16.

[31] Fiorenze 3 d'aprile 1770


Den 30: Merz sind wir abends glückl: in Florenz angelanget, den 31 sind wir den ganzen tage, und der Wolfg: bis zum mittagessen im Bette geblieben, weil er durch den Regen und starken Wind, den wir über das Gebürg hatten einen kleinen Catharr bekommen. ich ließ ihn thee und Violensaft nehmen und ein wenig schwitzen. Den 1 aprill sind wir um 10 uhr morgens zu Sr Ex: gr: v Rosenberg gefahren, der uns also gleich vor sich gelassen, obwohl über 50 Personen in der Antecamera waren, weil wir ein schreiben von Sr Ex: gr: Firmian hatten, und weil er schon durch den graf Joseph v Kaunitz von uns Nachricht hatte, der den tag vor uns ankam, und beym graf Rosenberg wohnet, zu Bologna aber mit uns bey Sr Ex: Pallavicini gespeist hatte. h: gr: Rosenberg schickte uns gleich nach hofe zum Duca de Salviati, mit vermelden, daß er uns dem groß Herzog vorstellen sollte, wir hörten also in der Capelle [31] Predig und Amt, und nach dem Amt hatten wir audienz. Der groß-Herzog1 war ungemein gnädig, und fragte gleich um die Nannerl. er sagte, daß seine Frau sehr Begierig wäre den Wolfg: zu hören, und sprach eine gute viertlstunde mit uns. gestern den 2ten abends wurden wir nach dem schloss vor der Statt abgeholt, und blieben alda bis nach 10 uhr. Die Sache gieng wie gewöhnlich und die verwunderung war um so grösser, da Sr Ex: derMarchese Ligneville2 (welcher Musiquedirector ist) der stärkste Contrapunctist in ganz Italien ist, und folglich dem Wolfg: die schweresten Fugen vorgelegt und die schweresten Themata aufgegeben, die der Wolfg: wie man ein Stück brod isst, weggespielt und ausgeführt. Nardini3 der gute Violinist accompagnierte. Heute nachmittag gehen wir zum Manzoli4. Der Castrat Nicolini, der mit dem guardagni zu Wienn war, ist auch hier. ich bin sehr betrübt. daß wir am Kommenden freytage schon abreisen müssen um in Rom einzutreffen. Ich wünschte. daß Du Florenz selbst und die ganze gegend und Lage dieser Statt sehen solltest, Du würdest sagen, daß man hier leben und sterben soll. Ich werde in diesen paar tägen alles sehen, was zu sehen ist. Der Madme Rosa lassen wir uns sonderh: empfehlen, und ihr sagen, daß ich oft gehört habe, daß es Leute giebt, die keinen vatter haben: wenigst wissen sie ihn nicht; allein daß habe niemals gehört, daß iemand keine Mutter hat. und ich muß sehr bedauren. daß die Madme Rosa keine Mutter hat. Ich wollte ihr meine Aufwartung machen, allein sie ließ mir sagen, sie wüste von keiner tochter in Salzb: nicht, ja sie hätte gar keine kinder niemals gehabt. und hätten mir nicht Leute gesagt. daß sie die nämliche wäre, die ihre tochter selbst nach Salzb: begleitet hat, und hätte ich ihr Portrait niemals gesehen, so würde ich geglaubt haben, daß sie wirklich nicht ihre Mutter wäre, so sehr verlaugnete sie ihre Person; warum? das weis ich nicht zu errathen. Es verdross uns ein wenig, weil wir uns dergleichen verfahren niemals vorstellen konnten. Ich muß schlüssen, [32] die Post geht ab. Der Wolfg: und ich Empfehlen uns aller orten, küssen euch 1000 mahl und ich bin der alte

Mozart


von meinem grauen tuchenen kleid v holland, mit den goldbörteln wirst Du 2 Cammisol-Erml finden. wenn Du sie nebst meinen gehors: Empfehl: derMdßie Trogerin behändigen könntest, damit sie solche mir nach Mayland mitbringen möchte, so wäre es mir sehr lieb, dann die Hosen fangen an zu zerreissen, es wären mir solche zum ausbessern nötig.

Fußnoten

1 Der spätere Kaiser Leopold II.


2 Marchese Eugenio Ligniville.


3 Pietro Nardini, der Schüler Tartinis.


4 Der Kastrat Giov. Manzuoli (s. Wolfgangs Brief vom 7. Januar 1770).


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 33.
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