etwas geben, er müste Dir doch ein Regal dafür machen. Er hat Synfon: von Dir, die ihm h: Ranstel geschickt; aber sie werden solche gewiß niemals niemals gut producieret haben. Nun liegt Dir aber immer mehr daran etwas für den Fürst Taxis zu haben. – – und wäre das oboe-Concert herausgeschrieben, so würde es Dir in Wallerstein, wegen dem Perw ein etwas eintragen. Der h: Reichs Prelat in Kaysersheim würde Dich für Musik auch gut beschenk: dort habt ihr den Vortheil, der nicht klein ist, daß ihr für kost und Trank x: nichts zahlen därft, dann die Wirths Conto reissen auch in den Beutl. Nun hast Du mich verstanden. Diese sind jene Anstalten die die allernothwendigsten sind; welche das Interesse betreff: alle übrigen Complimente und visiten x: sind nur Nebendinge, wenns leicht seyn kann, ohne die Hauptsache, die was einträgt, zu versäumen. Aufs Geld einnehmen muß alle Bemühung gehen, und aller Bedacht aufs wenig ausgeben, so viel es möglich ist; sonst kann man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar sitzen, und setzt sich in schulden. – – Man findet ia doch endlich aller Ort Copisten. Man muß sich vorher eine schrift von ihm zeigen lassen, und auch das Papier ansehen, damit es doch wenigst mit dem andern Papier ein wenig gleichkommt: kurz! man muß auf alles bedacht seyn! Damit kein Haupt-fehler herauskommt, und das geschieht, wann man den Kopf recht zwischen den Ohren hat – – Nun fällt mir was anders ein. Du hast das grosse Lateinische Gebettbuch bey Dir, das Dir sehr nützlich ist, nicht nur weil alle Psalmen[218] und andere Kirchentext dariñ sind, – – das deutsche der Psalmen hat die Mamma in ihrem grossen Officio – – sondern es ist Dir auch dienlich zur übung in der lateinischen Sprache, wenn Du zur Abwechselung zu zeiten morgen und abend Gebetter daraus bettest, die Gebetter sind leicht zu verstehen, es sind auch Beicht und Communiongebetter x: darinn.

Wenn ihr zu wenig schnupfdücher habt, so ist vielleicht Augsp: der beste Ort, ein halb Duzet oder ein Dutzet zu kaufen, aber keine blauen, die die farb lassen, oder die Nase auffressen. auch wird in Augsp: die Leinwand noch am wohlseilßten und beßten seyn Dir noch zwey oder wenigstens eine Un terh ose machen zu lassen. die Spartituren, die noch nicht eingebunden sind, wird dir mein Bruder geschwind einbinden. du must aber sagen, daß sie nicht müssen beschnitten werden. Er darf nur die anderen sehen. In Augsp: wird mein Bruder oder seine Tochter oder frau (denen mich allen Empfehle) schon einpacken helfen. – – h: Baron Dürnitz war gewis in München? – – – – Dies geld hättest du wohl auch gut zur Reise brauchen können. Wie viel habt ihr bey Herrn Albert bezahlen müssen? – – –

Die Praeludia für die Nannerl sind unvergleichlich! sie Küsset Dich millionmahl dafür; sie spielt solche auch schon recht gut. Mit der nächsten Post werde nach Venedig schreiben und sehen, ob du nicht die opera für die Ascensa bekommen kannst. Missliwetcek hat mir mit der größten freude Nachricht gegeben, daß er, wider sein verhoffen, das vergnügen gehabt Dich und auch die Mamma zu sehen, la quale, schreibt er, è veramente una Signora di garbo degna del Sgr Mozart. er gab mir Nachricht, daß er dem Erzb: 12 Sinf: und 6 Quintetten Con oboe obligato itzt eingeschickt, und bittet mich wegen der production besorgt zu seyn, und auch dahin zu sehen, daß der Erzb: wegen der vorigen und itziger Musik sich seiner erinnern möchte: producir di ramentar all' Principe la Musica vecchia, e moderna, che gli mando, per interesse mio. sono viaggiatore etc: er schreibt auch am Ende: alla Sgra Figlia manderò delle Suonate per Cembalo. Ich will nun sehen wie es mit der anzuhoffenden [219] Scrittura von Neapl ablaufen wird, und unterdessen die Scrittura für die Ascensa suchen Dann ist es zeit auf das weitere zu denken, wenn Du nur trachtest Dich unterdessen fortzubringen: und solltest Du in Mannheim oder ander Orts gut ankommen können, so hindert dieses gar nichts eine Reise nach Italien, wo nicht gleich, doch in kürze machen zu können, da ieder grosser Herr, der die Musik wahrhaft liebt, sich eine Ehre daraus macht, wenn iemand der in seinen Dienst stehet, sich Ruhm erwierbt. Den nächsten Brief den ich schreibe, werde Franco unter der adresse meines Bruders nach Augsp: schicken. Er wird, solltet ihr weg seyn, euren weeg wissen und nachschicken, doch glaube, er wird euch noch in Augsp: antreffen. Nach meiner Meinung solltest Du Dich wegen der opera in Mannheim nichts bekümmern, da Du es im fasching sehen kannst; aber den Fürst Taxis must Du auf seinen Gütern nicht versäumen: und da must Du Dich nach den Umständen alsdann richten. Wie Du die Sache in Manheim anzufangen hast, werde Dir ein andersmahl schreiben. Die schuster. Duetto haben wir noch nicht gesehen, vielleicht kommen sie mit dem heutigen Postwagen. wir befinden uns, Gott Lob, gesund, und ich würde noch gesünder seyn, wenn ich einer der sorglosen vätter wäre, der in 3 Wochen Weib und Kind vergessen kann. Das könnte ich in 100 Jahren, ia so lange ich lebe nicht. ich und die Nannerl Kissen euch millionmahl und ich bin lebendig und todt der alte redliche Mann und Vatter

Mozart.


Es bleiben mir manche Sachen unbeantwortet, und ihr werdet beobachten, daß ich euch auf alles antworte. warum? – – weil ich, wenn ich das nötigste geschrieben habe, dann euer schreiben vor mir hinlege, – durchlese, und, so oft etwas kommt, solches beantworte. ferner – liegt immer ein Stück Papier auf meinem Tisch; so oft mir was beyfällt, das ich Euch zu schreiben hätte, so notiere es mit einem paar Worte. kommt es alsdann zum Briefschreiben, so kann ich nichts vergessen.

Hier schicke Dir einen ziemlich grossen Brief mit Musik. Ich konnte es nicht über mein Herz bringen diese Sachen Dir nicht zu schicken. [220] Man kommt in gelegenheit derley Sachen zu machen, und dieß sind doch immer gute Muster.

Des geweßten Leib Cammerdr Adams Frau ist gestern begraben worden. Der Erzb: ist noch in Lauffen.

Des h: Ranftl Sohn P: Rupert ist hier, und wird morgen zu mir kommen. Der Churf: war am Sontag den 12t zu mittage in Seeon, hat ihnen aber keine unkösten gemacht, sondern alles mitgebracht, weil er weis, daß sie nicht reich sind. Alles empfehlt sich. Die Hagenauerischen (gestern war ein starker tereselgratulationstag) die frl: Sallerl, gr. Arco, Bullinger, der getreue, der uns gestern um halbe 7 uhr nachts, da ich und die Nannerl beym gewöhnl: Clavier Exercitio war zwischen 2 liechtern, besuchte. die frl. Mitzerl. Hr: Ferlendi und Ferrari. Me Gerlichs, h: Hof Rath v Mölk, der nicht einmahl gewust, daß die Mamma fort ist, und die tresel, bey der es im kopf allweil ein Ding ist, ausgenommen, daß sie itzt statt in der Kuchl zu sitzen auf die nacht spinnen muß, und letzten freytag alles hat thun müssen, was sie sonst in 2 Tägen gethan, und doch dabey wohl auf und bessers humors als sonst ist, alle – alle, und Leute, die mir nicht alle einfallen, empfehlen sich. addio!

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 215-221.
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