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Salzburg, d: 26t Jenner 1778


Meine Lieben!


Mein letzter sehr langer Brief war vom 19t – den 22t habe nicht geschrieben. Euren brief vom 17t habe erhalten. Gott Lob ihr seyd gesund, – wir auch. P. Maestro Martini hat mir geantwortet, er hat aber das Portrait noch nicht in Händen, dann es ist mit waaren gepackt, folglich gehet es mit fuhrleuten sehr langsamm, er läst dem Wolfg: 1000 Compt: vermelden. Er wird, wie er schreibt, dem Sgr. Raff schreiben, daß er aus seiner Commißion und in seinem Nahmen dem Kurf: alles erdenkliche von Dir sagen und nach verdienste anrühmen soll2. die vorgenohmene Einrückung der öster. Truppen wird so viel man weis das Reñtamt Straubing betreffen. Der König in Preussen hat nach dem Todt des Margrafen von Anspach die anwartschaft auf Bareyt und Anspach; welche Länder nahe an der Bayerischen Paltz oder Aychstätt liegen. Der Kayser wird also den ganzen Strich landes, was über der Donau liegt von IngolstattRegensburgStraubing bis gegen Passau, wo ohne dieß das Österreich: anfängt, besetzen: denn wann sonst ein fahl geschehen und der König in Preussen die zwey Margrafthümer im Besitz hätte, und es ihm einfiehle den Reichsfürsten, die ohnehin in keiner Verfassung sind, da und dort etwas wegzunehmen, dem Reichstag, dem er auf dem Nacken wäre, gesetze vorzuschreiben, Soldaten aller Orten heimlich und offentlich anzuwerben und alle Nachtbauren zu beunruhigen – wer würde sich ihm widersetzen? – – da er über das eben durch das Rentammt Straubing, welches bis an Eger an Böhmen gränzet, in Böhmen eindringen, folglich das Königreich Böhmen von oben und unten zugleich beunruhigen könnte. Es wird sich wohl aufklären, ob ich es errathen habe oder nicht. Nun hat die Mamma wirkl: ursache zu eyfern, wer vermeint ihr wird, wenn die operisten kommen sollten, bey uns wohnen? – – Die Sigra: [330] Rosa, ihre Mutter und ihre schwester. Man gab mir keine Ruhe, bis ich es, weils nicht lang dauert, zugab, und die Nannerl half selbst dazu. Die Sulzerin wird die Matteratzen hergeben etc im neuen zimmer wird die Rosa, und im schlafzimmer wird ihr Mutter und schwester schlafen. Die übrige Compagnie, wobey h: Baron Vigilius Michl3 als Cembalist seyn wird, gehen alle zum Hofwirth. Ich und die Nannerl schlafen in meinem zimmer hinten, und wann die Mamma Kommt, schläft die Nannerl in des Wolfg: zimmer, die Nannerl hat alles ausgeraumt und ist sehr damit beschäftigt – – warum? – – um nur opern zu hören. Dieß schreibe heut den 25t, auf die Nacht mit der ordinaire Münchnerpost werden wir erfahren, ob gr: Seau dieConditiones eingehet, und ob sie kommen; es ist zur auf 10 Recite, die Subscription ist auf 400 und etlich und 70 fl zusammgebracht worden. – h: Janitsch der Violinist und ein violocellist von Wallerstein4 sind hier, sie waren gleich bei mir, haben einen Brief vom Becke, der schon voraus nach Wieñ istan gr: Khünburg mitgebracht. Der Erzbischof hört sie bey Hofe nicht; sie können sagte er, wenn sie wollen, eine Akademy geben, doch sagte er gar nicht, daß er dazu kommen wollte. was weiter geschieht, und was ich aus ihren Reden gemerkt, werde nächstens schreiben, Becke muß sehr eyfersüchtig über den Wolfg: seyn, er sucht ihn so klein zu machen, als es immer möglich ist. Es ist in den bewusten Sachen auch nun schon der zweyte Brief von mir in Wien, und zwar an die Docktor Fauckin mit der ganzen lebhaftesten Beschreibung unserer Historie; solche Leute bringen gemeiniglich die Sache besser an, als die grossen, wo man nicht wissen kann, ob sie nicht schon für iemand andern eingenohmen sind. Ich habe beydes betrieben, so wohl wegen der tlhtoculn splrm, als wegen der Rlcsaalndmtfsn nach Pmrfo5. ich werde mich nun noch weiterwenden mit nächster Post. grimm hat mir noch nicht geantwortet, das betrübt mich ein wenig. Die Sonaten auf 4 Hände wirst Du beyde bekommen auch die Variationen. [331] Misliwetcek hat letztlich wieder Meldung gemacht, daß er nächstens die Scrittura für Dich aus Neapl erwarte. Ich halte es aber für schwenke, denn er macht diese Meldung nur allzeit wenn er meine Dienste nötig hat. Ich bleibe übrigens bey meiner Meinung, daß Wolfg: nichts in Mannheim lassen soll. Man muß nicht geniert, sondern in voller Freyheit seyn. Ich habs öfter erfahren, und erfahr es noch. Ich sehe in meinem nichts mehr von den Kupferstichen und Sonaten, die ich in amsterdam beym Hummel, in zürch beym Gesner, in winterthur beym Stattschreiber, in Bern beym Seul, und in Geneve bey einem Kupferstecher und auch beym Scherer in Lyon gelassen; obwohl ich mich gemeldet und geschrieben, so hab doch nicht einmal eine antwort bekommen. Durch schaden wird man witzig. Freunde rathen nach ihrer verfassung, in der sie stehen: man muß nicht allzeit bei der ersten Idé die man bekommt stehen bleiben, sondern weiter speculiren. Die Mamma muß sich in der That zur Reise bereit halten: es könnte ungefehr eine gute gelegenheit nach Augsp: oder gar nach München auskommen. ach mein lieber Wolfgang! ich darf auf die ganze Sache nicht denken, sonst ergreift mich die schwereste Traurigkeit. Die Nannerl empfehlt sich Kisset der Mamma die Hände, wir Kissen euch millionmal und bin der alte

Mzt


Nun wird der Wolfg: schon von Kirchheim zurück seyn. Der Msl: Weber und ihrem Vatter geht es halt auch so, wie andern, Propheta non acceptus in Patria!

Die 2 h: von Wallerstein wollten absolute die Nannerl spielen hören, sie liessen es sich entwischen, daß es ihnen nur darum zu thun war aus ihrem gusto auf deine Spielart zu schlüssen, so wie sehr darauf drangen etwas von Deiner Composition zu hören. Sie spielte Deine Sonate von Manheim recht treflich mit aller Expreßion. Sie waren über ihr spielen und über die Composition sehr verwundert, sagten, sie hätten niemals etwas von Dir gehört, Sie sagten, es wären lauter neue und besondere gedanken: und Reicha der violozellist, der recht gut das Clavier spielt, und dann auch auf dem flügl recht bündig [332] orglmässig vorhero spielte sagte öfters, das heist recht gründlich Componiert! – Sie accompagnierten dann der Nannerl Dein Trio fürs Clavier ex B und recht recht vortreflich.

Ich und die Nannerl wünschen dem Wolfg: von herzen glück zum geburts-tage – auch h: Bullinger, gilowsky Catherl und ganze sch= Compagnie, die sich alle euch empfehlen. Nun stehet h: Janitsch und Reicha auch in der schützen Lista, die sie haben auch mitgeschossen. Die katterl gewann das beste, ich hab der Mamma 7 x gewonnen. am Dienstag den 27t wird das Concert auf dem Rathaus seyn.

Nun sind 3 Manifesten heraus, eines vom kayser, wo er alle Bayerischen Reichslehen, als zum Exempl die Statt Mindelheim etc als ihm heimgefallen erkläret. und 2 von der Kayserin, wo gezeigt wird was ihr, vermög alter verträge, von Bayern zufällt, vielleicht werden sie schon alle 3 itzt gedruckt in zeitungen seyn. diesen Augenblick vernehme, daß unser Domherr graf Daun gesagt habe, daß der Churfürst nun in München bleiben, und nach Ostern seine Musik dahin werde kommen lassen. Das erste ich leicht zu glauben, weil er die Regierung alda selbst untersuchen, und dann in bessere ordnung und aus den Händen der Raubvögl bringen muß, welches er niemand alda anvertrauen kann. Das zweyte kan eine natürliche folge des ersten seyn. wie gefällt euch dieser Brief? – – hab ich nichts iedes weisse fleckt hervorgesucht? – – addio!

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 17. Januar.


2 s. die Briefe vom 22. Dezember 1777.


3 = Virgil Michl aus München?


4 Anton Janitsch und Joseph Reicha, Mitglieder der Wallersteiner Hofmusik.


5 Auflösung der Chiffren: teutschen opera, als wegen der Recommendation nach Paris.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 333.
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