139.[210] 1

Salzburg den 12 octob: 1777


Mon très cher Fils!


Ich Hoffe die Mamma und Du werden sich beyde recht wohl befinden und meinen Brief, den ich an meinen bruder Franz Aloysi eingeschlossen, [210] richtig erhalten haben. Wir befinden uns beyde gott lob gesund. Der Sago thut mir sehr wohl anschlagen, und ich hoffe es wird immer besser werden, wir gehen, da das Wetter gut ist, bey Zeiten, mit unserm getreuen Pimperl täglich spazieren, welcher recht lustig und nur alsdann sehr traurig und recht sichtbarlich in der grösten Beängstigung ist, wenn wir beyde nicht zu Hause sind, denn da glaubt er, weil er euch verloren, er werde nun uns auch verlieren: so daß, als wir auf den Ball gegangen, er von der Mizerl nicht mehr weg wollte, weil er uns in der Maske gesehen; und da wir zurück gekommen, war er so voll der Freude, daß ich geglaubt er werde ersticken. Er ist auch, da wir aus waren, nicht im Zimmer auf seinem Bette geblieben, sondern beym Mensch bey der thür auf dem boden liegen blieben, und hat nicht geschlaffen, sondern immer gestehnt, ob wir nicht wieder kommen. Eben itzt kommt die Nannerl von der gratulation bey der Obersthofmeisterin, die ihr aufgetragen euch ihr Compliment zu vermelden, wie auch die Obersthofmeister und Oberststallmeister. Heut nachmittag wird hl: B ullinger das beste geben. Bey hl: v: schiedenhofen muß alles in vollen flammen seyn, denn es heist, er hätte bereits um den Hayrats Consens eingegeben; das ist richtig, daß, als er sich erkläret, daß er so lange nicht warten könnte, die Eltern sich entschlossen haben sie ihm zu geben. wie sie aber wegen dem Hayralgul auseinander gekommen, weis man noch nicht.

Hier ist ein geschwätz entstanden unter den Leuten, Du hättest vom Churfürsten ein so grosses Regal bekommen, daß Du auf ein ganzes Jahr zur Reise genug hättest, und daß der Churf: bey der ersten Vaccatur Dich in seine Dienste nehmen werde. Nun ist es mir lieber die Leute sagen etwas gutes und vortheilhaftes, als etwas schlimmes, und zwar wegen dem Erzbischof! Ich vermuthe die Leute des Fürsten in Chiemsee werden, dem Erzbis: zum trotz solche sachen aussprengen. Ich wünschte das Wetter blieb immer so schön, als es izt ist, wegen euerer Reise.

Den 13. octob: Wir haben Dein schreiben (nicht aus Augsp: wie wir hoften), sondern abermahl aus München erhalten, wo es [211] heist: daß ihr den 11ten, das wäre Samstags nach Augsp: gehen werdet: und aus verstos habt Ihr beyde den Brief vom 11ten datirt, das wird heissen sollen den 10ten abends x: um des Himmels willen, wenn ihr in München so lange geblieben, wo doch gar kein kreuzer Einnahme zu hoffen, und zwar fast 3 Wochen, dann werdet ihr weit kommen. Daß der Fürst Taxis in Dischingen und nicht in Regenspurg ist, das ist was altes: allein ihr müst euch in Augsp: bey der Post-Direction, wo meines Bruders Tochter sehr wohl bekannt ist, erkundigen, wie lang der Fürst in Dischingen verbleibt, dann bis nach Regenspurg wäre wieder ein starker abweeg. vermuthlich wird er bald nach aller Heiligen wieder nach Regensp: gehen. Ihr müst euch wegen eueres Aufenthalts in Augsp: darnach richten. ohnweit Dischingen ist gleich bey Donauwerth das berühmte Reichskloster Kaysersheim, wo der hl: Reichs Prelat, wie ich höre ein grosser Liebhaber von Virtuosen ist, und wo man euch alle Ehre erweisen wird, Man muß sich aber immer Ehre geben und sich ein bischen kostbar machen, in Augsp: wirst du alles dieses erfahren, und hl: Stein wird dir viel Anleitung geben und dir auch Briefe an verschiedene Ort verschaffen können. Ich weis nicht ob du besser vorher nach Wallerstein oder nach Kaysersheim gehen kannst: das versteht sich, nach dem du beym Fürst Taxis gewesen. Kaysersheim liegt rechter hand, und Wallerstein Linkerhand, folglich glaube vorher nach Kaysersheim, dann soll dich der hl: Prelat mit seinen Pferden nach Wallerstein führen lassen. Der Fürst von Oetting Wallerstein wird vielleicht auf seinem schloß Hohenaltheim seyn. welches gleich bey wallerstein liegt. das kannst Du alles in Augspurg, und dann in Dischingen erfahren. Du wirst Dich erinnern, daß Dich der Fürst ein junger schöner Herr in Neapel eingeladen, daß Du ihn besuchen möchtest; das kann auch die Ursache seyn, daß Du ihm aufwartest. Nun war vormals in Anspach bey dem Margrafen, dann in Mergentheim oder Mergentha ll bey SrExl: dem Land Commandeur etwas zu thun, und dies wäre mit einem kleinen abweeg von Anspach nach Mergentheim der Weeg nach Würzburg. Ob aber diese ort noch gut sind, wirst Du aller [212] Orten leicht erfahren; doch darf man eben nicht iedem Esel glauben: denn, wenn manche da und dort nicht viel geacht werden, und desswegen unzufrieden sind, so werden grosse Virtuosen ganz anderst angesehen. Wenn an solchen Ort die ganze Musik NB ich sage die ganze Musik abgedankt worden; dann ist es freilich ein Zeichen, daß kein geld mehr da ist: und wenn kein accompagnement mehr da ist, – kann man sich freilich nicht mehr producieren. Von Würzb: gieng der Weeg über Heidlberg nach Manheim. Dann ist Darmstatt, Frankfort, Maynz und Coblenz. Weil es mir eben einfalt, so muß Dir erinnern (dann Du giebst auf solche sachen wenig acht) daß der Pabst, von dem Du den Orden hast der berühmte und grosse Pabst Ganganelli, Clemens der 14te war. Zu Kaysersheim must Du Dein Kreuz tragen. Was Du wegen der opera in Neapl schreibst, war alles ohnehin längst mein gedanken. hat Dir hl: Misliw: auch dieaddreße an den Don Santoro gegeben? Du magst nun den Brief von Augspurg aus wegschicken, oder mir einschlüssen, das ist alles eins, wenn er nur gut und deutlich geschrieben ist. hast Du die addreße nicht, so must Du mir den Brief schicken, ich werde mitMisliwt: Correspondieren, und alles in Gang bringen, dann an der addreße ist alles gelegen. Wie, oder was hätte ich dem Misliw: unterdessen schreiben können, da ich nicht wuste ob Du bey ihm warest oder nicht? Ich konnte auch Dir meine Meinung über die ganze Sache nicht schreiben, weil ich nicht wuste, was unter dieser Sache stecken möchte, weil ich sicher glauben muste, daß Missl: weis das Du in München bist: dann ihr waret schon den 22ten in München, und er schrieb mir erst den 28ten. Was die ganze Historie seiner Krankheit betrift, werde mich ein andersmahl umständlicher erkleren. Er ist halt freylich zu bedauern! Dein schrecken, Dein Angst x: da Du ihn sahst ist mir mehr als zu begreiflich, es würde mir eben so seyn, Du kennst mein Herz!

Die Mamma schreibt wegen der freul: Tochter des Kriegs Secretaire von Hamm. Nun möchte es leicht seyn, daß er mir zuschrieb: ich würde dann in der grösten verlegenheit seyn. Erstlich wist ihr, daß wir sehr sparsamm leben: und diese Leute sind gewohnt gut zu fressen. Doch dieß ist [213] nicht die Hauptsache. Die Mamma und Du schreiben, daß sie sehr einfältig erzogen ist, folglich vermuthe, daß sie auch wenig Talente zur Musick haben wird. wäre dieses, so kann ich mir keine Ehre machen. wegen der schlechten position der Hände hat es nichts zu sagen, da läßt sich helfen; wenns aber an den ohren fehlt, und folglich keintempo zu hoffen, dann muß ich mir die Ehre gehors: verbitten. Du hättest also über diesen Punckt eine kleine Probe mit ihr machen sollen: und diese ist bald gemacht. man darf nur ein paar leichte Täcte vorspielen, und sehen ob sie es à tempo nachspielen können. – ob ihnen, wenn sie einmal die Notten der 2 Täckte wissen auch das Tempo treffen. schreibe mir also mit nächster Post, ob sie ein gehör hat oder nicht? – – sonst kann ich mich nicht entschliessen. hl: Freisinger hat mit mir studiert, das hat seine Richtigkeit, daß er mich aber zu Kloster Wessobrunn so vortrefflich die Orgl hat spielen hören, das habe ich nicht gewust. so kann doch nichts geheim bleiben: Du weist wie oft ich Dir gesagt habe: nicht ist so klein gesponnen; es kommt noch an die Sonnen. Ob ich den Hof-Rath Öfele könne? – – Das glaube! ich hab als Discantist im Kloster St: Ulrich in Augsp: unter der Messe eineCantate gesungen, als er mit der schönen Lepin einer Kaufmannstochter, die schön sang und Clavier spielte, und mit der er über 30000 fl. erheyrathet, in der Capelle des Prelaten vom hl. Prelaten selbst zusamm gegeben wurde. Ich sahe ihn dann nach der Hand ia auch öfter in München als er schon Hofrath war. Sic transit gloria mundi! alles versoffen vor dem End, macht ein richtigs testament! Die übertriebene Musickliebhaberey hat getreulich dazu geholfen.

Daß der lieben Mamma das einpacken beschwerlich fällt, will von Herzen gern glauben! o wie gern wollte ich es statt ihrer thun, und sie gänzlich überheben. Ich kisse sie viel 1000000 mahl und wünsche ihr gesundheit und gedult. Meine gedult ist schwerer! Die Nannerl bedankt sich für die Präambula. gestern hat die Catherl das beste und ich das 2te gewonnen. die schidenh: Louis und Kronach Nannerl war auch da, über 8 täge wollen beyde auch mit schüssen. wir sind dann mit einand bis halbe 6 uhr spazieren gegangen, und dann [214] haben wir bis 8 uhr geschmirbt, um 8 uhr gegessen, um 3 viertl auf 9 uhr mit den 2 freul nach Haus und dann zum Hagenauerum halbe 11 uhr nach Hauß und schlaffen gegangen. Heut ist die Hochzeit vom Pergerbreu auf dem Rathshause. Die ganze schützen Compag: Hagenauer: schiedenhof: x: Mitzerl und ganz Salzb: empf: sich wir Kissen euch beyde von grund des Herzen, und bin

Mozart


Ob wir die Duetto vom schuster erhalten? – – gar nichts! hättst Du nicht dazu setzen können, die ich durch Peter oder Paul geschickt habe. wo sollen wir itzt nachfragen? wer soll sie uns nun einhändigen? – – zu zeiten fehlts halt noch am Ellnbogen!2

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 10./11. Oktober.


2 Folgen Briefzeilen von Salzburger Bekannten.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 215.
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