15.

[28] Bologna den 27 Martij 1770


In Parma habe ich an Sr Ex: h: Obersthofmeister und hier unterm 24ten diss an Sr Hochf: gnaden, und auch an Dich geschrieben. Ich erwarte, ob alle diese briefe richtig angelangt sind, Deine Antwort. gestern war bey Sr Ex: h: feld Marschall grafen Pallavicini einConcert, dazu Sr Eminez der Cardinal und die ersteNoblesse eingeladen wurden. Du kennst Sr Ex: grafCarl v Firmian; nun wünschte ich, dass Du auch SrEx: gr: Pallavicini kennen möchtest. Dies sind 2 Cavalier, die in allen Stücken gleiche Denkungsart, freundlichkeit, Großmuth, gelassenheit und eine besondere Liebe und Einsicht in alle Gattungen der Wissenschaften besitzten. Sontags hatte ich die Gnade Sr Ex: dem h: gr: Pallavicini aufzuwarten und ihm das schreiben Sr Ex: gr: v Firmian zu überreichen; und kaum hörte er, dass ich in der Heil: Woche in Rom einzutreffen gedenke, sagte er mir gleich, er wolle trachten es so einzurichten, daß er morgen das vergnügen haben möge diesen außerordent: jungenVirtuosen nicht nur allein zu hören, sondern auch dem ersten Adl hiesiger Statt das nämliche Vergnügen zu verschaffen. Alle die Umstände, mit welchen wir in Sr Ex: Wagen abgeholt und wie wir bedient wurden, will ich alles nicht berühren, und nur melden, daß bey 150 Personen des ersten Adls zugegen waren x: Der berühmte [28] P: Martini ward auch eingeladen; und obwohl er sonst niemals in ein Concert gehet, so kam er dennoch: und dieses Concert fieng etwa um halbe acht uhr an und dauerte bis halbe zwölf uhr, weil dieNoblesse keinen Aufbruch machte. Sgr: Abrile und Sgr: Cicognani1 fangen. übermorgen Donnerstag den 29ten werden wir abreisen, und freytag abends in Florenz eintreffen, wo wir bis den 5ten verbleiben und dann unsere Reise nach Rom fortsetzen, so daß wir den 11ten Mittags in Rom eintreffen können, wenn gott kein hinderniß dazwischen setzt.

Was mich sonderheit: vergnügt, ist, daß wir hier ungemein beliebt sind, und dass der Wolfg: hier noch mehr bewundert wird, als in allen andern Stätten Italiens: weil hier der Sitz und Wohlplatz von vielen Meistern, Künstlern und gelehrten Leuten ist. Hier ist er auch am stärkesten versucht worden, und dieß vergrössert seinen Ruhm durch ganz Italien, weil der P: Martino der Italiäner Abgott ist, und dieser mit solcher verwunderung von dem Wolfg: spricht, und alle Proben mit ihm gemacht hat. Wir haben den P: Martino 2 mahl besucht: und jedes mahl hat der Wolfg: eine Fuga ausgeführt, davon der P: Martino nur denDucem oder La Guida mit etlichen Noten aufgeschrieben hat. Wir haben den Cavalier Broschi oder sogenanten Sgr. Farinelli2 auf seinem gut ausser der Statt besucht. Wir haben die Spagnoletta hier gefunden, weil sie in der opera, die im May gespielt wird,prima donna seyn wird, und zwar anstatt der Gabrieli, welche noch in Palermo ist, und die Bologneser angesetzt hat. Wir haben den Sgr: Manfredini3 hier angetroffen, jenen Castraten nämlich, der mit dem h: Panter aus Wienn von Russland kommend bey uns in Salzb: war. xx:

Ein gewisser alter Sigr. Abbate Zanardi läst sich sammt mir dem h: Andrino empfehlen. Einige haben sich wegen dem h: CapellmeisterLolli4 erkundiget. h: Brinsechi und viele Leute [29] haben nach dem h: Hof Statuario5 gefragt, alle empf: sich ihnen sammt mir.

Wir sind in dem Instituto gewesen, und haben des h: Hof Statuarii schöne Statuam gesehen. was ich hier alles gesehen, übertrift das Museum Britanicum: Dann hier sind nicht nur die Naturseltenheiten, sondern alles, was nur immer Wissenschaft heisst, gleich einem Lexicon in schönen zimmern reinlich und ordentlich verwahret zu sehen: kurz! Du würdest erstaunen x: von Kirchen, Malereyen, schöner Baukunst und Einrichtung verschiedener Paläste will ich gar nichts sagen, weil ich vor schlaf ohne dem kaum schreiben kann, dann es ist 1 uhr in der Nacht vorbey, der Wolfg: schnarrcht schon lang, und ich schlafe beym schreiben ein.

Wegen dem Pferdl hast Du gar nicht die mindeste Meldung zu machen. Dann derjenige, der meine Sache, ohne mein wissen und willen, verschenket, wird mir solche mit etwas besserm ersetzen; wenn er ein Cavallier ist, der nicht anders als Edl denken kann – – – – Das Du nach Leipzig schreiben lassen, ist gut. lasse auch an h: grässer schreiben, oder an Heufeld. Lebe wohl! Lebt alle wohl ich küsse Dich und die Nannerl 1000 Mahl. meine Empf: an ganz Salzb: – ich bin Dein getreuer und

schläfriger Mann

Mzt.


[28. März] Es war eben kein übler gedanken dieBall-Menuet uns bis nach Bologna zu schicken um solche aufs Clavier zu setzen, weil niemand in Salzb: ist, der dieses hätte thun können. Der Wolfg: hat übrigens die gröste freude gehabt, er dankt dem h: v schiedenhofen und der Nannerl. Er wird selbst nächstens schreiben; dann gestern schrieb ich, da er schon im Bette lag, und heute setze dieses bey, da er noch schläft, weil die Post gleich abgehet. hier schicket er den Menuet, so M: Pick auf dem Theater in Mayland gedanzet hat. Wir empfehlen uns noch mahls allen guten freunden, und ich bitte h: v schidenhofen, h: vMölk und andere die mir geschrieben [30] mir doch nicht übl zu nehmen, daß nicht antworte. Ich hofe sie wer den überlegen und einsehen, was ein reisender zu thun hat, sonderheit: Da ich alleine bin. Kommabit aliquando zeitus bequemmus schreibendi. nunc Kopfus meus semper vollus est multis gedankibus. Der Wolfg: Küsset Dich und die Nannerl 1000 mahl. Die Brief schickest Du immer nach Mayland an h: Troger. ich bekomme sie richtig und kosten nicht viel. wenn wir in Rom sind werde weiter desswegen schreiben.

unter denen Medicin Recepten wirst Du (ich glaube auf einem langen Papier) unter anderen das Recept von einer Brust-Latwerg finden, die ich mir, wie Du weist oft habe machen lassen. lasse sie in dem nächsten Brief hinein deutlich coppiern. Es fehlt mir, gott lob, gar nichts; allein, ich dachte auf diesen Huflattich Latwerge, weil man nicht weis, was vorfallen kann. Das Medicin-Papier haben wir (gottlob) nur einmahl bis itzt eröffnet, und zwar um dem Wolfg: einen lösl voll Weinstein zu geben

Fußnoten

1 Die Kastraten Guiseppe Aprile und Guiseppe Cicognani.


2 Der damals weltberühmte Kastrat Carlo Broschi.


3 Der Bruder des Kapellmeisters Vincenzo Manfredini (s. Leopolds späteren Brief vom 4. August).


4 Gioseffo Maria Lolli, Kirchenkomponist und Kirchenkapellmeister (1763–1778) am Salzburger Hofe.


5 = Johann Hagenauer, ein Verwandter L. Hagenauers (s. den Brief Wolfgangs vom 30. Dezember 1774).


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 31.
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