144.[231] 1

Salzburg d 29 octob: 1777


Mon trés cher Fils!


Bis anhero habe ich euch mit ieder Post richtig geschrieben, und obwohl in der Mamma Briefe unter dem 23ten lese, daß es ihr bange wäre, weil sie noch diese Wochen keinen Brief erhalten; so hoffe und aus dem was Du wegen dem Langenmant: Buben geschrieben, Bemerke, daß mein Brief, den ich den 20t von Salzburg weggeschickt habe euch zu Handen gekommen ist. Mit einem Worte: ich habe 3 Briefe an meinen Bruder eingeschlossen: und dieser ist der 4te. – Nun hoffe ihr werdet mir von iedem Ort, wo ihr anlangt, schreiben, und wenn ihr abreiset, mir, wenn es möglich, Nachricht geben: ist es nicht möglich, so müst ihr auf der Post den Ort durch ein Billet angezeigt zurück lassen; dann wird kein Brief verlohren gehen, sonderheitlich, wenn ihr an iedem Ort eueres Aufenthalts fleisig also gleich auf der Post nachfragt, und eure addresse und Nahmen auf einem Billet hingebt. Und diese Vorsorge ist höchst nothwendig; ja man muß so gar bedacht seyn solches selbst zu thun, dann wir haben hundert Beyspiele von Lehen-bedien ten und Hausknechten, die manchen angekommenen Brief unterschlagen und eröffnet, in Hofnung einenCredit, oder wechsel darinn zu finden: und wie viele Briefe, die zur Post hätten getragen werden sollen, sind zurück behalten worden, um die 6 xr, womit der Brief hätte sollen bezahlt werden, in Sack schieben und stehlen zu können. dieses letztere ist eine ganz gemeine Sache. Gott sey Dank gesagt, daß das Concert in Augsp: so gut abgelaufen: ich wünsche sehr, ja, ich darf sagen, ganz Salzb: wünschet etwas schönes hievon morgen in den zeitungen zu lesen, Du weist schon warum. Es war die ganze Statt schon voll Vergnügen, da sie die schöne Ankündigung lasen: und die Donnerstags- und Freytags zeitung nach dem Concert-Tage, die hier am Sontage ankahm, war ieder begierig zu lesen, und glaubte es müste schon wieder etwas darinn seyn, welches doch nicht möglich [232] war. Nur fand man im Mittwochblat unten angezeigt, daß der Anfang um 6 uhr seyn wird. – – Daß der h: Dechant beym hl: Kreutz ein lustiger Mann ist, darfst Du mir nicht sagen. Er hätte Dir sollen seine kleinen Gallanterie Stückchen, die er, vor 18 oder 19 Jahrn, bey h: Lotter hat fürs Clavier trucken lassen, vorlegen; da hättest Du zugleich den Author ausstudiren können, denn er war so ein schlauer Vocativus, daß er Authore Reschnezgi darauf drucken ließ. ich fand sie beym Lotter im Markt, kaufte sie, und trug solche zum seel: h: Eberlin2. Da sie nun alle auf nichts wenigers als auf ihren h: Vetter Zeschinger dachten, so war es eine der angenehmsten Scenen für mich zu sehen und zu hören, wie die ohnehin alles Kritisierende Fr: Meissnerin, als die eingebildete grosse Clavieristin, hin und her probierte, nichts traf, obwohls wahre Kinderstückl warn, und doch alles belachte, die damalige Jungfr: franzl, und h: Meissner ihr Gespött trieben, h: Eberlin selbst nur höhnisch schmutzte, und ich hingegen das Dinge immer hoch anprieste, und ohne Ende lobte. Da hättest Du aber die spannlangen gesichter sehen sollen, als ich ihnen, nachdem ihr gespött aufs höchste gekommen, den Nahmen des Authors entziffert hatte. Da war anfangs altum Silentium! Dann sagte der seel: h: Eberlin, er ist ein Narr so etwas drucken zu lassen. Dieser spaß hatte gerathen! – –

Was des h: Stein Töchterl betrifft, bin ich froh, daß h: Stein zu sich selbst kommt, und überhaupts alle die für die grimassen schneiderey eingenohmen sind. Das ich auf des Herrn Stein Töchterl wegen dem ersten Clavier gerathen, war, weil Du eine Meldung von ihr machtest, ohne etwas ausführliches zu schreiben, ich glaubte also, sie spielte etwa sehr gut. gieb Dir Mühe durch gelegenheit, doch ohne das es bemerkt wird, zu erfahren wer der ulrrln blckl vmttlr wmr: lr fot fn wmeerolfn, sdlr fn dlrolebln glglnd glbsurln, ich habe gehört sein Vmttlr wmr Ocuhealfotlr, sdlr srgmnft ferner berichte mir genauest, wfl ofcu blekl glgln dfcu mhiiüurlt3 Den 30. octb. Diesen Augenblick [233] um halbe 12 uhr mittags erhalte 4 Briefe. einen vom Jungf: Bäsle, einen vom h: Stein, einen vom h: von Hamm, und dann den 4t vom Misliwetcek. Das bäsle ist betrübt über Deine Abreise, dann um die Mamma wird die betrübniß nicht so erstaunlich seyn: und wider das Pfaffenschnitztprotestiert sie Solemniter. h: Steins Brief ist voll der erstaunlichsten Lobsprüch, er behauptet, daß ich Dich selbst niemals so spielen gehört, als Du bey der Accademie gespielt; gieb mir auch Nachricht, daß ich das mehrere in den Zeitungen finden werde; daß ihr am Sontag abgereist und zwischen Dir und dem Igf: Bäsle ein sehr trauriger und betrübter Abschied war. h: von Hamm schreibt mir aus München, daß er mir seine Tochter auf das frühejahr schicken möchte. h: Misliwet: schickt mir für die Nannerl 6 Clavierstückl und der Brief ist in Forma ostensiva eine höfliche und recht bundige Erinnerung wegen der dem Erzb: geschickten vorigen und itzigen musikalien. Diesen Brief trage und übergieb ihn der Gräfin4. Ich hatte diese Art dem Misliw: angerathen. Nimmt ihn die gräfin nicht an, so trage ich ihn zum Obersthofmeister: und sie weis es wenigst.NB noch habe mit ihr kein Wort gesprochen, so lange sie hier ist. Ich wünsche daß er viel bekommt: Der brief ist deutlich genug eingerichtet; er setzet hinein, daß ihm die Copiatur und der Einband dieser und der vorigen Musikalien bey 10 Duccatten gekostet x:

Nun eben erhalte die zeitungen, in welchen ein unvergleichlicher Artikl wegen Deinem Concert eingerückt ist. mehr konnte man in der That nicht sagen! ich würde es abgeschrieben und Dir geschickt haben, wenn ich Zeit hätte, und dann auch nicht Hoffnung hätte, daß Du es ohnehin zu lesen gelegenheit haben wirst. Es ist in den Maschenbaurischen zeitungen Nr: 213. – Ich bemerke aus Deinem schreiben, daß ihr von Wallerstein schnurgerade nach Manheim gehen werdet; h: Stein schreibt auch dergleichen. Ich muß also vermuthen, daß der Fürst Taxis schon nach Regenspurg ist, an dessen[234] Musik-Director Du doch einen Brief hattest, weil Du von Dischingen gar keine Meldung mehr machest. gut! ihr habt nun durch den langen Aufenthalt in München und Augsburg über 100 fl. verzehrt. wäre der Aufenthalt in München kürzer gewesen, so würdet ihr nun überschuß und profit haben – – Doch das läst sich noch verschmerzen, weil in München doch etwas in Bewegung gebracht worden: obwohl das meiste nur theils Maulmacherey, theils aber guter Wille ohne hinlängliche Kräfte ist. und Augsp: hat euch doch den schaden wieder einigermassen ersetzet. Nun müst ihr wohl auf euerer Hute seyn: Manheim ist abermahl ein gefährlicher Platz zum Geld verzehrn, wo alles theuer ist; wo man etwa zu thun hat bis man die Gnade haben kann sich hören zu lassen; wo man alsdann lange aufs Present warten kann, und am Ende höchstens 10 Carolin, das ist 100 fl. bekommt, die man bereits verzehrt hat. Der Hof ist mit Leuten übersetzt, die die fremden, wie es aller Orten geschieht, mit neidischen Augen ansehen, und wo dem geschicktesten Menschen auch die grösten Prügl unter die Füsse geworfen werden. Hier ist Hauswirtschaft nötig: und könnte euch h: Danner oder ein anderer freund aus dem Wirtshause in eine privatwohnung bringen, so würdet ihr das halbe geld erspahren. Du must es bedächtlich anstellen, ob Du dem Churf: Deine Dienste antragen, das ist: ordentlich Dienste suchen solltest; und ich glaubte immer Nein! dann man erhält nur schlechte besoldungs propositionen. Wenn man es aber dahin bringen kann, daß der Churf: Deine Wissenschaft untersuchet, und niemand von der Musik fürchtet, daß Du Dienst suchest, und etwa einem oder dem andern über den Kopf hinauswachsen möchtest, dann könnte unter der Hand eher etwas durchgetrieben werden, und solches müstest Du mit dem Churf: allein sprechen können, und klar sagen, daß Du gerade an ihn gepast, weil Dir nicht unbekannt, daß auf anderen Weegen dem regierenden Herrn die Sachen oft in einem verhaßten Liecht vorgestellt, und sonderheitl: junge Talente aufs äuserste verfolgt werden x: Nun muß ich schlüssen. gott erhalte euch gesund, wir Kissen euch beyde von Herzen. Kisse Du die Mamma an statt unser. sorget für [235] euere gesundheit! Wir befinden uns wohl. Lasst uns nicht ohne briefe. Die Mamma könnte doch wohl auch, wenn Du nicht kannst, von eurer Ankunft an einem Ort, oder dergleichen auf der Reise sich ergebende sachen schreiben, da Du umzulaufen hast. h:Deibl5 Mizerl, Hagenauer: – ganz Salzb: hat Dir gratuliert, und alles empf: sich euch beyden, ich und die Nannerl sind lebendig und todt die alten getreuen verlassenen. – Weisen, Strohwittwer und alles was traurig ist –

Mozart.


h: B: schafmann und der gewisse Repetitor Dehl, der bey der Fr. v. Moser zu Anif war, oft in der HauptCommoedie agiert hat, mit dem graf Sigerl Lodron repetiert hat, haben vom Erzb: 1000 fl. bekommen, um auf Wetzlar zu reisen. Sie gedachten noch zur opera nach Mannheim zu kommen; sie sind aber noch nicht fort, werden dieser Täge abreisen, Du wirst sie vielleicht ungefehr wo antreffen. addio.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Briefe vom 23. und 25. Oktober (83, 84).


2 Ernst Eberlin (1716–1762), Salzburger Hofkapellmeister.


3 Auflösung der Chiffren: herren becke [Ignatz von Beecké, 1733–1803, der Wallersteiner Klavierspieler und Komponist) vatter war: er ist in wallrstein, oder in derselben gegend gebohren, ich habe gehört sein Vatter war Schulmeister, oder organist ferner berichte mir genauest, wie sich becke gegen dich aufführet.


4 Gräfin Lodron.


5 Der Salzburger Hofmusiker Franz Deibl.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 236.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

Ein alternder Fürst besucht einen befreundeten Grafen und stellt ihm seinen bis dahin verheimlichten 17-jährigen Sohn vor. Die Mutter ist Komtesse Mizzi, die Tochter des Grafen. Ironisch distanziert beschreibt Schnitzlers Komödie die Geheimnisse, die in dieser Oberschichtengesellschaft jeder vor jedem hat.

34 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon