145.

[236] Salzb: d 1 Novemb: 1777.


Mon très cher fils!


Diesen augenblick komm iche aus dem Amt vom Domb, es wurde die Hautb: Meß vom Haydn1 gemacht, er Tacktierte sie selbst. Es war auch das offertorium, und an statt der Sonaten die Worte des graduals, so der Priester bethet, ebenso dazu Componiert. gestern wurde es nach der Vesper probiert. Der Fürst hielt das Ammt nicht, sondern der graf Friedrich Lodron, weil Bischof in Chiemsee, Breiner, und Dietrichstein in Augspurg auf dem allerheiligen peremptorio, folglich nicht hier sind. Mir gefiehl alles ausserordentlich wohl, weil 6 Oboisten, 3 Contrabaß, 2 Fagötte, und der Castrat2, welcher auf 6 monat, mit monatlich 100 fl. aufgenohmen ist, dabey waren. Ferlendis und Sandmayr hatten die Sole-oboen. Der Oboist beymLodron, ein gewisser Student, dann der Durnermeister [236] und Obkircher waren die Ripien-oboen, Caßl und der Chorherr knozenbry waren dieContrabäße bey der Orgl neben den Posaunen. Estlinger war mit dem Fagott, Hofner und Perwein neben den Oboisten auf dem violin Chor. was mir sonderheitl: gefiehl war, daß da die Oboen und Fagötte der Menschenstimme sehr nahe kommen, die Tutti eine pure recht stark besetzte Vocalmusik zu seyn schiene, indem die Sopran und Altstimmen, durch die 6 Oboen und die Alt Posaunen versteckt, der Menge der Tenor und Baß-stimmen, das rechte gleichgewicht hielten und das pieno so mayestälisch war, daß ich die Oboe Solos ganz gerne hergeschenkt hätte. Die ganze Historie dauerte 5 viertl Stunde, mir war es zu kurz, dann es war wirkl: trefflich geschrieben. Es geht alles natürlich fort; die Fugen, sonderheitlich das Et vitam x: im Credo und das Dona nobis, dann das alleluja im offertorio sind meisterlich durchgearbeitet, die themata natürlich, und keine übertriebene modulation oder zu gähe Ausweichung angebracht. Das graduale, anstatt der Sonate ist ein förmlicher Contrapunct durchaus in pieno. – überhaupts that hier die Stimme des Castraten gute Dienste. sollte ich diese Messe, über Kurz oder lange bekommen können, so schicke ich Dir solche gewiß. noch muß anmerken, daß der Brunetti beym Ferlendis und der Wenzl Sadlo bey den Fagotisten, der Hafeneder aber bey den anderen Oboisten rückwerts stunden, immer auf den Haydn sahen, und ihnen den Tact auf die achsel schlugen: sonst würde es manchmal, sonderheitlich in Fugen und bey laufenden Baß-obligationen artig untereinander gegangen seyn. Nun möchte doch endlich eine Domm Capellmeister, oder Vice Capellmeister Stelle herausspringen, daran so viele Jahre gearbeitet wird. Es wird bey dem allem noch seine Anstände haben; dann Du must zur Neuigkeit wissen, daß Rust in elenden Gesundheits Umständen ist; so zwar, daß ihm Dr: Barisani gesagt er solle abreisen, so bald er kann, wenn er nicht diesen Winter seine gebeine hier lassen will. Er hat demnach seine Entlassung verlangt, die ihm der Erzb: aber nicht geben will, sich über den Dr. Barisani erzörnt und den Dr. Buchman zum Rust geschickt hat. Rust hat, da Barisani [237] nun nicht mehr zu ihm kam, alle Kräfte zusammgenommen, und ist zum Barisani mit des Buchmans verordnete Recepten hinausgegangen, der bey Ansicht derselben ihm sagte, wenn er dieseMedicamenten nehme, so werde er einige Wochen eher sterben. Was nun weiter geschehen wird, wollen wir erwarten; freilich würde etwa der Erzb: leichter 15 fl. für eine Nachtbegräbniß, als 20 Duggatten Reisegeld verschmerzen: und wenn der arme Mann sodann bey seiner Ankunft in Italien dennoch sterben sollte, so wäre es ja für das Reisegeld schade. Ferlendis hat sich beym Fürsten gemeldet, ob er nicht nach Wienn reisen dürfte, um sich etwas zu verdienen; indem er bey seiner Besoldung nicht leben könnte. Da wird nichts daraus: überdas lief er letzlich auf dem Münnichberg wohin er vöglfangen gehet. einem vogl nach, der ihm entwischen wollte, fiel über eine Wurze mit der Brust so heftig auf einen Stock, daß er lang muste liegen bleiben, bis er recht athmen und aufstehen konnte, er muste Aderlassen, und Öhl trincken, und konnte lange nicht blasen. Gestern bey der Probe blies er wieder das erste mahl. Sontagd 2 Nov: Das graduale war nicht von Haydn, sondern von einem Italiener3, Haydn hatte es einsmals vom Reitter ex: bekommen. Heute war ich bey der Gräfin von Lodron von 3 viertl auf 11 uhr bis nach 12 uhr. Sie war, ganz natürlich höflich, sagte daß sie es in zeitungen gelesen, daß Du in Augspurg warst, und sie zweifle nicht Du werdest nach Manheim nicht nur wegen der grossen opera, sondern weil immer deutsche opern alda gespielt werden, und der Churf: die Leute von Talent hochschätze. NB Das kam mit ihrem gestrigen Discurs über die Mittagtafl übereins, den mir derAbbé Henn erzehlte, da sie sagte, der Mozart wird nach Manheim gehen, und, es sey, wie es wolle, ich kann es mir nicht aus dem Kopf bringen, der Churfürst wird ihn behalten. Sie sagte mir eine Menge und fragte mich eine Menge wegen der Pianoforte vom Stein, und ich erzehlte ihr was Du mir davon geschrieben. sie gab dir aus dem Beyfall der gräfin schönborn recht, die ihr erzehlt hättedaß sie wegen den Steinischen Instrumenten über Augsp: gegangen, [238] solche unendlich besser als die Spätischen gefunden, und für sich eines zu 700 fl angesrümmt hatte. mich wundert das h: Stein Dir nichts davon gesagt hat. da wir von der Messe des Haydens zur Rede kamen, sagte ich ihr meine Meinung wie ich Dir geschrieben hatte, und sie fiel mir gleich in die Rede: ja, das war eben die Meinung des Erzbischofs, der Haydn hat ihn nicht recht verstanden, er sagte mirs gleich dort, wie das erste mahl das Kyrie und gloria probiert wurde, er setzte aber bey; ich hab nichts mehr zu ihm sagen wollen, damit ich ihn nicht verwirrt und verdriesslich mache, weil ers schon einmahl so angefangen hat. – Die gräfin ersuchte mich auch zu erlauben, daß die Nannerl zu ihr komme und die Clavier Rondò die Misliw4: der Nannerl geschickt, ihr spielen möchte: Dann ich war Hauptsächlich wegen dem Brief vom Misl: bey ihr, und sie versicherte mich, das den letzten Post-Tag der Erzbischof ihm 25 oder 30 Duccatten in München angewiesen hätte. Sie lued mich öfters ein sie recht oft zu besuchen x: und am Ende ersuchte sie mich Dir ein Compliment von ihr zu melden, dann schrie der graf Baucherl und der qualificierte majorath: Sigerl auch hinter drein: von mir auch! von mir auch! – – Sie fragte mich sogar: wie der graf Leopoldl Arco sich anlasse, welches sie noch niemals gethan. und ich gab ihm das gebührende Lob. NB. Der M: Henry war an Deinem Namenstag bey uns Dir glückzuwünschen, Du hast ihm versprochen, einmal zu schreiben, das magst Du bey einer ruhigen Zeit einmal thun.

Montag, den 3. Nov: Den augenblick komme aus dem Requiem, wo der Sgr. Ceccarelli mitgesungen, weil Festum Praepositum war. er wohnt beym Perückenmacher (der gestorben ist) wo Ferrari anfangs war. er trist und singt mit recht guter Methode. er fragte um Dich, und bedauerte, daß er einen Virtuosen nicht mehr angetroffen, von dem er in Italien, und auch hier so viel ausserordentliches gehört. Ich lud ihn ein Dich im Portrait zu sehen. Nun hat Rust die Erlaubniß zu reisen erhalten, Barisani geht wieder zu[239] ihm: allein man muß itzt erst sehen, ob er durch die Kraf Milch die nötige Kräften bekommt reisen zu können. – h: B: schafmann ist schon heut 8 Täge weg, folglich wirst Du ihn wo antreffen. Des Trompeter schwarz Sohn ist auch angesetzt. Der Erzb: befahl dem Oberststallmeister, wie Du weist, daß er aller ort um Trompeter pro Concurso ausschreiben soll. Nun kam niemand als dieser. nachdem er probiert und recht gut gefunden worden, laugnet der Fürst ins Angesicht weg, daß er iemals befohlen habe, um Trompeter zu schreiben; er wolle sie vielmehr bis auf 6 ab sterben lassen. Nun kan schwarz die 40 Meil weg die er zu Fusse hergelaufen, wieder zurück gehen. Gestern begegnete mir h: von Petermann fragte um Dich mit allem Eyfer; und bath mich recht angelegentlich ihm zu zeiten von Dir Nachricht zu geben mit voller Versicherung, daß er den grösten Antheil an Deinen glücklichen Umstände, die er Dir von Herzen wünscht, nehme. Nun kommt eine Sache, die Euch gewiß, so wie mich sehr verdrüssen wird. wisst ihr wohl, daß unser bester Freund Mr. Grimm5 den Tag, als Du Dein Concert gabst, neben dem Concert Saale bey den 3 Mohren angelangt? – – Ich las es im Augsp: Jntelligenz blat. Den 22 h: v Grimm, Sachsen gothaischer gesandter kommt mit der Post aus Sachsen, logiert bey den 3 Mohren. Ist das nicht zum fraiskriegen. vermuthlich ist er sehr späth angekommen, und den Tag darauf gleich wieder frühe abgereiset: sonst hätte er das aviso gelesen, oder von euch reden hören. wo mag er nun hin seyn? – gott weis es; vielleicht trifft Du ihn noch irgendwo an: genug, daß ihr nun wist, daß er auf der Reise ist. Was würde dieser Mann für eine freude gehabt haben, und ihr, wenn erà tempo eingetroffen, und ins Concert gekommen wäre. Gestern war das gewöhnliche schüssen. Das beste gab Prex6, die Nannerl schosß für ihn und für sich, und gewann das be ste und zweyte. kommenden Sontag wird der traurige abschied in den zwey in Thränen zerfliessenden Personen, des Wolfg: und des Bäsle auf der Scheibe erscheinen. Wo werdet ihr dieses lesen? [240] vermuthlich in Manheim, dann heute ist der zweyte Post-tag, daß wir ohne Briefe sind. Ich wünsche, daß Du in Manheim etwas zu thun bekommst. Sie spielen immer deutsche opern. vielleicht bekommst Du eine zu machen? – Sollte es geschehen, so weist Du ohne dem, daß ich Dir das natürliche, für iedermann leicht fassliche Populare nicht erst recommandieren darf; das grosse, erhabene gehört zu grossen Sachen. alles hat seinen Platz. Ihr lebt ja doch, hoffe, gesund, das ist das Hauptsächlichste das wir wünschen, und für das ihr besorgt seyn müsßt. Ich bekümmere mich immer ein wenig um die Mamma: und Du mein lieber Wolfg: bleib bey Deiner gewöhnlichen Diäte, das ist eine Hauptsache zur Gesundheit, um dieses darf ich mich bey der Mamma nicht sorgen, wenn sie sich nur warm hält; Lebt also gesund, Gott erhalte euch, gott segne euch, ich und die Nannerl küssen Euch millionmahl und bin sammt ihr der alte

Trazom.


Complimente von den Andretterischen, Hagenauerischen. Mölkischen, Mizerl: h: Göth, Ferrari, Ferlendi, fr. v Gerlichs, Salerl, Bullinger, gr. Leopoldl Arco, beym Khünburg gr: Franzl, Carl, und Marchal, ò ich müste eine Lytaney hersetzen, wer könnte sich alles merken! Die ganze Statt ist für uns gut und geneigt!

Auf des Prex scheiben ließ ich einen unfruchtbaren Stein-berg an der Seite malen, aus welchem eine Hand hervorragte, die einen Kranz mit einem Stück Geld haltet. unten am fuß des Bergs und durch den ganzen untern theil der scheibe sind grüner wasen, und Bäume gemahlt. Oben schrieb ich: – –


St: Gilgen ist ein Ort, wo viele Berge sind,

Darinn man aber nichts vom Gold und Silber sind. Das beste, so ich schick, kommt aus der Bauern Beutl, vom Steffl, Lippel, Hanß; vom hiesl, Thoma, veitl. [241] ihm: allein man muß itzt erst sehen, ob er durch die Kraf Milch die nötige Kräften bekommt reisen zu können. – h: B: schafmann ist schon heut 8 Täge weg, folglich wirst Du ihn wo antreffen. Des Trompeter schwarz Sohn ist auch angesetzt. Der Erzb: befahl dem Oberststallmeister, wie Du weist, daß er aller ort um Trompeter pro Concurso ausschreiben soll. Nun kam niemand als dieser. nachdem er probiert und recht gut gefunden worden, laugnet der Fürst ins Angesicht weg, daß er iemals befohlen habe, um Trompeter zu schreiben; er wolle sie vielmehr bis auf 6 absterben lassen. Nun kan schwarz die 40 Meil weg die er zu Fusse hergelaufen, wieder zurück gehen. Gestern begegnete mir h: von Petermann fragte um Dich mit allem Eyfer, und bath mich recht angelegentlich ihm zu zeiten von Dir Nachricht zu geben mit voller Versicherung, daß er den grösten Antheil an Deinen glücklichen Umstände, die er Dir von Herzen wünscht, nehme. Nun kommt eine Sache, die Euch gewiß, so wie mich sehr verdrüssen wird. wisst ihr wohl, daß unser bester Freund Mr. Grimm7 den Tag, als Du Dein Concert gabst, neben dem Concert Saale bey den 3 Mohren angelangt? – – Ich las es im Augsp:Jntelligenz blat. Den 22 h: v Grimm, Sachsen gothaischer gesandter kommt mit der Post aus Sachsen, logiert bey den 3 Mohren. Ist das nicht zum fraiskriegen. vermuthlich ist er sehr späth angekommen, und den Tag darauf gleich wieder frühe abgereiset: sonst hätte er das aviso gelesen, oder von euch reden hören. wo mag er nun hin seyn? – gott weis es; vielleicht trifft Du ihn noch irgendwo an: genug, daß ihr nun wist, daß er auf der Reise ist. Was würde dieser Mann für eine freude gehabt haben, und ihr, wenn er à tempo eingetroffen, und ins Concert gekommen wäre. Gestern war das gewöhnliche schüssen. Das beste gabPrex8, die Nannerl schosß für ihn und für sich, und gewann das be ste und zweyte. kommenden Sontag wird der traurige abschied in den zwey in Thränen zerfliessenden Personen, des Wolfg: und des Bäsle auf der Scheibe erscheinen. Wo werdet ihr dieses lesen?

Fußnoten

1 Michael Haydn.


2 Ceccarelli.


3 Lotti (s. den Brief vom 13. November).


4 Misliveczek.


5 Baron Friedr. Melchior Grimm (1723–1807).


6 = wohl Dr. Prex, ein Salzburger Bekannter Mozarts.


7 Baron Friedr. Melchior Grimm (1723–1807).


8 = wohl Dr. Prex, ein Salzburger Bekannter Mozarts.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 242.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon